Schatten der Vergangenheit   247

Spannendes · Kurzgeschichten

Von:    Daniel Freedom      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 14. Juni 2012
Bei Webstories eingestellt: 14. Juni 2012
Anzahl gesehen: 4400
Seiten: 5

Er kam voller Elan die Treppe herunter, als er aus den Augenwinkeln heraus

die Bewegung wahrnahm. Etwas raste auf ihn zu und dann kam der Schmerz

und die Dunkelheit. Er spürte nicht mehr, wie er auf dem harten und kalten Betonboden aufschlug.



Dunkle Schatten. Kälte. Übelkeit. Woge für Woge schaffte er sich aus der Bewusstlosigkeit.

Glitt zurück und kam in langsamen Wellen wieder zu Bewusstsein. Aber er war zu verwirrt, um zu begreifen was passiert war. Angst und Panik machten sich in ihm breit. Er wollte sich bewegen aber nichts passierte. Kein Zucken, nichts. Nur Kälte und eine furchtbare Ungewissheit.

Er versuchte seine Augen endlich zu öffnen. Zwang sie mit all seiner Kraft sich der Wahrheit zu stellen. Es dauerte eine Ewigkeit und als er es endlich hinbekam, änderte sich einfach nichts. Immer noch diese Dunkelheit. Ein wenig mehr grau in diesem Schwarz aber kein Licht, keine Bewegung, gar nichts. Was zur Hölle war geschehen? Er war doch gerade noch zu Hause gewesen und dann…, ja da war eine Erinnerung. Die Treppe, der Schmerz. Jemand hatte ihn niedergeschlagen. Aber wer und vor allem warum? Und wo zum Henker war er jetzt?



Er versuchte sich zu beruhigen. „Langsam ein- und ausatmen und bis zwanzig zählen“, sprach er in Gedanken zu sich selbst.

Sein ganzer Körper tat ihm weh. Und ein dumpfes Klopfen machte sich in seinem Kopf immer stärker bemerkbar. Er wollte sich an den Hinterkopf fassen, doch seine Hände konnten diesen Befehl einfach nicht ausführen und er konnte sie nicht einmal fühlen.



Dann überrollte ihn wieder diese Schwärze, diese dankbare Dunkelheit. Sie vertrieb seine Schmerzen und seine Angst.

Doch die Wellen trugen ihn unerbittlich wieder an die Oberfläche, er fühlte jetzt seine Arme und Beine, spürte wieder die Schmerzen.

Wo war er nur? Er nahm wieder die eisige Kälte und diese verdammte Dunkelheit wahr. Er sah sich immer wieder um langsam aber sicher konnte er Konturen in den Schatten erkennen. Links von ihm war ein hellerer Fleck, vielleicht ein abgedunkeltes Fenster. Der Gedanke blind zu sein, verschwand zum Glück wieder aus den Windungen seines Hirns. Er war in einem Raum, einem Kellerraum oder etwas Ähnlichem. Das Wort Gruft verscheuchte er sofort wieder aus seinen Gedanken.
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Er war gefesselt und lag auf einem kalten Steinboden. Sein Kopf brannte jetzt vor Schmerzen, aber etwas Gefühl war in seinen Körper zurückgekehrt und er war auch nicht gelähmt, wie er in seiner ersten Panik gedacht hatte, sondern wie ein Päckchen verschnürt und hier abgeladen worden. So langsam kamen die Synapsen in seinem Hirn wieder in die Gänge und er konnte wieder zusammenhängend denken. Wie lange lag er schon hier? Er wusste es nicht. Er war immer wieder zu sich gekommen um dann doch wieder das Bewusstsein zu verlieren. Hatte ihn jemand niedergeschlagen und hierher gebracht? Aber warum? Wer sollte ihn entführen oder überfallen? Er war kein reicher Mann. Nur ein Angestellter einer kleinen Bank. War es das? Hatte es mit der Bank zu tun? Wollte man etwas über die Bank in Erfahrung bringen? Hatte man ihn deshalb entführt?

Seine Gedanken überschlugen sich. Hatte er jemandem auf die Füße getreten oder hatte man ihn einfach nur verwechselt? Ein verärgerter Kunde vielleicht? Aber dafür wurde man doch nicht niedergeschlagen und entführt. Und doch, es gab viele verrückte Menschen da draußen, hinter den Mauern seines Gefängnisses und er wünschte sich jetzt nichts mehr, als dort zu sein unter diesen ganzen Irren.



Ein Geräusch, das Klimpern eines Schlüsselbundes. Er hielt den Atem an. Das Klacken des Schlosses und das leise Schrammen einer Tür über den Boden und endlich ein wenig mehr Licht. Ein Schatten fiel auf ihn, von der Person, die in der Tür stand. Aber er konnte nichts erkennen. Das Licht kam aus dem Rücken der Gestalt und ihr Gesicht war nicht zu sehen. Langsam kam der Fremde, sein Entführer näher. Ganz langsam. Jedoch nicht aus Vorsicht, nein, um das alles hier, diesen bizarren Augenblick in vollen Zügen zu genießen.



Ein Schauder durchlief ihn und er war starr vor Angst. In diesem Augenblick kam ihm ein Gedanke, ein Bild entstand in seinem Kopf, aber bevor er es fassen konnte, war es auch schon wieder verschwunden, wie ein Schatten wenn eine Wolke die Sonne verdunkelt.

Dann war die Gestalt nur noch ein paar Zentimeter von ihm entfernt. Er nahm den Geruch eines Parfüms wahr, dass ihn noch mehr verwirrte. Es war der Duft einer Frau. Jetzt verstand er überhaupt nichts mehr. Was war hier nur los? Tränen rannen ihm über das Gesicht.
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„Erinnerst du dich nicht?“, kam die Stimme aus den Schatten. Er konnte nur den Kopf schütteln. Kein Laut kam über seine ausgetrockneten Lippen. Seine Kehle gab nicht mal ein Krächzen her.

Sie drehte sich ein wenig zur Seite und endlich fiel das Licht auf sie und ihr Gesicht. Es kam ihm bekannt vor aber er konnte oder sein geschundenes Gehirn wollte es nicht einordnen. Da war er wieder dieser Gedanke, diese Erinnerung, der Schatten, der ihm immer wieder entschwand. Diese Frau ließ ihm Zeit, starrte ihn nur stumm an und dann wusste er, wer da vor ihm stand. Wie ein Blitz schlugen die Erinnerungen in ihm ein und sein Herz schlug noch schneller. Doch was sollte das alles? Er verstand immer noch nicht, was hier vor sich ging und etwas in seinem Innern erzitterte und wusste, dass etwas Grausames auf ihn zu kam und wieder rannen Tränen der Verzweiflung über sein Gesicht.



„Es ist jetzt knapp fünf Jahre her, als ihr mich da habt liegen lassen in dieser Hütte“, sagte sie und er sah alles wieder vor sich. Diese blöde Geschichte, die er lange vergessen hatte. Es sollte doch nur ein Spaß werden aber es war aus dem Ruder gelaufen, wie man so schön sagt und er hatte das alles verdrängt und vergessen. Es hatte einen Junggesellenabschied für seinen Freund Bernd gegeben. Ja diese verdammte Hütte mitten im Wald. Die Erinnerungen waren jetzt wieder da, ob er wollte oder nicht. Dieser Abend war richtig ausgeartet. Es gab zu viel Bier, zu viel Schnaps und zu viele Drogen.

Sie war auch dort gewesen. Die Stripperin. Alles ging seinen normalen Weg, bis Bernd zu viel wollte. Er konnte seine Finger nicht von ihr lassen und zog sich dafür einen Tritt in die Eier ein. Nun ja, es kam zum Streit. Bernd wollte sie schlagen und die anderen hatten jede Menge Mühe, ihn ruhig zu stellen. Aber auch sie ließ sich nicht beruhigen und wollte die Bullen rufen. Und jemand, er wusste nicht mehr wer, kam auf die Idee das Mädchen zu fesseln.

Es gab in der Hütte einen kleinen Raum, mit einer Schlafgelegenheit, wo sie sie mit Klebeband gefesselt hatten, bis sich alle Gemüter wieder beruhigt hatten und sie einsah, dass es besser war, nicht die Polizei zu rufen. Aber war es wirklich so gewesen?

Das Trinkgelage dauerte noch lange und irgendwann waren die meisten nach Hause und er war auf der Couch total besoffen eingeschlafen.
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Als er am nächsten morgen aufwachte, waren nur noch Bernd und einer seiner Brüder da. Aber an den Namen konnte er sich nicht mehr erinnern. Und da fiel ihm die Stripperin wieder ein an diesem Morgen. Als er die beiden fragte was mit ihr sei, bekam er nur zur Antwort, sie hätte sich wieder beruhigt und sei nach Hause. Bernd hätte sich bei ihr entschuldigt und ihr einen Hunderter mehr gegeben. Er konnte sich jetzt dunkel an ein Gefühl erinnern, dass die beiden damals etwas seltsam waren, doch ihm war einfach zu schlecht und er war zu betrunken gewesen, um sich weiter Gedanken darum zu machen. Er hatte etwas gewusst, gespürt aber er wollte einfach nichts davon wissen, nicht nachhaken, sich nicht selber in Schwierigkeiten bringen und alles war in Vergessenheit geraten.



Doch was wollte sie jetzt von ihm? Rache? Er hatte ihr doch nicht wirklich etwas getan.

„Deine Freunde, die Brüder hab ich schon erwischt und jetzt bist du an der Reihe“, hauchte sie ihm ins Ohr. Wieder durchlief ihn ein Schauder, der sich langsam von seinem Nacken bis in seinen Unterleib fraß. Dann fand er endlich seine Stimme wieder.

„Ich hab dir doch nichts getan“ flehte und bettelte er. „Wir haben dich nur fest gebunden und am nächsten Tag bist du gegangen“.

„Hat er dir das erzählt, lügst du einfach nur oder hast du es dir selber so schön geredet, um dein Gewissen zu beruhigen?“, fragt sie ihn ganz ruhig und blickt ihm tief in seine schreckgeweiteten Augen.

„Nein das ist die Wahrheit“, schrie er. „Meine Güte das ist ewig her, wir waren jung, rauchten Gras und seit dem hab ich auch niemanden mehr von diesen Typen gesehen. Ich hab einen Entzug gemacht, hab eine Stelle in der Bank bekommen und führe ein ganz normales Leben“, rasen die Worte aus seinem Mund. „Dieser Abend war schrecklich. Ich war stock besoffen und am nächsten morgen warst du weg“. „Weg?“ schrie sie ihn nun an. „Zwei Tage war ich dort und sie sind immer wieder über mich hergefallen die Schweine. Sie haben mich vergewaltigt, wieder und wieder. Und als sie endlich das Interesse an mir verloren, da haben sich mich ins Auto geladen und mich irgendwo in diesem Wald rausgeschmissen, wie ein Stück Dreck, um mich da verrecken zu lassen. Du hast keine Ahnung, wie schrecklich diese Nacht und die Tage danach waren.
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Nicht die geringste. Aber ich habe euch erwischt. Die ersten Drei sind jetzt von meiner Liste gestrichen und den Rest werde ich mir auch noch vornehmen. Alle, die an diesem Abend da waren, werden leiden, leiden wie ich und sich wünschen, nie geboren worden zu sein. Aber jetzt bist du und nur du dran und ich werde es genießen“.

Sogar in dieser Dunkelheit sah er ihre roten blutunterlaufenen Augen und den Speichel, der ihr aus dem Mund lief. Sie hatte ihm die Worte entgegen geschrieen und nun stand sie langsam wieder auf.



Er versuchte es noch einmal: „Was hast du mit mir vor…“, aber sie ließ ihm nicht die geringste Chance um sein Leben zu betteln oder zu verhandeln. „Du wirst hier wohl sterben“, sagte sie jetzt ganz ruhig und gelassen und das war das Schlimmste.

„Ich werde dich hier liegen lassen, so wie es deine Freunde mit mir getan haben, und sehen was passiert. Vielleicht hast du Glück und irgendwer findet dich hier aus Zufall. Vielleicht hast du Pech und Jemand oder Etwas findet dich, dem nichts an dir oder deinem Leben liegt. Oder du wirst ganz einfach verdursten und verhungern. Das ist mir scheißegal“, waren ihre letzten Worte, bevor sie aus dem Raum verschwand. Er hörte wieder das Kratzen der Tür, das Einrasten des Schlosses und schrie ihr nach aber es nutzte nichts. Sie war weg.



Die Dunkelheit war wieder da und jetzt ließ sich das Wort Gruft einfach nicht mehr aus seinem Kopf verbannen. Das letzte was er in seinem erbärmlichen Leben wahrnahm, waren seine immer leiser werdenden Schreie in der Dunkelheit seines Grabes.
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Punktestand der Geschichte:   247
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Kommentare zur Story:

  Ja rachsüchtige Psychopatin trifft es nicht so wirklich!  
   Daniel Freedom  -  19.06.12 12:26

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Gute Story! Nur... Ähh - rachsüchtige Psychopatin??!
Aber OK; es ist ja nur eine Geschichte...  
   Ano Nymos  -  17.06.12 21:04

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Danke! Es ist eine alte Geschichte, die ich ein wenig überabeitet habe und die eigentlich einen anderen Titel hatte. Der neue ist mir erst gestern eingefallen und ich find ihn auch viel besser!  
   Daniel Freedom  -  15.06.12 22:28

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  Gute Gruselstory einer rachsüchtigen Psychopathin. Der Titel gefällt mir sehr gut.
LG  
   Francis Dille  -  15.06.12 19:53

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Interessante Kommentare

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Muahhhh, bah, widerlich, ekelhaft... Wie kommt man denn auf soetwas?? Da hast du dich aber geekelt an dem Tag, oder? Und du steckst die anderen damit an. Auch wenn der Inhalt fies ist, ein gelungener ...

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