Spannendes · Kurzgeschichten

Von:    René Oberholzer      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 17. Mai 2012
Bei Webstories eingestellt: 17. Mai 2012
Anzahl gesehen: 2734
Seiten: < 1

Meine Grossmutter ging immer ins Zimmer ganz hinten links. An der Tür hing das Schildchen "Jamaica". Meine Grossmutter sagte nicht, was in dem Zimmer war. Wenn sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, drehte sie den Schlüssel. Nicht einmal mein Grossvater wusste, was sie in "Jamaica" tat. Manchmal war meine Grossmutter für Stunden weg, dann kehrte sie aus "Jamaica" zurück und erzählte uns, dass sie John F. Kennedy und Fidel Castro getroffen hätte. Mir sagten diese Namen nichts, aber so wie die Grossmutter über sie redete, mussten es bedeutende Männer sein. Mein Grossvater sass im Schaukelstuhl vor dem grossen Haus und rauchte seine Pfeife. Wenn ich ihn fragte, wie es denn in "Jamaica" sei, sagte er: "Ich weiss es nicht, frag lieber deine Grossmutter." Und als ich sie fragte, sagte sie: "Darüber darf ich nicht sprechen." Dann ging ich zu meinem Grossvater und erzählte ihm, was die Grossmutter zu mir gesagt hatte. Der Grossvater schwieg und schaute in den Obstgarten.



Meine Grossmutter blieb mit zunehmendem Alter immer länger in "Jamaica". Den Grossvater machte das traurig. Manchmal nahm die Grossmutter viele Esswaren und Getränke unter den Arm und verschwand für Wochen nach "Jamaica". Und als sie zurückkehrte, sagte sie nur: "Ich bin wieder zurück, ich muss meine Kleider waschen, ich freue mich, euch wieder zu sehen." Einen Tag später verabschiedete sie sich wieder von uns, und wir wussten, dass wir sie lange nicht mehr sehen würden. "Aber wenn sie auf einmal stirbt", sagte ich zu meinem Grossvater, "dann wissen wir das ja nicht." "Das will deine Grossmutter so haben."



Eines Tages stand ich vor "Jamaica" und hörte merkwürdige Geräusche. Meine Grossmutter hörte ich nicht. Erst nach Wochen kam sie mit vielen zugeschnürten Schachteln aus "Jamaica" zurück, ging in den Garten und zündete die Schachteln an. Dann umarmte sie uns alle und sagte: "Ich liebe euch." Als die Schachteln verbrannt waren, ging sie in den Wald und kehrte nie mehr zurück.



Ich habe seither nichts mehr von meiner Grossmutter gehört. Ich vermute aber, dass sie sehr alt geworden ist.
Punktestand der Geschichte:   34
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Kommentare zur Story:

  Verstehe ich nicht so ganz, aber vielleicht rauchte sie da Zigarren aus Jamaika und hörte schließlich damit auf als sie die leeren Zigarrenkisten verbrannte? Wie dem auch sei, spannend und rätselhaft ist dein kleiner Text irgendwie.  
   Evi Apfel  -  18.05.12 19:06

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Kleine Meerjungfrau" zu "Bah, Ekelattacke"

Muahhhh, bah, widerlich, ekelhaft... Wie kommt man denn auf soetwas?? Da hast du dich aber geekelt an dem Tag, oder? Und du steckst die anderen damit an. Auch wenn der Inhalt fies ist, ein gelungener ...

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