Ein schmaler Grad Kapitel 2 (Historisch)   338

Romane/Serien · Romantisches

Von:    Lilly      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 12. April 2010
Bei Webstories eingestellt: 12. April 2010
Anzahl gesehen: 2455
Seiten: 13

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Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Kapitel 2



„Das Gewissen ist die Wunde, die nie heilt und an der keiner stirbt.“

Friedrich Hebbel





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Die Kutsche kam drei Tage später, es war kaum Zeit alles vorzubereiten. Sich an die Worte, das Geständnis ihrer Mutter zu gewöhnen. Es schien ihr kaum möglich den Gedanken zu verstehen, dass ihr Vater sein Leben für ein kriegerisches Volk hergab. Er hatte sie verlassen und das war alles was durch sie hindurch drang, wie ein schmerzlicher Pfeil bohrte es sich immer tiefer in ihr Bewusstsein. Doch würde sie ihrer Mutter beweisen, das sie keine dumme Frau war, die sich von den Meinungen anderer leiten lies. Sie würde nett sein und offen, so wie ihr Vater es sie lehrte. Etwas musste es dort vielleicht auch geben, etwas das seinen Tot entschuldigte oder zumindest für sie verständlicher machte. Sie würde ihren Verstand offen halten und danach suchen und egal was sie finden würde, sie würde es hinnehmen und versuchen zu verstehen.

Als sie sich von ihrer kleinen Schwester und ihrer Mutter verabschiedete, schlug ihr Herz bis zum Hals. Tränen standen in ihren Augen als sie ihre Mutter umarmte und ihr zuflüsterte:

„Ich werde versuchen meine Augen für die Wirklichkeit zu öffnen. Ich werde dich und Vater nicht enttäuschen.“

“Ich weiß das du das nicht tun wirst, das könntest du nie.“

Fest drückte sie ihr Kind an sich und wollte sie am liebsten nicht gehen lassen, doch glaubte sie zu ahnen, das es ihrer Tochter gut tun würde. Sie brauchte Abstand, einen Ort an dem sie ohne diese Erinnerungen sein würde, ohne die Frage nach dem warum und weshalb. Doch, dass sie ihr Kind unwissentlich in eine chaotische und schmerzliche Zukunft schickte, das ahnte sie bei weitem nicht.

„Ich liebe dich, Leathendra.“

Flüsterte sie ihrer Tochter mit zitternder Stimme ins Ohr und lies sie dann schweren Herzens los. Die Umarmung ihrer kleinen Schwester, war kaum weniger Herzzereisen und Lea sagte zu ihr:“ Und du passt auf Mutter auf, ja? Gib Acht das sie sich nicht übernimmt und schreibe mir, so oft du kannst, berichte mir alles und las ja nichts aus.“

Tapfer nickte Sibylle und wusch sich hastig die Tränen von ihren Wangen.
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Dann stieg sie zu ihrer Cousine in die kleine Kutsche, deren Dach voll beladen war. Noch einmal reichte sie ihre Hand aus dem kleinen Fenster und ergriff die ihrer Mutter, weinend ermahnte sie diese:“ Wenn etwas nicht in Ordnung ist, dann schreibe mir und ich komme sofort wieder, egal welches Wetter wir haben, ich komme sofort nach Hause.“

Das nicken ihrer Mutter überzeugte sie nicht, doch sie konnte nichts weiter sagen, denn die Kutsche setzte sich in Bewegung und die Reise begann.

Nachdem sie eine Weile unterwegs waren, fragte Lea ihre Cousine etwas zögerlich:“ Sag einmal, nun ja … hast du Angst?“

„Wovor, vor den Schotten?“

Lea wollte nicken, doch zuckte nur einmal kurz mit ihren Schultern und Isabella erklärte ihr nervös:“ Angst habe ich … glaube ich nicht so richtig, Tyra meinte, die meisten wären ganz nett, eher bin ich aufgeregt … es sollen hübsche Männer unter ihnen sein und die Landschaft ist wohl auch nicht zu verachten.“

Isa hatte fürchterliche Angst, doch wollte sie das Thema wechseln, denn es brächte nichts wenn jeder von seinen Ängsten berichtete und sie sich dadurch immer mehr fürchteten. Denn auch sie kannte diese abscheulichen Geschichten von brutalen und erbarmungslosen Schotten, die man schon den Kindern erzählte.

„Das glaub ich jetzt nicht“, Lea war wirklich entsetzt:“ Du reist gar nicht wegen deiner Freundin Tyra dorthin, du nimmst diese Reise nur auf dich um nach Männern Ausschau zu halten, und ich muss dich auf deiner Exkursion auch noch begleiten!“

„Nun, sagen wir einmal so, ich nehme jede Gelegenheit die kommen mag und du kennst das magere Angebot an Männern auf diesem, unserem Teil der Insel.“

Verspielt rollte sie eine ihrer blonden Locken auf ihrem Zeigefinger auf und sagte noch fast nebenbei:“ Und wie sehr würde ich meine Mutter ärgern, wenn ich einen Schotten eheliche.“

“Gott, Isabella“, Lea griff sich an ihren Kopf:“ Du kannst doch einen Mann nicht heiraten nur um deine Mutter zu ärgern. Sieh dir meine Schwester an und sieh was daraus geworden ist. Sie ist unglücklich, fast schon verarmt und er betrügt sie wo er nur kann.“

Trotzig wie ein kleines Kind verschränkte Isabella ihre Arme vor der Brust und brummte: „Und ob ich das kann.
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Meine Familie hat nichts anderes verdient, schließlich bin ich in ihren Augen weniger Wert als eines der Pferde aus unserem Stall. Ich bin die Schande der gesamten Familie, weil ich schon vier potentielle Ehemänner davon gejagt habe. Ich lasse mich nicht manipulieren wie meine Schwester, ich lasse mich nicht zu einer Marionette der Gesellschaft erziehen. Ich wünschte meine Familie wäre nur ein wenig so wie deine.“

“Oh meine ist auch keineswegs perfekt“, wiedersprach ihr Lea herzhaft:“ Meine Eltern waren sehr tolerant in ihrer Erziehung, das mag wohl so sein, doch schau was daraus geworden ist. Mein Bruder ist ein geldgieriger Dummkopf, der jeden wegen ein paar Pfund unter die Erde bringen würde. Er lebt in seiner kleinen eigenen wirren Welt und ich glaube, dass er kaum einen Schritt davon entfernt ist durchzudrehen. Meine ältere Schwester ist affektiert, eingebildet und glaubt mehr ausgeben zu können als sie besitzt. Sie ist verwöhnt und macht immer nur das, was ihr zu Gute kommt. Sie spricht jedem nach dem Mund, sobald es ihr etwas bringt. Sie liebt keinen außer sich selbst und das viel zu viel. Meine kleine Schwester ist ein Trotzkopf und Rechthaberisch, jedoch auch unglaublich liebenswert, das muss ich schon sagen, aber ihre Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen und wenn sie erst einmal begreift was Vater ihr Hinterlassen hat, wird sich das sehr wahrscheinlich auch ändern. Und dann bin da auch noch ich. Ich bin Dickköpfig und immer auf Streit aus. Ich gebe nicht nach und vertrete für eine Frau viel zu offen meine Vorstellungen und Wünsche. Ich gehe nicht gerne in die Kirche und verhalte mich nicht gerade wie ein Gott frommes Wesen. Ich reite wie ein Mann, gehe nackt schwimmen, und das ist, glaube ich, alles nicht gerade Damenhaft, oder ...?“

Isabella zuckte kurz mit ihren Schultern, musste sie sich doch sehr anstrengen ihren schnellen Worten zu folgen und war nun nicht darauf gefasst nach ihrer Meinung gefragt zu werden. Lea beließ es auch dabei und sprach einfach weiter:“ Ich konnte früh lesen, schreiben und rechen, was manch eine Frau niemals lernt und kein Mann sich darum schert was seine Frau kann und was nicht. Ich Diskutiere gerne über Dinge die Frauen nichts angehen und das nur um zu provozieren. Und dann habe ich vor wenigen Tagen erfahren dass ich engstirnig und ohne eigene Meinung bin.
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Das meine Weltvorstellung vor unserer Haustür endet und das ich über andere Urteile ohne mir selbst ein Bild von ihnen gemacht zu haben.“

Isabella lachte nach einer Sekunde der Stille laut drauf los und meinte Atemlos:“ Na Gott sein dank sind wir alle nicht perfekt.“

Jetzt lachte auch Lea und hielt sich ihren Bauch. Doch dann meinte Isabella auf einmal ernst:

„Trotzdem wirst du geliebt und dein Vater vergötterte dich. Und das einzig und allein weil du so bist wie du bist, eine eigenständige starke Person. Er gab dir die Möglichkeit dich zu bilden, nicht nur zu sticken oder zu weben und dabei hübsch auszusehen. Er gab dir das wonach ich mich sehne, seitdem ich gesehen habe, das auch Frauen es besitzen können, er gab dir ein eigenständiges Leben.“





Zwei Tage reisten sie durch England und machten nur halt um zu schlafen oder die Pferde zu wechseln. Es war eine unbequeme lange Reise, doch dies war der angenehmere Teil, nur wussten sie dies noch nicht.

Dann kamen sie endlich an einem Gasthaus an, das sich halb auf schottischem, halb auf englischen Boden befand. Geführt wurde es von einem Engländer mit seiner schottischen dicken und unglaublich lauten Frau. Dort wurde ihr Gepäck abgeladen und man brachte es in eine kleine Scheune, denn noch am selben Tag sollten Soldaten von dem Clan den Tyras Mann leitete kommen. Sie aßen in Ruhe eine Fleischsuppe zu Mittag und setzten sich danach etwas nach draußen. Es war ein wunderschöner, wenn auch kühler Tag, doch die Sonne schien und die frische Luft war klar. Nach einer Weile, in dem sie schweigend nebeneinander gesessen hatten, meinte Isabella müde, ein herzliches Gähnen kaum unterdrücken zu können: „Komm, lass uns wieder rein gehen, ich friere etwas.“

„Geh du nur, ich will noch etwas hier bleiben.“

Isabella nickte, erhob sich und betrat wieder das kleine Gasthaus. Als ihre Cousine fort war, ging Lea etwas um das Haus herum und entdeckte eine kleine Schaukel die an einem dicken Ast befestigt war. Sie setzte sich darauf und begann ein wenig damit zu Schaukeln.

Die klare Luft duftete nach etwas unbekanntem und die Sonne schien ihr angenehm ins Gesicht.

Der Tag bewegte sich gemächlich dem Ende zu und sie konnte sehen wie die Sonne sich langsam einem in der Ferne liegenden Hügel zu neigte.
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Ihr Kopf lehnte sie gegen das raue und leicht ausgefranzte Seil und sie schaute verträumt der kommenden Dunkelheit entgegen.

Lea hatte schon jetzt Heimweh und das schlechte Gewissen ihre Mutter allein gelassen zu haben plagte sie ununterbrochen. War sie Glorias Habgier gewachsen und konnte sie Marcs Dominanz entgegen treten?

Auf einmal hörte sie ihren Namen rufen, es klang irgendwie erleichtert und sie sah hinter sich. Isabella kam mit zwei Männern in schottischer Tracht auf sie zu. An den Anblick von Männern in Plaids und ihren nackten Beinen musste sie sich wohl oder übel gewöhnen.

Sie erhob sich von der Schaukel und ging auf Isabella zu, die schien zu ihrer Überraschung etwas wütend zu sein:“ Warum sagst du nichts, ich habe dich gesucht, laut nach dir gerufen und langsam angefangen mir Sorgen zu machen.“

„Ich habe mich etwas umgesehen und diese Schaukel entdeckt, vergib mir, ich habe wohl vollkommen die Zeit vergessen.“

Ein beschwichtigendes Lächeln huschte über Leas Gesicht und Isabella konnte nicht mehr wütend sein. Sie drückte die Hand ihrer Cousine und flüsterte:“ Gott sei Dank habe ich dich ja gefunden, es sind so viele“, dann erklärte sie ihren Begleitern überaus schüchtern und starr auf den Boden blickend:“ Jetzt sind wir vollständig.“

Dann wandte sie sich Lea wieder zu und meinte hörbar nervös:“ Komm … sie warten anscheinend nicht gerne.“

Und schon zog sie Lea hinter sich her. Es waren mehr Männer als sie gedacht hatte, zehn an der Zahl und alle waren in dieser seltsamen Tracht gekleidet.

Ein Mann, er war wohl der Truppenführer, saß als einziger noch immer hoch zu Ross und wirkte sehr gereizt. Er schien von seiner Aufgabe, zwei Engländerinnen zu eskortieren und diese dann auch noch vor eventuellen Gefahren zu beschützen, nicht begeistert.

Wütend sah er den beiden Frauen entgegen. Sein Blick rührte sich nicht von ihnen fort und erst nach einer schieren Ewigkeit meinte er übertrieben ärgerlich:“ Na endlich, wir haben keine Zeit. Zuerst heißt es, ich soll eine Engländerin abholen und dann teilt man mir hier mit, das es auf einmal zwei sind und eine der beiden verschwindet spurlos und wir verschwenden unerwartet unsere Zeit damit eine hilflose Engländerinn zu suchen.
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Überrascht über seine laute Stimme, die wie ein grollen auf die beiden nieder schlug, und seiner offensichtlichen Arroganz, meinte Lea unschuldig klingend:“ Verzeiht Sir, aber seid Ihr nicht zu spät und ist es nicht eine Tugend der Männer … von Kriegern … unerwartetes immer zu erwarten?“

Überrascht über ihre offenen Worte und das sie wohl keine Angst zu haben schien, sah er sie einen Augenblick lang sprachlos an. Seine Augen ruhten auf ihrem Gesicht, und so konnte er zum Glück nicht die entsetzten Blicke seiner Männer sehen. Die waren sich sicher, das er nicht zulassen würde das ein Weib so mit ihm sprach, doch er meinte nach einem Augenblick schlicht wütend:“ Aufsetzen!“

Und seine Männer verstanden kein Wort mehr, überrascht sahen sie sich für einen Augenblick lang an, folgten dann aber seinem rauen Befehl.

Wenn er nur sehen könnte wie ihre Beine unter ihrem Kleid zitterten, dann hätte er ihre Worte bestimmt nicht einfach so durchgehen gelassen. Sie bebten regelrecht, wusste sie doch nicht, wie groß der Hass seinerseits war und was sie zu befürchten hatten. Doch war sie auch nicht der Mensch, der sich ohne ersichtlichen Grund so herablassend behandeln ließ. Er schien einen groll gegenüber ihrer Herkunft zu haben, also entschied sie sich, ihm wenigstens einen Grund dafür zu geben. Konnte sie doch nichts für ihre Abstammung, genauso wenig wie er für die seine. Also eröffnete sie das Spiel und war bereit sich ihm mit ihrem ganzen Stolz zu stellen. Auch wenn sie wohl eine schmerzliche Schmach mit sich ziehen würde.

Sie führten zwei Pferde vor die beiden Frauen und er meinte hörbar triumphierend, sich leicht verbeugend:“ Bitte vergebt uns unsere Unwissenheit, aber wir vergaßen das englische Frauen es nicht gewohnt sind in einem Männersattel zu reiten, wenn sie es überhaupt können.“

Lea wandte sich ihm zu und erklärte, ohne viel Aufhebens um seine Worte zu machen:“ Ich vergebe Euch Eure Unwissenheit über das Können englischer Frauen.“

Ohne zu zögern hob sie ihre Röcke an, zeigte etwas von ihren schlanken Beinen und zog somit unüberlegt alle Aufmerksamkeit auf sich. Doch Lea lies sich davon nicht beirren, während Isabella am liebsten vor Scham über die Leichtfertigkeit ihrer Cousine im Erdboden versunken wäre.
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Lea stellte ihren linken Fuß in den Steigbügel und zog sich mit Leichtigkeit am Knauf hoch. Geschickt, trotz ihres Kleides mit seinen unwilligen Stoffen, saß sie dann auch schon im Sattel, richtete die Falten, ordnete ihren Umhang und nahm die Zügel entgegen. Ohne auf die verwunderten Gesichter um sich herum zu achten, meinte sie zu ihrer Cousine:“ Es ist ganz einfach Isabella …“, Lea ignorierte Isabellas erschreckten und ungläubigen Gesichtsausdruck über ihre erklärte Einfachheit, sie sprach einfach geduldig weiter:“ Du musst deinen linken Fuß in den Steigbügel stellen.“

Isabella hob nach kurzem zögern und hochrotem Gesicht ungeschickt ihre Röcke an und tat etwas steif wie ihr geheißen. Lea nickte ihr aber stolz zu.

„Ja genau so! Dann hältst du dich mit deiner rechten Hand am Knauf und mit der anderen am Ende des Sattels fest … gut so … und dann ziehst du dich einfach nur nach oben und schwingst dein rechtes Bein auf die andere Seite.“

Es funktionierte nicht beim ersten Mal und es kostete sie eine Unmenge an Kraft, sich jedes Mal wieder neu nach oben zu ziehen. Doch nach dem vierten Anlauf, schaffte sie es endlich uns saß vollkommen erschöpft wirkend im Sattel. Schwer atmend blickte sie zu ihrer Cousine, die sie nur stolz anlächelte und neben sie ritt.

„So, können wir dann“, fragte der Anführer der Männer unglaublich ungeduldig und abgespannt:“ Ich will endlich fort von hier, zu nah sind wir an englischen Boden und das schon viel zu lange.“

Lea wandte sich ihm elegant zu und meinte noch immer unbeeindruckt von seiner übertriebenen Wut, Arroganz und seiner anmaßenden Art, mit einem sanften Lächeln auf ihren Lippen:“ Ihr voran, Sir, doch seid gewiss, ein Stück England folg Euch auf dem Fuß.“

Sein Blick schien sie fast zu durchbohren, doch Lea lächelte ihn einfach nur herzlich an. Seine Männer hingegen fanden dies mittlerweile sehr belustigend und konnten sich nur schwer ein lachen verkneifen. Was ihm natürlich nicht entging und obwohl er sie unglaublich wütend anstarrte, fiel es ihnen trotzdem schwer sich zu beherrschen.

Die Truppe setzte sich dann endlich langsam in Bewegung und Isabella fielen die vielen unterschiedlichen Blicke auf.
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Die einen sahen sie neugierig an, abschätzend und manch anderer wiederum genervt oder gar gelangweilt. Diese Unterschiede machten sie fürchterlich nervös, sie konnte ihre Lage somit überhaupt nicht einschätzen. Etwas überreizt blickte sie somit zurück und strich sich eine Strähne aus ihrem tugendhaft aufgesetzten Gesicht und versuchte mehr würdig in ihre Sitzposition zu bringen, so wie ihre Cousine Lea. Sie schien erhaben über alles zu sein, reckte gerade noch einmal ihr fein geschnittenes Kinn, um dann diesen völlig Fremden zu folgen, in ein Land das beiden nicht wohlgesonnen war. Was wünschte sie sich wieder einmal solch ein Selbstvertrauen.

„Ich … ich habe ein mulmiges Gefühl“, gab Isabella nun endlich zögerlich zu und meinte dann noch immer leiser werdend:“ Ich ging, glaube ich, zu blauäugig an diese Sache heran. Hast du gesehen wie riesig die alle sind und diese mächtigen Schwerter und Himmel Herr Gott … ihre Kleidung. Ich dachte immer, das wären alberne Märchen. Gott … bin ich so unendlich froh das du dabei bist.“

“Warum“, fragte Lea hörbar überrascht, sich etwas näher an sie heran gebeugt:“ Glaubst du zwei lassen sich schwerer Schänden und verscharren als eine Person?“

Als sie auf einmal das bleiche Gesicht ihrer Cousine sah, probierte sie diese schnell wieder zu beruhigen in dem sie versuchte gelassen zu klingen, als sie ihren vorherigen Worten noch hinzufügte:“ Lass dich doch nicht von ihren Blicken einschüchtern, Isa, ich bezweifle das sie ihrem Oberhaupt Schande bereiten wollen. Natürlich sind sie nicht begeistert von ihrer Aufgabe. Für sie ist es, als würden sie den Teufel selbst Eskortieren. Doch egal welcher Herkunft sie entspringen, es sind Soldaten, sie tun was man ihnen befiehlt und sie werden uns unversehrt zu Tyra bringen.“

Eine Weile schwiegen sie auf diese Worte hin, es war schon stockfinster als Isabella auf einmal flüsternd sagte:“ Ich könnte Wetten, das er …“, sie zeigte hastig auf den Anführer:

„Der Bruder von Tyras Ehemann ist. Sie schreibt immer, dass er als einziger noch gegen diese Ehe sei und kaum ein Wort mit ihr wechselt. Er betritt das Haus wohl nur wenn sie es verlässt oder schon schläft. Sie fühlt sich in seiner Gegenwart gar nicht wohl, er verachtet sie und somit alles was sie ist.
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Sein Name lautet, glaube ich, Jason.“

„Oh …“, Lea musste sich ein Lachen verkneifen:“ Dann denke ich, ist dies eine Belehrung seines Bruders“, es fiel ihr immer schwerer sich unter Kontrolle zu halten:“ Es könnte somit äußerst schwierig werden ihn einmal Nett vorzufinden. Es muss für ihn fürchterlich erniedrigend sein. Welch eine Demütigung für ihn.“

Isabella nickte schweigend, ihren Humor über dieses Problem irgendwie nicht teilen könnend. Schließlich würden sie beiden dies zu spüren bekommen. Er würde seine Verachtung ihnen gegenüber nicht verstecken. Es schien ihm egal zu sein, ob sein Bruder ihn bat nett zu ihnen zu sein, er würde es einfach nicht tun. Er schien unglaublich Stolz und somit auch unglaublich stur zu sein, denn schließlich lebte Tyra nun schon zwei Jahre in dieser Familie. Und ihr war es bisher schließlich noch nicht gelungen ihn umzustimmen, oder gar von ihrem ausgesprochen guten Herzen zu überzeugen.

„Guten Abend die Damen, darf ich mich vorstellen, mein Name ist Malcolm Baxter.“

Ein Mann ritt auf einmal neben Isabella und lächelte beide Frauen freundlich an. Sie erschrak etwas, war sie doch tief in ihre Gedanken versunken.

„Guten Abend Mr. Baxter“, sagte Lea freundlich, als Isabella sie etwas hilflos anblickte.

„Mein Name ist Leathendra und das ist meine heute anscheinend etwas schweigsame Cousine Isabella.“

Freundlich versuchte er Isabella anzulächeln um ihr eines zu entlocken, doch die blickte nur starr gerade aus. Ihre Hände wurden feucht und ihr Hals fühlte sich staubtrocken an, sie hätte auch gar nichts sagen können, es hätte sich wahrscheinlich wie eine Krähe angehört und so war es gar nicht so schlecht, das sie schwieg. Und weil sie annahm, dass ihr Gesicht puder rot war, sah sie ihn auch besser nicht an.

„Verratet Ihr uns vielleicht wann wir endlich einmal rasten, es ist schon fast finster?“

Wollte Lea wissen, denn sie wurde langsam etwas müde und sie war es nicht gewohnt, beim reiten solch unbequeme Kleidung zu tragen. Ihr Hintern schmerzte und ihre Muskeln brannten. Sie wollte sich gar nicht ausmalen wie es Isabella erging, saß sie doch sonst nie im Sattel.
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„Oh tut mir Leid, das weiß ich nicht. Mir scheint, als wolle Jason ein gutes Stück vorankommen.“

„Dann ist er also wirklich der Bruder von Wilbert MacKneele?“

Jetzt sprach endlich Isabella und ihre Stimme klang bei weitem nicht so kratzig wie sie es befürchtet hatte. Mr. Baxter schien erfreut darüber zu sein das sie endlich mit ihm sprach, denn ein warmes Lächeln durchzog sein Gesicht als er nickte. Endlich begannen die beiden sich zu unterhalten und Lea fiel nach einer Ewigkeit, in der sie rigoros ignoriert wurde, ganz langsam immer weiter zurück um die beiden nicht zu stören. Erfreut beobachtete sie, wie ihre Cousine sich immer lebhafter mit diesem höflichen schottischen Krieger unterhielt und ein seichtes Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Ihre Angst schien zu schwinden und das war auch gut so. Wie hätte sie ihr denn weiß machen sollen, dass sie nichts zu befürchten hatten, war sie sich dessen selbst noch nicht einmal so sicher. Doch dieser höfliche Mr. Baxter schien es mit seinem Charme und dem offensichtlichen Interesse ihr Gegenüber mit Leichtigkeit zu schaffen. Leise seufzte sie beruhigt und blickte immer wieder in die sternenklare Nacht hinauf.

Eine Weile ritt sie als Schlusslicht hinter allen her, nur ein einziger Soldat befand sich dicht hinter ihr und lies sie nicht aus den Augen. Sein Blick glitt mehrmals komplett über ihren gesamten Körper und irgendwie wurde ihr das langsam etwas unangenehm. Sie war schon kurz davor ihn auf seine Unhöflichkeit hinzuweisen, doch kam ihr jemand anderes zuvor.

Jason MacKneele tauchte plötzlich neben ihr auf, blickte mit strenger Mimik hinter sich und der junge Krieger verschwand sofort. Aber nicht ohne sie noch einmal ausgiebig zu mustern, während er an ihr vorbei ritt. Ärgerlich verdrehte Lea ihre Augen.

Jason MacKneele schaute eine ganze Weile lang stumm in ihr Gesicht und betrachtete ausgiebig ihr zart geschwungenes Profil. Jedoch Lea, blickte einfach nur gerade aus und beobachtete das zwanglose wirkende Treiben ihrer Cousine. Sie ignorierte ihn einfach, obwohl sie einen Blick unangenehm auf sie spürte.

Isabella schien sich wirklich zu amüsieren. Sie lachte und berührte ihn auch einmal kurz an seinem Arm, als sie sich etwas zu ihm beugte, um ihm anscheinend etwas Geheimes zu berichten.
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Nach einem Augenblick des Schweigens sprach er sie dann endlich an und sie entnahm seiner Stimme, wie schwer es ihm doch fiel mit ihr zu reden:“ Verratet mir Euren Namen!“

Sie hörte den befehlerischen Unterton heraus und schüttelte unmerklich ihren Kopf über soviel Unverschämtheit.

„Ihr redet nicht oft mit Frauen, nicht wahr?“

Überaus überrascht sah er sie an und Lea erklärte ihm gelassen, als würde sie einen unwissenden Schüler unterrichten:“ Nun, anstatt mich zu bitten Euch meinen Namen zu verraten, fordert Ihr ihn befehlerisch ein. Ich wüsste nicht weshalb ich ihn Euch verheimlichen sollte, also braucht Ihr mir nichts zu befehlen.“

Immer noch starrte er sie an, als wäre sie ein hässliches Monster, das ihn gebeten hätte ihn zu küssen und Lea musste unweigerlich über seinen Gesichtsausdruck schmunzeln.

„Lea, Sir, mein Name lautet Leathendra Bradley.“

Gab sie ihm ruhig zur Antwort und strich sich eine Locke, die sich nach diesem langen Tag aus ihrem strengen Zopf gelöst hatte, hinter ihr Ohr. Eine Geste die ihn irgendwie auf Anhieb faszinierte und das schockierte ihn wiederrum.

Sein Blick veränderte sich jedoch in einer Sekunde von erschrocken in verwundert und nachdenklich, als er noch einmal ihren Namen in seinen Gedanken wiederklingen lies. Von irgendwoher kannte er diesen Namen, er war ihm bekannt, doch wollte es ihm gerade nicht einfallen.

„Könnt Ihr noch … oder sollen wir das Nachtlager aufschlagen, Leathendra Bradley?“

Belustigt über seine krampfhaft ruhige Stimme, sah sie ihn nun wieder an. Seine dunkel blauen Augen funkelten warm zu ihr herüber und diese plötzliche Erkenntnis machte sie mit einem mal etwas nervös. Schnell sah sie wieder von ihm fort und rutschte etwas in ihrem Sattel hin und her, bevor sie eine übertrieben freundlich klingende gegen Frage stellte:“ Dies liegt ganz bei Euch, mein Hintern dem noch fähig, wie ist es mit dem Euren?“

Noch nie sprach eine Frau mit solch offenen Worten und das mit solch einer Leichtigkeit zu ihm, das er verwundert sagte:“ Ihr redet seltsames Zeug für ein Weib.“

„Hm …“, entgegnete sie ihm gedehnt, einmal mit ihren Schultern zuckend:“ Seltsame Situationen erfordern manchmal seltsame Dinge.
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„Also seid Ihr im normalen Leben nicht so?“

Was interessierte ihn das? Ihre Stirn in Falten liegend meinte sie, ihn wieder betrachtend:

„Mein normales Leben ist für Euch doch nicht von Belang. Ich bin wie ich bin, ich rede was ich denke und wenn dies nicht angebracht sein sollte oder ich in Euren Augen seltsam zu sein scheine, dann entgeht dies doch ganz Eurem Interesse. Oder was meint Ihr?“

Doch Lea gab ihm nicht die Zeit ihr zu antworten, obwohl er schon Luft geholt hatte, sie sprach einfach weiter:“ Ich bin eine Engländerin und sind diese in schottischen Augen nicht sowieso verrückt … oder seltsam? Nehmt mich als Beispiel und erfreut Euch eurem Sieg, denn anscheinend habt Ihr recht.“

Sie gab ihrer Stute leicht zu verstehen das diese voran laufen sollte und gesellte sich wieder zu ihrer Cousine. Schweigend, aber mit leicht offen stehendem Mund sah er ihr nach. Sein langjähriger Freund, Blair MacBeth, der ihn die ganze zeit beobachtet hatte, gesellte sich nun neben ihn und fragte neugierig:“ Was schaust du so grimmig drein?“

„Diese Engländerin …“

Meinte er nur kopfschüttelnd und Blair folgte seinem Blick, er verstand sofort. Nachdem er kurz aufgelacht hatte sagte er schwärmend:“ Ah ja, ein wirklich überaus hübsches Ding, ein seltenes Exemplar, etwas zu vorlaut, aber wirklich unglaublich hübsch. Man könnte sich für sie erwärmen, meinst du nicht auch?“

Jason sah ihn an als wolle er einen Packt mit dem Teufel schließen und meinte überzeugt und mit fester tiefer Stimme:“ Noch nicht einmal wenn sie aus einer reinen schottischen Blutlinie stammen würde! Sie ist vorlaut, überaus schlecht erzogen, hat keinerlei Respekt und redet viel zu viel.“

Wieder lachte Blair auf und sagte spielerisch überzeugt:“ Natürlich, verzeih mir meine Unwissenheit. Du würdest dich diesem hübschen Ding entziehen können, ein hoch auf deine Konsequenz.“

„Mach dich nicht lustig über mich, du bist zwar mein ältester Freund, aber auch dies hat seine Grenzen.“

Nur krampfhaft konnte MacBeth sich ein weiteres lachen verkneifen. Er hob abwehrend seine Hände und sagte mit unterdrückt bebender Stimme:“ Vergib mir alter Freund, aber ich habe gesehen wie du sie betrachtet hast, als sie hinter dem Haus hervorkam und dann als sie auf das Pferd stieg, habe zumindest ich gesehen, wie du ihre Beine angestarrt hast und wie sprachlos du ihren Worten gegenüberstandest, das bekam wohl jeder mit.
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Genervt winkte er ab und versuchte seinen Fehler zu erklären:“ Ich bin es nun mal einfach nicht gewohnt, das man es wagt so mit mir zu reden. Dieses Weib hat mich einfach auf dem falschen Fuß erwischt, doch das ändert sich jetzt. Und gefallen finde ich an ihr nicht, das schwöre ich bei allem was mir heilig ist. Sie ist Engländerin und das reicht mir schon aus, um sie auf mich so hässlich wie die Nacht wirken zu lassen.“

„Ich werde darauf zurückkommen und dich an deine Worte erinnern. Aber wenn du nichts dagegen hast und anscheinend keinerlei eigene Interessen verfolgst, dann würde ich mich ihrer gerne annehmen. Denn ich muss schon sagen, dass ich keinen erheblichen Fehler an ihr erkennen kann der diese Schönheit ausmerzt. Außer ihrer Herkunft vielleicht, die für mich jedoch bei weitem nicht so relevant erscheint wir für dich und das ist etwas, das man durch eine gute Heirat ausmerzen kann. Daher entschuldige mich jetzt, ich muss meine Suche nach Fehlern noch etwas mehr vertiefen um dir später eventuell zustimmen zu können ...“

Er lachte unterdrückt und wartete nicht auf die Antwort seines alten Freundes, als er wieder nach vorne ritt. Er gesellte sich neben Lea und stellte sich ihr vor. Jason sah, dass sie ihn freundlich anlächelte und dann über irgendetwas herzhaft lachte, was die Aufmerksamkeit aller Soldaten auf sich zog. Er beobachtete seine Männer und stellte fest, wie ausdauernd sie Leathendra anstarrten, und es war schon nach wenigen Stunden keine Abscheu mehr in ihren Blicken, nein, sonder die pure Lust sich ihrer zu bemächtigen.

Na das würde ja eine anstrengende Reise für ihn werden. Die Konzentration seine Wut unter Kontrolle zu halten und dann noch seine Männer, die lechzend hinter einem englischen Weibsbild her waren.
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Punktestand der Geschichte:   338
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Kommentare zur Story:

  Hallo Petra,
danke für deinen lieben Kommentar und ich hoffe wirklich, dass dich die nächsten Kapitel nicht enttäuschen werden. Aber ich verspreche dir jetzt einfach mal, dass es noch besser, schlagfertiger und unvorhergesehener wird....

Also dann, noch viel Spaß

LG  
   Lilly  -  13.04.10 22:37

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  Dieser Teil ist noch besser als der erste. Durch die vielen detaillierten Beschreibungen reist man förmlich mit Lea und Isa mit. Du bringst auch gut die Charaktere der schottischen Männer herüber. Am besten gefällt mir natürlich Jason, der zwar zutiefst die Engländer hasst aber doch von Lea ziemlich fasziniert zu sein scheint. *lächel*  
   Petra  -  13.04.10 20:32

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