Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten

Von:    Laura Blubb      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 4. Mai 2010
Bei Webstories eingestellt: 4. Mai 2010
Anzahl gesehen: 2762
Seiten: 2

Ich habe Magersucht.

Eigentlich will ich es mir nicht eingestehen. Ich sage mir immer wieder, dass mir das nicht passieren kann. Ich weiß doch soviel darüber.

Aber ich fühle mich zu fett. Ich bin 1,63 groß und wiege etwa 50kg. Ich weiß, das ist viel.

Also kann ich gar keine Magersucht haben.

Mit meinem Freund habe ich Schluss gemacht. Er konnte mein Gerede vom Abnehmen nicht mehr ertragen und machte sich Sorgen, das konnte ich wiederum nicht ertragen.



Keiner merkt was in mir vorgeht. Keiner erkennt es. Mein bester Freund sagt, ich wäre wunderschön. Ich glaube ihm nicht. Er hat unglaublich hohe Ansprüche, was Schönheit angeht. Da passe ich nicht rein. Ich bin nicht schön. Ich bin auch nicht hässlich. Aber schön bin ich nicht. Ich bin fett. Ich muss abnehmen.

Im Moment nehme ich etwa 1,5kg in zwei Tagen ab.

Heute hatte ich leider einen Fressflash. Wie ich das alles wieder los werde? Kotzen und danach zwei Stunden joggen. Im Grunde hasse ich dieses Gekotze, ich finde es für undiszipliniert und wende es nur im äußersten Notfall an. Außerdem schwellen davon die Speicheldrüsen an.

Das ist hässlich. Lieber treibe ich ganz viel Sport.



Wenn ich bei meiner Mutter zu Besuch bin, dann möchte sie immer, dass wir gemeinsam Mittag essen. Das ist für mich inzwischen jedesmal eine ungeheure Qual. Die letzten zwei Male habe ich abgesagt und mir lieber andere Dinge vorgenommen. Morgen kann ich nicht absagen. Es quält mich jetzt schon. Ich habe Angst, dass ich zunehme. Ich habe Angst vor dem Essen.

Sie kocht immer so fettig.



Ich bin nicht magersüchtig. Ich wiege nicht zuwenig und essen tue ich ja auch etwas. Gemüse. Obst. Milch. Tee. Außerdem hätte dann schon längst jemand etwas bemerkt.



Es macht mir immer weniger aus, mit einem Hungergefühl durch die Gegend zu laufen. Ich kann mich immer mehr beherrschen. Ich verzichte auf alles. So lange es geht. Ich habe einen Wettkampf begonnen. Mit mir selbst. Und ich beabsichtige ihn zu gewinnen.

Wann „gewonnen“ erreicht ist? Dann, wenn ich mich in mir selbst wieder wohl fühle.

Ich hasse den ganzen Druck von außen. Du musst dies, du muss jenes.
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Bis dann und dann muss alles erledigt sein.



Zum kotzen.



Ich bin nie zufrieden mit mir selber. Immer muss alles perfekt sein. Ich möchte alles perfekt machen. Meine eigenen Leistungen stellen mich niemals zufrieden.Ich will perfekt sein.



Ich fange an mich selber zu hassen, wenn meine Disziplin ins Wanken gerät und ich etwas esse, was ich mir eigentlich verboten habe.

Allgemein hasse ich mich nicht. Ich finde mich ja auch nicht hässlich. Nur halt nicht perfekt.



Meine Bilanz über die letzten Monate? Ich hänge ganz tief drin und mag es mir nicht eingestehen.



Eigentlich möchte ich das nicht. Eigentlich möchte ich einfach mit mir zufrieden sein. Aber das bin ich nicht. Ich bin nicht glücklich mit mir selbst. Deswegen habe ich beschlossen abzunehmen. Obwohl ich eigentlich weiß, dass das der falsche Weg ist.



Heute bin ich in Ohnmacht gefallen. Aber es ist nichts passiert.



Ein Teil von mir, der mit jedem Tag schrumpft, möchte mit dem ganzen Zirkus aufhören. Dieser Teil schreit jeden Tag, das alles wäre der falsche Weg. Diese Lösung wäre nicht gut und ich solle damit ganz schnell aufhören. Aber ich kann nicht. Ich kann schon längst nicht mehr.

Ich hänge da schon ganz tief drin. Aber richtig eingestehen will ich es mir nicht. Dieser schreiende Teil, der wird immer leiser. Eigentlich schreit er schon längst nicht mehr. Eigentlich flüstert er nur noch. Jeden Tag ein Stückchen leiser.



Ich kenne nahezu alle Kalorienzahlen auswendig. Für Obst und Gemüse kann ich die Zahlen runterbeten. Alles andere erlaube ich mir nicht. Da reicht mir das Wissen, dass diese Dinge viel zu viele Kalorien enthalten.



Ich hasse langsam dieses Versteckspiel. Dieses Lügen. „Nein Danke, ich habe schon gegessen.“ - „Nein, ich habe keinen Hunger.“ - Wie lange soll das noch so gehen?

„Ja, mir geht es gut.“ - „Ich bin glücklich.“ - Was für ein gigantisches Lügenmärchen.



Manchmal, so wie jetzt, möchte ich alles aus mir heraus schreien, laut rufen und winken und schauen, ob mich irgendjemand hört. Irgendjemand wahrnimmt.
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Ich habe Angst, niewieder da heraus zu finden. Keinen Ausweg mehr zu sehen.



Aber im Moment möchte ich ihn noch gar nicht wirklich suchen.
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Kommentare zur Story:

  Hallo Laura,

gut dargestellt, dieses Krankheitsbild.
Ich nehme mir vor abzunehmen.
Bei 1,67kg Körpergröße bringe ich 92 kg auf die Waage.
Wirklich zu viel des Guten.
Ich nehme mir vor abzunehmen, kann aber bestenfalls mein Gewicht nur halten.
LG. Michael  
   Michael Brushwood  -  23.06.10 19:43

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Schön, dass zumindest deine Protagonistin erkennt, dass sie krank ist. Gute Darstellung einer Krankheit.  
   Petra  -  05.05.10 21:28

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Jonatan Schenk" zu "Eine Rose wird blühen"

ein sehr schönes gedicht!

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