Mondlicht im Weltwinterwald / Aurora -1-   145

Winter/Weihnachten/Silvester · Fantastisches · Romane/Serien

Von:    Tis-Anariel      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 1. Januar 2013
Bei Webstories eingestellt: 1. Januar 2013
Anzahl gesehen: 2882
Seiten: 9

Diese Story ist Teil einer Reihe.

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   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


So, da sind wir nun also. Sitzen bequem und warm in der kleinen, rustikalen Küche des Wurzelweibleins, haben duftenden, heißen Tee vor uns und tun uns an Keksen gütlich, die nebenbei bemerkt ausgesprochen lecker sind.

Ich muss euch noch etwas sagen, das wichtig ist für unserer weitere Reise. Nehmt bitte nur Essen an, von dem ich sage, dass es in Ordnung ist. Denn Feenspeisen können ganz seltsame Wirkungen auf Menschen haben. Zudem können es manche dieser seltsamen Wesen benutzen um ein gewisses Maß an Macht über euch zu gewinnen. Wie viel, das hängt auch immer von der Art der Fee, der Art der Speise und natürlich auch der Menge derjenigen ab. Also immer sehr vorsichtig sein, wenn ihr hier etwas zu essen angeboten bekommt.

Ah aber bei der Wurzelfrau hier müsst ihr euch nicht sorgen. Wurzelleute meinen es uns meist eh gut und solange niemand ihren Bäumen ein Leid tut sind sie sehr nette und gastfreundliche Wesen. Das Wurzelweiblein, das uns gerade beherbergt ist da keine Ausnahme. Also nur keine Scheu. Greift nur tüchtig zu und spart nicht mit Lob. Darüber freut sie sich.

So jetzt setzt sie sich zu uns, wenn wir eine oder sogar mehrer Geschichten von ihr hören wollen, dann müssen wir jetzt aber fragen.



“Na nehmt euch noch ein Stück Gebäck, greift ruhig zu. Keine falsche Scheu. Ach es schmeckt euch! Das freut mich aber sehr. Und der Tee, schmeckt der euch auch?”



Wir nicken begeistert. Aber es ist auch wirklich ein sehr guter Tee. Die schöne Kräuter-Früchtemischung hat einen wundervoll ausbalancierten Geschmack. Das Getränk ist daher nicht zu süß, aber auch nicht zu herb oder sauer. Der Tee schmeichelt dem Gaumen, wärmt einem von innen her ganz wundervoll die Glieder und tut dem etwas Kältestrapazierten Hals auch noch gut. Wir geben unserer Begeisterung Ausdruck und das Wurzelweiblein beginnt breit zu strahlen. Sie freut sich wirklich darüber und schenkt uns gleich noch einmal nach.

So nun aber, lasst sie uns nach einer Geschichte fragen.



“Ach ihr wollt eine Geschichte hören. Nun da muss ich doch mal kurz nachdenken, welche der vielen Geschichten die ich kenne, ich euch erzählen möchte. Ah ich weiß.

Wie ich euch schon gesagt habe, kennt der Nordwind ja sehr viele Geschichten.
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Aber es gibt auch einige Geschichten, in denen er selbst eine Rolle spielt. Und es gibt da eine, die finde ich selbst ganz besonders schön und darum will ich sie euch nun erzählen.

Nun denn lauscht gut, denn ich erzähle euch vom Nordwind und der schönen Aurora.”





*********************************************





Aurora und der Nordwind





Es war einmal, da reiste noch man mit Pferden, eine kleine Stadt irgendwo im Nirgendwo. Das Nirgendwo war nicht etwa ein Nirgendwo, sondern es war der Name eines Landstriches, der so weit ab von allem war, dass ein Reisender den damals noch namenlosen Landstrich als Nirgendwo bezeichnete. Der Reisende reiste weiter, aber der Name blieb dem Landstrich.

Nun und dort lag eben auch diese kleine Stadt die den Namen Lichtenheim trug. Warum sie so hieß, das wusste keiner. Sie hatte nun einfach diesen Namen und es war den meisten dort lebenden Leuten auch recht egal, warum sie so hieß. Hauptsache sie hatte einen Namen, das war wichtig. Wisst ihr, Namenlose Dinge verschwinden manchmal oder gehen verloren und gerade im Nirgendwo kommt das besonders häufig vor und ist eine stete Gefahr. Also ist es wichtig die Dinge zu benennen.

Der Landstrich Nirgendwo liegt übrigens Richtung Norden und so hatte es oft lange Winter in der Stadt Lichtenheim. Und nun geschah es also, das in einem dieser langen, dunklen Winter einem armen Paar eine wunderhübsche kleine Tochter geboren wurde.

Es war eine bitterkalte, finstere Winternacht in der der Sturm um das kleine Häuschen tobte, an den Fensterläden zerrte und rüttelte und Unmengen frischen Schnees mit sich brachte. Die Frau des Jägers lag nun schon seit Stunden in den Wehen und der arme Mann getraute sich nicht, das Haus zu verlassen um eine Hebamme oder einen Heiler zu suchen. Er sorgte sich, dass er womöglich nicht rechtzeitig zu seiner lieben Frau zurückkehren würde und alleine lassen wollte er sie erst recht nicht. Also blieb er bei ihr und wachte besorgt und ängstlich an ihrer Seite.

Oh wie sorgte er sich um seine arme Frau, als sich ihre Wehen Stund und Stund hinzogen und das Kleine einfach nicht geboren werden wollte. Der Sturm rüttelte immer stärker und schlimmer an dem Häuschen und pfiff und heulte wie ein wildes Tier.
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Es war schon sehr spät in der Nacht, wohl schon bald nahe der Mitternacht, da gingen ihnen die Holzscheite aus und das Feuer drohte zu verlöschen. Also mummte sich der Jäger seufzend in seinen warmen Umhang, zog Stiefel, dicke Handschuhe und seine Mütze an und schickte sich an nach draußen zu gehen um neues Feuerholz vom Stoß, der sich im kleinen Stall befand, herein zu holen. Ängstlich wollte ihn seine Frau aufhalten, aber er beruhigte sie.

“Oh Gloria, meine Leibe,” meinte er zärtlich, “was soll mir schon auf diesem kurzen Weg passieren. Vergiss nicht, ich bin der beste Jäger hier in der Gegend, ich kann gut auf mich aufpassen.”

Sprachs und trat nach draußen, wo ihn sofort der Wind ansprang und beinahe von den Beinen fegte. Zudem blies er beinahe die kleine Laterne aus, die der Jäger mit nach draußen genommen hatte. Überrascht taumelte der Mann, stemmte sich dann aber gegen den Wind und stampfte im flackerndem Licht seiner Laterne das kurze Stück bis zum Stall durch den Schnee.

Bald hatte er den Korb voller Holz und begann wieder zu seinem Heim zurückzugehen, als ihn ein seltsames Geräusch aufhorchen ließ. Kaum konnte man es über dem Brüllen und Heulen des Windes hören, aber der Mann hatte scharfe Ohren. So lauschte er also angestrengt in den Wintersturm und erkannte schließlich, dass es sich bei dem Geräusch um leise Hilferufe handelte.

Gedankenvoll trat er wieder in die Stube, setzte den Korb mit Holz ab und sah seine Frau besorgt an.

“Liebling,” meinte er, “da draußen ruft jemand um Hilfe.”

“Dann musst du helfen, Gregor, mein Liebster.”

Die Augen der Frau offenbarte ihre Not, doch ihre Stimme blieb fest und bestimmt.

“Hab keine Angst um mich, ich komme diese kurze Zeit schon alleine zurecht.”

Der Jäger trat daraufhin zu seiner Freu, nahm ihr kleines Gesicht in seine großen Hände und küsste die Frau voller Liebe und Hingabe. Erst dann nickte er sacht und ließ schweren Herzens seine Frau in der Hütte zurück um draußen im Sturm nach demjenigen zu suchen, dessen Hilferufe ihm der Wind zugeblasen hatte. Er kehrte zum Glück sehr bald zurück und half einer jungen Frau in die Stube. Diese war reichlich durchgefroren und hatte sich auf dem Weg zu ihrer Großtante im Sturm verirrt.
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Ein wenig später offenbarte sich, dass diese Begegnung nicht nur für die junge Frau eine glückliche war, sondern auch für das Paar, denn die Fremde war eine Hebamme und mit ihrer Hilfe konnte Gloria ihr Baby endlich zur Welt bringen. Es war wohl schon Mitternacht, da tat das kleine Mädchen seinen ersten kleinen Schrei. Als hätte die Welt darauf gewartet, hielt plötzlich der Wind inner. Er heulte nicht mehr und zerrte auch nicht mehr an der Hütte des Jägers. Tiefes Schweigen breitete sich aus, in der nur das kleine Stimmchen des Kindes und das Knacken der Holzscheite im Ofen erklangen.

“Oh je!”

Das Seufzten der erschöpften Gloria klang furchtsam. Besorgt drückte sie ihr Kleines an die Brust und malte mit der linken Hand eines der uralten, heiligen Schutzsymbole in die Luft. Die Furcht in ihren Augen traf den Jäger mitten ins Herz. Tröstend legte er seine starken Arme um seine kleine Familie und sah die junge Hebamme mit Sorge in den Augen an. Diese lauschte beklommen in die erdrückende Stille, dann nickte sie kurz und sah den Jäger an.

“Habt ihr,” wisperte sie fragend, “Rauchkräuter im Haus?”

Der Jäger nickte.

“Ja,” antwortete er ebenso leise, “hinten neben dem Vorratsraum in der Trockenkammer hängen sie zu Sträußen gebunden.”

Als der Mann jedoch begann sich von seiner Familie zu lösen um ihr den Ort zu zeigen, hielt ihn die erhobenen Hand der Hebamme auf. Sei schüttelte den Kopf und bedeute ihm stumm, dass er bei seiner Familie bleiben sollte. Dann wandte sie sich ab, fand den kleinen, luftigen Raum sehr schnell und stellte erfreut fest, dass der Jäger eine gute Auswahl verschiedener Rauchkräuter und auch schon vorgebundene Zöpfe hatte. Sie suchte sich einen diese Zöpfe aus, dessen Rauch Schutz und Segen bringen würde und kehrte flott aber nicht hektisch in den Hauptraum zurück. Dort angekommen entzündete sie das Rauchwerk am Kaminfeuer, ließ es kurz brennen und löschte es schließlich mit einer schwungvollen Bewegung. Erst als der süßduftende, heilige Rauch emporstieg und den Raum erfüllte begann die Hebamme wieder zu sprechen.

“Meine Großmutter,” meinte sie, “hat mich im altem Glauben und auch in den alten Riten unterwiesen.
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Sie war eine weise Frau und wenn ich mich hier umsehe, dann nehme ich an, dass auch ihr dem alten Glauben angehören, oder irre ich mich?”

“Nein,” antwortet da der Jäger Gregor, “ihr irrt nicht, gute Frau. Ich und meine Frau gehören dem altem Glauben an.”

Er hielt inne und lauschte selbst in die beklemmende Stille um sie herum.

“Die magische Welt ist auf uns hier aufmerksam geworden, oder? Sie die Geister und Wesenheiten haben womöglich Gefallen an meiner gerade geborenen Tochter gefunden, nicht wahr?”

Er klang sehr, sehr besorgt und die junge Hebamme, die den Namen Raven trug, konnte ihm diese Besorgnis nicht nehmen. Der Mann hatte einen scharfen Blick und einen scharfen Verstand und so bereits erraten, was geschehen war. Denn tatsächlich ließ diese unheilvolle Stille darauf schließen, dass die magische Welt das kleine, neugeborene Mädchen bemerkt hatte. Im besten Fall bedeutete dies ein seltsames, vielleicht sogar großes Schicksal für die Kleine. Im schlimmsten Fall konnte es das Gegenteil davon sein und auf ein tragisches hindeuten. Sie nickte langsam.

“Ja,” bestätigte sie dem Mann, “genau das ist geschehen. Und darum auch der heilige Rauch, so bleiben die Wesenheiten fern und wir können unbehelligt miteinander sprechen.”

Der Mann nickte langsam und bedächtig.

“Und welchen Rat habt ihr für uns, Raven? Was sollen wir tun um unsre Tochter zu beschützen?”

Die junge Hebamme dachte nur kurz nach.

“Zu allererst solltet ihr hier und jetzt, noch bevor die Stunde vorüber ist, eurer Tochter einen Namen geben. Ein starker Name sollte es sein, einer der Licht und voller Kraft ist. Namen sind wichtig und sie schützen auch. Ich werde einen Segen über die kleine sprechen und so ihren Namen vor allen Göttern als den ihren anerkennen und dann werde ich die Runen für das Mädchen werfen. Ich hoffe sie werden uns sagen können was ihr noch tun könnt um die Kleine zu beschützen.”

Der Jäger nickte erneut bedächtig. Das hörte sich nach einem guten Plan an, denn mit der magischen Welt war nicht zu spaßen. Plötzlich fragte er sich, ob diese junge Hebamme nicht vielleicht von einer glücklichen Fügung oder sogar von einem mitleidigen Gott gerade in dieser Nacht zu ihnen geführt worden war.
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Noch während Raven unter dem Schutz des heiligen Rauches alles für den Segen und das anschließende Orakel bereitstellte, sprach Gregor mit seiner geliebten Gloria und zusammen fanden sie dann auch bald einen Namen für das kleine Mädchen.

Und so erhielt die kleine noch bevor die mitternächtliche Stunde vorüber war den Namen Aurora. Wie die bunten Lichter, die in den dunkelsten Winternächten über Lichtenheim und die anderen Orte dort im nördlichsten Nirgendwo am Himmel tanzten. Außerdem bedeutete der Name in einer der alten Sprachen soviel wie Morgenröte. Es war außerdem der Name der Urgroßmutter der Jägersfrau. Es war ein lichter, ein starker und mächtiger Name, gerade recht für so ein Kind, dessen Geburt selbst den Sturm schweigen ließ.

Die junge Hebamme befragte, nachdem sie den uralten Segen über das winzige Mädchen gesprochen hatte, die Runen und jene rieten, dass diese Kind nicht nur einen starken Namen brauche sondern auch selber stark sein müsse. Gleichzeitig sprachen die heilen Zeichen von großen Gaben und mächtigen Freunden.

“Ja,” meinte Raven leise, “es ist wohl so, wie ich es mir gedacht habe. Diesen Kind hat ein großes Schicksal. Aber ich kann nicht sagen, ob diese gut oder schlecht bestellt ist.”

Der Jäger nickte unglücklich.

“Und was ratet ihr uns, Raven Hebamme?”

Die Frau ließ sich etwas Zeit mit der Antwort und las noch einmal in den geworfenen Runen. Schließlich nickte sie.

“Ein starker Name reicht nicht,” begann sie dann, “auch das Wesen, der Körper und der Willen eures Kindes muss stark werden. Die Runen sprechen von großen Gaben und mächtigen Freunden. Lehrt sie, Jäger Gregor. Lehrt eure Tochter das jagen, das kämpfen, die alten Riten und das uralte Wissen unserer Ahnen. Verbindet sie mit den Wald, zeigt ihr, wie sie dort überleben kann und wie sie die Wesenheiten dort als Freunde gewinnen kann!”

Der Jäger nickte erneut, diesmal wirkte er schon zuversichtlicher.

“Ach ja,” fuhr die Frau fort, “die Runen sprechen auch von einem oder mehrere Begleiter, Gefährten für eure Tochter, die einst stark und mächtig sein werdem, aber der schwach und hilflos zu euch kommen wird.
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Ein oder mehrere Freunde, die niemals wieder von ihrer Seite weichen werden. Haltet die Augen offen, ihr werdet diese Wesen bestimmt erkennen.”

Erneut nickte der Jäger und nun auch seine Frau.

“Wir werden die Augen offenhalten,” versprach nun Gloria, “und euch möchte ich von Herzen danken, Hebamme Raven, ich denke eine gute Fügung hat euch heute zu uns gebracht, denn ohne euch hätte ich meine kleine Tochter womöglich gar nicht zur Welt bringen können.”

Einen Moment später zuckten alle drei Erwachsene in der Hütte zusammen, denn plötzlich erstarkte der Wind und toste und heulte und pfiff erneut um die Hütte. Erneut riss er an den Fensterläden und stich klagend um die Ecken des kleine Hauses. Die mitternächtliche Stunde war vorüber!



Der Jäger und seine Frau aber taten, was sie versprochen hatten und so erlernte Aurora schon in jungen Jahren die Geheimnisse des Waldes. Sie lernte die Spuren im Wald zielsicher zu erkennen und zu lesen. Sie lernte an der Hand ihres Vaters auch die Tiere des Waldes kennen, wie sie aussahen, welche Töne sie von sich gaben, wie sie sich verhielten, was sie gerne fraßen, wohin sie gerne gingen, welche Spuren sie hinterließen und wie sie sich bei den verschienen Tieren verhalten sollte, wenn sie ihnen auf ihren Streifzügen durch den Wald begegnete. Sie lernte auch vieles über die magischen Wesenheiten des Waldes. Wie sie aussahen, welche Sprachen sie sprachen, was sie gerne taten, was sie gerne zu sich nahmen, wohin sie gerne gingen, welche Spuren sie hinterließen und wie sie sich verhalten musste, wenn sie einem davon auf ihren Streifzügen durch den Wald begegnete.

Etwas später erlernte sie auch den Umgang mit der Schleuder , dann den Umgang mit dem bogen und schließlich auch wie man ein Messer zielsicher warf und wie man es zur Verteidigung benutzte.

Und schließlich ,als das Mädchen dreizehn Jahre alt wurde, fand sie auch ihre Begleiter, die ihr die Runen geweissagt hatten.

Am Tag ihres Geburtstages strich sie wie so oft an der Seite ihres Vaters durch den Winterwald. Das Kind liebte den Wald einfach und im Winter hatte er einfach etwas unheimliches und geheimnisvolles, das die Kleine auf eine Weise berührte, die sie nicht einmal selber richtig in Worte fassen konnte.
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An diesem Tag entdeckten die Zwei eine schneeweiße Wölfin, die unglücklich in eine Schlinge geraten war und sich daran erwürgt hatte. Gregor Jäger runzelte die Stirn. Er mochte es nicht, wenn unverständige Leute Schlingen legten, denn sie taten es meist nicht richtig und richteten so viel mehr Schaden an, als ihnen wohl bewusst war. Eine richtig ausgelegte Kaninchenschlinge erwischte auch nur Kaninchen und hin und wieder mal ein Eichhörnchen. Eine falsch gelegte Schlinge konnte auch für andere Tiere, zum Beispiel einer Wildkatze oder sogar einem Wolf den Tod bedeuten.

Diese Schlinge war so eine falsch ausgelegte und sie hatte der schönen, schneeweißen Wölfin den Tod gebracht. Seufzend und vorsichtig befreite der Jäger das tote Tier aus der Falle und erkannte traurig am Gesäuge der Wölfin, dass diese wohl Nachwuchs hatte. Die kluge Aurora erkannte diese Tatsache auch sehr schnell.

“Papa,” sie sah ihren Vater mit großen Augen an, “siehst du das? Die Wölfin hat Welpen!”

Der Jäger jedoch schüttelte sanft den Kopf. Er hatte die Spuren rund um die Falle gelesen und diese erzählten ihm von einem verzweifelten Kampf der Wölfin, der sehr lange gedauert hatte.

“Liebes,” Gregor seufzte leise, “sie doch diese Spuren. Sie hat gegen die Schlinge gekämpft und sie hat sehr lange dagegen angekämpft.”

Er deutete auf den aufgewühlten , von feinen Blutspritzern rotgesprenkelten Schnee rund um die Falle.

“Der Draht hat sich tief in ihr Fleisch gegraben, so tief, dass es blutete. Aber siehst du die feine Schicht Reif darüber? Und der Körper der Wölfin ist eiskalt und steif.”

Der Mann blickte mitleidig auf seine kleine Tochter hinab, verschonte sie aber nicht mit den Fakten.

“Ich glaube, sie hat einen Tag oder länger gegen die Schlinge gekämpft und dann hat die kalte Nacht und die Erschöpfung ihr den Tod gebracht. Sie ist aber bestimmt schon vor dem Morgengrau gestorben und nun ist es schon später Abend. Ach Töchterchen, ihre Welpen sind schon zwei Tage und eine lange, eisigkalte Nacht allein. Und da sie noch so klein sind, dass sie gesäugt werden müssen,. Ich fürchte sie werden auch schon nicht mehr leben.”

Der traurige Blick seiner Tochter brach ihm fast der Herz entzwei.
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“Ach Aurora, so ist nun einmal die Welt! Es hätte auch ein Schneelöwe sein können, der der Wölfin den Tod bringt. Nur hätte so einer auch gleich noch nach den Welpen gesucht.”

Aurora biss sich auf die Lippen.

“Können wir nicht trotzdem nach ihnen suchen, Papa? Selbst wenn sie tot sind. Dann wird Mutter Wolf sicher froh darüber sein, doch noch wieder mit ihnen vereint zu sein.”

Der Jäger runzelte die Stirn. Seine Tochter hörte sich so an, als wolle sie das Tier bestatten. Er selbst aber hatte eigentlich vor das wertvolle Fell zu verkaufen. Doch wie er seine kleine, schöne Tochter so vor sich sah, da beschloss er dem Gefühl des Kindes zu folgen.

Aurora war wirklich schön. Ihr Haar war so schwarz wie der tiefdunkle, blauschwarze Himmel zur Mitwinternacht und ihre großen, schräg stehenden Augen erstrahlten in einem klarem, reinem Gletscherblau. Die Nase war gerade und versprach etwas markanter zu werden und der kleine, herzförmig Mund offenbarte schon jetzt ein wenig von dem sinnlichen Zug, den diese Lippen einst haben würden. Sie war immer noch ein wenig kleiner als ihre Altersgenossen, aber sie war bestimmt ausdauernder und stärker als diese.

Gregor seufzte erneut, dann jedoch nickte er.

“Na gut, Aurora, lass uns sehen ob wir die Kleinen der Wölfin finden können.”

Und sie fanden die Höhle der Wölfin tatsächlich und gegen jede Vernunft waren von den sechs Jungtieren sogar noch drei am Leben. Die Winzlinge waren schwach und dem Tode näher als dem Leben, aber noch schlugen ihre kleinen tapferen Herzen. Und da der Jäger ein genauso großes Herz wie seine Tochter hatte und dieser sowie nichts abschlagen konnte, nahmen sie die drei kleinen, hellfelligen Wolfwelpen mit nach Hause.
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Punktestand der Geschichte:   145
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Kommentare zur Story:

  Hallo Marco,

wie schön, dass dir dieser Anfang so gut gefällt.
Es freut mich, dass ich die Bilder malen kann.

Liebe Grüße dir  
   Tis-Anariel  -  06.01.13 01:56

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Eine schöne Geschichte, die das Wurzelweiblein zu erzählen beginnt. Die anheimelnde Athmosphäre und auch das Unheimliche, das da herumspukt in der Natur, lassen die Geschichte des Naturmädchens Aurora in schillernden Farben leuchten.  
   Marco Polo  -  01.01.13 19:50

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Kommentar von "darkangel" zu "Stein in der Mauer"

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