Wölfin der Taiga - 2. Kapitel   204

Romane/Serien · Fantastisches

Von:    Summer Peach      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 20. Februar 2011
Bei Webstories eingestellt: 20. Februar 2011
Anzahl gesehen: 2816
Seiten: 4

Diese Story ist Teil einer Reihe.

Verfügbarkeit:    Die Einzelteile der Reihe werden nach und nach bei Webstories veröffentlicht.

   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Jade’s Löffel klackerte gerade in ihrer Cappuccino-Tasse, als ihre Mutter die Küche betrat.

„Mum, was weißt Du über die Mohawks of the Bay of Quinte und die Wölfe?“, begann Jade ohne Umschweife.

Florence ließ zischend die Luft aus ihren Lungen entweichen. „Warum interessiert Dich das?“, fragte sie vorsichtig. Ihr Blick wurde wachsam, wie immer, sobald man ihren Stamm ansprach.

„Mum, erzähl mir einfach, was Du weißt! Es ist wichtig!“

Jade ließ sich neben ihre Mutter an den Küchentisch sinken und betrachtete aufmerksam ihr Gesicht.

Florence hatte die Stirn in Falten gelegt und dachte angestrengt nach. Jade wusste, dass sie ihr nur das nötigste erzählen würde, gerade so viel, dass ihre Neugier gestillt war. Auch wenn Florence das Andenken an ihren Stamm wichtig war, gab sie gerade so viel preis, dass die Wunden der Vergangenheit nicht aufgerissen wurden. Sie seufzte tief.

„Viele Legenden der Mohawks ranken sich um die Wölfe…“, begann Florence zögerlich zu erzählen. „Die Wölfe haben aber schon immer eine große Rolle in der Geschichte der Mohawks gespielt. Hat Dir Dein Großvater nie davon erzählt?“

Jade schüttelte den Kopf. „Grandpa hat mir nie irgendwelche Legenden erzählt!“

Jades Mum nickte. „Mehr als eine Legende ist es meiner Meinung nach auch nicht. Ich weiß auch nicht viel darüber. Dein Großvater hat mir das letzte Mal von den Wölfen erzählt, als ich ungefähr zehn Jahre alt war.“

Jade hatte sich wieder erhoben und begann ungeduldig im Raum auf und ab zu laufen, bis sie sich schließlich gegen die Küchentheke lehnte und mit dem Fuß zu wippen begann. „Dann erzähl mir das, Mum! Ich muss es wissen!“

Florence runzelte die Stirn. Ihr war anzusehen, wie sehr sie Jades Interesse am Stamm irritierte. Dennoch begann sie zu erzählen: „Seit jeher beschützen die Wölfe den Stamm. Über ihre Herkunft gibt es viele Geschichten. Die meisten glauben noch heute, dass es sie um eine Art Werwölfe handelt.“

Jade musste heftig schlucken. Sie lockerte den Biss von ihrem Löffeln, den sie vor lauter Aufregung beinahe zerbissen hätte. Wenn das die Erklärung für ihre nächtlichen Ausflüge war… Sie wollte lieber gar nicht weiterdenken!

„Willst Du damit sagen, dass sich Mitglieder des Stammes in Wölfe verwandeln? So richtig mit Mond und allem?“

Florence schüttelte den Kopf.
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„Nicht Werwölfe im ursprünglichen Sinn, nicht abhängig vom Mond oder anderen Einflüssen.“

Jade schloss die Augen. Sie konnte einfach kein Wolf sein. Das war völlig absurd. Sie hatte absolut keine Bindung zum Stamm ihrer Mutter.

„Mum, wie wurden die Wölfe ausgewählt? Wer konnte sich verwandeln?“

Florence dachte einen Augenblick nach. „Im Stamm hält sich hartnäckig die Legende, dass nur die stärksten, mutigsten und gutherzigsten Krieger das Privileg haben zu den Wölfen gerufen zu werden, weil ihre Verbundenheit zum Stamm die aufrichtigste und engste war…“

Jade atmete etwas beruhigter aus. Sie konnte kein Wolf sein. Sie war weder mutig, noch hatte sie viel Kontakt mit den Indianern im Reservat. Nur selten besuchte sie ihren Großvater. Ihre Mutter hatte beinahe jeden Kontakt abgebrochen.

„Sie waren es auch immer, die in den Wald gingen, die nachts nicht zurückkamen.“, fuhr Florence fort. „Die Wölfe waren groß, sie überragten den größten Mann im Stamm um Längen. Sie waren stark. Mit einem Hieb ihrer Pranke konnten sie Bäume entwurzeln.“

Jades Anspannung ließ etwas nach. Sie war nicht stark. Und auch nicht besonders mutig. Das konnte also nicht die Erklärung für ihre nächtlichen Ausflüge sein.

Florence ließ den Blick in die Ferne schweifen. „Nur die Stärksten und Mutigsten…“, murmelte sie vor sich hin. „Es gab nur eine Ausnahme. Alle Nachfahren des Häuptlings wurden zu den Wölfen berufen. Sie waren die Anführer.

Keiner weiß, wer die Wölfe sind oder woher sie kommen – wer sie gerufen hat. Sie gehören zum Stamm…“

Jade stellte ihre Tasse auf der Theke ab und ließ die Geschichte auf sich wirken. Sie hatte gehofft, darin eine Erklärung zu finden. Und doch machte sich merkbar die Erleichterung in ihr breit.

„Das letzte Mal wurden die Wölfe vor ungefähr 100 Jahren gesichtet. Sie tauchen immer nur auf, wenn dem Stamm Gefahr droht.“ Florence sah Jade an. „Letzte Woche rief mich Dein Großvater an und erzählte mir, dass wieder Wölfe gesichtet wurden.
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Ich kann mir nicht vorstellen, in welcher Gefahr der Stamm schweben soll…“ Sie ließ den Kopf in die Hände sinken und rieb sich die Stirn. „Warum willst Du das alles wissen, Jade?“

Jade griff nach einem Apfel im Obstkorb auf dem Tisch und betrachtete ihn. „Interesse, Mum, reines Interesse…“

Florence stand auf und öffnete das Fenster, als wollte sie die drückende Atmosphäre, die während der Geschichte entstanden war, hinausjagen.

„Mach Dir nicht zu viel aus diesen Legenden, Jade, meistens ist wenig Wahres daran…“ Florence stand in der Tür und studierte besorgt das Gesicht ihrer Tochter.

Jades Blick war immer noch auf den Apfel in ihrer Hand geheftet. Ihre Gedanken kreisten immer noch so sehr um die Geschichte, die sie soeben von ihrer Mutter gehört hatte, dass sie nicht einmal bemerkte, wie Florence die Küche verließ.

Jade riss sich zusammen und von ihren Gedanken los. Sie biss fest in ihren Apfel, schnappte sich ihren Rucksack, der auf dem Stuhl lag und verließ die Küche.

„Mum, ich bin im Studio!“



Jade beugte sich zu Boden, die Beine gespreizt und gestreckt, bis ihre Handflächen den Boden berührten. Sie ließ sich in den Spagat sinken und legte ihren Oberkörper auf ihr rechtes Bein.

Jade sprang leichtfüßig vom Boden hoch und zog sich die Stulpen über. Eine Strähne ihres Dutts hatte sich gelöst und fiel ihr ins Gesicht.

Sie machte einen Schritt auf die Stange am Spiegel zu, um mit ihren Übungen zu beginnen. Ihr Blick fiel auf eine kleine Narbe auf ihrer Wange. Vorsichtig strich sie mit ihren Fingern darüber. Sie seufzte.

Sie konnte kein Wolf sein.

Ihre rechte Hand berührte die kalte Stange. Erste Position. Handflächen nach innen, die Fingerspitzen berührten sich leicht, ihre Füße bildeten eine Linie.

Sie war nicht mutig.

Zweite Position. Sie streckte ihren Arm aus und öffnete ihre Füße.

Sie war nicht stark.

Dritte Position. Sie hob ihren Arm über den Kopf und stellte die Füße ins T.

Sie war kein Mohawk.

Vierte Position. Sie ließ den Arm sinken und hob ihn erneut.
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Ihre Beine verdrehten sich unnatürlich entgegengesetzt.

Sie war kein Wolf.

Fünfte Position. Sie löste ihre rechte Hand von der Stange und führte sie über den Kopf. Ihre Füße schoben sich zusammen.

Doch wenn sie eines war… dann gutherzig! Doch das war nicht ausreichend um ein Wolf zu sein…

Sie sprang in die erste Position zurück. Plié.

Aus dieser Position ließ sie sich auf den Boden sinken. Sie schlüpfte in ihre Spitzenschuhe und band die Schleife fest zu.

Entschlossen stand sie auf, stellte sich auf die Zehenspitzen, drückte die Play-Taste am CD-Spieler. Die Musik aus Schwanensee ertönte.

Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen. Pirouette. Ihr Tanz wurde impulsiver. Sie war der weiße Schwan.

Sie war kein Wolf!
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Punktestand der Geschichte:   204
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Kommentare zur Story:

  Spannend. Deine Geschichte umgibt eine wunderschöne geheimnisvolle Aura. Obwohl fantastische Dinge ablaufen, wirkt alles so natürlich, als gäbe es sie wirklich, die ...Werwölfe. Sehr schön flüssig und plastisch geschrieben.  
   Jochen  -  22.02.11 22:12

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