Budapest Keleti pályaudvar   52

Poetisches · Nachdenkliches

Von:    Michael Brushwood      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 11. September 2015
Bei Webstories eingestellt: 11. September 2015
Anzahl gesehen: 2418
Seiten: 2

(Budapest Ostbahnhof)





Trotzend erhebt sich der Stolz der einstigen Donaumonarchie

Schon damals prägte der Prunk die kaiserliche Lebensphilosophie

Österreicher und Ungarn lebten gemeinsam im Habsburger Reich

Das mit dem Ende des ersten Weltenbrandes zerfiel sogleich



Im kalten Krieg, der scheinbar alle Hoffnungslichter stahl

Grinste sein monarchischer Charme weder dunkel noch fahl

Mit einer Brise Westwind versüßte ihr János die feurigen Magyaren

Die andere Welten eroberten in all den scheinbar dunklen Jahren



Und fuhren in jene Länder, von denen die Ostdeutschen träumten

Die den mediteranen Zipfel der großen Weiten in Scharen besäumten

Der Express „Wiener Walzer rollte alltäglich ins bildschöne Österreich

Der „Hungaria“ schluckte die Unterlegenen dorthin, wo die Fassaden so bleich



Im Sommer Fünfzehn platzte der Alte dauernd aus allen Nähten

Obwohl einst die klugen Köpfe am eisernen Mark des Kommunismus sägten

Menschenlawinen überrollten Polizisten in der Sehnsucht nach dem einen Ziel

Das war auch für die leidgeprüfte Herrlichkeit des Ostbahnhof's zu viel



Die zu erdrosseln drohte, unter dem wütenden Sog der Massen

Was selbst die härtesten Gesetzeshüter nicht konnten fassen

Die stählerne Wucht der Stöcke reizte die Verbitterten nur noch mehr

Der Weg nach Germany formte die Fliehenden zu einem unbesiegbaren Heer



Das in purem Mute der Verzweiflung all die Ländergrenzen förmlich überrannte

Da deren einziger Hoffnungsstrahl nur noch den selben Namen kannte

In voller Inbrunst hallte hundertfach das Echo; Germany, Germany, Germany

Wo schon seit Langem regierte, der eisige Dünkel verschrobener Liberty





Die geballte Faust der Ohnmacht hat den Wiener Charme von Budapest geschasst

Und dennoch lächelt in alter Blüte der Neorenaissance scheinend des Kaisers Trutz

Um sich erzürnend zu ängsteln vor dem tiefschwarzen schrundigem Weltenschmutz

Der plötzlich anschob, die Wellen der Sehnsucht nach Wohlstand und sicherem Schutz











Anmerkungen: Mit János meinte ich den langjährigen ungarischen Präsidenten János Kadar, der bei den Ungarn ein hohes Ansehen genossen hatte, da Ungarn jenes Land im damaligen Ostblock war, das den Menschen die meisten Freiheiten gewährte.
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Im Gegensatz zu den ehemaligen DDR-Bürgern konnten die Ungarn im Abstand von drei Jahren ins westliche Ausland reisen. Ins Nachbarland Österreich war dies ständig, und sogar visafrei möglich. Und auch die Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs war wesentlich besser als in der DDR. Nicht umsonst machte im Westen das Wort vom „Gulaschkommunismus“ die Runde. Der Budapester Keleti pu. Weckt derzeit in mir Erinnerungen an meine Jugendzeit. Ich spürte ein wenig den Puls der großen weiten Welt und hatte das Gefühl im Westen zu sein In den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, stieg ich auf dem Weg vom Balaton (Plattensee) auf dem Ostbahnhof um. Für mich Grund genug, die derzeitigen Flüchtlingsströme, die sich fast alltäglich durch diesen schmucken Bahnhof wälzten, die den internationalen Zugverkehr zeitweise lahmlegten, mit besonderem Interesse zu verfolgen. Wehmut befiel mein Gemüt als ich im TV. sah, dass die Flüchtenden sogar auf Lokomotiven kletterten, nachdem Polizei den zwischenzeitlich gesperrten Bahnhof wieder freigegeben hatte. Überfüllte Züge und Bahnhöfe kannte ich schon von der Zeit unmittelbar nach der Maueröffnung. Aber jene Bilder aus Budapest sprengen auch bei mir jeden vorstellbaren Rahmen. Eine Entwicklung, die sicher nicht nur ich mit größter Sorge betrachte. Hiermit ist ein weltweiter Flächenbrand entstanden, der nur verdammt schwer einzudämmen ist.
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Kommentare zur Story:

  Liebe Else: Deine Meinung kann ich nur dick
unterstreichen. Mich erinnert das an jene Zeit,
als noch die DDR-Flüchtlinge von der Prager
Botschaft aus gen Westen fuhren. Damals hatte
die DDR die Zeit die Grenze zur damaligen CSSR
ganz geschlossen. Die gegenwärtige Situation
halte ich allerdings für noch gefährlicher, da die
Anzahl der weiteren Flüchtlinge überhaupt nicht
mehr absehbar ist. Deshalb halte ich es,
nachdem innerhalb einer Woche ca. 65000
Flüchtlinge München erreicht haben, für richtig,
Schengen vorübergehend außer Kraft zu setzen.
Nach meinem Dafürhalten hätte dies schon viel
früher passieren müssen und stattdessen hätte
Deutschland Geld in die Flüchtlingslager im
Libanon sowie im Nordirak und anderswo
investieren sollen. Was die Außenpolitik angeht,
hat die Merke-Regierung auf der ganzen Linie
versagt und die Kommunen, sowie die vielen
freiwilligen Helfer, die mit ihren Kräften
wahrlich am Ende sind, müssen die Sache nun
ausbaden. Herzlichen Dank für den sehr guten
Kommentar!
LG. Michael  
   Michael Brushwood  -  14.09.15 15:30

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  Klasse Gedicht und anschließend ebenso guter Text dazu. Man ist gepackt von deinen Empfindungen und hat alles bildlich vor Augen. Schöne Vergleiche von dem "damals " und "jetzt". Ja, was sich in diesen Wochen ereignet, ist wirklich ungewöhnlich und äußerst besorgniserregend. Hoffentlich kriegt Deutschland das alles noch gut hin.
Ganz liebe Grüße  
   Else08  -  13.09.15 18:26

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Hallo, sehr berührend. Gefällt mir gut, auch wenn es sehr traurig ist. Gruß Sabine

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