Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten

Von:    Christian Dolle      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 8. Dezember 2009
Bei Webstories eingestellt: 8. Dezember 2009
Anzahl gesehen: 3114
Seiten: 3

Umzugsfreuden



Vor über zwei Monaten bin ich umgezogen und kann endlich behaupten, mich eingelebt zu haben, wie es so schön heißt. Nicht nur, dass ich meine neue Telefonnummer mittlerweile auswendig weiß und bei der Adresse nicht mehr Osnabrück und Osterode durcheinanderbringe, nein, auch meine Wohnung ist endlich fertig eingerichtet. „Nach zwei Monaten wird das aber auch Zeit“, werden bestimmt einige sagen. Aber die kennen ja auch die Vorgeschichte noch nicht. Eigentlich sollte alles glatt gehen, so war es jedenfalls geplant. Ich hatte Helfer für den Umzug organisiert, das Telefon war umgemeldet, der Mietvertrag unterschrieben und vor allem ein Job gefunden, so dass ich gleich voll durchstarten konnte... hätte durchstarten können. Wenn nicht alles schiefgelaufen wäre.

Mit dem Job lief glücklicherweise alles glatt, so dass ich gleich zum 1. des Monats anfangen konnte. Nur die Wohnung wurde natürlich erst einen Tag (und nicht wie besprochen einen Monat) vorher frei. Also musste eben der Umzug innerhalb eines Tages stattfinden. War ja auch kein Problem. Also es wäre jedenfalls kein Problem gewesen, wenn der Vormieter die Wohnung denn wie vereinbar und im Mietvertrag schriftlich festgehalten gestrichen hätte. So musste ich das leider machen, natürlich auf eigene Kosten. Doch aus das war kein Problem, denn gerade als ich in Osterode angekommen war, ereilte mich eine SMS, dass mein Umzugswagen schon kurz hinter Osnabrück liegengeblieben war und abgeschleppt werden musste. Super, dann konnte ich wenigstens in Ruhe streichen, ohne dass mir meine Möbel im Weg standen. Problematisch wurde das erst am Abend als mir auffiel, dass ich ja nun weder ein Bett, noch eine Decke, geschweige denn etwas zum anziehen ohne Farbkleckse dabeihatte. Wenigstens hatte ich die Zahnbürste vorsichtshalber in mein Auto gepackt wie alle anderen überlebenswichtigen Sachen, ohne die der erste Tag im neuen Job nur schwer möglich gewesen wäre.

Am nächsten Tag sollte dann mein Bad renoviert werden, was ja vorher nicht möglich gewesen war, da der Vormieter einen Monat länger in der Wohnung gewohnt hatte als man mir vorher gesagt hatte. Immerhin würde ich wenigstens ein komplett neues Bad bekommen. Also natürlich erst, nachdem der Balkon fertig sein würde. Solange konnte ich die alte Toilette zwar benutzen, musste zum Duschen aber zu meiner Freundin fahren.
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Aber wenigstens wurde der Balkon neu gefliest, weil es unten ja durch die Decke tropfte, und so konnte ich mich wenigstens für die Mieterin unter mir freuen.

Nach einer Woche kamen dann auch endlich meine Möbel an, die inzwischen in einen anderen Wagen umgeladen worden warendas aber zumindest vollständig. Naja, im Grunde beinahe vollständig, denn das Bett, das ich in Osnabrück noch günstig gekauft und platzsparend eingepackt gelassen hatte, war alles andere als vollständig und ließ sich somit auch nicht aufbauen. Ein Anruf beim Möbelhaus eröffnete mir, dass die fehlenden Teile leider nicht zugeschickt werden könnten, sondern ich sie abholen müsse. Wenn ich irgendwann endlich in meiner neuen Wohnung schlafen wollte, musste ich also an eminem ersten freien Wochenende die zweihundert Kilometer nach Osnabrück fahren und die Teile abholen. Wenigstens bekam ich als Entschädigung noch ein Beistelltischchen, so dass ich mir wenigstens einreden konnte, die Fahrt habe sich gelohnt. Außerdem mussten alle Möbel ja noch aufgebaut werden, inklusive der neuen Einbauküche, bei der allerdings etliche Ecken abgeschlagen waren. Da ich keine Lust hatte, das auch noch zu reklamieren, sah ich über die paar Schrammen einfach hinweg. Vor allem brauchte ich die neue Spüle, da das Waschbecken im Bad jetzt jeden Tag voller Dreck war. Die arbeiten auf dem Balkon waren nämlich (jedenfalls größtenteils) abgeschlossen, und endlich ging es dem alten Bad mit Fliesen von vor 30 Jahren an den Kragen. Das allerdings nur jeden Tag ein bisschen, da der Hausmeister schließlich auch noch andere Arbeiten zu verrichten hatte.

Mittlerweile wohnte ich über einen Monat in der Wohnung, schlief aber die meiste Zeit bei meiner Freundin, da mir das Waschen an der Küchenspüle doch nicht so richtig zusagte. Wenigstens den Computer hatte ich aufgebaut und selbst installiert, auch wenn mit eigentlich ein Techniker zugesagt worden war, der drei Tage nach meinem Einzug bei mir hätte auf der Matte stehen sollen. Jetzt knarzte mein Telefon und ich flog alle paar Minuten aus dem Internet, doch an der Hotline meines Anbieters bekam ich jeden Tag neue Tipps, wie ich die Störung möglicherweise beheben konnte. Leider half nichts davon und ich musste jeden Tag wieder ewig warten und dann meine Geschichte von Anfang an schildern, bevor mir ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin verkündete, dass der Termin für den Techniker sich noch hinauszögerte.
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Ende des Monats wurde mir dann ein neuer Splitter geschickt, den ich installierte und daraufhin feststellte, dass das Rauschen in der Leitung doch etwas, also minimal weniger geworden war. Alle Leistungen musste ich natürlich voll bezahlen, und außerdem hatte sich mein Vertrag automatisch um weitere vierundzwanzig Monate verlängert. Allmählich fragte ich mich wofür, denn nutzen konnte ich das Internet ja nur bedingt.

Nach einer weiteren Woche rief ich dann meinen Vermieter an, um ihm mitzuteilen, dass ich für den kommenden Monat, inzwischen also der dritte, den ich in meiner Wohnung wohnen würde, die Miete kürzen müsste, da das ständige Fahren zu meiner Freundin mein Sprit- und ihr Wassergeld kostete. Wie erwartet war der Vermieter von dieser Ankündigung wenig begeistert und versprach, mein Badezimmer würde noch ende der laufenden Woche fertig werden. Als dann am darauffolgenden Montag als ich von der Arbeit kam nichts fertig war, sondern nur die alte Toilette ab-, die neue aber noch nicht eingebaut war, rief ich trotz Knarzen in der Leitung bei meiner Bank an, die die Mietkürzung auch umgehend umsetzten. Den Hinweis der Hausmeistergattin, ich solle mich doch nicht so anstellen und einen Eimer benutzen, überhörte ich lieber und schraubte stattdessen deinen Waschbeckenunterschrank mit einer fast hilfreichen Bauanleitung zusammen, in der Hoffnung, diesen auch bald unter das neue Waschbecken stellen zu können.

Mittlerweile ist tatsächlich alles fertig, ich kann in meinem eigenen Bett schlafen, morgens duschen und weitere Annehmlichkeiten des 21. Jahrhunderts genießen. Ich glaube, manchmal merkt man erst wie wertvoll Alltag sein kann, wenn man ihn nicht mehr hat. Allerdings hat der Hausmeister immer noch meinen Zweitschlüssel, den eigentlich meine Freundin bekommen sollte. Ich fürchte, ich muss ihn deswegen noch einmal anrufen, nur fürchte ich mich ehrlich gesagt davor, dass er mich wegen des Rauschens in der Telefonleitung nicht versteht oder die Verbindung ganz abbricht.
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Kommentare zur Story:

  So ein Umzug kann einem wirklich die Nerven
töten. Auch ich weiß, wovon ich rede, zumal ich
erst vor etwa drei Monaten selbst umgezogen
bin. Man kann zuvor zwar versuchen, bis ins
letzte Detail alles zu planen, doch wenn
unvorhersehbare Dinge dazwischenkommen, die
man selbst nicht schuldhaft verursacht hat, nützt
dies alles nichts. Eine sehr gute Geschichte, die
du mit dem passenden Schuss von Ironie so
richtig lesens- und auch liebenswert.
LG. Michael  
   Michael Brushwood  -  04.02.15 11:57

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  Och, der Arme:)) Aber gar nicht mal so weit hergeholt.  
   Petra  -  12.12.09 15:19

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  Gelungener Umzug-zumindest schriftlich! *lach*  
   Evi Apfel  -  09.12.09 22:46

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  Dein armer Protagonist. Da will er nur umziehen, so wie jeder andere auch und dann passiert ihm das. Toller Text über die kleinen und größeren Probleme des Lebens, die, wenn sie zu reichhaltig kommen, einen mächtig nerven können. Mir hat deine Geschichte denfalls sehr viel Spaß gemacht.  
   Jochen  -  09.12.09 20:22

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  Hihi köstlich, der reinste Horror! Ich hoffe du hast das alles nicht wirklich erlebt. Aber da sieht man mal, dass man froh sein kann, nicht umziehen zu müssen. Hat schon was für sich, der gute alte Spruch: Trautes Heim, Glück allein. Wirklich eine gelungene Kurzgeschichte und darum grün für dich.  
   doska  -  08.12.09 22:31

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