Romane/Serien · Nachdenkliches

Von:    Middel      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 11. März 2012
Bei Webstories eingestellt: 11. März 2012
Anzahl gesehen: 2434
Seiten: 3

Diese Story ist Teil einer Reihe.

   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


(18)

Leise schlich ich mich in die Richtung, in die Fisch verschwunden war. Immer darauf bedacht, möglichst kein Geräusch zu machen. Etwas viel Wichtigeres ließ ich dabei allerdings außer Acht. Der Boden war gefliest und ich hinterließ mit meinen verdreckten Schuhen astreine Fußspuren. Ich hatte tierische Angst, aber erstaunlicherweise nicht so sehr für mich, sondern vor allem fürchtete ich, dass Annika irgendetwas passiert war. Nach allem, was ich über Becker gehört hatte, würde ich ihm auch das zutrauen.

Nachdem ich einen kurzen Flur durchschritten hatte, kam ich an eine Milchglastür. Irgendetwas bewegte sich dahinter, genaueres konnte ich jedoch nicht erkennen. Ich hielt den Atem an und lauschte.

„… mal zeigen … wo … Schwein …“ Nur Satzbrocken drangen durch die Tür und ich hielt es nicht mehr aus. So hatte ich mir das Ganze nicht vorgestellt. Nach bangen Sekunden des Wartens nahm ich meinen Mut zusammen und riss die Tür auf. Was mich dann erwartete, verpasste mir den Schock meines Lebens.

*

Auch heute noch – und das ist viele Jahre später – jagt es mir einen eiskalten Schauer über den Rücken, wenn ich an die dann folgenden Momente denke. Es fällt mir immer noch schwer darüber zu sprechen und mir klar zu machen, was damals wirklich geschehen ist und was ich mir vielleicht nur einbilde. Wenn ich das zu erzählen hätte, was in den Polizeiakten steht, wäre die Geschichte eine ganz andere. Eigentlich gibt es nur zwei Menschen auf der Welt, die die Wahrheit kennen. Einer davon bin ich, zumindest bilde ich mir das ein. Nein, ich weiß es!

*

Ich hatte ein Bild vor Augen gehabt, darüber, was mich hinter dieser Tür erwarten würde. Ein Bild davon, wie zwei hilflose Jugendliche von einem erwachsenen Mann überwältigt wurden und völlig fertig und aufgelöst auf ihre Strafe warten. Na ja, irgendwas in der Art. Nichts hätte weiter entfernt von der Wahrheit, wie sie mich erwartete, entfernt sein können.

Ich stand in der Tür zum Wohnzimmer und Achim Becker saß blutend in einem mit Samt bezogenen Sessel. Eigentlich saß er nicht, er lag fast in diesem Möbelstück. Er war schlimm zugerichtet. Das linke Auge zugeschwollen, Lippe und Nase blutend, und vor sichtbarer Angst leise wimmernd.
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Seltsamerweise war das erste, das mir in diesem Moment in den Sinn kam, die Überlegung, dass doch das ganze Blut den Sessel total versaut.

„Scheiße, so war das nicht geplant.“ Anni bemerkte mich als erstes und starrte mich erschrocken an. So, als fühlte sie sich bei etwas ertappt. Fisch redete auf Becker ein. Seine Sprache war deutlich, sein Ausdruck eiskalt und ich fühlte mich, als ob mir jemand den Boden unter den Füßen wegzieht.

Just in diesem Moment drehte Fisch sich um und blickte mich an. Er wirkte erstaunlicherweise ganz ruhig, fast gelassen. „Der verdammte Wichser rückt nicht mit der Sprache raus.“ Als er sich umdrehte, bemerkte er mich in der Tür stehen. Er visierte mich mit stechendem Blick an. „Vielleicht solltest du ihn nicht ganz so hart rannehmen.“ Selbst Anni kam mir in diesem Moment fremd vor oder anders ausgedrückt: fehl am Platz. Das war sie nicht, das war nicht meine Annika. Sie gehörte hier nicht hin, genauso wenig wie ich. Ihre Augen waren zu kalt, ihr Blick fast eisig und die Stimme gnadenlos hart.

Ich wollte etwas sagen, wollte schreien, wollte wissen, was los war, warum unser Lehrer hier in seinem eigenen Blut in diesem Sessel verharrte, völlig verängstigt und zitternd. Aber alles, was ich herausbrachte war ein klägliches: „Was …?“

„Was?“ Fisch äffte mich nach. Es schien ihm sichtbar Spaß zu machen hier die Oberhand zu haben. Herr der Situation zu sein. Becker zu misshandeln. Mich zu schockieren.

„Was hier los ist oder was?“ Er grinste breit. Erst jetzt bemerkte ich das Messer in seiner Hand. „Tja, wir kümmern uns grad ein bisschen um unsern Freund hier, stimmt’s Anni?“ Auch Annika lächelte eiskalt. „Das Arschloch hier ist aber leider sehr unkooperativ, doch das kriegen wir schon hin. Eigentlich war das hier ein wenig anders geplant, nun müssen wir …“ Fisch stockte kurz. „… improvisieren!“

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„Können wir nicht einfach verschwinden, Leute? Ich mein, scheiß auf die Schule Fisch, da wirste eh nicht mehr bleiben können, nach der Scheiße hier. Ist doch egal, wir kriegen das schon woanders hin. Noch ist nichts passiert. Lasst uns einfach gehen und …“ „Ja richtig“, fiel mir da Fisch ins Wort, „scheiß auf die Schule.“ Er betonte die Wörter süffisant und hielt Becker gleichzeitig das Messer an die Kehle.
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„Als wenn es hier um die verschissene Schule gehen würde, du Penner.“ Jetzt schrie er regelrecht. „Aber, ich versteh nicht.“ „Richtig! Du verstehst einen Scheiß, einen verdammten Scheiß verstehst du. Hier geht es nicht um die Schule, hier ist es nie um diese verfickte Schule gegangen. Abschluss hier, Versetzung da. Pah, das ist doch verdammter Hundedreck, völlig belanglos. Du Schisser verstehst wirklich nichts.“ Er wurde wieder ruhiger und ich sah meinen vermeidlich besten Freund fragend an. „Anni, erklär’ dem Schnellmerker doch mal, worum es hier wirklich geht. Was wollen wir wirklich und was will dieser verkackte Wichser hier nicht rausrücken?“

Ich sah Annika an und wartete völlig fassungslos auf Antworten. Wie konnte sie einen Sinn in dieses destruktive Desaster bringen? Worum ging es hier denn dann, wenn nicht um ein

kompromittierendes Video unseres Lehrers Achim Becker, um Jonas Fischer, meinen – so hatte ich bisher eigentlich immer geglaubt – Freund, davor zu bewahren, das Jahr zu wiederholen.

Noch bevor Annika irgendetwas sagen konnte, kam mir unsere gemeinsame Nacht in den Sinn. War das wirklich erst ein paar Tage her gewesen? Es kam mir so unendlich viel weiter weg vor. Wie in einem anderen Leben, wo zwar nicht alles perfekt war, wo aber immerhin die Chance darauf bestand, dass es noch perfekt werden könnte. Ich schaute Anni tief in die Augen und versuchte den Menschen zu erkennen in den ich mich, das war mir in diesem Moment klargeworden, verliebt hatte. Doch was ich sah, ließ mich erschaudern.

„Sascha“, begann sie nun, „du meinst, du kennst uns, ja?“ Ich nickte zögerlich. „Na dann mach dich mal auf die größte Überraschung deines Lebens gefasst."



(Fortsetzung folgt)
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Punktestand der Geschichte:   190
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Kommentare zur Story:

  Und noch ein Teil. Es freut mich sehr, dass du weitergeschrieben hast. Nun wird die Story zwar klarer aber keineswegs weniger spannend und es gibt wohl noch etliche Rätsel die gelöst werden wollen. Schön flüssend und packend geschrieben.  
   Gerald W.  -  12.03.12 13:49

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Interessante Kommentare

Kommentar von "weltuntergang" zu "Abschied nehmen"

Schweres und schönes Gedicht. Gefällt mir sehr total. Ganz liebe Grüße

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