Norchas Mühlenkinder (Kapitel 2)   187

Romane/Serien · Trauriges

Von:    Shannon O'Hara      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 29. April 2012
Bei Webstories eingestellt: 29. April 2012
Anzahl gesehen: 2766
Seiten: 2

Übermütig sprang das kleine Mädchen an der Hand der Frau über den kurzen Weg zum Garten. Das lange, blonde Haar, am Morgen zu zwei Zöpfen gebunden, hatte sich im Verlauf des Vormittags im wilden Spiel ein wenig gelöst. Frech lugten einzelne Strähnen hervor, umrahmten das leicht verschmutzte aber glücklich lachende Kindergesicht.

Wieder schaute die Kleine an dem weiten Rock der Mutter vorbei zu dem Jungen, der an der anderen Hand mitgenommen wurde.

„Kuckuck!“

Harrid sah zu seiner Schwester herüber, lachte sie an und wiederholte: „Tuttutt!“

„Er kann es immer noch nicht!“

Fröhlich sah sie in das Gesicht der Mutter, freute sich über deren mildes Lächeln.

„Er ist noch klein. Warte ab, zu seinem Geburtstag wird er auch ein ‚K’ sprechen können.“

Der Schalk blitzte in den Augen der Kleinen auf.

„Oder wird er es sagen tönnen?“

Ihre Mutter lachte herzhaft, sah sie dann gespielt böse an.

„Du kleines Biest, du.“

„Ja, ich bin ein Biest!“

Stolz drückte sie ihre schmale Brust heraus, ging hocherhobenen Hauptes ein paar Schritte. Sie war ein wenig aus dem weiten Schürzenkleid herausgewachsen. Der Saum bedeckte kaum mehr ihre Knie, erlaubte ihr allerdings, mit ihren langen, dünnen Beinen große Schritte. Gespielt überdeutlich schwenkte sie den Korb in ihrer Hand, den sie am Rand des Beetes abstellte, als die drei den Garten erreichten.

Die Mutter hob Harrid auf die breite Steinmauer, die den Garten zu der einen Seite abgrenzte, weiter hinten von einer hohen Hecke abgelöst, ermahnte ihn, nicht herunter zu rutschen und wandte sich den ersten Wurzeln zu.

Vater und Wallec, ihr älterer Bruder, würden bald hungrig von der Feldarbeit zurückkommen, daher beeilte sich das Mädchen, der Mutter beim Ausgraben des rötlichen Gemüses zur Hand zu gehen.

Sie spürte das leichte Beben zuerst unter ihren blanken Sohlen, sah sich verwirrt um. Auch ihre Mutter hatte zu graben aufgehört, lauschte dem seltsamen Geräusch, das aus dem Boden zu dringen schien.

Harrid hatte sich auf die Mauer gehockt, betrachtete angespannt etwas in einer Mauerfuge. Er ließ sich von dem regelmäßigen Beben, das näher kam, nicht aus seinen Erkundigungen reißen.
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„Bleib hier, ich hole Harrid und dann gehen wir wohl besser ins Haus.“

Das Mädchen beobachtete seine Mutter, betrachtete die große Schleife der Schürze, die sich dunkel auf dem hellbraunen Kleid abzeichnete, betrachtete das dicke, lange Haar, das in einem geflochtenen Zopf lang über ihren Rücken hing. Es hörte sie kurz etwas zu Harrid sagen, verstand aber die Worte nicht, da das trommelnde Dröhnen die Mauer erreicht hatte.

Ein gestaltloser, schwarzer Blitz schoss hinter der Hecke hervor, bewegte sich rasend schnell an der Mauer vorbei und verschwand wie ein schlechter Traum aus seinem Blickwinkel.

Immer noch betrachtete das Mädchen den Rücken der Mutter, versuchte in der wieder eingekehrten Ruhe ihre Worte an Harrid zu verstehen.

Doch sie sprach nicht.

Sie bewegte sich nicht einmal.

Es bewegte sich nur ein dunkler Rinnsal an ihrem Hals, der langsam begann, das hellbraune Kleid dunkel zu färben.

„Mama?“

Langsam, als hielt etwas Lähmendes die Glieder des Mädchens in seiner Gewalt, setzte es einen Fuß vor den nächsten. Es verbot sich einen Lidschlag, starrte wie gebannt auf den beständig wachsenden Fleck im Kleid der Mutter.

Plötzlich knickte die junge Frau in einem Knie ein, verlor das Gleichgewicht und neigte sich leicht zur Seite. Stützend sprang die Tochter auf sie zu, hielt ihren Arm, drückte eine kleine Hand gegen den Rücken, zerdrückte die wohl gefaltete Schleife.

Kräftig musste die Kleine gegen das Gewicht der sich neigenden Frau arbeiten. Sie stemmte sich mit aller Kraft gegen den Leib der geliebten Mutter, doch schnell schwanden ihre Kräfte. Zärtlich legte die Mutter ihren Leib gegen den der Tochter.

„Ich bring dich ins Haus, Mama. Stütz dich auf mich.“

Hatte ihre Mutter geantwortet?

Sie war sich nicht sicher.

Sie legte ihren Arm um den Leib der Geschwächten, stützte sie, wandte sie um, den Weg zurück ins Haus zu gehen, als ihre Mutter den zärtlichen Kontakt zu ihrem Körper aufgab. Wie ein überreifer Apfel, der mit einem satten Geräusch ins Gras fällt, schlug der Kopf mit dem starken Flechtzopf vor ihren Füßen auf die reiche Gartenerde.
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e Gartenerde.
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Punktestand der Geschichte:   187
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Kommentare zur Story:

  Sehr schön, wie du erst die Sympathie für die kleine Familie weckst, um dann der Idylle den grausamen Todesstoß zu versetzen.  
   Jingizu  -  06.05.12 23:35

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Ein wirklich mysteriöser Mord. Die Kindersprache hat mir auch sehr gut gefallen.  
   Francis Dille  -  04.05.12 17:45

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Hallo Else,
in Kapitel 3 werden sich einige Nebel lichten, aber noch längst nicht alle ;)  
   Shannon O'Hara  -  30.04.12 21:01

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Unheimlich und erschütternd. Das kleine Mädchen muss den Mord an ihrer Mutter verkraften. Ich frage mich ob der Bruder noch lebt. Klar ist mir gar nichts. Wer oder was hat die Mutter umgebracht und weshalb? Ein bisschen kurz ist dein Kapitel aber vielleicht wird das nächste ja länger.  
   Else08  -  29.04.12 21:25

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

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Interessante Kommentare

Kommentar von "SCvLzH" zu "Am Meer"

... melancholisch aber schön ...

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