DER HIMMEL UEBER ROM, Teil 12 - VORBOTEN DES STURMS   265

Romane/Serien · Spannendes

Von:    Ingrid Alias I      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 26. Dezember 2014
Bei Webstories eingestellt: 26. Dezember 2014
Anzahl gesehen: 3014
Seiten: 10

Diese Story ist Teil einer Reihe.

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   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Natürlich bekam die Sidonia alles mit. Warum nur war sie ausgerechnet an diesem Tag zu Hause...

Es gab heftige Szenen, als die Caenis mit dem Imaginus das Haus verlassen wollte. „Du verdammte Freigelassene, wie kannst du es wagen!“, mit überkippender Stimme griff die Sidonia die Caenis an.

„Beruhige dich Mutter“, die kleine Colonia wollte sie besänftigen, „der Imaginus ist ein Sklave der Caenis, und sie hat alles Recht der Welt, ihn mitzunehmen.“

Da kam sie aber schlecht an bei ihrer Mutter: „Du verdammte Missgeburt! Willst mich belehren? Versteck dich lieber, damit man deine Verunstaltung nicht sehen kann!“

Alle, die dieser Szene beiwohnten, schauten betreten zu Boden, es war ihnen peinlich, was die Herrin über ihr eigenes Kind sagte.

Doch der Colonia selber machte das wohl nichts aus. Sie sah ihre Mutter fest an und sagte: „Deine Missachtung, liebe Mutter, ist zu verstehen, sie ist im Sinne Roms. Im Sinne Roms ist aber auch, dass Freigelassene ihre eigenen Sklaven haben können und über diese auch verfügen dürfen, auch wenn ich diese armen Menschen bedaure. Denn kein Mensch sollte ein Sklave sein!“

„Du sprichst ja schon genauso geschwollen wie sie!“, ihre Mutter schaute sie wütend an, es sah aus, als wolle sie sich eher auf ihre Tochter stürzen als auf die Caenis.

Diesen Augenblick nutzte die Caenis, die mit zwei Sklaven erschienen war, um mit dem Imaginus das Haus zu verlassen.

Die Sidonia verschwand wütend in ihrem Zimmer, aus dem man bald darauf ein Klirren hörte. Vermutlich hatte sie eine Vase zerschmettert.



Vanadis war stolz auf die kleine Colonia. Sie hatte wirklich täuschend ähnlich gesprochen wie die Caenis, fast musste sie nachträglich lachen: Deine Missachtung, liebe Mutter, ist zu verstehen, sie ist im Sinne Roms… Nein, das war nicht die Caenis, die aus dem Kind sprach, Colonia sprach für sich selber, obwohl dieses Kind doch noch so jung war, gerade mal neun Jahre alt. Doch dann überkam sie ein furchtbares Mitleid mit dem kleinen Mädchen. Sie spürte, dass die Colonia traurig war, und das hatte nichts mit ihrer furchtbaren Mutter zu tun, nein, sie hatte einen Freund verloren.

Vanadis tröstete sie, so gut sie konnte. Es war aber nicht gut genug. Die Kleine schien geknickt wie eine zarte Blüte im Sturm.
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Vanadis versuchte einiges. Zuerst sagte sie zu der Kleinen: „Wenn du älter bist, wirst du ihn vielleicht wiedersehen.“ Doch als das kaum eine Wirkung zeugte, überlegte sie, ob sie ihr ein bisschen mehr Mut machen sollte. Und warum eigentlich nicht?

„Du kannst ihn sehen, wenn du willst“, flüsterte sie ihr zu. „Er ist in Capua und befindet sich in der Villa der Caenis. Sie hat sie erst vor kurzem erbauen lassen.“

„Oh danke, Vanadis! Da bin ich aber froh! Vater fährt ja öfter nach Capua, um meinen Großvater zu besuchen. Der alte Mann ist zwar etwas verwirrt, aber sehr nett zu mir. Und ich werde dann bestimmt öfter mit Vater dorthin fahren. Aber nicht nur wegen des Imaginus’, sondern auch, weil der alte Mann krank ist und nicht mehr lange zu leben hat.“

Vanadis stutzte: Marcus fuhr oft nach Capua, um dort seinen alten kranken Vater zu besuchen? Davon wusste sie gar nichts. War es ein Geheimnis? Denn auch keiner der Sklaven hatte eine Ahnung davon. Verbrachte Marcus die meisten Tage seines Urlaubs etwa in Capua statt hier bei seiner schrecklichen Frau? Möglich… Sie schüttelte den Kopf. Dieser Mann war ihr vollkommen unverständlich. Männer als solche waren ja schon unverständlich, aber Römer… ganz besonders.

„Dann ist ja erst einmal alles gut“, sie umarmte die kleine Colonia, es war ein schöner Moment, aber kurz danach wurde sie von der Kleinen mit einer peinlichen Frage überrascht: „Du und der Thumelicus, was ist mit euch? Ich habe gespürt, dass etwas zwischen euch getreten ist.“

Während Vanadis krampfhaft darüber nachdachte, was sie der Colonia antworten sollte, stellte sie etwas fest: Thumelicus hatte die Colonia ihn genannt, obwohl er doch hier im Haus der Sklave Imaginus war. Wusste sie etwa, was er für das Römische Reich bedeutete? Und wenn ja, könnte es für ihn gefährlich sein?

„Du weißt, wer er in Wirklichkeit ist?“, fragte sie zaghaft.

„Natürlich weiß ich das, er ist eine Geisel Roms, sein Vater hat verhindert, dass Großgermanien eine Provinz des Reiches wurde.“

„Aber du wirst ihn nicht verraten, oder?“ Vanadis schüttelte den Kopf, denn schon während sie die Frage stellte, war ihr zu Bewusstsein gekommen, dass die Loni dies nie tun würde.
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„Also wirklich Vanadis, so etwas Unehrenhaftes würde ich doch nie tun…“ Die Colonia sprach im gleichen hochgeschraubten Tonfall wie die Caenis, und Vanadis musste kichern. Die Loni fiel in ihr Kichern ein, und es dauerte eine Weile, bis die beiden sich beruhigt hatten.

„Du bist mir eine“, brachte Vanadis keuchend heraus, „den Göttern sei Dank, dass du dir die Caenis zum Vorbild genommen hast und nicht etwa mich…“

„Aber das habe ich, Vanadis“, die Kleine grinste. „Du und die Caenis, ihr seid beide meine Vorbilder. Also, was ist mit dir und dem Imaginus?“

Vanadis wollte der Frage liebend gerne ausweichen. Sie wusste ja selber nicht, was mit ihr und dem Imaginus passiert war. Oder was nicht passiert war. Ja, das traf es besser.

Doch wie sollte sie es der Kleinen erklären? Natürlich war die Zerrüttung ihres Verhältnisses zu dem Imaginus offenkundig. Auch für die anderen Sklaven des Hauses. Es hatte keine Zärtlichkeiten mehr zwischen ihnen gegeben, und auch keine langen Unterhaltungen. Sie waren sich aus dem Weg gegangen, und obwohl Vanadis gehofft hatte, dass er sich doch noch zu ihr bekennen würde, oder dass er zumindest ihre Hilfe suchen würde, dass er ihr erzählen würde, was er getan hatte oder vielmehr, warum er sich das hatte antun lassen ... ihre Gedanken verwirrten sich und sie musste wieder an das Schlafzimmer der Sidonia denken, in dem er gefesselt lag. Mühsam verdrängte sie diese Erinnerung.

Ja, sie hatte gehofft, dass er sich zu ihr bekannte, aber er hatte es nicht getan, er war nicht zu ihr gekommen, er hatte sie nicht um Hilfe gebeten, sie war nicht Teil seiner seltsamen traurigen Welt, und nun war es zu spät, er befand sich nicht mehr hier.

Im Grunde ihres Herzens fühlte sie sich erleichtert. Sie konnte ihn nicht verstehen, konnte ihm nicht helfen, und sie war froh, dass er nun in Sicherheit war, wie sie hoffte. Aber er würde immer in Gefahr sein, er musste nur jemanden treffen, der es verstand, seine Neigungen auszunutzen. Ach Imaginus, ich wünsche dir das Beste, und ich hoffe, du lebst irgendwann in Frieden mit dir selber. Sie erinnerte sich an den letzten Blick, den er ihr zugeworfen hatte, er war… sie wusste nicht, was er damit ausdrücken wollte. Dass es ihm leid tat vielleicht? Dass er nicht anders konnte? Dass sie nicht einmal seine Seelenverwandte war? Dass er sie nicht geliebt hatte, außer auf eine vage platonische Art? Vor zwei Jahren, kam ihr auf einmal in den Sinn, hatte sie nicht einmal gewusst, was das bedeutete: platonisch… Colonia, trotz deiner Jugend bist du eine gute Lehrerin, und du hast mir eine Bildung zukommen lassen, von der manch freie Bürger Roms nur träumen können.
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Du hast mich das Lesen und das Schreiben gelehrt, wir haben über die griechischen Klassiker gesprochen und über römische Philosophen und den Beginn des Imperiums. Ich weiß über die einstigen Könige Roms Bescheid und über die Republik, die nach ihnen errichtet wurde. Mittlerweile, so glaube ich, könnte ich in jeder vornehmen Gesellschaft einen dummen Satz beitragen, zumindest wird er nicht dümmer sein, als wäre er von einer der großen Damen Roms geäußert worden.

Zögernd begann sie: „Manchmal denkt man, es wäre die große Liebe, doch dann stellt sich heraus, dass sie nicht groß genug ist… Und auch der andere Teil kann vielleicht diese Liebe nicht empfinden, weil er dazu aus gewissen Gründen unfähig ist ...“

Die Colonia schaute sie aufmerksam an und sagte nach einer Weile: „Der Imaginus, wie du ihn nennst, ist ein seltsamer Mann mit seltsamen Neigungen, aber er ist nicht böse, und ich habe ihn lieb. Und obwohl er ein erwachsener Mann ist und so viel älter als ich, denke ich, dass wir viele Gemeinsamkeiten haben.“ Bei diesen Worten sah sie etwas unglücklich aus.

Vanadis war gerührt, wieder schloss sie die Kleine in ihre Arme und flüsterte ihr zu: „Du hast recht, er ist nicht böse, er hat nur Schreckliches erlebt. Und ich kann ihm nicht geben, was er braucht, aber ich glaube, eine so liebe Freundin wie du es für ihn bist, die ist sehr wichtig für ihn.“

Vanadis war froh, dass die Colonia das Geheimnis des Imaginus kannte, dass sie wusste, wer er in Wirklichkeit war. Sein Vater hatte einst das Römische Reich erschüttert bis in seine Grundfesten. Doch viel bemerkenswerter war, dass die Colonia das Wesen dieses unglücklichen Mannes verstand und akzeptierte. Das war wirklich ein Wunder. Und das hier in Rom! Zwei so verschiedenartige Menschen, altersmäßig weit voneinander entfernt, einer ohne jeden Besitz, der andere reich, einer Mann, einer Kind, aus unterschiedlichen Völkern, das eine wild und unbesiegt außer von sich selber, das andere fast immer siegreich.
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Unglaublich war das.

Nein, die Colonia würde ihn nicht verraten, Colonia war so ein liebes und kluges Kind. Doch geschlagen mit einer schrecklichen Mutter.

Oh je, die Sidonia ... Was würde nun passieren? Vanadis kam zum ersten Mal der Gedanke, dass sie nun allein an der Front stand. Die Caenis war nicht da, und der Zorn dieser schrecklichen Mutter würde sich nun auf sie, Vanadis, richten. Die Herrin hatte sie vorhin angeschaut, als wolle sie sie ermorden. Man hatte ihr den herrlichen Sklaven Imaginus genommen, und instinktiv gab sie wohl ihr die Schuld daran: Natürlich hielten diese beiden Sklaven als Eigentum der Antonia Caenis zusammen. Gegen sie als Herrin des Hauses.

Und sie würde sich dafür rächen, das ahnte Vanadis, doch sie hatte keine Idee, wie die Herrin das bewerkstelligen würde. Und so wiegte sie sich in einer Sicherheit, die trügerisch sein konnte. Doch war das ganze Leben nicht trügerisch? Und hatte sie einen Einfluss darauf? Wenn die Herrin ihr Böses wollte, dann war sie ihr hilflos ausgesetzt, auch wenn sie selber unter dem Schutz der Antonia Caenis stand.

*~*~*

Aber sie hatte Glück, denn die Sidonia wurde von ihr abgelenkt: Drei Tage später kam die Kaiserin zu Besuch, und wieder stand Vanadis lauschend an einer Tür. Diesmal war es nicht die Tür zum Schlafzimmer der Sidonia - Vanadis verzog ihr Gesicht, weil sie wieder diesen Anblick vor Augen hatte, Imaginus mit den beiden Frauen - sondern die zum Gartenzimmer.

Für den Monat März herrschte schon sehr heißes Wetter und es fühlte sich unangenehm feucht an. Trotzdem hingen die dicken Vorhänge noch vor den Türen, wohl um einem Kälteeinbruch vorzubeugen. Und mit Vorhängen kannte sie sich ja mittlerweile aus, wie Vanadis ironisch dachte.

Was sie aber am Vorhang hörte, verwirrte sie vollkommen. Was passierte da? Was wollte diese Frau? Sie hatte doch alles: Einen Kaiser zum Mann, und dieser vergötterte sie. Gut, der Kaiser war nicht mehr der Jüngste und der Schönste war er auch nie gewesen, ab und zu stotterte er bei seinen Reden und er hinkte etwas – aber er war klug und gerecht. Gut, er war gerechter als seine Vorgänger…

„Morgen wird die Hochzeit sein“, hörte Vanadis, während sie sich eng an den Vorhang presste, der das Gartenzimmer vom Flur abtrennte.
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Eine Hochzeit, was denn für eine Hochzeit…

„Sie wird wunderbar sein, ich sehe es förmlich vor mir: Ich in diesem Schleier, besser gesagt NUR in diesem Schleier, er wird meine Schönheit aufs Vollkommenste darstellen.

Wohl eher aufs VERkommenste, dachte die lauschende Vanadis. Aber wovon sprach die Kaiserin überhaupt? Wie gebannt stand sie am Vorhang.

„Ich stelle es mir gerade vor“, sagte die einschmeichelnde Stimme der Sidonia. „Du wirst tanzen, angetan mit einem kurzen Rock, du wirst den Thyrsusstab schwingen und deine schöne Brust entblößen, während dein Haar lose flattert. Ich sehe es förmlich vor mir…“

„Gute Idee! Ach, ist das nicht schön? Wir werden den Kaiser stürzen!“, die Messalina klatschte in die Hände wie ein Kind. „Geschieden bin ich ja schon von ihm. Ich habe ihm erzählt, dass er mit mir als Ehefrau an seiner Seite ermordet wird und dass wir das Schicksal eben betrügen müssen, und zwar durch unsere Scheidung, gefolgt von meiner Vermählung mit einem anderen Mann. Weil nämlich dieser dann ermordet wird. Für diese Weissagung“, die Messalina machte bei dem Wort ‚Weissagung’ eine obszöne Geste mit ihren Zeigefingern, es war dies die Geste, mit der in Rom ein Wort lächerlich gemacht wurde, „habe ich dem besten Wahrsager Roms eine Menge Goldmünzen zugeschanzt…“

„Du bist genial, Liebste“, hauchte die Sidonia bewundernd.

„Ich liebe den Gaius Silius eben über alles“, die Messalina gluckste vor sich hin. „und es war ein hartes Stück Arbeit für mich, ihn zu erringen. Aber es hat sich gelohnt…“

„Wie hast du ihn denn gekriegt?“

„Ich habe ihm erzählt, der Kaiser hätte mir befohlen, mit anderen Männern zu schlafen. Dass er ein alter perverser Bock sei, den es erregen würde, wenn seine schöne junge Frau mit anderen Männer herumhurt…“ Die Messalina fing an zu lachen. „Nein, wie ist Rom nur verderbt, und der Kaiser erst einmal…“

Die Sidonia stimmte in ihr Lachen ein. „Und darauf ist der Gaius Silius hineingefallen?“, fragte sie schließlich, während sie ihr Gelächter für einen Augenblick bezwang.
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„Gaius Silius… Ein harter Brocken war das, aber ich wollte ihn unbedingt, er ist der schönste Mann Roms! Nun ja, da war noch was anderes im Spiel“, gab die Messalina zu. „Ich habe ihn bei seinen republikanischen Träumen gepackt, habe ihm erstens die Abscheulichkeit des bösen Claudius bewiesen – und ihm dann den Kaiserthron versprochen – natürlich nur für den Übergang zur Republik…“

„Du bist einfach genial! Die Republik wiederherstellen! Das ist irre!“, die Sidonia wand sich nun in Lachkrämpfen, und die Kaiserin stimmte ein, nein, sie war ja nicht mehr die Kaiserin, sie hatte sich scheiden lassen, um einen anderen Mann heiraten zu können und um den Kaiser zu stürzen. Was für eine infame Person, dachte die lauschende Vanadis.

„Aber auch wenn es schiefgeht, Claudius liebt mich, und er wird mir immer alles verzeihen“, kicherte die Messalina.

„Was für ein Glück du hast, meine Liebe. Das Glück der Schönen und der Bezaubernden“, die Sidonia blickte nachdenklich vor sich hin und schwieg, bis die Kaiserin schließlich fragte: „Was ist mit dir?“

„Ich will sie loswerden. Ich habe gesehen, dass Marcus sie mit Blicken verfolgt. Wie kann er es wagen!“, fuhr die Sidonia zornig hoch.

„Wen denn? Wen willst du loswerden“, fragte die Messalina verständnislos.

Vanadis beugte sich vor, jetzt war ihr Interesse geweckt. Es gab eine Frau, die von Marcus mit Blicken verfolgt wurde? Nein, das konnte nicht sein. Zumindest nicht in diesem Haus. Woanders vielleicht? Marcus, der große Unbekannte mit seiner undurchdringlichen Mimik, was trieb er außerhalb des Hauses? In Capua vielleicht? Oder auf seinen Feldzügen? Sie wollte sich das nicht ausmalen, es war bestimmt ekelhaft. Und es ging sie nichts an. Trotzdem fühlte sie sich verletzt, ach Männer, ihr seid so rätselhaft, so unberechenbar. Wie der Imaginus…

„Na du weißt schon… Ich hasse sie! Sie sieht so unschuldig aus, aber ich traue ihr nicht. Sie muss weg, endgültig!“

„Beruhige dich, meine Liebe“, die Stimme der Messalina klang sanft und gefährlich zugleich. „Morgen werden wir erst einmal meine Hochzeit feiern, am Fest des Bacchus, ich liebe diesen Gott, er ist uns wohlgesinnt! Der Kaiser denkt, meine Scheinhochzeit mit dem Silius sei erst in einer Woche – wir haben übrigens den Silius gemeinsam als meinen zukünftigen Gatten ausgewählt…“, prustete die Messalina.
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„Ich habe ihm erzählt, dieses Miststück würde mich anschmachten, und durch diese Heirat könne ich ihm eine Lektion erteilen…“

„Das ist wirklich…“, auch die Sidonia fing an zu prusten, „zu köstlich!“

„Claudius wird nach Portos fahren, um dort einen Kornspeicher einzuweihen. Ich werde meine Migräne bekommen und nicht mitfahren können. Und dann geht es los! Aber weil ich dich lieb habe und weil ich gut in Rache bin, denken wir uns schnell noch etwas aus ...“

Vanadis beugte sich vor, um die Worte der Messalina besser verstehen zu können, aber die beiden Frauen sprachen nun so leise, dass dies unmöglich war. Also verließ sie ihren Lauscherposten. Sie hatte genug von diesem Geschwätz, von Scheidung, Ehebruch, Verrat und von Marcus, der andere Frauen mit Blicken verfolgte. Wenn er das tat, dann verabscheute sie ihn noch mehr. Andererseits würde sie das der Sidonia gönnen, so wie die sich verhielt. War sie trotz all ihrer eigenen Verfehlungen eifersüchtig auf ihren Gatten? Dann musste der noch schlimmer sein als seine Frau.

Oh nein, es ging sie alles nichts an. Sie wollte sich nur auf ihre Matratze werfen, um zu trauern. Denn sie vermisste den Imaginus, auch wenn sie ihn nicht liebte. Oder vermisste sie das Gefühl, das sie einmal für Liebe hielt? Sie wusste es nicht.

Kurz vorm Einschlafen kam ihr Bacchus, der Gott des Weines in den Sinn: Seine Anhänger wurden einst vom Kaiser Augustus verfolgt, aber Bacchus hatte das überlebt. Morgen war sein Festtag, morgen wurde das Weinfest gefeiert. Bacchus, der früher einen kleinen Tempel auf dem Aventinhügel hatte - bis der Aventin ausgebaut wurde wegen der immer enger werdenden Wohnverhältnisse in der Stadt - besaß nun einen riesigen Tempel auf dem Marsfeld. Und dort sollten seltsame Gebräuche praktiziert werden, manchmal sprachen die Sklaven aus anderen Häusern darüber, sie legten eine geradezu abartige Faszination für diesen Gott an den Tag. Genauso wie die Kaiserin. Vanadis schüttelte den Kopf. Dieser verrückte Gott ging sie nichts an.

*~*~*

Der Sonnenaufgang am nächsten Tag sah wunderbar aus, machte aber einen bedrohlichen Eindruck.
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Blutrot, kein gutes Zeichen…

Ach was, Vanadis schüttelte ihre Befürchtungen ab. Dies war ein Tag wie jeder andere auch. Und vielleicht sogar ein besserer. Denn um die Mittagszeit verließ die Herrin das Haus. Vanadis erinnerte sich vage an die Worte der Messalina: „Morgen werden wir feiern und Bacchus ist uns wohlgesinnt…“ Deswegen war die Herrin weg, sie feierte mit der Messalina deren Hochzeit, und hier im Haus hatten alle ihre Ruhe, weil die Herrin bestimmt nicht so schnell wiederkommen würde…

Am späten Nachmittag wurde Vanadis wie immer vom Koch Plejades losgeschickt, um Besorgungen zu machen.

Die Colonia wollte unbedingt mitkommen, und so marschierten sie los. Die beiden stummen Sklaven trugen die Tochter des Hauses wieder abwechselnd auf ihrem Rücken, und es war wie immer lustig. Die Colonia erzählte, dass ihr Vater schon in der Garnison vor den Toren Roms wäre und wie sie sich freuen würde, ihn bald zu sehen.

Vanadis lächelte gezwungen dazu: Jetzt würde DER auch wieder im Hause sein. Und sie fragte sich insgeheim, ob die Sidonia davon begeistert wäre, verwarf dann den Gedanken, denn es ging sie nichts an. Trotzdem, diese unbekannte Frau, wer war das? Eine aus Rom? Hach, lachte sie innerlich auf, da hast du Unbekannte ja einen tollen Hecht aus dem römischen Fluss gezogen…

„Er kann aber nicht lange bleiben“, erzählte die Colonia und machte ein betrübtes Gesicht. „Höchstens zwei Tage…“

Dem Jupiter sei Dank, dachte Vanadis – und wollte den Gedanken sofort zurücknehmen, denn der Colonia lag viel an ihrem Vater.

Es war furchtbar schwül, noch viel schwüler als gestern. Kaum ein Luftzug quälte sich durch die engen Straßen, und das im frühen Jahr.

Als Vanadis zum Himmel aufschaute - natürlich sah sie nur einen kleinen Ausschnitt, weil die Mietskasernen so hoch waren - da bekam sie fast Angst ob der tiefschwarzen drohenden Wolken, die über den sichtbaren Himmel hinwegtrieben und die Sonne immer mehr verfinsterten. Sie hatte ein seltsames Gefühl, meinte Schatten hinter sich zu sehen, die sich in den engen Gassen versteckten, und die nicht zu fixieren waren, aber das waren bestimmt nur die Wolken, die wechselhaft die Straßen verfinsterten und dann wieder aufhellten.
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Das würde ein Unwetter geben, ganz sicher, und sie sollten sich besser beeilen.

„Wir müssen schneller gehen!“, sie wandte sich um zu den beiden Brüdern, welche die Colonia trugen, und weil es ihr immer noch zu langsam ging, obwohl ihre Begleiter sich die größte Mühe gaben ihr zu folgen, eilte sie ihnen voraus. Sie wollte an den Stand des Schemuel, dort gab es nämlich alle Zutaten, die der Koch für seine Kreationen brauchte.

Hinter sich hörte sie Stimmen, als sie mit dem Ladeninhaber um das Gemüse feilschte, aber sie kümmerte sich nicht drum.

Plötzlich legten sich Hände um ihre Kehle. Sie versuchte zu schreien, aber es ging nicht, es kam nur ein Röcheln heraus. Sie trat um sich, versuchte mit den Händen nach dem Angreifer zu schlagen, versuchte sich schwer zu machen und fallen zu lassen, damit er sie nicht mehr festhalten konnte, doch all das war vergebens.

Die unbekannten Hände schlangen sich immer fester um ihren Hals, sie schnappte nach Luft, konnte sie nicht bekommen, keuchte mühsam vor sich hin - und dann wurde es dunkel vor ihren Augen…
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Kommentare zur Story:

  ich glaube, man nennt das cliffhanger, der wird oft in tv-serien gebraucht, um die spannung zu erhöhen. freut mich, liebe doska, wenn's geklappt hat. der nächste steht schon bereit. ;-)
danke für die weihnachtswünsche und fürs lesen. einen guten rutsch in neue jahr wünsche ich dir!!!!  
   Ingrid Alias I  -  29.12.14 15:13

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  Du machst ja Sachen mit mir! Puh - ist das spannend! Mitten im aufregensten Moment abgebrochen. Du wirst doch wohl nicht deine Vanadis sterben lassen? Na, ich denke das mal nicht, aber wer ist das, der sie zu Tode würgen will? Die Sidonia selbst ist es wohl nicht, also jemand den sie beauftragt hat, die kleine Sklavin zu töten. Wer wird sie retten? Klar, dass ich mit allergrößter Spannung auf das nächste Kapitel warte.

Nachträgliche Weihnachtgrüße an dich  
   doska  -  27.12.14 19:24

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