Open All Nite - Teil 6 (und Ende)   396

Romane/Serien · Spannendes

Von:    Tintentod      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 24. April 2009
Bei Webstories eingestellt: 24. April 2009
Anzahl gesehen: 2598
Seiten: 21

Diese Story ist Teil einer Reihe.

Verfügbarkeit:    Die Einzelteile der Reihe werden nach und nach bei Webstories veröffentlicht.

   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Flea hat den Tag nicht vergessen, an dem ihr Bruder verschwunden ist, und sie weiß auch noch, dass ihre Eltern sich Sorgen gemacht haben, wo er sein könnte. Während des überhasteten Umzugs wegen der ausstehenden Miete hatten sie nicht bemerkt, dass einer der Krabbler fehlte und als sie es endlich bemerkten, war es zu spät. Der Junge war wie vom Erdboden verschluckt. Das Leben musste weitergehen; es gab keine Einrichtung, die ihnen bei der Suche geholfen hätten, sie vergaßen den Jungen nicht, aber die Monate und Jahre vergingen und sie zogen kreuz und quer durch das Land, um der Arbeit zu folgen. Zwei Brüder verließen die Familie, um zu heiraten. Flea, die älteste von ihnen, blieb bei den Eltern, um die kranke Mutter zu pflegen, versuchte sie immer wieder zu überreden, wieder zurück nach Ruidoso zu gehen. Sie sagte, sie wolle nicht mehr leben wie Herbstlaub, das im Wind herumgewirbelt wird. Die Familie, die nur noch aus vier Mitgliedern bestand, hauste in einem Wohnwagenpark in der Nähe von Springfield, Illinois, es war abzusehen, dass sie bald ihre Jobs verlieren und weiterziehen würden.

- Lass uns heimgehen, sagte Flea, Mom ist krank und vielleicht fühlt sie sich besser, wenn sie in der Heimat ist.

- Das Reservat ist nicht unsere Heimat, sagte ihr Vater.

Als sie sich endlich durchsetzen konnte, hatte ihr kleiner Bruder bei einem Unfall in der Fabrik zwei Finger verloren und für Mutter war die Rückkehr nach Ruidoso so kräftezehrend, dass sie es fast nicht überstand. Sie hatten gehofft, der verlorene Bruder hätte den Weg nach Ruidoso zurückgefunden, aber dort hatte niemand etwas von ihm gehört. Die alten Frauen weinten über das Verschwinden des Kindes.

- Dein Freund ist eingeschlafen, sagt Flea, und dabei wollte ich ihn noch auf einen Agavenschnaps einladen.

- Du kannst ihn ja aufwecken.

- Er ist zu niedlich.

Mascot dreht sich zu Rick herum, das Gesicht argwöhnisch verzogen.

- Niedlich? Ich bin doch mit niemandem befreundet, der niedlich ist.

- Habt ihr beiden was gemeinsam ausgefressen?

- Jede Menge, sagt Mascot.

Er beugt sich zu Rick herunter, den Mund an seinem Ohr, horcht eine Sekunde nach den ruhigen Atemzügen und flüstert ihm dann den Namen ins Ohr, den sein Vater ihm gegeben hat in der Nacht, als er geboren wurde.
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- Ich will nicht noch länger hier bleiben. Ich bin nicht sauer, wenn du nicht mitkommen willst, kein Problem, dann nehm ich den Pick-up und komm später wieder, du bist hier die ganze Zeit allein unterwegs, also wirst du mich nicht gerade vermissen, was? Wir haben deine Mission erfüllt. Das war’s.

- Wo willst du denn hin?

- Ruidoso. Ich muss was wegen meines Bruders unternehmen.

- Okay, sagt Mascot.

- Okay?

- Ja, warum nicht Okay?

- Du hast nichts dagegen, wenn ich in den Pick-up steige und abhaue?

- Ich hätte was dagegen, wenn ich wüsste, dass du nicht wiederkommst.

Sie sehen sich an, unschlüssig, was als nächstes zu sagen sei, denn Vetter Tommy kommt auf die Veranda, gesellt sich ahnungslos zu ihnen und unterbricht ihre Diskussion.

- Jungs?

- Dein Frühstück war klasse, Tommy.

- Danke.

- Rick muss zurück nach Ruidoso, was erledigen.

- Gut, sagt Tommy.

- Es dauert nicht länger als ein paar Tage, dann bin ich zurück und wir können sehen, wie’s dann weitergeht.

Immer, wenn Rick etwas sagt, grinst Tommy in sich hinein und irgendwann sagt er:

- Wenn ich ihn reden höre und die Augen zumache, denke ich jedes Mal, er wäre einer von uns.

- Geschenkt, sagt Rick.



Nachdem er das Reservat verlassen hat, fährt er an der nächsten Tankstelle ran, lässt den Tank auffüllen und kauft sich Zigaretten, Kaugummi und wirft einen Blick auf die ausgelegten Zeitungen, die so ausgefächert sind, dass man die Überschriften lesen kann. Rick schiebt die Zeitungen nach unten, starrt auf die großen Buchstaben der ersten Seite und seufzt nur, als der Tankwart ihn auffordert, die Zeitung zu kaufen oder einfach die Finger davon zu lassen. Mit einem Ruck, der die Zeitungen wieder zusammenschieben soll, verteilt er sie über den halben Ladentisch, starrt den Tankwart herausfordernd an und bezahlt die Sachen, die er sich bereits in die Taschen gestopft hat. Er bezahlt eine Packung Glimmstengel, hat aber zwei in seiner Jacke. Auf dem Weg nach draußen sagt er, ohne sich umzudrehen: „Wenn sie auf mich gehört hätte, würde sie jetzt noch leben.“

Ruidoso erwacht erst langsam zum Leben, als er durch die Straßen fährt, dreht ein paar Extrarunden, bevor er vor dem Bed & Breakfast hält.
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Sein Onkel wird sich nicht rumgetrieben haben, aber er will ihn noch Zeit für ein Frühstück lassen, weil er keine Ahnung hat, ob er ein Frühaufsteher oder ein Langschläfer ist. Frühaufsteher, entscheidet er dann, mit Sicherheit.

Er zündet sich eine von den geklauten Zigaretten an, bleibt hinter dem Steuer sitzen, nachdem er auf den Parkplatz des Bed & Breakfast gefahren ist. Einen guten Eindruck machen. Du meinst es ernst mit Curtis, also mach einen guten Eindruck, keine schlechte Übung für später. Was soll ich sagen, wie soll ich anfangen? Er könnte längst nach Hause gefahren sein.

Rick steigt aus, sieht sich auf dem Parkplatz um.

Nein, er ist nicht nach Hause gefahren, da steht noch sein Wagen. Also wieder zurück; wie fang ich an?

Er verflucht das Ziehen und Brennen hinter seinen Augen; es wird stärker, aber das kann er nur an dem Pfeifen in seinen Ohren messen, das gleichzeitig immer lauter wird. Irgendjemand hat mal behauptet, der Mensch habe kein Organ in sich, um Beschleunigung zu messen, aber so was braucht man ja auch nicht, solange man den Tacho im Auge behalten kann; sinnvoller wäre es dagegen, das genaue Aufflammen und Abklingen von Pseudoschmerz messen zu können.

Geigerzählermäßig, denkt er. Ab fünfzig auf der Skala solltest du deinen Arsch in Sicherheit bringen. Aber was soll das jetzt?

Der hohe Summton in seinem Kopf ändert die Tonlage, wenn er ins Licht oder in den Schatten sieht, aber der Druck ist gleich bleibend und obwohl er mit sich beschäftigt ist, als er den Parkplatz verlässt und auf das Bed & Breakfast zugeht; so in sich gekehrt, dass er den Bordstein herunterstolpert, ahnt er den Angriff voraus. Seine Alarmanlage funktioniert.

Sein Geist hat sich geteilt. Er hat plötzlich das Messer in seiner Rechten, verborgen in der Handfläche, den Griff im Jackenärmel, es ist ein gutes Messer, wenn auch nicht so hübsch wie die antike Klinge, obwohl es auch aus Tommys Andenkenladen stammt. Er wollte es bezahlen, aber Tommy wollte sein Geld nicht sehen.

- Du solltest immer ein gutes Messer bei dir haben, und wenn du nur Orangen damit schälst und du dir den Dreck aus dem Profil deiner Schuhe kratzt, ganz egal.
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Es ist der richtige Zeitpunkt, es bereit zu halten, denn sein Puls fliegt und der Schnitt an seinen Rippen juckt, obwohl die borkige Kruste längst abgefallen und die neue Haut darunter glatt und rosa ist. Narben sind Gewebe, das zu schnell gewachsen ist, um die ursprüngliche Struktur wieder herstellen zu können, alles auf einmal geht nicht.

Sein linker Fuß setzt im Schatten des Hauses auf, der die eine Hälfte der Straße abdeckt, die Sonne steht noch hinter dem Bed & Breakfast, aber es wird nicht lange dauern, bis sie auf zwölf Uhr steht. Sein Fuß setzt in den Schatten und die Bewegung kommt von der rechten Seite, fliegt auf ihn zu und sofort ist der Druck in seinem Schädel verschwunden. Der Angriff kommt von rechts aus dem toten Winkel, Rick reagiert nur so schnell, weil er die plötzliche Stille in den Ohren hat und deshalb das Wischen der Schuhsohlen auf dem heißen Asphalt hören kann. Er überlegt nicht; er denkt nicht daran, dass es ein Kind sein könnte, das an ihm vorbeiläuft, oder eine Frau mit Einkaufstaschen – er führt das Messer, dessen Klinge jetzt deutlich aus seiner Hand hervorschaut, dann erst dreht er den Kopf.

Elias weicht dem Messer aus, in die Defensive gedrängt, bevor er auch nur an Angriff denken kann. Ihm wird schnell wieder bewusst, was die Vorteile der Jugend sind und dass alles Koks der Welt ihn nicht wieder dorthin zurück bringt, weicht zurück, hebt die Hände und tut erstaunt, als wolle er sagen ‚Hey, Junge, was ist denn los mit dir? Tu ich dir was?’

Rick ist noch dabei, dieses Gesicht einzuordnen, es kommt ihm bekannt vor und obwohl er das Messer langsam sinken lässt, würde es ihm im Traum nicht einfallen, sich für die Attacke zu entschuldigen; dieses Gesicht bringt er mit dem Geruch von Bohnerwachs in Verbindung, Bohnerwachs und hellgraue gekachelte Böden, weiß der Teufel, wie er darauf kommt.

Sein Messer senkt die Spitze Richtung Süden. Und Elias geht zum erneuten Angriff über.

Wenn John McGuire in Hotels übernachtet, achtet er immer darauf, dass er ein Zimmer nach hinten raus bekommt, damit er in Ruhe schlafen kann. Selbst in den Städten, in denen nachts nichts los ist, hält er sich an diese Gewohnheit, weil er genau weiß, dass, sobald das Fenster seines Zimmers zur Straße hinausführt, lärmende Jugendliche die ganze Nacht die Straße rauf und runter fahren werden mit ihren aufgemotzten Maschinen.
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Das ist sein höchsteigenes Murphys Gesetz.

Er kommt gerade vom Frühstück, will sich noch einmal frisch machen und sich andere Schuhe für seinen Spaziergang anziehen, kehrt dazu in sein Zimmer zurück. Es ist nicht wirklich Lärm unter dem Fenster, mehr ein halblautes Handgemenge und zunächst ignoriert er es, denkt nicht darüber nach, was es bedeuten könnte. Nur, weil er seine Sportschuhe über Nacht unter dem Fenster stehen hatte, wirft er einen Blick durch die Gardinen, während er mit dem rechten Fuß in den Schuh schlüpft. Die Gardinen riechen nach Nikotin und sie scheinen an seinen Fingern kleben bleiben zu wolle, er versucht sich vorzustellen, ob es denn wohl irgendwann einmal möglich sein wird, ein Fremdenzimmer zu bekommen, in dem noch nicht geraucht wurde; vielleicht irgendwann einmal.

Aus dem ersten Stock sieht er auf den Parkplatz hinaus, sieht die beiden Männer, die miteinander ringen, aber er erkennt sie nicht. Der größte Teil seines Hirns ist noch mit dem Anziehen der Schuhe beschäftigt und er nimmt nicht richtig wahr, was dort unten geschieht. Der Alarm geht erst los, als er etwas in der Sonne aufblitzen sieht. Ein kurzes grelles Funkeln, ein Stich in der Netzhaut. Sie rangeln nicht nur miteinander, es ist kein Spaß, den sie veranstalten.

McGuire erkennt erst Ricks Jacke und dann seinen Haarschopf und vergisst endlich seine Schuhe. Auf dem Weg nach unten stolpert er über die losen Schnürsenkel, flucht und stürmt auf den Parkplatz.

Elias hatte irgendwann mal eine Grundausbildung in Kampftechniken, aber er kommt an Rick nicht heran, was er auch einsetzt. Er kann ihm das Messer aus den Fingern treten, es über den Asphalt schlittern lassen, aber der Junge ist zu schnell und zu wendig für ihn, er landet ein paar Treffer und bringt seine Nase zum bluten, aber wie er es auch versucht, er bekommt den Jungen nicht zu greifen. Und er will ihn sich greifen, um das Messer ansetzen zu können, will ihm dabei in die Augen sehen. Es wird diesmal nicht so dumm laufen wie in dem Busbahnhof.



Seine Finger sind taub von dem Tritt, durch die Nase bekommt er keine Luft mehr, aber würde er ein verzweifeltes Gesicht machen, hätte er schon verloren, also lächelt er, als habe er den Mann noch immer nicht ernst genommen.
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Seine Reaktionen sind zu gut für diesen alten Hund, er sieht jede Bewegung voraus, gar kein Problem, und deshalb lächelt er. Das Messer wird ihn nicht noch einmal verletzen. Es ist, als würden ihm die Schatten auf dem Asphalt zuflüstern, was als nächstes geschehen würde, es ist das Gefühl unbesiegbar zu sein, was endlich wieder da ist und mitten im Kampf weiß er gar nicht mehr, um was er sich eigentlich Sorgen machen sollte. Das Messer in der Hand des Mannes schneidet durch die Luft, kommt zurück, ändert die Richtung und Rick wechselt nur das Standbein, um ihm auszuweichen. Wohlmöglich hätten sie bis zum fernen Sonnenuntergang so weitergemacht, wäre John McGuire nicht dazugekommen und hätte ein Ungleichgewicht geschaffen. Er fragt nicht, was los sei und ob man das nicht auch friedlich regeln könne, was immer das Problem wäre; Rick sieht ihn die Fäuste heben und vor seinem inneren Auge taucht das Bild seines Onkels in jungen Jahren auf, wie er in einem Boxring kämpft. Sicher noch zu den Zeiten, als man ohne Handschuhe boxte.

Elias ist abgelenkt, sieht seinen Lockvogel in Kämpferpose auf sich zukommen und hat vergessen, wie schnell Rick ist. Er hat kein Messer, aber er revangiert sich für den Tritt und zieht gleich, trifft Elias in der ungeschützten Seite unterhalb der Rippen.

An der Stelle war der Schnitt, denkt Rick, nee, doch etwas höher, und tritt noch mal zu, nachdem Elias zu Boden gegangen ist. John macht einen Ausfallschritt, eine Faust für die Deckung ans Kinn erhoben, die andere schießt vor und trifft Elias auf das rechte Auge. Er wird sich über eine Woche nicht aus seinem Hotelzimmer wagen; nicht wegen der Schmerzen, sondern wegen des überdeutlichen Signalschilds in seinem Gesicht ‚Seht her, es hat mich jemand erwischt und zwar richtig!’. So kann er nicht nach Hause fahren.

Elias hängt auf Knien und Ellebogen, kurzatmig wegen des Tritts in die Niere, Wasser läuft ihm hemmungslos aus dem rechten Auge. Die Wunderwirkung des kolumbianischen Goldes, das er so teuer bezahlt hat und das man ihm in wenigen Jahren schon auf der Straße nachwerfen wird, ist weggeschwemmt, sein Herz hämmert und er ist so müde, dass er nicht mehr aufstehen möchte.
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Mit verdrehten Beinen hockt er sich auf seinen Hintern, denkt daran, was dieser Anzug gekostet hat, er weiß es nicht mehr ganz genau, aber auf jeden Fall zu viel, um damit auf einem Parkplatz sitzen zu bleiben.

„Was ist mit dir?“ fragt John McGuire, schüttelt seine geprellte Faust. Lange her, dass er das letzte Mal geboxt hat und da auch nur aus Fitness und nicht, um anderen weh zu tun.

Rick erwidert: „Ich hab dir doch gesagt, dass ich das Arschloch wieder erkennen würde“, sieht zu Elias herunter und verpasst ihm noch einen Tritt mit der Fußspitze. Er wird von John zurückgehalten und nur, weil er ihn vom Parkplatz zurückzerrt, kann Elias sich aufrappeln und aus dem Staub machen. Rick versucht sich von seinem Onkel loszumachen, der ihm ein Taschentuch an die laufende Nase drückt und ihm dabei halblaut, damit die anderen Gäste nichts mitbekommen, eine Standpauke hält, wie er es um Himmels willen wagen kann, einen am Boden liegenden Mann noch in die Seite zu kicken.

Der Manager des Hauses kommt auf sie zu, sein besorgtes Gesicht ist der Beweis, dass er den Kampf draußen beobachtet hat.

„Nichts passiert“, wiegelt John ab, schiebt Rick vor sich her, der noch immer auszubrechen versucht, „nur ein belangloser Streit.“

„Wenn jemand versucht, mir den Wagen zu klauen, sollte er früher aufstehen“, ruft Rick, zieht Blut durch die Nase hoch, „oder so lange warten, bis ich nicht mehr in der Nähe bin.“

„Hier bei uns sind noch nie PKW gestohlen worden“, beteuert der Manager und Rick sieht ihn feixend an.

„Ich erzähl’s auch keinem weiter.“

Er besteht darauf, seine Sachen aus dem Zimmer zu holen und auszuchecken, sitzt dann mit John im Fernsehzimmer, wo er dafür sorgt, dass sie ungestört sind; er nimmt den beiden Kindern, die dort gesessen haben, die Fernbedienung weg und schaltet den Fernseher aus. Sein blutiges finsteres Gesicht ist genug für die beiden, sie verschwinden eingeschüchtert.

„Was sollte das, Rick?“

„Ich hatte einen Scheiß-Tag, was willst du hören? Ich wusste, dass dieser Bastard wieder auftauchen würde und an der Tankstelle hab ich in den Zeitungen gesehen, dass Jackie tot ist. Ich mochte sie, wenn sie mich auch verarscht hat, aber das hätte ihr nicht passieren sollen.
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„Ich habe nichts davon gehört.“

„Sie haben sie irgendwo gefunden, mit einem Stück Paketschnur um den Hals. Wenn sie ihnen das Geld gegeben hätte, hätten sie sie vielleicht laufengelassen.“

„Wer sind sie?“

„Größere Gangster als ich einer bin. Der Typ mit dem Messer gehört zu ihnen. Wenn ich dir gesagt hätte, du sollst ihren Eltern beibringen, dass ihre eigene Tochter ihre Entführung durchgezogen hat, um an das dicke Geld zu kommen, hättest du’s getan? Wir haben überlegt, ihr die Tour zu vermasseln, aber uns hätte niemand geglaubt, schon gar nicht Mommy und Daddy Marzurski, die bis zuletzt Kerzen angezündet haben für Jackie. Jetzt werden sie die Wahrheit nie hören, schätze ich.“

„Ich hätte dir den Gefallen getan. Es tut mir leid, dass es ein böses Ende genommen hat.“

„Hast du nicht noch ’n passendes Bibelzitat?“

„Für die Zeit hier hab ich den Kragen abgelegt, manche mögen bezweifeln, dass es gut ist, sich aus seiner Haut zu pellen, aber ich komme damit zurecht. Wie du vorhin gesehen hast, kann ich sogar einem Mann ins Gesicht boxen.“

„Das nennst du boxen?“

„Früher war ich mal gut“, sagt John betont.

„Du wolltest ihm nicht weh tun, konnte ich sehen. Skrupel nennt man das. Kann zur Plage werden, wenn’s überhand nimmt, wie ’ne Infektion.“

„Ich kann ihn noch immer mit meiner zehn-Kilo-Bibel niederschlagen, falls er noch mal auftauchen sollte.“

„Reden wir hier von Kakerlaken?“

„Ich weiß nicht, wovon wir hier reden, von frisch verstorbenen oder von Kakerlaken oder von einer abgebrochenen Mittelgewichtskarriere. Was hast du vor, Rick? Verlässt du die Gegend?“

Rick schiebt den Daumennagel unter das Batteriefach der Fernbedienung, klappt es auf und nimmt die Batterien heraus. Er hat Schwierigkeiten John anzusehen, fummelt lieber an der Technik herum und tut dabei so, als sei er abgelenkt.

„Ich will ins Reservat zurück und was danach kommt, kann ich noch nicht sagen, aber vielleicht möchte ich Curtis mal anrufen oder besuchen, wenn ich in seiner Gegend bin. Ich hab drüber nachgedacht und ich bin neugierig, wie’s ihm geht. Ich will ihn besuchen.
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Wenn ich zu lange warte, steh ich wohlmöglich vor seiner scheiß Vorstadtvilla und muss mir sagen lassen, dass er seit einem halben Jahr tot ist.“

„Das hast du dir überlegt?“

Rick presst mit einem komischen Ausdruck die Lippen zusammen ohne wirklich lachen zu wollen.

„Mascot hat seine Familie gefunden, aber nur seine Schwester lebt noch. Seine Brüder sind verunglückt oder haben sich totgesoffen, seine Eltern sind im Reservat gestorben und begraben. Sie sind schon seit drei Jahren tot. Im Winter ist der Brenner ihrer Gasheizung ausgegangen und sie sind im Schlaf erstickt. Er hat irgendeine Zeremonie abgehalten, sich die Haare abgeschnitten. Wir haben noch nicht darüber gesprochen, wie lange wir bleiben oder ob wir jemals nach New York kommen werden, ich kann auch allein losziehen, um meinen Kram zu regeln, aber das wär nicht das selbe.“

„Die Adresse von Curtis.“

„Ich werd ihn schon nicht in Verlegenheit bringen.“

Und ob du das tun wirst, denkt John McGuire.



- Ich hab dir meinen Namen verraten, sagt Mascot.

- Aber ich kann mich nicht dran erinnern. So war das nicht ausgemacht.

- Wir haben gar nichts ausgemacht. Es war nur ein netter Zug von mir, dir meinen Namen zuzuflüstern, während du so süß geschlafen hast, meinen geheimen Namen, den mein Vater mir gegeben hat. Flea meinte, du wärst niedlich.

- Das hat sie gesagt? Ehrlich?

- Sie hat’s gesagt, aber ob sie’s ehrlich gemeint hat, ist ’ne andere Frage.

Mascot grinst. Rick kann sich an sein abgeschnittenes Haar noch immer nicht gewöhnen, erst recht nicht an die grauen Strähnen, die plötzlich aufgetaucht sind. Obwohl er weiß, dass sich ihr Gespräch wie Weibergewäsch in einem Schönheitssalon anhören wird, macht er eine vorsichtige Geste zu seinem Kopf und bewegt die Finger.

- Wirst du was dagegen tun?

- Was willst du von mir?

- Du siehst aus wie ein bekackter alter Mann mit dem grauen Haar, davon red ich.

- Hast du sie noch alle? Das ist nur die Asche von der Zeremonie. Was hast du gedacht – dass ich über Nacht grau geworden bin?

Sie grinsen sich an, kichern wie Schuljungs.

- Ich bin jetzt wach. Sagst du mir deinen Namen noch mal?

Sie haben über Jackie gesprochen, aber beide haben ihren gewaltsamen Tod nicht an sich herankommen lassen, so getan, als sei es nur ein Artikel in der Zeitung, den sie gelesen hatten.
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Sie spekulierten, was wirklich geschehen sein könnte, dann kamen sie darüber überein, dass sie dieses Thema nicht weiter diskutieren sollten, obwohl es sie interessierte, wer das verschwundene Lösegeld eingestrichen haben könnte. Es stand außer Frage, dass die Gangster es hatten, dafür hätten sie Jackie nicht töten müssen.

Rick möchte mit Flea anbändeln, aber weil sie Mascots Schwester ist, wagt er es nicht und außerdem ist es ihm doch zu peinlich, dass sie ihn niedlich genannt hat.

Die Zeit des Abschieds steht bevor, sie haben bereits ihre Sachen gepackt und den Pick-up aufgetankt, sind noch einmal auf den Berg geklettert, wo die Begräbnisstätte liegt. Es sieht nicht aus wie ein Friedhof, nur ein paar Steinhügel lassen erkennen, dass Menschen etwas verändert haben. Rick fragt, wieso es so wenig Hügel sind, wo der Platz doch so alt ist.

- Die Missionare sind dran Schuld, sagt Mascot.

Man hatte ihnen verboten, ihre Toten nach ihren eigenen Regeln zu bestatten und ganze Generationen von Mescaleros lagen auf den öffentlichen Friedhöfen von Ruidoso und Mescalero.

- Meine Eltern sind hier, erklärt Mascot ruhig, das hat Flea durchgesetzt. Der Unfall war schlimm genug, erstickt im eigenen Haus, deshalb wollte sie nicht noch ein weißes Grab haben. Die alte Frau, bei der ich gewesen bin, muss davon gewusst haben, aber ich glaube, sie wollte einfach nur nicht diejenige sein, die mir die schlechte Nachricht überbringt. Wir sind am Ziel, Ricky, das lässt den langen Weg hierhin so verkackt einfach aussehen, wenn man darüber nachdenkt. New York und das Geld werden uns gut tun.

Sie genießen die Aussicht auf die fernen Berge und die hohen Baumwipfel, machen sich auf den Weg zurück, als es spät wird und folgen dem Trampelpfad.

- Punweakaje’onwikeji, sagt Mascot plötzlich und Rick wiederholt den Namen, fast fehlerfrei, sagt ihn noch einmal vor sich hin, um darüber nachzudenken, wie er klingt und was er bedeuten könnte.

- Es gibt keine Übersetzung, behauptet Mascot, aber das kauft er ihm nicht ab.

- Es muss ’ne Umschreibung geben, man kann alles umschreiben.
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- So? erwidert Mascot spitz, und was ist mit Scanlon? Wie willst du den umschreiben?

- Coole Typen aus dem County Clare, auf die der Regen runterpisst, sagt Rick, bleibt nur so lange ernst, bis Mascot sich vorbeugt und ihm zweifelnd ins Gesicht starrt.

Der schmale, halb überwucherte Pfad bringt sie zurück ins Reservat, wo sie sich von allen verabschieden, Hände schüttelnd und Schultern klopfend, Flea herzlicher als alle anderen umarmend. Sie wundert sich einen Moment lang darüber, dass sich Ricks Rippen so seltsam anfühlen. Weil die beiden sich noch immer die Augen wischen, Mascot mit dem Daumen, Rick mit dem Ärmel seines Hemdes, nehmen alle an, sie seien zu Tränen gerührt wegen des Abschieds, niemand kommt auf den Gedanken, sie könnten sich vor lachen fast bepisst haben.

Mascot verspricht seiner Schwester und Vetter Tommy, sich bald wieder blicken zu lassen, spätestens zum Frühjahr, wenn das Wetter besser wird. Rick kann sich nicht dazu äußern, ob er auch wieder mit von der Partie sein wird, denn sein Gefühl sagt ihm, dass auch Mascot nicht mehr zurückkommen wird.

Er wird sich eine passende Ausrede einfallen lassen, jedes Mal, wenn ihn jemand auf einen Besuch seiner Schwester ansprechen würde; ‚Nicht diese Woche’, ‚Wir haben noch nicht genug Kohle zusammen’ oder ‚Die Geschäfte laufen viel zu gut im Moment’ würde er von sich geben, denn er wird in sein früheres Leben nicht zurück wollen und dann haben auch kurze Besuche keine Grundlage mehr. Mascot kannte seine Schwester nur als kleines Mädchen, mit allem anderen kommt er nicht zurecht, die Jahre dazwischen sind zu lang gewesen.

Tommy hatte noch unbedingt den Auspuff des Pick-ups reparieren wollen, war schon nahe daran, die Ersatzteile zu besorgen, aber die beiden meinten immer wieder, es sei nicht nötig.

Sie steigen ein, Rick hinter dem Steuer, bevor er den Motor anlassen kann, lehnt sich Tommy ans Fenster und ruft:

- Sagt mir nur einen Grund, weshalb ich diese Hölle auf Rädern nicht reparieren durfte.

Und Rick erklärt grinsend: - Den haben wir doch sowieso nur geklaut.





- Weshalb behauptest du so was?

- Was denn?

- Wir hätten den Pick-up geklaut.
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- Das hat doch auch jeder angenommen. Was soll’s?

- Die einzige Karre, für die wir jemals Geld bezahlt haben, und du erzählst, wir hätten sie geklaut.

Mascot schüttelt den Kopf, ignoriert Ricks verständnislosen Blick. Jetzt fahren sie den direkten Weg aus New Mexico heraus, ohne Umwege und ohne Schnörkel, immer in Richtung New York, wo das Geld und der Erfolg warten.

- Wir werden nie rauskriegen, wo Jackies Geld geblieben ist, oder?

- Was fragst du mich das? ruft Rick und lehnt sich breit grinsend zurück.



In Sachen Hausaufgaben ist John McGuire noch immer penibel und gewissenhaft; längst hat er die Adresse und Telefonnummer von Curtis Scanlon in Erfahrung gebracht und gut gehütet, nur darauf gewartet, dass Rick endlich vernünftig wird und danach fragt. Als es dann geschieht, überreicht er sehr wohlwollend den kleinen karierten Zettel mit seiner Handschrift und hofft, Rick würde das richtige damit tun.

„Bevor du zurück ins Reservat fährst, möchte ich alles ganz genau wissen, was es mit dieser Entführungssache und dem ganzen drum und dran auf sich hat. Nachdem ich Handgreiflich geworden bin, hab ich ein recht darauf es zu erfahren, oder?“

Rick hat es nicht eilig und er erzählt, bemüht sich, es nicht zu sehr auszuschmücken und kommt in den zeitlichen Abläufen durcheinander. Ab und zu stellt John kurze Zwischenfragen, hakt nach und lässt sich Zusammenhänge erklären, aber im großen und ganzen hört er einfach nur zu. Nachdem Rick meint, alles erzählt zu haben, macht er sich eine Zigarette an, wartet darauf, was John dazu meint und weshalb zum Geier er das überhaupt alles wissen wollte.

John träumt vor sich hin, streicht mit Daumen und Zeigefinger an seinem Kinn herum, bis er urplötzlich mit dem Oberkörper vorschießt und sagt: „Was würde passieren, wenn diesen Gangstern das Geld doch noch in die Hände fällt?“

„Das Geld ist verschwunden.“

„Aber die wissen auch nichts von der getürkten Entführung, ich meine die Eltern und alle anderen. Die Gangster könnten das Geld haben und niemand würde es wissen.“

„Stimmt schon.“

„Es wäre nicht recht, es ihnen zu überlassen.
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Rick zögert einen Augenblick, sagt: „Was hast du vor?“

Noch immer zeigt John diesen verträumten Gesichtsausdruck und nickt sich selbst zu, als bestätige er sich irgendwelche Vermutungen.

„Ich hab nichts vor“, meint er, „aber das arme Mädchen ist tot, dieser Mann ist dir auf den Fersen, der dich zuletzt mit dem Rucksack voller Geld gesehen hat. Sie muss es irgendwo hinterlegt haben.“

„Gebunkert“, widerspricht Rick, „sie wird’s kaum auf ’ne Bank gebracht haben.“

„Nicht anzunehmen.“

„Ich seh da was hinter deiner Stirn vorgehen, Mann. Willst du mich in irgendeine Richtung bringen, in die du selber keinen Schritt wagen würdest?“

„Warst du schon mal auf der Pferderennbahn?“ sagt John McGuire.

„Ich bin irgendwann mal an einer vorbeigefahren.“

Du kannst mich mal, denkt er.

„Die meisten Leute, die auf Pferde wetten, vertrauen auf Insidertips, die anderen sehen sich die Pferde im Ring an und versuchen die Tagesform ihrer Favoriten einzuschätzen. Sie versuchen, das beste Pferd zu finden, so machen es wohl die meisten.“

„Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst.“

„Rick, ich habe begriffen, dass du eine andere Sicht auf die Dinge hast, du bist wie einer der wenigen auf der Rennbahn, die sich alle Pferde des nächsten Rennens ansehen und nach und nach die Verlierer erkennen und aussortieren, bis nur noch die Sieger für die Dreierwette übrig sind. Du bist der einzige, den ich kenne, der in der Lage wäre, das Geld zu finden und es der Familie zurückzugeben.“

Rick glotzt ihn ungläubig an.

„Was sollen die mit dem Geld? Die haben ihre Tochter verloren.“

„Wie gesagt“, John lehnt sich zurück, sucht für Rick nach einem Aschenbecher, als sein Gegenüber nicht weiß wohin mit seiner Zigarettenasche, „ich könnte nicht ruhig schlafen, wenn ich das Geld in falschen Händen wüsste.“

Rick balanciert den Aschenbecher auf seinen Knien, drückt die Zigarette aus.

„Das einzige, was mir einfällt“, sagt Rick, „wir müssen rauskriegen, wo sie gewohnt hat und uns dort umsehen.“

„Die Polizei wird alles schon durchsucht haben.“

„Ich versuch’s einfach, wenn ich schon irgendwo anfangen muss.
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John hängt sich ans Telefon und ruft bei den Zeitungen an, bis er schließlich an einen Fotoreporter gerät, der ihm die Adresse nennen kann. Er hatte dort Fotos gemacht, die nicht veröffentlicht worden waren.

„Fahren sie hin“, mault er, „die Bullen haben an der Hütte kein Interesse mehr und außerdem ist dort nichts mehr zu finden.“

Rick sagt, es reiche, wenn er allein nachsehen ginge, inzwischen könne John sich um andere wichtige Dinge kümmern.

„Ich suche dort nur nach Hinweisen“, sagt er.

Nach zwei Stunden ist er zurück, sein Hemd hängt aus der Hose und er erklärt, dass der Bungalow vollkommen verwüstet war und außer Trümmern habe er nichts gefunden.



John hat einen schnellen guten Wagen, sie sind wie der Wind in Ft. Sumner und dort finden sie sehr schnell die weitläufige Farm. Um auf Nummer sicher zu gehen, hat John seine Priesterkluft angezogen und er ruft vorher an, um den Besuch anzukündigen.

„Ich möchte ihnen keinen erneuten Kummer bereiten, deshalb habe ich Verständnis dafür, wenn sie noch nicht darüber sprechen möchten.“

Logan Marzurski ist am Apparat und er meint, es sei in Ordnung, wenn sie vorbeikämen, aber er wolle wissen, um was es eigentlich ginge.

„Sag ihm, wir haben das Lösegeld gefunden“, zischt Rick und nickt bekräftigend, als John es wiederholt. Vor dem riesigen Haupthaus wagt Rick es kaum, aus dem Wagen zu steigen, starrt nur die Fassade nach oben und kommt sich klein und schmutzig vor. Er rollt theatralisch mit den Augen, als John ihm munter zuruft, er solle sich endlich von seinem Hintern erheben.

John will die Wahrheit in das Haus bringen, ob es weh tut oder nicht, Rick weiß im Moment gar nicht mehr, was er denken soll. So viel geballte Macht und Reichtum vernebelt ihm das Gehirn. Die Tür wird ihnen geöffnet und sie werden hereingebeten, Mr. und Mrs. Marzurski sind in der rustikalen Wohnküche, durch deren kleine Fenster man auf die Stallungen sehen kann.

John McGuire wird wohlwollend aufgenommen, anders ist die Sache bei Rick, aber das ist er gewöhnt. Logan Marzurski trägt Stiefel und Cowboyhut, hat ein Paar Lederhandschuhe im Gürtel stecken.
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Seine Frau setzt sich zu ihren Gästen an den Tisch, nachdem eine Angestellte Kaffee bereitgestellt hat und wieder verschwunden ist; sie ist blass und abwesend, scheint kaum folgen zu können, von was John da spricht.

„Wovon reden sie, Father McGuire?“ fragt Logan stirnrunzelnd, „was soll die Polizei nicht herausgefunden haben?“

„Es ist nicht einfach zu erklären, Sir“, sagt John McGuire und sofort erwidert Logan: „Meine Zeit ist knapp, ich muss das Training überwachen und morgen ist die Beerdigung. Wir haben den Termin schon einmal verschieben müssen, weil ein wichtiges Rennen dazwischen gekommen ist.“

John kann diese Bemerkung noch ignorieren und fährt fort, dass Jacqueline möglicherweise die falschen Freunde hatte, einfach nur fehlgeleitet war.

„Fehlgeleitet?“ fragt Mrs. Marzurski nervös, „mein Gott, sie ist entführt worden. Wovon reden sie?“

Beim Klang ihrer Stimme sieht Logan auf die Uhr und sagt in die Runde, dass das Training nicht länger warten könne und lässt sie allein. Rick nimmt einen Schluck Kaffee und denkt: Was für ein Prachtkerl von Riesenarschloch mit Cowboyhut.

Sein Blick trifft sich mit Mrs. Marzurskis und er grinst kurz und unausgegoren. Noch vor der Tür hatte John gemeint: „Ich hab solchen Typen schon ganz andere Beträge als Spende abgeschwatzt“, und Rick konnte nur einwerfen, dass man sie nur reingelassen hätten, weil er das Geld erwähnt hatte. Aus dieser Familie kommt nichts raus.

„Ihre Tochter hat ihre Entführung nur vorgetäuscht, um an das Geld zu kommen. Vermutlich war ihr Tod nur ein Unfall, ihre Komplizen wollten das Geld, was sie irgendwo versteckt hatte.“

Adele Marzurski sieht noch immer verwirrt aus, sie bleibt bei Rick und John sitzen, ist in schwarz gekleidet und trotzdem kann Rick sie nicht leiden. Sei sieht ihn ständig nervös an, scheint sich endlich zu fragen, was er mit dem Pfarrer zu tun haben könnte, der ohne Ende und ausführlich von Jackies Aktionen redet.

„Ich kann nicht glauben, dass sich meine Tochter so etwas ausgedacht haben soll“, sagt sie, „da steckt jemand ganz anderes dahinter. Sie war immer ein gutes braves Mädchen, hat nie Ärger gehabt. Ihre Schwester, die war ganz anders, aber Jacqueline wäre so etwas niemals auch nur im Traum eingefallen.
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„Sie hat mir nix von einer Schwester erzählt.“

„Wie lange kannten sie sie?“

„Wir haben eine Nacht zusammen verbracht“, sagt Rick.

„Jacqueline hatte nicht einmal einen Freund, als sie noch hier bei uns gelebt hat.“

„Sie wird gewusst haben, warum.“

Bevor Rick noch ausfallend werden kann, wirft John ein: „Es geht doch darum, dass wir ihnen ihre Tochter nicht zurückbringen können, aber wir können versuchen, ihnen die Dinge zu berichten, die die Polizei ihnen nicht sagen konnte. Es wird keine offenen Fragen geben, vorausgesetzt, sie wollen die Wahrheit hören.“

„Am Telefon sagten sie etwas von dem Lösegeld, das wir bezahlt haben.“

Rick hat sich das Geld in schmalen Bündeln um den Körper geklebt, als wenn er versuchen würde, es durch den Zoll zu schmuggeln. Es lässt ihn ein wenig kompakter aussehen unter dem Hemd, als er in Wirklichkeit ist. Wenn er Mascot im Reservat abholt, hat er es noch immer dort.

„Wir wissen vielleicht, wo es ist“, sagt Rick, „aber ehrlich, bedeutet es ihnen etwas?“

„Wir könnten unseren Wintergarten ausbauen“, sagt Adele, klingt dabei ungerührt, „eine halbe Million ist nicht eben wenig.“

„Es ist vielleicht nicht viel davon übrig geblieben.“

Wintergarten, denkt John McGuire, feine Sache. Und es kommt ihm hoch.

„Wie viel ist übrig?“

Er schweigt verlegen, weil er sich wünschen würde, Jackies Mutter würde an etwas anderes denken als an das Geld, und er will dieser Frau aber auch nicht vor den Kopf stoßen, obwohl ihr die passenden Worte kaum etwas ausgemacht hätten; sie hält die filterlose Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger, dreht mit der selben Hand in ihrem hochtoupierten Haar herum, ohne sich darum zu kümmern, dass sie sich die Haarspitzen versengt, dabei summt sie abwesend vor sich hin, macht sich wohl schon Gedanken darüber, ob der klägliche Rest für den Wintergarten ausreichen wird.

„Ich kann ihnen sagen, wo’s ist“, meint Rick, was nicht einmal gelogen ist, „aber Jackie scheint jeden Tag in den drei Monaten mindestens ein paar Tausender ausgegeben zu haben. Als ich mit ihr zusammen war, hat sie immer nur gesagt ‚Scheiß drauf. Wo das her kommt, gibt’s noch mehr’ und um mehr hab ich mich nicht gekümmert.
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Wollen sie Zahlen hören oder reicht ihnen das?“

„Wieso hat sie die Polizei nicht festgenommen?“

„Weil die nichts von mir wissen. Jackie war nicht entführt. Sie ist fröhlich durch die Gegend gelaufen. Mit Handtasche und Minirock.“

„Sie können mir viele Lügen über meine arme Tochter erzählen, ich glaube ihnen kein Wort.“

Rick klopft sich mit beiden flachen Händen auf den Bauch, was ein komisches Geräusch gibt wegen der vielen Geldscheine unter seinem Hemd und erwidert: „Okay, es war gelogen. Ich hab nicht den blassesten Schimmer, wo ihr Geld sein könnte“ und John schweigt noch immer dazu.

„Sie hätte die Kohle niemals abgedrückt“, erklärt Rick später.





WO WAR DAS GELD?

In dem angemieteten Bungalow, in dem Jackie gewohnt hat, ist jemand eingebrochen und hat alles durchwühlt und kaputt gemacht, systematisch und ohne Rücksicht. Der Eigentümer streitet noch immer mit der Versicherung, wer den Schaden an der Einrichtung bezahlt und deshalb lässt er noch immer alles so, wie es ist. Rick sieht sich den Bungalow an. Auf dem Weg durch die Räume bleibt er mit einem Fuß in einem aufgeschlitzten Kissen stecken.

„Wenn sie nicht das gefunden haben, was sie wollten, wo soll ich es dann noch suchen?“ murmelt er, „jedenfalls haben sie’s nicht gefunden, sonst wär der Typ in schwarz nicht hinter mir hergewesen.“

Er wühlt in dem Chaos, denkt dann: Ich geh erstmal aufs Klo.

Selbst da haben die Vandalen gewütet; den Spiegel zertrümmert, alles aus den Regalen und Schränken gewischt, Handtücher durcheinander gewirbelt. Die Türen des Hochschranks stehen offen, eine Jahrespackung Toilettenpapier hängt halb heraus, weil jemand kontrolliert hat, was sich dahinter befindet. In einer Packung sind zwölf Rollen, er findet zehn dieser Packungen dort oben und neben der Toilettenschüssel liegt ein weiteres Paket. Rick sieht während des Pinkelns von oben nach unten, überlegt, warum man endlose Rollen Klopapier auf Vorrat im Haus hat.

Pingeliger Hausherr, denkt er.

Fertig, geht in die Küche, denkt im vorbeigehen daran, die Bohlen des Bodens abzuklopfen, weil Jackie darunter einen Hohlraum angelegt und das Geld versteckt haben könnte.
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In der Küche stinkt es, weil der Kühlschrank offen auf der Seite liegt, alle Lebensmittel auf dem Fußboden verteilt sind und er stellt sich nur auf die Zehenspitzen, um in alle Schränke zu sehen. Die stehen entweder auf oder die Türen sind heraus gebrochen. Nichts. Er geht zurück in die Toilette.

Wenn du ein Haus vermietest, achtest du dann darauf, dass alles doppelt und dreifach an Vorrat da ist? denkt er und bekommt die Antwort: Wenn ich ein ordentlicher Mensch bin, ja. – Dann macht es also keinen Sinn, Kackpapier bis zum Abwinken in den Schränken zu haben, aber nur ein Stück Seife im Waschbecken und keine einzige Haushaltsrolle? Oder Müllbeutel? – Man kann mit Klopapier nicht viel anstellen. Nicht mal die Nase kann man sich damit ordentlich putzen.

Rick kommt mit den Packungen unter dem Arm in das verwüstete Wohnzimmer, reißt die erste Verpackung auf und sieht sofort, dass die Rollen, die zu Boden fallen, nicht so aussehen, wie Toilettenpapier normalerweise aussieht. Sie sind aufgerollt, aber nicht maschinell, es sieht nicht ordentlich aus.

Rick beginnt die erste Rolle abzuwickeln und zunächst passiert gar nichts, das Klopapier häuft sich in lockeren Schlangen auf dem Boden, während auf der anderen Seite die Rolle hin und hertanzt und langsam dünner wird. Dann flattert ein grüner Schein heraus, Sekunden später ein weiterer. Rick stößt einen halbstummen Triumphschrei aus und beginnt damit, mehrere Rollen gleichzeitig durch den Raum tanzen zu lassen, denn er weiß nicht, wie viel Zeit ihm der Eigentümer geben wird und ist nicht darauf aus, ihm die vielen Geldscheine erklären zu müssen.

Wer kommt schon auf so eine Idee, denkt er, sammelt die Scheine vom Boden auf und beantwortet sich die Frage selbst: Weiber.

Immerhin, sie war ordentlich. Hatte die Plastikverpackung sogar wieder richtig zugeklebt.

Es ist nur noch ein Bruchteil der halben Million, aber Rick reicht es vollkommen. Er klebt sich mit Leukoplast 20 Mille um Brust und Bauch und fühlt sich wie Orson Welles.

Ein schlechtes Gewissen hat er nicht, als er zu John geht und behauptet, er habe nichts gefunden, es sei unmöglich herauszufinden, wo sie den Mammon versteckt haben könnte.
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So, wie sie Dope eingekauft hatte, konnte sie alles verpulvert haben. Das sagte er ihm, bevor sie zu den Marzurskis fuhren und John gab sich geschlagen.





Als Mascot und er zu dem Friedhof seiner Eltern wandern, erzählt er ihm von der Attacke auf dem Parkplatz, dass er sein Messer wieder eingesammelt hat und unbedingt noch besser werden muss, um nicht wieder so einen Tritt ins Gesicht zu kassieren. Aber er sagt nichts von dem, was er mit John angestellt hat. Die Adresse seines Bruders Curtis ist sicher bei den Geldscheinen versteckt, bei den grünen Glücksbons, die ihn zum schwitzen bringen.

- Weißt du, unter welchem Namen Jackie den Bungalow angemietet hat?

- Du wirst es mir gleich sagen.

- Du könntest raten.

- Ich käm sowieso nicht drauf. Pocahontas?

- Wer zur Hölle ist das denn?

Mascot stößt ihm in die Seite und meint: - Du wirst langsam fett, was?

- Sie hat sich als Bonney Parker eingetragen.

- Da hat sie aber auch nur von geträumt. Wie bist du auf den Bungalow gekommen?

- Ein Reporter von der Zeitung hat’s mir verraten, der verdient sein Geld mit so was.



IRGENDWO VOR NEW YORK CITY

Curtis’ Heim lag nicht auf dem Weg. Mascot meint, sie könnten ohne Probleme einen Umweg machen und außerdem könne Rick mal wieder andere Klamotten anziehen, er stinke wie ein Pavian und weshalb er nicht wenigstens das blöde Hemd auszog.

- Ich will nicht direkt bei ihm auf der Matte stehen, dafür ist mir die Sache zu heiß. Und was sollen wir da oben an der Grenze nach Kanada, da ist nichts los. Erstmal... will ich dein Gesicht sehen.

- Was ist mit meinem Gesicht?

- Noch nichts.

Rick wartet, bis Mascot ihn ansieht, dann zieht er das fleckige Hemd hoch, das er seit New Mexico trägt und offenbart die in Plastik eingepackten Banknoten.

- Heilige Maria Mutter Gottes!

- Ich sag dir, sie hat sich alle Mühe gegeben, es auszugeben und den Rest gut zu verstecken. Das meiste ist weg, aber wir kommen mit einem gesunden Startpolster nach New York.

- Und nur deshalb wolltest du das stinkige Hemd die ganze Zeit nicht ausziehen?

Rick zieht sich das Hemd wieder in Position, tut beleidigt.

- Ich hätte es meinem Onkel in den Opferstock schmeißen können, aber statt dessen hab ich mich unter die Schmuggler begeben.
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Keine Dankbarkeit! Wenn ich von einem Cop gefilzt worden wäre, wär’s allein mein Problem gewesen.

Mascot grinst und erwidert: - Dich hätte in diesem Zustand NIEMAND abgetastet, buddy.

Seltsamerweise hat Rick nicht das Bedürfnis, die Knete gleich unter die Leute zu bringen – dazu ist es zu viel, der größte Haufen Geld, den er jemals unter dem Hemd getragen hat. Sie fahren nach Manhattan rein, stehen den halben Tag im Stau der überfüllten Straßen und flüchten schließlich über die Brücke nach Brooklyn.

- Ist immer besser, nicht dort zu wohnen, wo man arbeitet, sagt Rick, sie finden ein möbliertes kleines Haus in einer Ecke von Brooklyn, in der man nicht Angst um sein Leben haben muss, aber in der auch sie nicht weiter auffallen werden. Nach einem kurzen Telefonat kommt Hollis aus Boston rübergefahren, sie feiern zwei Tage und Nächte durch und Rick wiederholt seinen Gag mit dem Geld unter dem Hemd; diesmal allerdings lässt er die eintausender bündelweise herausfallen und macht Hollis damit recht hysterisch.

- Was ist das? schreit er, hüpft zwischen den Geldscheinen hin und her, die überall auf den Boden des Hauses gerieselt sind, wo kommt das her?

Mascot hält sich den Bauch vor Lachen, dreht sich um und verschwindet vor die Tür und bekommt dadurch nicht mehr mit, wie Rick die Stufen der Treppe nach oben hüpft und dabei wie ein Blumenmädchen auf einer Hochzeit Geldschein für Geldschein verliert. Er grinst dabei wie ein Honigkuchenpferd.

„Rick!“ schreit Hollis, rennt hinter ihm die knarrenden Holzstufen hinauf und versucht ihn zu fassen, „wo ist der ganze Zaster her! Was habt ihr angestellt? Ihr Bastarde, ihr hättet mich mitnehmen sollen!“

Bei einer Flasche Wodka, den sie sich in New York angewöhnt haben, erzählt Rick die ganze Geschichte, ohne etwas auszulassen und ohne zu übertreiben, allerdings kommt Jackie bei der ganzen Sache zu gut und zu freundlich weg. Später stellt Mascot ein paar Dinge über sie richtig und meint dazu nur, dass die Erinnerung wohl eine komische Sache wäre.

Sie schlafen nur drei bis vier Stunden in der Nacht, dann sind sie unterwegs und knacken Autos und Luxusschlitten auf Bestellung.
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In den wichtigen Kreisen hat sich ihr Talent schnell herum gesprochen und sie haben viel zu tun, machen Kohle ohne Ende. Hollis hätte das Lösegeld am liebsten auf der Bank gesehen, dort fand er es am sichersten aufbewahrt, aber seine buddys fanden tausend Gründe, die dagegen sprachen. Rick meint, er hätte das Gefühl, wegen Bankraubs verhaftet zu werden, würde er ständig die Bank betreten, wenn er an sein Geld wolle.

Die zwanzigtausend hätten ein perfektes Startkapital sein können, aber es kam ein wenig anders. Eine klasse Blondine hatte es ihnen beschert und eine andere klasse Blondine jagte es ihnen wieder ab.

Sie hatten es im Haus, das ganze Geld, nicht sonderlich gut versteckt, weil sie sich so sicher fühlten und sie auch niemanden hereinließen, dem sie nicht trauten.

Zwei Monate später lernt Hollis ein Mädchen kennen und verliebt sich Hals über Kopf in sie. Sie ist nicht wirklich nett, in Wahrheit ist sie eine ziemliche Nervensäge, aber Hollis ist so fasziniert und über die Uhr, dass die beiden anderen einfach beide Augen zudrücken. Nach einer gemeinsamen Nacht erzählt Hollis dem Mädchen nur andeutungsweise von den Geldscheinen, die seinem buddy aus der Wäsche gerieselt waren, sie kichern darüber und schlafen ein. Am nächsten Morgen ist das Mädchen weg. Und das Geld auch.

Hollis ist so wütend und enttäuscht, dass er in Tränen ausbricht und sich in der Toilette einsperrt, was Rick an irgendeinen Film erinnert, in dem sich die Braut kurz vor der Hochzeit genau an diesem Ort verbarrikadiert und nicht hinaus will.

„Was soll’s“, ruft er durch die Tür, versucht durch das Schlüsselloch etwas zu erkennen, „es war nur Geld, Mann. Wie viel willst du noch ausgeben bei Wendy’s oder im Albatros? Wir kommen auch ohne die zwanzig Scheine über die Runden, besser als je zuvor.“

„Diese Schlampe“, heult Hollis von der anderen Seite der Tür.

- Was sollen wir machen? flüstert Rick Mascot zu, der hinter ihm steht und ein ratloses Gesicht macht.

- Er beruhigt sich schon wieder, lassen wir ihn einfach eine Weile allein.

Später schämt Hollis sich nur noch darüber, dass er geflennt hat wie ein Weib und sie kommen überein, nicht mehr davon zu sprechen.
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Seit fünf Jahren lebt Curtis Scanlon in Duluth, Minnesota, oben fast an der Grenze nach Kanada, erfreut sich immer wieder über den langen schneereichen Winter, von dem er scheinbar nicht genug kriegen kann. Er arbeitet in einer Bank als Kundenberater, wechselt aber schnell in eine andere Sparte, die ihm mehr zusagt. Eine zeitlang leitet er ein Arbeitsvermittlungsbüro, bis er das Angebot einer Petrochemiefirma bekommt und einfach zusagt. Es ist anzunehmen, dass er wieder umziehen muss, aber damit kommt er klar, kein Problem. Er ist kaum dreißig, ungebunden und besucht nur einmal im Jahr zu Thanksgiving seiner Mutter in Mt. Vernon, ist jedes Mal froh, von dort wieder wegzukommen. Sein neuer Job, den er in wenigen Wochen antreten wird, wird ihn nach Texas bringen, dort hat er bereits ein kleines Haus ausgesucht und ist dabei, seinen minimalen Haushalt aufzulösen, als es an der Tür klingelt.

„Moment“, ruft er, ganz im Glauben, es sei jemand, der Interesse an den Sachen in der Garage hat, die er nicht mitnehmen und deshalb verkaufen will. Ein paar Möbel, eine fast komplette Kücheneinrichtung und ein paar hässliche Gartenmöbel, die er nie richtig zum Einsatz hatte bringen können. In Jeans und in einem dicken Norwegerpullover, der ihn unvorteilhaft füllig aussehen lässt, öffnet er die Tür, den Schlüssel zur Garage bereits in der Hand. Unten vor dem Stufenabsatz steht ein junger Mann, der nervös und verfroren aussieht; er trägt eine marineblaue Jeansjacke mit einem Peace-button und direkt daneben einen Anstecker, auf dem der ausgestreckte Mittelfinger abgebildet ist. Sein Haar verschwindet unter einer Wollmütze, die er sich tief in die Stirn gezogen hat. Curtis wartet, sieht ihn neugierig an und sagt: „Ja?“ und der junge Mann zieht die Wollmütze vom Kopf, steckt sie sich in die Gesäßtasche seiner Hose.

„Hi“, sagt er und sofort denkt Curtis, dass er diese Stimme irgendwo her kennt, aber dieses Gesicht kann er nicht einordnen.

„Ich hab das Zeug in der Garage, wenn du es sehen willst“, sagt er, „allerdings sind die LPs schon alle weg, da war jemand schneller als du.“

„Ich bin wegen was anderem hier“, sagt Rick, legt den Kopf schief und grinst breit. Bei diesem Grinsen weiß Curtis schlagartig, wen er vor sich hat und er ist wie vom Donner gerührt, sein Herzschlag setzt einen Moment aus, als habe er einen Sprung ins Eiswasser des Sees gewagt.
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„Wie hast du mich hier gefunden?“

„Ich hatte göttlichen Beistand“. Rick grinst noch immer.

„Was immer du in der Garage hast, Bruder“, sagt er, „kann ich es mir mal ansehen?“





geschrieben 25 October 1999 – 28 May 2000



Open all Nite
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Kommentare zur Story:

  Oh wie schön. Diese Geschichte hast Du sehr gut abgeschlossen, dass man daran anknüpfen, sie aber auch so stehen lassen kann. Bin mal gespannt, wie und ob Du daran anschließt und wie es weitergeht, wenn Du uns denn daran teilhaben lässt ;-)  
   Profil gelöscht  -  27.04.09 18:39

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  Ich bedanke mich bei allen Lesern. Dies ist nur eine von etwa fünf weiteren Stories um Rick, Hollis und Mascot. Es ist also nicht wirklich zu Ende.
Liebe Grüße Tinte  
   Tintentod  -  27.04.09 07:26

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  Das war für mich eine total abgefahrene Story mit zwei durchgeknallten, coolen Typen mit krimineller Ader, aber dennoch liebenswert und gutmütig, und vor allem mit sehr viel Witz und Humor, die auf der Suche nach der Familie sind und dabei in gefährliche Situationen geraten, verschiedenen Leuten auf ihrer Reise begegnen und eigentlich auch nur den Traum haben, ein besseres - ganz "normales" Leben zu führen.

Du hast die Geschichte in den letzten beiden Teilen noch verblüffend und sensationell aufgeklärt und Deine originell formulierten Wortkombinationen, die ich teils noch nie so in der Verbindung gehört oder gelesen habe, haben mich immer zum Lachen oder Grinsen gebracht. Mir hat es jedenfalls sehr viel Vergnügen bereitet, die beiden auf Ihrem Weg zu begleiten. Schade, dass er schon wieder zu Ende ist :-)  
   Profil gelöscht  -  24.04.09 15:31

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