Schauriges · Kurzgeschichten

Von:    Nene Carrera      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 3. Dezember 2001
Bei Webstories eingestellt: 3. Dezember 2001
Anzahl gesehen: 2641
Seiten: 3

Sie erwachte.

Ein Geräusch hatte sie aus dem Schlaf geschreckt. Es war dunkel draußen.

Sie lauschte, doch es blieb still im Haus. Nur die Flamme der Gaslampe flackerte. Sie drehte sich um, zog die Decke über den Kopf und versuchte, wieder einzuschlafen.

Es schepperte.

Nun saß sie kerzengerade und vollends wach in ihrem Bett. Der Lärm kam von unten. Sie lauschte wieder, doch niemand rührte sich im Haus, als ob nur sie etwas gehört hätte.

Es klirrte.

Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und schlug die Decke zur Seite. Sie stand auf und ging zum Stuhl, über den sie am Abend zuvor ihren Morgenmantel gelegt hatte. Sie zog ihn über, nahm die Kerze vom Tisch und zündete sie an.

Sie ging zur Tür und trat in den dunklen Flur hinaus. Alles war ruhig. Es hatte den Anschein, daß außer ihr keiner der sechs in dem Haus lebenden Personen da waren.

Es klirrte wieder.

Sie setzte sich in Bewegung, Richtung Treppe. Seit einem halben Jahr lebte sie jetzt in diesem Haus.

Das Haus, das schon am Tage unheimlich war, war im Dunkeln richtig furchteinflössend. Dieses Haus, das schon den Namen nach unheimlich erschien: Ghost Wood Manor.

Es lag in der englischen Grafschaft Kent und war einst ein prachtvolles Anwesen. Doch der Zahn der Zeit hatte am Anwesen, dem Haus und dem Ansehen der Familie genagt.

Sie erreichte die Treppe, auf der sie und ihr Mann Raphael schon des öfteren, manchmal etwas kindisch, herumgealbert hatten. Sehr zum Leidwesen von Raphaels Mutter, Lady Ann-Margreth.

Sie begann die Stufen hinab zu steigen.

Lady Ann-Margreth hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie mit der Ehe von Raphael und ihr nicht einverstanden war.

Sie, Dana McGregor, jüngste Tochter des schottischen Clanoberhaupts Ian McGregor. Lady Ann-Margreth war außer sich, als Raphael sie mitgebracht und als seine Frau vorgestellt hatte. Dana gebenüber war sie immer abweisend und barsch. Doch in den letzten eineinhalb Monaten hatte sich das Verhalten der Lady geändert. Wieso? Das war Dana noch immer ein Rätsel.

Sie war am Fuße der Treppe angelangt und sah sich um, lauschte.

Da. Wieder ein klirren. Diesmal sehr viel leiser als vorher.

Sie setzte sich in Bewegung. Ihr Ziel war der Salon, in dem sie die Geräusche vermutete.
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Sie passierte die große Uhr in der Halle, als sie gerade halb zwei schlug. Dana war nur noch wenige Meter von dem kleinen Vorraum des Salons entfernt, als etwas laut fauchend vor ihr auf den Boden sprang. Durch den Schreck hätte sie fast die Kerze fallen lassen.

Sie schaute sich um. Zu ihren Füßen saß jetzt maunzend die Hauskatze. "Oh, Timba! Du hast also den ganzen Lärm verursacht." Dana beugte sich zu ihr hinunter und kraulte sie.

Mit der Meinung, den Verursacher gefunden zu haben, wollte sie zurück ins Bett. Sie hatte noch nicht ganz die Treppe erreicht, als es wieder klirrte.

Diesmal war sie sicher, es war nicht die Katze, denn die umstrich ihre Beine. Eine andere Katze gab es nicht.

Sie ging wieder auf den Salon zu, durchquerte den Vorraum und blieb vor der Tür stehen. Dana sah, daß Licht hinter der Tür brannte. Sie lauschte und vernahm die Stimmen von Lady Ann-Margreth und ihrem Bruder, Sir George. Auch die von Elizabeth, ihrer Schwägerin. Sie war sich noch nicht schlüssig, ob sie anklopfen oder wieder zurück ins Bett sollte, als irgend etwas hinter ihr knurrte.

Es war nicht die Katze, denn es hörte sich wie ein Hund an. Aber auf dem ganzen Anwesen von Ghost Wood gab es keine Hunde. Sie drehte sich langsam um. Ließ ihren Blick umherschweifen. Doch im Lichtschein der Kerze konnte sie nichts entdecken. Wieder knurrte etwas. Ihr Blick folgte dem Geräusch und blickte in ein rot glühendes Augenpaar. Dana wich zurück, bis die Tür sie aufhielt. Die Kreatur trat in den Lichtschein. Es war ein Mann, mit einem wolfähnlichem Gesicht. Dana kannte das Gesicht hinter dem Wolf. Es war das von Ethan, Raphaels älterem Bruder.

Ein Schrei rang sich aus ihrer Kehle. Sie drehte sich um, öffnete die Tür und lief in den Salon, direkt in die Arme ihres Mannes. Sie vergrub den Kopf in seiner Schulter. Lady Ann-Margreths Gesicht verdüsterte sich und richtete einen vorwurfsvollen Blick auf ihren Sohn und dessen Frau.

Sir George legte seiner Schwester eine Hand auf den Arm, um sie aufzufordern, ruhig zu bleiben.

Raphael schaute auf Dana herab: "Liebling, was ist mit dir?"

"Ethan... Ethan... er ist..."stammelte sie.

"Was ist mit Ethan, Dana?" ließ sich Elizabeth vernehmen.
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"Ich... Ethan... sah... Wolf.. er..." Dana schaffte es nicht, einen zusammenhängenden Satz herauszubringen. Sie verfiel in ein herzzerreissendes Schluchzen.

Ethan betrat leise den Raum. Die Augen der anderen richteten sich auf ihn. Er schloß seine Frau Elizabeth, die ihm entgegenkam, in die Arme.

Währenddessen trat Sir George zu Dana und legte auch ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter:"Nun, nun, mein Kind, beruhige dich erstmal! Und dann erzähl uns in aller Ruhe, was mit Ethan sein soll!"

"Ich kam herunter, weil mich laute Geräusche geweckt hatten," begann sie, noch immer an Raphaels Schulter gelehnt. "Ich betrat den Vorraum und da sah ich Ethan. Er war... A H H H!!!" Dana hatte sich umgedreht, um Sir George anzusehen. Doch was sie sah, war nicht der Sir George, den sie kennen und lieben gelernt hatte. Sie sah alle außer Raphael, der hinter ihr stand, mit vor Schreck geweiteten Augen an. Sie fing an, am ganzen Körper zu zittern. Als Sir George auf sie zu trat, entrang sich ihr noch einmal ein Schrei, dann umfing sie eine tiefe Ohnmacht.



***



Sie erwachte mit einem Schrei.

"Dana, Liebling, beruhige dich." Raphael zog sie in seine Arme. Dana war verwirrt: "Ich war doch eben noch im Salon!?"

"Nein. Du bist die ganze Nacht im Bett gewesen. Du mußt geträumt haben."

"Aber es war so real!"

"Komm, leg dich wieder schlafen. In weniger als einer halben Stunde wird die Sonne aufgehen und wir haben morgen noch viel vor," forderte er sie auf und sie kam dem nach.

"In diesem Traum...! Alle waren Wolfsmenschen," begann sie. "Ethan, Sir George, deine Mutter..."

"Schsch. Es war nur ein Alptraum," beruhigte er sie, "komm, schlaf jetzt wieder."

"Alle waren Wolfsmenschen," murmelte sie, "nur du nicht." Und schon war sie wieder eingeschlafen.

Raphael gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

"Wenn du wüßtest, mein Liebling, wenn du wüßtest!" murmelte er, drehte sich um und löschte das Licht.

Das einzige, was von ihm in der Dunkelheit sichtbar blieb, waren seine rot glühenenden Augen.
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Kommentare zur Story:

  Vielen Dank für eure netten Kommentare :)  
Nene Carrera  -  16.09.04 11:50

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  also echt mir fehlen die worte mein freund der krigt angst der war so faassunglos und boha einfasch perfeckt!!! großes lob!  
Mandy  -  13.09.04 22:38

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  Wow wie ich Werwolfsgeschichten liebe..... vielleicht werde ich ja auch einmal den passenden Werwolf fuer mich finden ;-)
Schoener Schreibstiel. Weiter so  
werwoelfin  -  20.03.02 23:39

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  Aha! Madame kann auch komplette Geschichten liefern! Schon viel besser und wie gewohnt im wunderbar lesbaren Schreibstil. So hätte ich mir auch deinen geheimen Garten gewünscht! Nur Nene und sonst keine!  
Stefan Steinmetz  -  04.01.02 19:46

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  Na ja, nicht besonders originell. Aber der Schreibstil ist sehr gut.  
Pascal  -  08.12.01 14:56

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Kommentar von "Marie" zu "optimistischer Pessimist"

Mir gefällt es, egal, was andere denken. Auch die berschrift lockt. Gruß marie

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