Was hätte ich denn tun sollen?   27

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten

Von:    Homo Faber      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 2. September 2009
Bei Webstories eingestellt: 2. September 2009
Anzahl gesehen: 2130
Seiten: 2

„Wieso hast du nichts dagegen unternommen?“, warfen sie mir vor, als ich erzählte, dass ich hatte mit ansehen müssen, wie ein Jugendlicher von drei anderen Jugendlichen zusammengeschlagen wurde.

„Ich hatte mein Handy vergessen, und es befand sich keine Telefonzelle in der Nähe“, erklärte ich. „Kein Mensch war auf der Straße, ich bin ja auch zum nächsten Haus gerannt, von dort aus jemand die Polizei rufen konnte, aber ich brauchte fünf Minuten bis dahin.“

Als die Polizei endlich eingetroffen war, hatten die Rowdys den Jungen bereits übelst zugerichtet. Nun befand er sich im Krankenhaus auf der Intensivstation.

„Warum bist du nicht einfach dazwischen gegangen?“, fragten sie mich dann.

„Wie sollte ich denn gegen die ankommen? Das waren Schlägertypen und zu dritt. Da hätte ich nichts machen können.“

„Du bist eine echt feige Sau. Wie kann man nur so feige sein und zulassen, dass einer halb totgeschlagen wird“, beschimpften sie mich darauf.

Ja, ich war feige. Ich hätte nichts lieber getan als es verhindert. Ich hatte mehr als ein schlechtes Gewissen. Aber was hätte ich tun sollen? Konnte niemand verstehen, dass ich Angst um mein eigenes Leben hatte?

Aber vielleicht hätte ich es ja doch wenigstens versuchen sollen, mich einfach mal der Sache stellen als immer nur davon zu laufen. Wahrscheinlich hatten sie Recht. Wenn noch einmal so eine Situation auftreten würde, dann würde ich etwas unternehmen, nahm ich mir vor.



Ein paar Wochen später bemerkte ich ein Paar auf der Straße, das mir entgegen kam, es war etwa 50 Meter von mir entfernt. Der Typ, der wie ein Skinhead aussah, schrie ziemlich laut und aggressiv auf seine Freundin ein. Seine Freundin schrie zurück, nicht ganz so laut und aggressiv wie er. Er wurde immer lauter und aggressiver. Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Jetzt schubste er sie.

„EY, spinnst du? Was soll das?“, schrie sie und schubste ihn zurück. Jetzt verpasste er ihr eine heftige Ohrfeige. Ich begriff, dass es nun Zeit war zu handeln, diesmal musste ich was tun. Damit nicht wieder jemand in ein Krankenhaus gebracht werden muss. Schreiend hielt sie sich eine Hand als Schutz vors Gesicht, doch er begann schon weiter auf sie einzuschlagen.

Ich rannte auf sie zu.

„Hören Sie sofort auf damit!“, rief ich ihm zu.
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„Ey, was willst du denn?“, ertönte er ganz verdutzt und ließ ab von ihr.

„Keine Gewalt hier, ich ruf sonst die Polizei“, drohte ich. Er kam auf mich zu.

„Verpiss dich, Alter, sonst hau ich dir gleich ein paar auf die Fresse.“

„Ok, ich ruf jetzt die Polizei.“ Diesmal hatte ich mein Handy dabei und holte es hervor. Doch, bevor ich die Nummer wählen konnte, trat er es mir aus der Hand. Bevor ich reagieren konnte, schlug er mir brutal auf die Nase und sofort danach in den Magen. Ich krümmte mich vor Schmerz. Darauf hin trat er mich zu Boden, während ich dort lag, trat er noch ein paar Mal heftig zu.

„So, das nächste Mal weißt du bescheid, wenn du wieder große Fresse hast“, hörte ich ihn dann noch sagen. Und zum Abschied trat er mir noch gegen den Kopf, so dass mir schwarz vor Augen wurde und ich nichts mehr mitbekam.

Als ich zu mir kam, befand ich mich selbst in einem Krankenhaus.

„Wie kann man auch nur so blöd sein, sich mit einem Rechten anzulegen. Da hättest du doch wissen müssen, dass du da den Kürzeren ziehst“, warfen sie mir hinterher vor.



Das hatte man davon. Was man auch machte, war falsch. Wenn ich noch nicht mal gegen einen einzelnen ankam, wie hätte ich gegen die anderen drei Schlägertypen ankommen sollen, die zusammen dreimal so stark waren? Aber hätte ich nichts getan, hätte man mir wieder vorgeworfen, dass ich ein Feigling und egoistisch sei.

Ich weiß nur, nie wieder werde ich den Helden spielen, auch wenn man mich dafür verurteilt, sondern dafür immer darauf achten, dass ich mein Handy dabei habe und rechtzeitig Hilfe holen kann.
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Punktestand der Geschichte:   27
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Kommentare zur Story:

  Selbst laut schreiend und sich total daneben benehmend vorbei laufen - irritieren - und hoffen, dass die Kontrahenten sich überrumpeln lassen.
Und nicht noch warnen - ich ruf jetzt die Polizei, sondern weitergehen und anrufen.

Erinnert mich an die alte Berliner Geschichte: Die Nachtigall hatte den ganzen Tag gesungen und war total erschöpft. Da schrien die Spatzen: Die is nur zu faul zum singen! So sang sie weiter, bis sie vor Erschöpfung tot vom Baum fiel. Da schrien die Spatzen: Selbst schuld. Watt singste auch, wennse krank ist!  
   Pia Dublin  -  07.09.09 14:55

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  Oh man. Die buckligen Moralapostel. Immer schön die falschverstandene Zivilcourage hochhalten.
Leider ist das hier der Planet Erde und außerhalb von Platons Höhle gibt's noch die Realität, wie sie zum Beispiel der Ich-Erzähler dieses Textes in Form von Schlägen erfahren musste. Leider geriet der an einen Troglodytischen Kloppkopp, der auch ganz genau wusste, das die Polizei ihm nichts tut, sondern nur die rechtlichen Konsequenzen der Tat einläutet - sollten die Opfer überhaupt Anzeige erstatten. Am Bildschirm und auf Buchseiten finde ich Gewalt beizeiten ja recht spannend und unterhaltend, nur im wahren leben... da ist Gewalt einfach dreck.

@ Petra: Ob als Frau oder Mann ist es ein guter Trick, laut zu schreien das es brennen würde. Die Feuerwehr wird schneller mal angerufen als die Polizei. Und Feuerwehrmänner sind meist ganz gut durchtrainiert.
Generell sollte man solche Typen aber gar nicht erst ansprechen, sondern ohne Kommentar sofort die Bolißei anrufen.  
   Killing Joke  -  04.09.09 21:12

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  Diese Frage geht mir auch manchmal durch den Kopf. Gute Geschichte.  
   Evi Apfel  -  04.09.09 13:39

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  Das muss ich auch sagen. Packend geschrieben. Auch als Frau fragt man sich, was man am besten in solch einer Situation tun könnte.  
   Petra  -  03.09.09 12:25

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  Da hast du dir aber ein schwieriges Thema ausgesucht und sehr gut für uns veranschaulicht. Gelungen.  
   Jochen  -  02.09.09 21:33

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Interessante Kommentare

Kommentar von "weltuntergang" zu "Abschied nehmen"

Schweres und schönes Gedicht. Gefällt mir sehr total. Ganz liebe Grüße

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