Nachdenkliches · Kurzgeschichten

Von:    Sommertänzerin      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 4. August 2008
Bei Webstories eingestellt: 4. August 2008
Anzahl gesehen: 2199
Seiten: 2

Mühsam trugen ihre alten Beine sie über den holprigen Weg auf den Hügel der Heide. Jeder Schritt kostete enorme Anstrengung, doch ihr Geist wurde auf angenehme Weise dadurch befreit. Ja, es schien sich sogar eine Art Erleichterung und Zufriedenheit in ihr breit zu machen. Jenes Gefühl, welches man vielleicht vom Sport kennt oder kleineren Erfolgen in anderen Bereichen. Ihre knöcherne Hand hielt einen Stock fest, der seltsam gedrechselt war. Fast wie zwei Schlangen, die sich ineinander verzwirbelt hatten.

Der Weg, der mit vielen Steinen bedeckt war, machte ihr den Aufstieg nicht leichter, weil sie genau Acht geben musste, wie sie ihren Stock und die Füße setzen konnte, damit sie nicht abrutscht. Sie hielt zwischenzeitlich kurz inne, verschnaufte und ihr Blick wanderte zum Ziel, einer Anhöhe mit einem großen Stein, einer Eiche und einer Bank. Nun lag der schwierigste Teil der Wanderung vor ihr. Nachdem sie einen schmalen Pfad mit unberechenbaren Brombeersträuchern durchquert hatte, musste sie den Weg verlassen und ein kurzes Stück über karges Heidekraut und einem wuchernden Wiesenhang steigen. Sicherlich wäre der Stock hinderlich, deswegen stiess sich ihn mit mehr Kraft als man von ihr erwartet hätte in den Boden, so dass er aufrecht stand und durch die Spätnachmittagssonne einen länglichen Schatten auf den Grund warf. Vorsichtig tastete die alte Frau den Hang mit ihren Händen nach guter Bodenbeschaffenheit ab und kraxelte nun mühsam die Anhöhe empor. Ihre Gelenke schmerzten bei jedem Schritt den sie tat, doch sie wollte nicht aufgeben. Nicht jetzt. Einmal lockerte sich ein moosbewachsener Stein, doch sie konnte sich noch halten und hielt sich ächzend und krampfhaft an einer knorrigen Wurzel fest. Ihr Herz schlug stark und sie konnte den Puls im Hals spüren. Rasend und pochend. Asbald konnte sie sich wieder aufrichten und steuerte mit zitternden unsicheren Schritten auf die Bank zu, die nunmehr ein paar Meter von ihr entfernt war. Blinzelnd sah sie zur Sonne, die glutrot am Himmel stand und den Himmel in purpurne Farben verwandelte. Auf der Höhe angekommen stand sie ein paar Minuten stillschweigend und genoss den herrlichen Ausblick über die weite Landschaft. Sie schloss kurz die Augen, wendete ihr Gesicht dem Himmel zu, gab die trüben Sinne soweit es ging dem Schauspiel der Natur hin und atmete tief durch.

Sie fühlte sich eine kurze Zeit so jung wie schon lange nicht mehr.
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Ein unbeschreibliches Gefühl machte sich in ihr breit, dass kurze Zeit später jedoch von tiefer Wehmut abgelöst wurde. Ihr tiefblauen Augen füllten sich ein wenig mit Tränen. Sie dachte an ihn.

Es war schon zu lange her, doch sie konnte noch einmal jeden Moment von damals nachspüren. Hier oben auf dem Berg hatten sie oft gesessen, über Gott und die Welt gesprochen, sich innig geliebt oder einfach nur Arm in Arm, schweigend auf der Bank gesessen. Die alte Frau drehte sich um und ging zu dem großen Stein. Ihre runzligen Finger strichen sanft über ein verblasstes Herz mit zwei Initialien. Er hatte es für sie damals in den Stein geritzt. Das Durchatmen viel ihr schwer und die Erinnerung hing wie eine schwere Eisenkette um ihr Herz und schnürte dieses immer mehr zu. Sie setzte sich auf die Bank. Die Sonnenstrahlen wärmten ihr Gesicht. In der Erinnerung sah sie ihre Finger durch sein durch die Sonnentrahlen goldglänzendes Haar fahren. Damals war es lang und samtweich. Heute wäre es wohl auch grau, so wie ihre Haare, die sie zu einem Dutt zusammengebunden trug. Sie mochte seine Haare. Sie mochte Alles an ihm.

Er war so anders gewesen. Ganz anders als die anderen Männer. Diese tiefe Verbundenheit und Seelenverwandtschaft, diese innige Liebe hatte sie nie zuvor verspürt. Es war der Himmel auf Erden. Jeder Fleck der Erde, auf dem sie sich ihren Sehnsüchten hingaben, war der schönste Platz auf Erden in diesen unvergesslichen Momenten. Sie seufzte. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als wieder bei ihm zu sein. So schloss sie ihre Augen und saß lange Zeit ganz still auf der Bank. Langsam neigte sich der Tag dem Ende zu. Mit dem letzten Sonnenstrahl des Tages, der lieblich sanft ihr Antlitz streichelte, erlangte ihr Gesicht jenes unbeschwerte Lächeln zurück, dass sie so lange vermisst hatte und sie schlief für immer ein ...
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Punktestand der Geschichte:   48
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Kommentare zur Story:

  Hallo Sabine. Ein schöner Tod. Mit den Gedanken bei dem Liebsten. Starke Naturbilder in ebensolchen Farben. Dieser Aufstieg hat mir sehr gefallen und sollte uns als Parabel dienen, denn es ist der Weg von uns allen.  
   Andreas Tröbs  -  12.01.12 16:26

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Unbekannt" zu "Violett"

schöö :-)

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