Mein kurzes Leben mit einem Vampir   163

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten

Von:    Pia Dublin      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 31. Dezember 2010
Bei Webstories eingestellt: 31. Dezember 2010
Anzahl gesehen: 3057
Seiten: 10

Mein kurzes Leben mit einem Vampir



Ich bin nicht stolz darüber, dass ich euch von meinem Leben mit einem Vampir erzähle. Es ist absurd, wenn ich es mir selbst eingestehe, dass es geschehen ist, wie kann ich also stolz darauf sein, es jemandem zu erzählen?

Ich fange dort an, wo alle Geschichten anfangen. In der High School.

Am Anfang hasste ich die High School. Ich war die Neue, die von oben bis unten begutachtet, die herumgereicht und belächelt wurde, ob ehrlich oder falsch gemeint, es nervte. Die Lehrer gaben sich Mühe, dass ich mich zurechtfand, und obwohl ich nach meiner ersten Woche die ersten Lächelkontakte zu ein paar Mädchen hatte und in der Kantine mit zweien von den Netteren ins Gespräch kam, wünschte ich mich die ganze Zeit nach Hause zurück.

Ich wusste, dass sie über meinen Akzent lachten, zwar nur hinter meinen Rücken, aber sie taten es. Ich bin an der Ostküste geboren und aufgewachsen, habe dort glücklich und zufrieden gelebt, bis genau zu dem Zeitpunkt, als meine Eltern mich während eines Restaurantbesuchs darüber aufklärten, dass sie eine „Auszeit“ nehmen würden.

Ich wusste sofort, wohin das führen würde. Es war unter meinen Freunden das normalste der Welt: Auszeit, Trennungszeit, Scheidung, Schlammschlacht zwischen zwei Anwälten, die mit bösen Aussagen und Behauptungen vorgeschoben wurden. Drei Monate später ließen sie sich scheiden. Darin waren sie schneller als alle anderen Eltern.

Mein Dad nahm einen neuen Job in seiner Firma an, der ihn an die Westküste ziehen ließ, er war wirklich froh darüber, so viel Raum und Zeitzonen wie möglich zwischen sich und seiner Ex-Frau zu bringen. Und dann stellten die beiden mir die alles entscheidende Frage: Bei wem, honey, möchtest du leben?

Zunächst machte ich mir keine Gedanken darüber. Natürlich würde ich in meiner Heimatstadt bleiben, in meiner Schule, bei meinen Freunden, keine Frage. Niemals würde ich mein altes Leben aufgeben, nur, weil meine dummen Eltern entschieden hatten, nicht mehr miteinander auszukommen. Aber im Leben meiner Mutter änderte sich so viel, dass ich es nach vier Wochen nicht mehr ertragen konnte. Sie brachte Freunde mit nach Hause. Oh, ich sage nicht, dass sie zu einer Schlampe mutierte, sie brachte nur ständig Freunde mit nach Hause.
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Erst Ehepaare, dann Frauen, dann Männer, unverheiratete Männer, die mir in ihrer aufdringlichen Art so furchtbar auf die Nerven gingen, dass ich es nicht mehr aushielt. Ich wollte nicht ständig nach Hause kommen und hören: „Oh, das ist deine Tochter? Sie ist ja genauso hübsch wie du“. Immer begleitet von einem widerlichen wohlwollenden Lachen.

Mom mochte glücklich sein in ihrem neuen Leben, mit ihrer neuen Freiheit. Aber ich wünschte, sie hätte sich einfach mehr um mich gekümmert in dieser Zeit, oder sie hätte sich an der lokalen Universität als Studentin eingeschrieben, um die Leere auszufüllen, die plötzlich da war. Kreatives Töpfern oder Astronomie für Einsteiger hätten ihr vermutlich auch gut getan. Aber ich wollte ihr nicht vorschreiben, was sie tun sollte. Sie hätte sowieso nicht auf mich gehört. Und wenn ich ihr eines zugute schreiben musste: Sie stellte meine Entscheidung nicht in Frage und sie versuchte nicht, mich umzustimmen, als ich ihr sagte, dass ich zu Dad ziehen würde.

Das war meine Entscheidung. Ich zog sie durch. Es dauerte eine Weile, mich wirklich von meinen Freunden zu verabschieden und zu begreifen, dass es schwierig, wenn nicht unmöglich, werden würde, in Kontakt zu bleiben. E-mails und Telefonate sind kein Ersatz für wirkliche Freundschaft. Sie konnten mir am Telefon erzählen, was sie am Abend zuvor Verrücktes unternommen hatten, aber es würde so sein, als erzählten sie mir von einem Film, den ich nicht gesehen hatte.

Der Verlust und die Traurigkeit blieben, länger sogar, als ich befürchtet hatte, aber es legte sich Tag für Tag ein Schleier darüber. Eine dünne Schicht des Vergessens über die andere.



Ich verbrachte noch die Schulferien zu Hause, während mein Dad alles für meine Ankunft vorbereitete (das sagte er zumindest am Telefon), und zum Start des neuen Schuljahres wechselte ich in meine neue Heimatstadt.

Weil mein Dad eine gute Position in seiner Firma hatte, spendierte er mir ein Flugticket nach LA.

Glückliches Mädchen, mag jetzt jemand von euch denken, LA – der absolute Glücksgriff, aber ich bin dort nur gelandet. Der Ort, in dem mein Dad ein Haus gefunden und gekauft hatte, lag vier Autostunden von LA entfernt.
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Vier Stunden in einem schnellen Auto.

Der Ort hieß French Hope. Ist euch schon mal aufgefallen, dass kleine unschuldige Orte immer seltsame Namen haben? Mein Favorit ist Truth or Consequences, aber der zählt nicht wirklich, denn die haben sich den Namen erst später gegeben.

Orte, die kaum mehr als ein Buckel am Highway sind, die sich seltsame Namen geben, die sie auf gemalte Ortseingangsschilder schreiben, sind entweder absolut harmlos oder Heimatstadt von durchgeknallten Attentätern und Amokläufern und Massenmördern. Und leider sieht man den Kleinstädten von außen nicht an, welches von beiden sie sind.



Ich hätte selbst nach French Hope fahren können vom Flughafen, aber Dad schickte mir einen Chauffeur mit Firmenwagen. Ich saß vier lange Stunden in dem Wagen mit einem dünnen und einsilbigen Chauffeur, der auch hinter dem Lenkrad seine Mütze nicht abnahm, was mich darüber nachdenken ließ, ob er eine Glatze hatte, für die er sich schämte. Ich versuchte ihn zu reizen, legte die Füße auf das Armaturenbrett und wackelte mit den Chucks, die ich immer trug, bis sie mir von den Füßen fielen, aber er reagierte nicht. Ich spielte mit meinem Handy herum, rief meine beste Freundin an und erzählte ihr von meiner letzten Sex-Eskapade (wir wussten beide, dass es geflunkert war), aber wieder reagierte er nicht. Ich gab es auf. Ich stopfte mir die Kopfhörer von meinem MP3-Player rein und hörte die Songs von Cradle of Filth, bis der Firmenwagen vor dem Haus hielt, das ich von dem Foto wiedererkannte, was Dad mir per E-Mail geschickt hatte.

„Danke für die Fahrt“, sagte ich, als ich ausstieg und meinen Rucksack aus dem Kofferraum zog. Er nickte mir zu, schlug den Kofferraum zu und sagte sehr leise zu mir: „Ich wünsche dir viel Glück beim Neuanfang, Ida. Dein Dad ist ein netter Kerl. Gib ihm eine Chance. Ich bin nur der Chauffeur, aber ich hab zwei Töchter in deinem Alter.“ Und er grinste mich an.

Deshalb hatte er nicht reagiert, als ich versucht hatte, ihn zu reizen. Vermutlich kannte er ganz andere Dinge von zu Hause.



Dad war nicht zu Hause, als ich ankam, er war noch im Büro und war mit furchtbar wichtigen Dingen beschäftigt, aber eine Hausangestellte war zu Hause und nahm mich in Empfang. Als Erstes entschuldigte sie sich für die Unordnung im Haus (die ich nirgends entdecken konnte) und für das schlechte Wetter in French Hope.
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„Ich bin Regen gewöhnt“, sagte ich, „wo ist mein Zimmer?“

Das Zimmer war riesig, perfekt eingerichtet für ein junges Mädchen, mit kleinem Badezimmer nebenan und einem begehbaren Kleiderschrank. Rosa Kissen, rote Tagesdecke, florales Design, Nippes und sonnengelbe Vorhänge, eine Stereoanlage, ein Fernseher, eine Sammlung von DVDs, die ich vermutlich niemals ansehen würde. Dieses Zimmer würde ich innerhalb von zwei Tagen komplett umgestalten. Es war ein niedliches Zimmer, aber ich hatte beschlossen, das Stadium „niedlich“ hinter mir zu lassen.

Ida McKillen lebte jetzt in French Hope und würde ein ganz neues Leben beginnen.



Dad kam am Abend nach Hause, als ich bereits mit der Neudekoration begonnen hatte, wir aßen gemeinsam und hatten Mühe, uns zu unterhalten. Er gab sich Mühe, aber er hatte sich früher kaum für mein Leben interessiert, weshalb sollte er es nun tun? Er fragte, ob ich in Ordnung sei, ob ich alles habe, was ich brauchte, und ich sagte: „Ja, alles ist Okay, Dad“.

Mehr wollte er nicht wissen und er war zufrieden.

Ich gab mir am ersten Abend Mühe, mich für seine Arbeit zu interessieren, aber … naja … ich hatte mich früher auch nicht für seine Arbeit interessiert. Es hatte sich nichts geändert zwischen uns. Wir würden ganz unspektakulär nebeneinander her leben. Ich stellte fest, dass er nicht einmal bemerkte, dass ich mein Zimmer in eine Gothic-Räuberhöhle verwandelte.



Ida, wohnhaft in French Hope, Schülerin der High School, die ihr letztes Jahr dort über die Runden bringen würde, hoffentlich mit einem guten Abschluss, war kein Goth. Ich trug gern schwarz, aber ich male meine Augen nicht schwarz an und mein Lippenstift war french kiss rot. Ich benutze ein wenig Make-up, aber ich betonte lieber mein phänomenales Hinterteil, um die Blicke auf mich zu ziehen. Und manchmal zog ich die Blicke auf mich, weil ich verrückte Dinge tat und sagte.

„Du freust dich bestimmt auf die neue Schule“, sagte mein Dad, und ich behauptete, ich könne es kaum erwarten.



Die High School war angefüllt mit den üblichen Idioten, Normalos und erfolgreichen Kids.
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Es war einfach, sich zurechtzufinden und ich tauchte ein. Der Unterricht war absolut nebensächlich, lernen war mir schon immer leicht gefallen, was nichts mit Intelligenz zu tun hatte sondern mit einem fotographischen Gedächtnis. Ich speicherte Informationen und rief sie wieder ab.



Es begann, als ich nach einer Woche mit zwei Mädchen in der Kantine saß und wir uns über die Jungs der Footballmannschaft unterhielten.

Sue und Bonney waren nette Mädchen, beide waren Cheerleader und bildeten sich viel darauf ein, aber sie waren trotzdem nette Girls. Sie sagten, ich solle mich als Cheerleader bewerben, aber ich lachte darüber, weil es so albern war.

„Aber da sind die besten Jungs zu kriegen“, sagte Sue, als müsse sie mir das System erklären.

„Ich hab kein Problem damit, Jungs kennenzulernen“, sagte ich und löffelte meinen Nachtisch.

„Hast du mit deinem Freund Schluss gemacht, als du hergekommen bist?“ Die Frage kam von Bonney und ich antwortete mit einer wegwerfenden Handbewegung.

„Ich hatte keinen festen Freund, wenn du das meinst. Ich bin noch zu jung für eine feste Beziehung.“ Das meinte ich ernst, aber ich erntete Gelächter. Und dann kamen die beiden auf das Spiel, mir meinen nächsten Freund auszusuchen und sahen sich auffällig unauffällig in der großen Schulkantine um.

Sie ließen die Sportler außen vor (das war ihr Jagdgebiet) und kamen statt dessen von den Computerfreaks zu den anderen besser aussehenden Außenseitern. Die Computer Geeks waren nicht die hässlichsten, aber sie gaben sich üblicherweise keine Mühe, ihre Vorzüge herauszustellen. Und es gab sicher nicht viel, über was man sich mit ihnen unterhalten konnte.

Die nächsten Außenseiter saßen in einer separaten Ecke nahe der Essensausgabe. Mir war schon aufgefallen, dass sie immer in einer kleinen Gruppe auftauchten, niemals allein saßen und während des Unterrichts niemals auffielen. Sie schienen alle eine Tarnkappe zu tragen. Und wenn ich bedenke, dass sie alle aussahen, als hätten sie seit neunzehnhundertsechzig kein Tageslicht mehr gesehen und sich kleideten, als seien sie von einem Inselaffen-Cricketspiel gekommen, hätte es mir von Anfang an zu denken geben müssen.
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Aber hinterher ist man ja immer schlauer.

Sue und Bonney behaupteten, die Jungs sähen einfach nur „Zucker“ aus und meinten die beiden, die an dem Tisch saßen und lasen. Sie hatten keine Tabletts von der Essensausgabe vor sich, ich hatte sie überhaupt nie essen oder trinken gesehen. Die beiden waren blass, farblos, uninteressant, groß, gut gebaut, sahen nicht schlecht aus, aber sie waren das, was ich fast food nannte. Schnell konsumiert, schnell vergessen. Nicht das, was ich wollte.

Ich riskierte einen weiteren Blick und murmelte: „Ich stehe mehr auf dunklen Typen.“

Und dann sah ich ihn, als er aufstand und sich auf die andere Seite des Tisches setzte, um einen Blick in das Buch seines Kollegen zu werfen. Als habe er meinen Blick bemerkt, sah er zu mir hinüber, unsere Blicke trafen sich und ich zuckte zusammen, als habe ich einen elektrischen Schlag erhalten. Alles um mich herum schien zu stoppen, die Welt schien den Atem anzuhalten. Er starrte mich an und zuckte zurück. Obwohl die halbe Kantine zwischen uns lag, schienen wir uns direkt gegenüberzustehen, ich sah seine blasse Haut, seine unglaublichen hellen Augen. Es war etwas Besonderes an ihm, das spürte ich sofort, aber er machte diesen wundervollen kurzen Augenblick zunichte, indem er zu mir hinüberstarrte, sich vorbeugte und seinem Freund in den Schoß kotzte.



Die zweite Begegnung war ebenso wenig erfreulich und beinhaltete wenig zwischenmenschliche Magie. Wir sollten im Biologie-Unterricht gemeinsam an einem Projekt arbeiten, aber daraus wurde nichts, weil er kaum, dass er neben mir auf dem Hocker saß, das Gesicht abwandte und mühsam durch den Mund atmete. Ich wollte ihn schon fragen, ob er Asthma habe, als er an mir vorbeiraste und so blitzschnell durch die Tür des Labors verschwunden war, dass der Lehrer nicht einmal sein Verschwinden bemerkte.

Sein Name war David. Er war einer der Außenseiter. Das war der Name, den sie sich selbst gegeben hatten - die Außenseiter. Zunächst dachte ich, sie würden ihre Haut blass schminken und somit ihre Einzigartigkeit unterstreichen, aber dem war nicht so. Die ganze Sippe war so blass, weil sie die direkte Sonne mieden und das war noch das Normalste an ihnen. Ich dachte, sie seien eine Familie, aber sie waren nicht einmal miteinander verwandt.
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Es war etwas anderes, was sie miteinander verband, auf Gedeih und Verderb.



Ich mochte ihn von Anfang an und fragte mich, was mit ihm los sei, dass ihm bei meinem Anblick das Essen aus dem Gesicht fiel (oder besser, was mit mir los war), und erst, als wir uns während einer Freitag-Abend-Party endlich näher kennenlernten, erzählte er mir, was es war. Ich glaubte ihm nicht, ich hielt es für einen Scherz, aber zumindest hatte er sich diesmal unter Kontrolle.

Er meinte, seine Familie sei nicht glücklich darüber.

„Über was?“ fragte ich. Ich dachte, sie hätten etwas gegen Parties. Dabei trank er keinen Alkohol, er rauchte nicht einmal. Ich hätte gerne mit ihm getanzt, die Musik auf der Party war wirklich gut, aber er behauptete, er habe seit Jahrzehnten nicht mehr getanzt und er sei „aus der Mode“.

„Ich werde es dir erklären, Ida“, sagte er, „aber nicht hier.“

Es war mitten in der Nacht und er entführte mich in den nahegelegenen Wald, wo wir uns auf eine Lichtung auf einen dicken Baumstamm setzten und er zu erzählen begann.

„Ich bin älter, als ich aussehe“, sagte David, „und es tut mir leid, dass du einen unmöglichen ersten Eindruck von mir bekommen musstest. Dein Geruch hat mich gleichzeitig angezogen und abgestoßen. Wie soll ich das erklären?“

„Willst du damit sagen, dass ich stinke?“ Ich versuchte, ihn vom Baumstamm zu schubsen, aber ich tat mir die Hand weh dabei und er bewegte sich nicht einmal.

„Nein, nein“, sagte er nervös, „wir haben sehr empfindliche Sinne. Alles riecht intensiver. Dein Geruch ist sehr angenehm und verführend, aber … ähem … verführend in einem anderen Sinn. Deshalb musste ich vor dir flüchten, bis ich mich wieder unter Kontrolle hatte. Es dauerte eine Weile, bis ich mich an den Geruch gewöhnt habe. Er ist so besonders, so außergewöhnlich.“

Er war richtig niedlich, als er sich drehte und wand und zu erklären versuchte. Bis dahin dachte ich noch, er sei nur ein wenig seltsam. Im Mondlicht sah er wundervoll aus, jung und gleichzeitig zeitlos alt, und als der Mond ein wenig mehr durch die Wolken brach (es regnete gerade nicht), glitzerte er. Ich rieb mir die Augen und dachte: Das habe ich das letzte Mal bei Donna Noble gesehen, als sie in die Tardis gebeamt wurde.
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„Ich bin ein Vampir“, sagte er schließlich, „und es ist unser Geheimnis, was ich nun mit dir teile. Uns verbindet etwas besonderes. Wir können nicht dagegen ankämpfen. Deshalb erzähle ich es dir und du musst mir versprechen, dass du unser Geheimnis für dich behältst.“

„Vampir“, wiederholte ich, „ja klar, Dracula. Habt ihr euer Schloss in Transsylvanien verkauft und seit nach French Hope gezogen?“

„Es ist nicht ganz so“, sagte David, „wir waren schon immer hier. Wir benutzen unsere Kraft, um uns unauffällig in der Stadt bewegen zu können. Wir sind nach außen nur eine etwas seltsame Familie, aber wir stellen keine Bedrohung dar. Die Familie Dracul ist nur entfernt mit uns verwandt. Und die Hälfte von der Geschichte ist sowieso erlogen und im Laufe der Zeit hinzugedichtet.“

„Wie auch das Blutsaugen?“, fragte ich, „deine Zähne sehen jedenfalls ziemlich normal aus.“

Ich krümmte meine Zeigefinger rechts und links neben meinem Mund und machte schmatzende Geräusche. Es war komisch gemeint, aber er reagierte beleidigt.

„Wie gesagt“, sagte er, „wir sind anders. Unsere Familie hat vor sehr langer Zeit entschieden, sich nicht mehr von menschlichem Blut zu ernähren. Es erfordert sehr viel Willenskraft und Disziplin.“

Ich dachte immer noch, er triebe einen dummen Scherz mit mir. Fast hätte ich gesagt: „Beweise es mir“, aber ich hielt meinen Mund für eine Weile und ließ ihn weiter erzählen.

Er sagte, sie ernährten sich von Tierblut, was ein schwacher Ersatz sei, aber es hielt sie am Leben, und sie hätten sich als Ersatz anderen Dingen zugewandt. Sie waren Teil der Menschen, mit denen sie zusammenlebten, sie studierten deren Geschichte und Kunst, und ab und zu, so selten, dass sich in der Familie niemand mehr daran erinnern konnte, verliebten sie sich in einen speziellen Menschen.

„Wir sind für die Ewigkeit zusammen“, sagte David, „wir leben ewig, aber wir sind nicht unsterblich. Man kann uns töten, aber in den letzten Jahrzehnten ist das nicht geschehen, weil wir sehr vorsichtig sind.“

„Seid ihr eine Art bessere Menschen? Eine Weiterentwicklung der menschlichen Rasse?“ Ich hatte einen Geistesblitz. Ich sah mich vor der Klasse im Biologieunterricht, einen Stapel Karteikarten mit meinen Notizen in der Hand, David neben mir, und wie ich einen großartigen Vortrag über diese neue menschliche Rasse hielt und meine Thesen mit Davids Anwesenheit untermauerte.
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Ich blinzelte und die Idee war fort.

Unsinn, dachte ich, niemand wird mir glauben.

„Wir haben uns parallel entwickelt, wie…“ Er suchte nach Worten und ich fiel ein: „Ente und Gans? Hase und Kaninchen? Esel und Pferd? Ratte und Maus?“

„Nicht wirklich“, sagte er steif, „aber so ähnlich.“

„Pflanzt ihr euch fort?“ Ich hatte einen weiteren Geistesblitz. Hatten Vampire Sex? Oder waren sie in allem oral-fixiert? Nun, dachte ich, es gab sicherlich Schlimmeres als einen oralfixierten Freund. Könnte sogar von Vorteil sein.

David wollte mir diese Frage nicht beantworten, er meinte, es sei schon spät und er wolle mich lieber nach Hause bringen.

„Wie du willst“, sagte ich, „vielleicht hüpft dir noch ein einsames Reh über den Weg, dann kannst du zu Hause sagen, du hast auswärts gegessen.“



Ich wollte niemals rüde zu David sein, aber sein Geständnis forderte es einfach heraus. Es dauerte einige Wochen, bis ich begriff, dass er die Wahrheit sagte. Ja, er war ein Vampir und er hatte Kräfte und Eigenschaften, die ihn sehr von den Menschen unterschied, aber er hatte auch etwas an sich, was ihn sehr menschlich und absolut unerträglich machte.

David sah zwar richtig schnuckelig aus, er war schlank und sportlich, aber sein vamipirisches Verliebtsein äußerte sich nicht nur in fatalen Übelkeitsanfällen, die er schnell überwunden hatte. In der Schule versuchten wir zunächst, unser spezielles Verhältnis geheim zu halten, aber jedes Mal, wenn wir uns im Unterricht, in der Kantine oder auf dem Parkplatz begegneten, verlor er etwas die Kontrolle über sich. Er fiel über Stühle, rannte gegen Wände, stieß sich die Schienbeine an abgestellten Kartons, ließ seine Bücher fallen, rammte sich aus Versehen einen Bleistift in die Hand und rannte vor der Lehrerin davon, die sich darüber gewundert hätte, dass er mit einem Bleistift der Stärke HB in der Hand nicht blutete.

Erst, als wir uns dazu entschlossen, am nächsten Morgen Hand in Hand das Schulgebäude zu betreten, wurde es besser.
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Bonney und Sue belagerten mich mit Fragen und waren davon überzeugt, dass es nur ihrer Hilfestellung zu verdanken war, dass wir zueinandergefunden hatten. Ob das stimmte? Vermutlich nicht, aber ich ließ sie in dem Glauben und hatte zwei gute Freundinnen gefunden. Natürlich erzählte ich ihnen nichts von Davids Geheimnis. Es war bei mir gut aufgehoben.



Der Höhepunkt war die Einladung zum Essen bei seiner Familie. Und gleichzeitig war das auch der Anfang vom Ende unserer Beziehung. Samuel, das Familienoberhaupt, dem ich bisher noch nie begegnet war, weil er sich nie in die Stadt wagte und nur im Haus blieb, begrüßte mich mit einer souveränen und fast liebevollen Umarmung, bei der ich kurz vermutete, er schnüffelte an meinem Hals. David stellte mich vor und er sagte: „Ah, du bist Ida, von der David ständig spricht. Herzlich willkommen.“

Es war Davids Schwester Serena (zumindest war das ihre offizielle Bezeichnung), die als Nächstes auftauchte. Sie kam aus der Küche, hatte ein schlaffes Langohr in der Hand, wedelte wütend damit herum und zischte: „Wer hat schon wieder mein Kaninchen ausgetrunken?“

Ich starrte auf das tote Kaninchen, auf Serena, auf Samuel, dann auf David und schlug mir die Hand vor den Mund. Dann platzte es aus mir heraus. Ich wieherte los vor Lachen, bekam keine Luft mehr, ging in die Knie und mir schossen die Tränen in die Augen. Noch nie im Leben hatte ich einen solchen gnadenlosen Lachanfall und keiner der Anwesenden fand das sehr erheiternd. Sie starrten mich an, als sei ich das Monster in diesem Haus. Als ich mich einigermaßen wieder unter Kontrolle hatte, zeigte ich auf das Kaninchen und sagte: „Schmeiß ihn einfach in die Recyclingbox und hol dir einen frischen aus dem Stall“, und gackerte wieder los.

Vermutlich können Vampire alles ertragen; gejagt und verachtet zu werden, vermutlich lieben sie es, wenn man sich vor ihnen zu Tode fürchtet oder sie ganz romantisch verklärt in den Romanzenhimmel hebt, aber sie ertragen es definitiv nicht, wenn man sie lächerlich findet.

Mein Lachanfall läutete das Ende ein. Was immer aus David und mir hätte werden können, es endete vorzeitig. Er sagte mir Tage später, seine Gefühle haben sich gewandelt, plötzlich sei ich wie jede andere Schülerin in der Schule und im Grunde sei er ganz froh darüber, denn schließlich sei es nie gut, wenn sich Tag-und Nachtwesen miteinander abgaben.
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Das gab nur Verwicklungen und unnötigen Stress.

„Davon mal abgesehen“, sagte ich, „du hast mir noch nicht erklärt, wieso du es in der Sonne aushältst. Oh, warte, Sunblocker?“

Mein Humor hat ihn vertrieben. Offiziell ging er von der Schule ab, er blieb in French Hope, aber er wurde in der Stadt nur noch selten gesehen. Nach vielen Hundert Jahren High School hatte er endlich gemerkt, dass Schule nicht alles ist im Leben. Irgendwann muss selbst ein Vampir, der wie siebzehn aussieht, mal erwachsen werden.





[Wer es nicht gemerkt hat: Das ist eine Twilight Veräppelung ;0)]
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Kommentare zur Story:

  Sehr schön geschrieben:) ich mag diese ganzen Vampirgeschichten.  
   MissUndercover 97  -  03.11.12 07:54

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  Wie schön, liebe Pia, dass deine "Beziehung" mit dem Schattenwesen nur von kurzer Dauer war. Ansonsten hätten wir nicht das Vergnügen gehabt, diese mit Herzblut verfasste und sehr humorvolle Geschichte lesen zu dürfen.
Viele Grüße
Fred  
   Profil gelöscht  -  10.04.11 08:29

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  Hallo Pia,

wirklich eine sehr schöne, eine fantastische und zudem auch eine sehr bildhafte Geschichte - sehr spannend und garniert mit exzellenten Worten.
Ich kann Ingrids Statement nur bestätigen.
Diese Story könnte durchaus zu einem tollen Roman mutieren.
Das Zeug dazu hättest du allemal.
Auch dir noch die besten Wünsche für's neue Jahr.
LG. Michael  
   Michael Brushwood  -  13.01.11 15:11

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  Schön, fantastisch, romantisch und irgendwie sogar ganz echt. Gelungen.  
   Gerald W.  -  13.01.11 11:55

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  Ist ja süß! Wunderbarer Schreibstil. Ganz toll geworden und das schreit förmlich nach einer Fortsetzung. Hat mir jedenfalls großen Spaß gemacht das zu lesen.  
   doska  -  03.01.11 19:22

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  pialein meine süße*o* mir gefällt es auch ^^
bewerte zwar öfters als zu schreiben aber weils du es bist lass ich ein kommi da^^  
   Michael Drake  -  01.01.11 21:30

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  sehr bildhaft geschrieben, ich sehe alles vor mir, den chauffeur, das zimmer in rosarotfloral und nippes, niedlich fürwahr... wie der typ seinem freund in den schoß kotzt, erinnert mich ein bisschen an southpark, stan und wendy.
da solltest du echt einen roman draus machen.
ach mist, gibt's ja schon... ;)  
   Ingrid Alias I  -  01.01.11 17:38

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Kommentar von "Sabine Müller" zu "verkaufte Seele"

Hallo, sehr berührend. Gefällt mir gut, auch wenn es sehr traurig ist. Gruß Sabine

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