Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit (Teil1)   105

Romane/Serien · Aktuelles und Alltägliches

Von:    Michael Brushwood      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 6. Juli 2011
Bei Webstories eingestellt: 6. Juli 2011
Anzahl gesehen: 3953
Seiten: 5

Diese Story ist Teil einer Reihe.

Verfügbarkeit:    Die Einzelteile der Reihe werden nach und nach bei Webstories veröffentlicht.

   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Das Glück schien Mario Großmann – mittelgroß, etwas schmächtig, kurz, aber akkurat geschnittenes schwarzes Haar - in seiner jüngsten Vergangenheit wahrlich nicht gepachtet zu haben. Erst hatte ihm seine hübsche Juliane „Tschüss” gesagt - fünf Monate später verlor er auch noch seinen Job im Büro eines Handwerksbetriebes.

Zu viel auf einmal für den sehr empfindsamen Fünfundzwanzigjährigen. Jede Kleinigkeit hatte sich der notorische Grübler sehr zu Herzen genommen. Er war stets sehr gewissenhaft, wollte auf keinen Fall einen Fehler begehen, um ja nicht beim äußerst wetterwendischen Chef in Ungnade zu fallen.

Das Aussprechen des Wortes Nein - für Mario ein Ding der Unmöglichkeit.

Eine Eigenschaft, die ihm sein Vater mit auf den Weg gegeben hatte. Auch er war nur sehr selten in der Lage, dieses - bei kompromisslosen Vorgesetzten keineswegs immer auf Gegenliebe stoßende - Wort in den Mund zu nehmen.

Die Folgen: Sein Leben hatte aufgrund zweier Herzinfarkte am seidenen Faden gehangen. Von da an konnte es für den Vater nur noch heißen, seine Tagesabläufe gewaltig umzukrempeln.









Nahezu täglich wuchsen Marios Berge, bestehend aus alten und neuen Akten, die ungeduldig darauf zu warten schienen, endlich durch seine Hände gerinnen "zu dürfen", besorgniserregend an. Doch dieses einen saft- und kraftlosen Eindruck machende Häufchen Elend, war kaum noch imstande, diesen immens ausufernden Stress, der den inneren Druck in seiner Seele bedrohlich hatte anschwellen lassen, sich stetig neu zu stellen.



Nachdem Juliane hinter ihm die Tür für immer zugeschlagen hatte, war aus Mario - faktisch über Nacht - ein anderer Mensch geworden. Ein schwerer Schicksalsschlag, der furchtbare Wunden in seine Seele gerissen hatte - eine Tatsache, die auch in Bezug auf seine Arbeitsleistungen nicht ohne Folgen bleiben sollte. Jedes Mal, wenn ihm sein Chef auferlegt hatte, die Tastatur des PC's stressen „zu dürfen”, fühlte sich der grausig-schwarze Fehlertäufel angesprochen, erbarmungslos seine scharfen Krallen über Mario auszufahren.

Es schien wie verhext gewesen zu sein.



Wie lange dürfte der in den letzten Tagen merklich dünner gewordene Geduldsfaden seines Büroleiters noch halten?

Bereits zwei Tage nach der ersten schriftlichen Abmahnung zitierte der gestrenge Herr seinen ungeliebten Mitarbeiter erneut zu einem Gespräch unter vier Augen.
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Wieder einmal waren die Akten nicht pünktlich auf dem Tisch des Büroleiters gelandet.

„Ich hatte dir nach der Abmahnung unmissverständlich klargemacht, dass ich deine Schludereien nicht mehr länger dulden werde!”, tobte der stets Dienst nach Vorschrift machende Amtsmensch wie das berühmte Ungeheuer von Lochness.

Der Gescholtene ahnte, was jetzt kommen würde.

„Sie sind fristlos entlassen!”

Seine Stimme dürfte in diesen Augenblicken mindestens die 150 dezibel Marke geknackt haben - ähnlich laut und nervend wie die bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika eingesetzte Teufelströte.

Herr Großmanns Leib vibrierte wie ein Haus bei einem Erdbeben. Auf der Stelle hätte er losheulen können wie ein Schlosshund, oder wie ein gezüchtigtes Kind, was er sich aber auf gar keinen Fall anmerken lassen wollte. Zu seinem Glück gelang es ihm aber doch, die Tränen von seinen schönen blauen – aber in diesem Augenblick glanzlos drein blickenden - Mandelaugen - fernzuhalten.

In zahllosen Gedanken versunken, schob er sich schweren Schrittes aus dem Büro, hinaus in die schweißtreibende Hitze dieses Julitages.



Mario hatte keine andere Wahl. Er musste - obwohl er liebend gern darauf verzichten würde - den leidigen Weg in die Arbeitsagentur in Angriff nehmen.

Dort angekommen, musterte der Sachbearbeiter musterte seinen neuen Kunden mit tiefster Gründlichkeit. Sein eisiger Blick ließ nichts Gutes erahnen.

Auf die Frage nach dem Grund der Kündigung antwortet er mit auffallend starken Zuckungen im Gesicht:

„Die Arbeit ist mir einfach über'n Kopf gewachsen."

„ Herr Großmann - Was fällt ihnen ein! Gerade in ihrem Alter müsste ihnen doch klar sein, dass Sie ihrer Pflicht nachkommen müssen!”, tobte der Herr mit seinen widerwärtig gurgelnden Augen.

Der in die unangenehme Rolle eines Bittstellers geschlüpfte junge Mann zuckte so zusammen, dass sein bleierner Kopf fiel wie ein nasser Sack zu Boden fiel.
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Sein Gesicht so bleich wie Kreide, ein Gesicht, was sichtlich Bände sprach, ein Gesicht, was aber den im kaiserlichen Stolz seines Amtes waltenden Herrn nicht daran hinderte, dem Eingeschüchterten noch mehr Zunder zu geben.

„Reißen Sie sich gefälligst zusammen! Sie müssen doch wissen, dass ihnen in der heutigen Zeit nichts geschenkt wird!”, schmetterte der Möchtegern-Feldwebel sein von allen Kunden gefürchtetes verbales Trommelfeuer in die stickige Luft dieses Raumes. In seinem leiblichen Schlunde brodelte es zwar so heftig, wie in dem Inneren eines Kessels - dennoch war er nicht imstande, seinen Gedanken und Gefühlen, die er ihm am liebsten an den Kopf geschlagen hätte - freien Lauf zu lassen

„ Warum nur diese fiese Hinterhältigkeit. War der in unnahbarer Eiseskälte sich gebärdende womöglich mit sich selbst nicht zufrieden und hatte vermutlich deshalb nach einem Ventil in seinem Kessel gesucht, um wiedermal so richtig Dampf abzulassen?”, schwirrte es in diesem Augenblick durch Marios hochroten Kopf.

Plötzlich wandte sich sein herrschender Blick von Mario ab, um sich der Tastatur seines PC's zu widmen, die den hungrigen Computer mit den notwendigen Daten füttern sollte.



Unmittelbar nachdem „der Vollstrecker dieser je nach Belieben dreh- und wendbaren Paragraphen” seinen hinzugewonnen Stammkunden - vielleicht sogar seinen neuen Lieblings-Pappenheimer - nach allen Regeln der Kunst mit lauter quälenden Fragen bombardiert hatte, stellte er unmissverständlich klar:

„In einem Monat möchte ich Sie wiedersehen!”, und drückte ihm ein Kärtchen, auf dem die Dienststellenanschrift, sowie die Telefonnummer und Dieter Schramm - so heißt dieser „ehrenswerte Herr” - prangte.

Mit finsterster Miene schob sich Herr Großmann aus dem Raum, ohne sich von dem pommeligen Herrn zu verabschieden, was ja auch zu verstehen war. Auf leisen Sohlen kriechend, schlich er sich aus dem Haus.



Von einem Tag auf den anderen ging es mit dem jungen Mann stetig bergab.

Scheinbar ziel- und planlos irrte er durch die beengte Zweiraumwohnung. Das Einschlafen - eine einzige Tortur. Meistens gelang es ihm erst, als die ersten Strahlen des Morgenlichtes durch's Fenster gedrungen waren, die Augen zu schließen, was häufig dazu führte, dass er erst in den späten Vormittagsstunden imstande war, seinen bleiernen Körper aus den Federn zu heben.
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Unter Herzklopfen hielt Mario im Netz und in der örtlichen Presse Ausschau nach in Frage kommenden Stellen. Die Auswirkungen der weltweiten Bankenkrise hatten um die ohnehin schon arg gebeutelte Region natürlich keinen Bogen gemacht.

Er schreibt eine Bewerbung nach der anderen. Missmutig wanderten seine rundlichen Finger über die Tastatur seines PC's.

Doch auf die meisten seiner Bewerbungen hatte er nicht mal eine Antwort bekommen, nicht mal eine schriftliche Absage schlummerte im Briefkasten, von einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch ganz zu schweigen.

Der alltägliche kurze Weg zum Briefkasten - für Mario glich er einem Kanossagang.

Da kochten wieder diese Selbstzweifel in ihm hoch, jene Selbstzweifel, die in Form eines schier undurchdringlichen Schleiers, seine Sinne bekehrt haben.

Seit eh- und jeh war es ihm schwer gefallen, der Hektik unseres Alltags zu trotzen.

Schon in der Schule musste er erfahren, was es heißt, gemobbt zu werden. Die meisten seiner Schulkameraden hatten schnell bemerkt, dass es mit dem Nervenkostüm des Jungen nicht gerade zum Besten bestellt war - eine Tatsache, die teuflische Wunden in seine Seele gefressen hatte, deren Narben selbst heute noch nicht verheilt sind..

Mit jedem Tag drohte er in ein noch tieferes Loch zu rutschen - mit wenig Aussichten, den Ausweg aus dieser Sackgasse in absehbarer Zeit finden zu können.

„Wann hört dieses verfluchte dumpfe Schädelbrummen endlich mal auf!”, fragte er sich des Öfteren, wenn er in der abstumpfend trügerischen Stille seiner Wohnung vor sich hin döste.

Aber es war bei weitem nicht nur dieses unerträgliche Dröhnen in seinem Kopf, was ihm das Leben so zur Hölle machte.

Nicht selten übermannte ihn das Gefühl, um ihn herum würde sich alles nur noch drehen - begleitet von schrecklicher Übelkeit, die manchmal sogar dazu geführt hatte, dass er sich übergeben musste.



Das waren aber längst noch nicht alle Animositäten, die Mario so schrecklich wurmten.

Selbstzweifel mündeten in kaum vorstellbare Kontrollzwänge. So drehte der scheinbar Irre mehrere Runden um sein geliebtes Auto, rüttelte mehrmals an allen Türgriffen, um zu prüfen, ob wirklich alles seine Richtigkeit hatte.
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Mit ähnlichen unverständlichen Ritualen zog er oft die Blicke seiner Nachbarn auf sich, zumal diese „bestaunen” konnten, wie oft er wieder umkehren musste, um zu prüfen, ob die Tür korrekt ins Schloss gefallen war. Manchmal passierte das vier bis fünf Mal hintereinander.

Ein Zustand, an den sich dieses gebrannte Kind mit einem Milchgesicht - welches ihn fast noch zehn Jahre jünger aussehen ließ - auf keinen Fall gewöhnen wollte. Nur - geht das wirklich so einfach von heute auf morgen? Welcher Arbeitgeber wäre bereit, solch einen umständlichen Typen einzustellen, einen der jedes Schreiben mehrmals auf deren Korrektheit überprüfen müsste, um sich sicher zu sein, ja keinen Fehler begangen zu haben, der den Chef bereits in den ersten Tagen seines neuen Jobs in Unmut versetzen könnte.

Nach langen Überlegungen fasste er den folgenschweren, aber einzig richtigen Entschluss, nämlich den, in Obhut von Seelendoktoren sich zu begeben. Mächtige Manschetten davor hatte er schon, zumal psychisch labile Menschen in unserer von Ellenbogenmentalität bestimmten Gesellschaft, die längst keine Gnade mehr kennt, nicht nur keine Lobby haben, sondern auch noch in jedem Moment damit rechnen müssen, bei „unseren lieben Mitmenschen”, in Ungnade zu fallen.

Gott sei Dank sollten sich Marios Bedenken schnell zerstreuen.





(Fortsetzung Teil 2 folgt)
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  Ein wichtiger Hinweis:

Leider waren mir in diesem Teil meiner Geschichte einige Fehler zu viel unterlaufen, bzw. hatten auch einige Dinge nicht richtig zusammengepasst, wie ich im Nachhinein festgestellt habe - besonders im Anfangsteil dieses Kapitels.
Dieses habe ich soeben korrigiert.
LG. Michael  
   Michael Brushwood  -  01.08.11 16:04

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  Finde ich mutig, dass sich dein Prota entscheidet, sich helfen zu lassen. Es ist nämlich nicht so einfach, sich dazu durchzuringen, gerade zu einem Seelendoktor zu gehen. Ich kenne jemanden, der sich beständig davor drückt und von allein wird es selten besser.  
   Gerald W.  -  09.07.11 19:59

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  Der Arme, was er alles durchmachen muss. Alles Schlimme passiert ihm auf einmal. Könnte ich auch nicht aushalten. Ich hoffe man hilft ihm.  
   Petra  -  08.07.11 22:21

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  Furchtbar, ich kann ja so mitfühlen, mit deinem Mario. Gut dass er versucht sich helfen zu lassen.  
   doska  -  07.07.11 17:12

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  armer mario, er tut mir richtig leid, und ich hoffe, es kann ihm geholfen werden.  
   Ingrid Alias I  -  07.07.11 11:14

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