Kurzgeschichten · Erinnerungen

Von:    Autumndreamer      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 12. März 2012
Bei Webstories eingestellt: 12. März 2012
Anzahl gesehen: 2309
Seiten: 2

Wir hatten eine wunderschöne Zeit. Vielleicht war sie die beste meines Lebens. Wir waren jung, frei und voller Träume. Es waren die Nächte unterm Sternenhimmel, die ich nie vergessen konnte. Einmal brachtest du mich heim. Es hatte geschneit und der Schnee stand uns bis zu den Knien. Wir redeten und redeten und als wir bei mir waren sind wir einfach weiter gelaufen. Ich hatte nur eine dünne Jacke an und du legtest wärmend deinen Arm um mich. Wir liefen durch die ganze Stadt. Die Nacht schien uns zu gehören.

Oder kannst du dich noch an den Abend am Seeufer erinnern? Ich sagte meinen Eltern ich würde bei einer Freundin schlafen, aber in Wirklichkeit verbrachte ich die Nacht mit dir zwischen Schilf und Kiesstrand. Wir tranken Wein aus Pappbechern und du spieltest mir auf der Gitarre unser Lied vor. Immer wieder. Der Mond spiegelte sich im glasklaren Wasser. Wir zogen unsere Kleider aus und sprangen hinein. Ich fürchtete mich zuerst einwenig, aber du sagtest, dass du immer auf mich aufpassen würdest. Wir schwammen hinaus und auf der Sandbank sagest du mir, dass du für immer mit mir zusammen sein wolltest. Dann küsstest du mich. So wie mich vorher noch keiner geküsst hat. Als wir in einer alten Wolldecke eingewickelt wieder am Ufer saßen, unsere nackten Körper sich gegenseitig wärmten und hinterm Horizont langsam die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne zu sehen waren, schlief ich in deinen Armen ein.

Doch das ist lange her. Wir sind erwachsen geworden. Erinnerungen verblassen und die Gesichter auf den Bildern wirken fremd. Wir sind vernünftig geworden. Aber bedeutet vernünftig sein, dass man nicht mehr träumen darf? Heißt es, dass man nicht mehr alles um sich herum vergessen darf und das Herz für einen Moment den Verstand übernimmt?

So kommt es mir zumindest vor.

Wenn ich frühs aufstehe und in den Spiegel blicke sehe ich eine Frau, die ich nie sein wollte. Unser Traum war es, nie so spießig zu werden wie unsere Eltern. Wir wollten alles besser machen. Aber ich wurde wie meine Mutter. Ich stehe frühs auf, gehe zur Arbeit, koche dann für die Kinder und mache dann den Haushalt. Irgendwann kommt mein Mann heim, drückt mir einen Kuss auf die Backe, erzählt mir wie sein Tag war und schaut dann Fußball, spielt mit den Kindern oder arbeitet im Garten.

Ich bin gefangen in einem Alltag, dem ich so sehr versucht habe zu entkommen.
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Wir wollten reisen, etwas in der Welt verändern, vielleicht auswandern. Unsere Träume waren grenzenlos. Was hat uns daran gehindert?

Manchmal, wenn mich meine Gedanken erdrücken und ich mein Leben verfluche, wünsche ich mir noch einmal jung zu sein. Noch einmal mit dir am See zu liegen. Jung sein, voller Träume und Hoffnung.

Ich habe es meinem Mann nie gesagt, aber manchmal vermisse ich dich Thomas.

Ich vermisse es wie du gelacht hast, wie du uns ein gemeinsames Leben vorgeträumt hast, wie du neben mir in der Sonne lagst und über meinen Rücken gestrichen. Ich vermisse sogar dein leises Schnarchen, neben dem ich damals einschlief. Ich bin so lange verheiratet, aber ich vermisse dich.



Als ich die Treppe runter ins Esszimmer ging, saß er schon am Frühstückstisch. Hinter der Tageszeitung standen seine verwuschelten braunen Locken hervor.

„Guten Morgen mein Sonnenschein, ich habe Brötchen geholt. Heute ist so ein schönes Wetter, dass wir was unternehmen sollten. Was hältst du davon?“, begrüßte mich mein Mann.

„ Ach Thomas, lass uns wieder an den See fahren. So wie damals.“
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Punktestand der Geschichte:   26
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Kommentare zur Story:

  Die schönen Tage, die guten Erinnerungen lassen sich immer an so winzigen Details ausmachen. Du hast es geschafft eine wehmütig schöne Geschichte über das Erwachsenwerden zu verfassen und am Schluss sogar noch einen Hoffnungsschimmer aufblitzen lassen. Hat mir gut gefallen.  
   Jingizu  -  12.03.12 20:24

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Sehr gefühlvoll geschrieben. Der letzte Absatz, das Ende, war überraschend. Toll!  
   Francis Dille  -  12.03.12 20:01

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Sebastian Krebs" zu "Ein Wort zum Valentinstag"

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