Was hat Bernie wieder angestellt?   213

Fantastisches · Kurzgeschichten

Von:    Pia Dublin      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 21. Mai 2008
Bei Webstories eingestellt: 21. Mai 2008
Anzahl gesehen: 2692
Seiten: 3

Bernie Groman war das Vorbild für den Mr. Niemeyer aus dem IBM Werbespot. Er brachte jedes Computersystem zum Absturz. Bernie arbeitete in einer großen Firma, die irgendetwas herstellte und Bernie musste den ganzen Tag nichts anderes machen, als Berichte über Dinge zu schreiben, die andere über die Produkte, die sie verkauften, herausgefunden hatten.

In Bernies Firma waren alle PCs mit MakroHard Door-for-you (trademark) ausgestattet und Bernie hasste dieses Programm. Er hockte den ganzen Tag über seinem PC, die Brille unmittelbar vor dem Bildschirm und hackte sinnlos auf die Tastatur ein, weil ihn die freundlichen Ratschläge, die sich ein Programmierer ausgedacht hatte, in den Wahnsinn trieben. Solche Vorschläge, die als Pop-up auf seinem Bildschirm erschienen, sah er nicht als gutgemeinte Hilfe sondern als Bevormundung einer seelenlosen Maschine.

„Das will ich nicht“, schrie er den Bildschirm an, der am allerwenigsten dafür konnte, „wenn ich sowas will, sag ich dir bescheid!“

Er befolgte weder die Anweisungen des Programms noch die Ratschläge des IT Beraters. Er nannte ihn „IT Fritze“.

„Alles, was ich will, ist meine Berichte schreiben“, jammerte er, „und jedesmal macht dieses Programm, was es will. Wo sind jetzt wieder meine Voreinstellungen? Und warum springt der schon wieder in die andere Schriftart?“

Brach irgendwo etwas im System zusammen, fragten sich seine Kollegen jedesmal: „Was hat Bernie diesmal wieder angestellt?“

Eines Tages kam Bernie morgens um halb zehn zur Arbeit und fand eine Nachricht des IT Fritzen auf seinem Schreibtisch. Dieser Post-it war in seinen Augen eine blanke Kriegserklärung.

„Hi Bernie. Ich habe dir eine neue Version auf den PC geladen. Teste die mal an. Viel Spaß.“

Bernie fuhr seinen PC hoch und klickte sich wild durch das Programm. Sein Anfall ließ nicht lange auf sich warten. Die Schaltflächen waren sämtlichst neu angeordnet, versteckten sich mit einmal hinter anderen Drop-down Feldern, einige Anwendungen hatten den Namen geändert, andere schienen ersatzlos gestrichen worden zu sein. Neue Anwendungen verstand er nicht und klickte sie trotzdem wahllos an.

Mit dieser neuen Version war er nicht einmal in der Lage, seinen ersten Bericht zu schreiben und dabei hinkte er schon wieder mit einem Dutzend Berichte hinterher.
Seite 1 von 3       


Er klinkte aus. Mit hochrotem Kopf und aufgerissenen Augen begann er sich durch das komplette Programm zu klicken, doppelklicken, wahlweise mit der rechten und linken Maustaste. Längst hatte er die Übersicht verloren, wo er sich auf der Benutzeroberfläche befand. Wäre in diesem Moment jemand in sein kleines Büro gekommen, der geschockte Beobachter hätte vermutet, dass Bernie einen epileptischen Anfall hatte. Längst machte sein PC seltsame Geräusche, und er landete auf Fenstern und Drop-Down Menüs, die er noch nie gesehen hatte. Plötzlich erschien ein kleines Fenster „Achtung – es ist ein schwerwiegender Fehler aufgetreten“, aber da es nach Sekunden wieder verschwand, ignorierte er es.

Im Inneren des PCs, im geistigen Innenleben der Platinen, Halbleitern und der Software spielte sich plötzlich etwas ab, was alle Programmierer dieser Welt mit Absicht nicht hätten herbeiführen können. Teile des Programmes verknüpften sich unter Bernies rasenden Fingern, längst hämmerte er wahllos auf die Tastatur ein, seine sonst so grobmotorischen Finger fanden die göttliche Kombination.

Auf dem Bildschirm erschien plötzlich: MÖCHTEN SIE DIESEN HYPERLINK AKTIVIEREN? JA NEIN.

Bernie hielt inne. Er hatte sich die Unterlippe blutig gebissen, was ebenfalls für einen epileptischen Anfall sprach und starrte auf den Bildschirm. Er klickte JA, weil ihm nichts anderes einfiel. Das nächste kleine Fenster öffnete sich vor einem Hintergrund, der garnicht mehr wie irgendein Programm aussah, mit dem er sonst arbeitete. MÖCHTEN SIE DIE KERNINFORMATION ODER DIE KOMPLETTE INFORMATION ÜBERSPIELEN?

Beide Möglichkeiten ließen sich anklicken. Bernie hatte keine Ahnung, was das heißen sollte und klickte auf KERNINFORMATION und auf OK.

Eine Sekunde lang tat sich garnichts. Das Fenster verschwand und der Bildschirm wurde schwarz. Dann fühlte Bernie plötzlich ein Ziehen, das an der Handfläche begann, die noch immer auf der heißgelaufenen Maus lag und dieses Ziehen breitete sich blitzschnell auf seinen gesamten Körper aus, noch bevor er die Hand wegziehen konnte. Innerhalb eines Blinzelns war alles um ihn herum schwarz.



Auf Bernies Drehstuhl lagen säuberlich seine Kleidung, die so arrangiert schienen, als sei er aus ihr herausgeschlüpft, ohne die Knöpfe des Hemdes und den Reißverschluss der Hose zu öffnen.
Seite 2 von 3       
Unter dem Tisch standen seine schwarzen Büroschuhe, in denen seine Socken steckten. In der Hose steckte die obligatorische Feinrippunterhose. So fanden zwei Kollegen die Dinge, die von ihm übrig waren. Einer von ihnen war der IT Fritze, der fragen wollte, wie das neue Programm lief. Sie starrten auf die Klamotten, auf die Schuhe und die Brille, die auf dem Schreibtisch vor der Tastatur lag. Sie übersahen vollkommen die kleinen Keramikfüllungen und Kronen, die auf den Boden gefallen waren und den orthopädischen Nagel, der seit seinem dummen Skiunfall in Bernies Knöchel gesteckt hatte.

Die gesamte Belegschaft war ratlos. Wieder ging der Ruf durch das Haus: „Was hat Bernie diesmal angestellt?“ Sie kamen zu dem Schluss, dass Bernie sich in seinem Büro umgezogen und davongemacht haben musste. Er hatte wohl den Druck nicht mehr ertragen. Irgendwie hatten sie es alle kommen sehen.



Bernie stand nackt und halb blind ohne seine Brille in der endlosen Dunkelheit, in der er umherwandern konnte, ohne irgendwo eine Wand zu ertasten. Eigentlich fühlte er auch keinen Boden unter seinen Füßen, aber darüber dachte er lieber nicht nach. Er stellte fest, dass er die Luft anhalten konnte, ohne dass es eine Auswirkung auf ihn hatte, aber er atmete lieber weiter, schon aus Gewohnheit.

Nach einer Stunde fiel die Panik von ihm ab und er versuchte den Ausgang zu finden aus diesem Loch. Und nach sehr langer Zeit begriff Bernie endlich, was er da angestellt hatte.
Seite 3 von 3       
Punktestand der Geschichte:   213
Dir hat die Geschichte gefallen? Unterstütze diese Story auf Webstories:      Wozu?
  Weitere Optionen stehen dir hier als angemeldeter Benutzer zur Verfügung.
Ich möchte diese Geschichte auf anderen Netzwerken bekannt machen (Social Bookmark's):
      Was ist das alles?

Kommentare zur Story:

  Au wei,der arme Bernie!Trotzdem toller Schreibstil!  
   doska  -  21.05.08 21:03

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Das hast du extra gegoogled? LOL! Danke für den Hinweis.  
   Pia Dublin  -  21.05.08 14:41

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Eine gute Idee sehr gut umgesetzt. Zum Vergleich könnte man 'Virtual Reality' von Gulliver Assi danebensetzen.

Allerdings sind Formulierungen wie "MakroHard" schon abgegriffen (1700 Treffer bei Google). Dies ist allerdings auch das einzige Haar in einer leckeren Suppe...
lg  
   Nicolas van Bruenen  -  21.05.08 13:18

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

Stories finden

   Hörbücher  

   Stichworte suchen:

Freunde Online

Leider noch in Arbeit.

Hier siehst du demnächst, wenn Freunde von dir Online sind.

Interessante Kommentare

Kommentar von "Homo Faber" zu "Die Taube auf dem Dach"

Hallo, besonders die letzte strophe gefällt mir. Wäre das leben nur schön und man hätte alles, wäre man auch nicht glücklich. lg Holger

Zur Story  

Aktuell gelesen

  In Arbeit

Funktion zur Zeit noch inaktiv. Über ein Konzept zur sicheren und möglichst Bandbreite schonenden Speicherung von aktuell gelesenen Geschichten und Bewertungen, etc. machen die Entwickler sich zur Zeit noch Gedanken.

Tag Cloud

  In Arbeit

Funktion zur Zeit noch inaktiv. In der Tag Cloud wollen wir verschiedene Suchbegriffe, Kategorien und ähnliches vereinen, die euch dann direkt auf eine Geschichte Rubrik, etc. von Webstories weiterleiten.

Dein Webstories

Noch nicht registriert?

Jetzt Registrieren  

Webstories zu Gast

Du kannst unsere Profile bei Google+ und Facebook bewerten:

Letzte Kommentare

Kommentar von "Michael Brushwood" zu "Kalt und heiß"

Vielen Dank, liebe Rosmarin! Auch ich wünsche dir aus ganzem Herzen, frohe und besinnliche Ostertage!

Zur Story  

Letzte Forenbeiträge

Beitrag von "Ron Holiday", erstellte den neuen Thread: ???

Sind auch bei anderen Usern Probleme beim Verwenden des OPERA-Browser aufgetreten? Musste auf MS Edge umsteigen, damit ich bei der Anmeldung nicht immer gleich rausfliege.

Zum Beitrag