R.M.S. TITANIC Die Erinnerung an eine legendäre Jungfernfahrt. (5)   21

Romane/Serien · Erinnerungen · Fan-Fiction/Rollenspiele

Von:    Tim Wecnk      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 30. April 2008
Bei Webstories eingestellt: 30. April 2008
Anzahl gesehen: 3248
Seiten: 42

Diese Story ist Teil einer Reihe.

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   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Fünfter Tag, 14. April 1912



Der fünfte Tag der Reise brach wieder mit einem herrlichen Sonnenschein an und als ich die Augen öffnete, sah ich Jeanette dicht an mich gelehnt und noch immer tiefschlafend neben mir liegen. Sie hatte ihre Hand auf meine Brust gelegt und ich spürte, wie ihre Brüste, die ich gestern in vollkommener Nacktheit gesehen hatte, sanft an meinen Oberkörper ruhten. Leise atmend lag ihr schlummerndes Gesicht auf meinem Arm und ihr süßes Parfüm roch noch immer genauso frisch, wie gestern als sie es vor dem Dinner aufgetragen hatte. Ich strich ihr sanft ein paar Haarsträhnen hinters Ohr, worauf sie leicht stöhnte und mit einem kleinem verschlafenen Lächeln erwachte. ,,Guten Morgen.“, sagte ich liebevoll zu ihr, worauf sie sich entspannt streckte und das Gleiche auch zu mir sagte. Danach fragte ich sie, wobei ich ihr Kinn ein wenig strich: ,,Und? Gut geschlafen?“ und sie antwortete vergnügt: ,,Wundervoll.“ Sie schloss darauf wieder die Augen und döste noch ein wenig vor sich hin, während ich auf meine Taschenuhr schaute und 8uhr feststellte. ,,Wann geht denn euer Gottesdienst los?“, fragte ich, worauf sie antwortete: ,,Um halb elf.“ Ich überlegte kurz und sagte: ,,Dann haben wir ja noch viel Zeit.“ Ich stand auf und betätigte die Klingel neben der Tür, worauf Jeanette mich fragte, was ich vor hatte und ich ihr antwortete: ,,Ich bestelle uns jetzt ein ordentliches Frühstück.“ ,,Oh!“, kam Jeanette mit einem überraschten und gleichzeitig erwartungsvollen Ausdruck entgegen. Kurze Zeit später klopfte der Steward an die Tür und als ich ihm öffnete, um meine Bestellung aufzugeben, war er überrascht und ein wenig beschämt darüber, uns beide noch immer im Pyjama bekleidet zu sehen. Doch kaum als ich ihm das Geld für das Frühstück und das Trinkgeld für ihn gab, machte er sich mit einem Dankeschön auf den Weg in die Kombüse und in der Zeit wo er weg war, zogen Jeanette und ich uns an und amüsierten uns nebenbei über seine Schamhaftigkeit. Schließlich kam der Steward mit unserem Frühstück auf einen Rollwagen zurück und stellte ihn neben den Tisch in meine Kabine, worauf er das ganze Geschirr und das Essen auf den Tisch deckte. Dann verschwand er wieder, worauf Jeanette und ich uns zu Tisch begaben und mit vollem Genuss frühstückten.
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Danach zeigte meine offene Taschenuhr auf dem kleinen Tisch neben dem Bett genau 9.30uhr und Jeanette meinte: ,,Ich glaube, ich gehe langsam mal wieder rüber. Ich würde mich gerne noch ein wenig frisch machen.“ Darauf ich, nachdem ich den letzten Schluck von meinem Tee nahm: ,,Ganz wie du willst! Soll ich dich noch zu deiner Kabine begleiten?“ ,,Ach nein,“ meinte sie: ,,Ich gehe lieber alleine, sonst denkt mein Vater bestimmt wieder etwas falsches, wenn er uns so früh zusammen sieht.“ Sie lachte leicht, worauf sie den letzten Schluck von ihrem Tee nahm und wir beide aufstanden. Sie nahm ihr Abendkleid und ihr Pyjama mit und an der Tür sahen wir uns einen kurzen Moment lang in die Augen, worauf ich dann zu ihr sagte: ,,Tja, dann sehen wir uns wohl erst in ein paar Stunden wieder.“ Ein wenig bedrückt, aber trotzdem lächelnd sah sie nach unten, bis sie mir wieder ins Gesicht sah und fragte: ,,Kommst du nach der Führung in meine Kabine?“ Ich strich ihr über die Schultern und sagte: ,,Natürlich werde ich kommen.“ Erfreut schaute sie wieder nach unten und nachdem ich sie durch die Tür nach draußen führte, gab sie mir einen sanften Kuss auf die Wange und sagte: ,,Bis dann.“, worauf ich ihr dann dasselbe entgegnete. Als sie sich auf den Weg zu ihrer Kabine machte und ich die Tür wieder schließen wollte, rief sie mir noch mal meinen Namen, worauf ich wieder in den Flur trat und sie nach einem kurzen Moment dann sagte: ,,Bitte komm so schnell wie möglich, okay?“ Das rührte mich zutiefst und meinte zu ihr: ,,Ich flitze wie der Blitz, versprochen.“ Hocherfreut zeigte sie ihr strahlend bezauberndes Lächeln und machte sich danach auf zu ihrer Kabine.

Während ich darauf eine zeitlang in meiner Kabine aus dem offenen Fenster schaute, dachte ich eine Weile daran, wie sich Jeanette gestern vor dem Schlafengehen einfach so vor mich auszog. Wieso hatte sie das getan? Wollte sie damit etwa meine sexuelle Begierde reizen? Ich gebe zu, dass ich seitdem ganz andere Neigungen und Gefühle zu Jeanette in dieser Hinsicht zu spüren vermochte. Aber ginge das nun nicht zu weit, wenn ich mit Jeanette jetzt schon sexuelle Beziehungen hätte und vor allem, wäre es dafür nicht noch zu früh? Ich wusste, dass ich diese Gedanken hatte, seit ich Jeanette während des Squashspiels in ihrem verschwitztem T-Shirt sah.
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Dass Jeanette sich gestern auch noch halbnackt vor mich auszog, hatte diesen Gedanken jetzt zusätzlich noch verstärkt. Was sollte ich nun machen? Es half nichts, ich musste mit Jeanette darüber reden und ich schwor mir, das auch heute noch bei einer guten Gelegenheit zu tun.

Ganz nah am Fenster flog plötzlich ein Albatross mit einem Gekreische vorbei. Ich beobachtete seine eleganten Flugbewegungen, die er durch die Lüfte fast gleitend ausführte. Was machte er hier so ganz alleine? Er sah so aus, als wollte er sich das Schiff mal genauer ansehen, denn er hielt sich immer in der Nähe auf. Einmal flog er noch dichter am Fenster vorbei, als wollte er mir seine ganze Pracht beim Fliegen zeigen. Für so was müsste man jetzt eine Fotokamera zur Hand haben und ich kannte eine Person, die eine besaß: Onkel Frank, aber der befand sich ja nun mehrere Meilen von hier entfernt in England. Plötzlich bekam der Albatross Gesellschaft von einem Zweiten und beide machten sich gemeinsam auf und davon. Wahrscheinlich hatten sich die beiden gegenseitig gesucht und hielten sich deswegen so lange in der Nähe der Titanic auf.



Gegen 11:25uhr nach einem Mittagessen im Veranda Cafe erschien ich dann auf der Brücke, an dessen Eingang backbords sich die restliche Gruppe von einzelreisenden Passagieren bereits versammelt hatte. Kaum als ich dort ankam, kam ein sehr freundlicher Herr mit zu einem Seitenscheitel gekämmten Haar und im grauem Anzug gekleidet aus dem Brückengehäuse und bat uns, in die Brücke einzutreten. Meine Uhr zeigte jetzt genau 11:30uhr, die Brückenführung begann.

Der Herr, der uns reinbat, hieß uns willkommen und sagte: ,,Herzlich willkommen bei der aller ersten Brückenführung an Bord der R.M.S Titanic, meine Damen und Herren. Mein Name ist Thomas Andrews. Ich bin ihr Gruppenführer und werde Ihnen das Schiff von oben bis unten zeigen.“ Ein Herr in der Gruppe unterbrach ihn: ,,Ach, Sie sind also der Erbauer der Titanic?“ Darauf Andrews: ,,Ja, das ist richtig. Ich war für die Konstruktion dieses Schiffes zuständig, das haben Sie sicher in der Einladung gelesen.“ Ich sah ihn an, während er noch weiter sprach. Das war also der Konstrukteur der Titanic und er erzählte, dass er zum Teil auch bei den Bauarbeiten der Olympic dabei war, sich aber intensiver mit der Titanic beschäftigte.
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Den Bau der Olympic übernahm Andrews Onkel Alexander Carlisle und weil es Unstimmigkeiten bei der Planung der Rettungsboote gab, überlies er die Konstruktion seinem Neffen Thomas Andrews und zog sich nach London zurück.

Andrews holte ein Buch über die Olympic und die Titanic, das während der Bauzeit der beiden Schiffe angefertigt wurde, hervor und zeigte uns ein paar sehr interessante Aufnahmen vom Bau der Titanic, sowohl als auch ein paar Aufnahmen vom Bau der Olympic. Diese Fotos gaben mir eine gute Vorstellung davon, wie der Ozeanriese vom Kiel aufwärts bis zur Mastspitze entstand und sicherlich auch dabei schon einen imposanten Eindruck machte:



Alles begann im Jahre 1907 im Nobelviertel Belle Gravior von London. Hier war der Eigner der Reederei White Star Line, J. Bruce Ismay, in der Villa des Generaldirektors der Harland & Wolf Werft von Belfast, Lord William Pirrie, zu einer Dinnerparty eingeladen worden. Ismay stand zu dem Zeitpunkt schwer unter Druck, da die Reedereikonkurrenz sehr groß war und besonders die Reederei Cunard-Line mit ihren zwei neuen Dampfschiffen Mauratania und Lusitania, die mit neuen Dampfturbinen hohe Geschwindigkeiten erzielen konnten und die Mauratania sogar das ,,Blaue Band“ für die schnellste Atlantiküberquerung gewann, hatte die Aufmerksamkeit des Publikums stark auf sich gelenkt.

,,So wie es aussieht, William, steht Cunard nun engültig an erster Stelle. Mit diesen hochmordernen Maschinen der Mauretania und Lusitania kann die White Star Line absolut nicht mithalten. Und wenn Sie Ingenieure aus aller Welt zu sich kommen lassen.“, sagte Ismay kopfschüttelnd und Pirrie entgegnte: ,,Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass Cunard damit nun lange weit vorne liegen wird. Geschwindigkeit ist in der Schifffahrt nicht der entscheidende Punkt.“ Darauf Ismay: ,,Die White Star Line wird entsprechend reagieren müssen, wenn wir die Kundschaft wieder zurückgewinnen wollen, das müsste Ihnen klar sein.“ ,,Natürlich“, entgegnete Pirrie: ,,aber das werden Sie nicht schaffen, wenn Sie nun versuchen, Schiffe mit noch schnelleren Maschinen zu bauen.“ Ismay blickte skeptisch drein, bis er fragte: ,,Was schlagen Sie demnach vor? Was sollen wir tun?“ und Pirrie antwortete: ,,Wenn die Passagiere auf so schnellen Luxusschiffen wie die Mauretania und Lusitania sind, bleiben ihnen nur wenige Tage, um das Ambiente an Bord richtig genießen können.
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Geschwindigkeit ist bei den Passagieren nicht von hoher Bedeutung, sondern das, was das Schiff für sie zu bieten hat.“ Ismay sagte nichts und zündete sich eine Zigarre an, bis Pirrie fortfuhr: ,,Und ebenso geht es den Passagieren um die Größe der Schiffe. Das ist es, womit Sie die Kundschaft wieder zurückgewinnen können.“ Ismay blies den Rauch aus seinem Mund und fragte: ,,Sie meinen also, wir sollen Schiffe bauen, die mit der Größe der Mauretania und Lusitania übereinstimmen?“ ,,Nein, Sie sollen Schiffe bauen, die um die Hälfte größer sind.“ Ismay schaut Pirrie völlig überrascht an und Pirrie ergänzte: ,,Ich rede hier von einer vollkommen neuen Ära, Bruce. Wenn Sie nun drei neue Schiffe besitzen, welche die größten und zugleich die luxuriösesten Schiffe sind, die jemals auf der Welt gebaut wurden, dann übertreffen sie nicht nur Cunard um die Passagiere, sondern gehen wohlmögich auch noch in die Geschichte ein.“ Ismay dachte einen Moment lang fasziniert nach, bis er dann fragte: ,,Glauben Sie denn, dass das möglich ist, William? Ich meine für die Größe dieser Schiffe bräuchten wir doch eine noch viel größere Werft, als Ihre.“ Pirrie entgegnete gelassen: ,,Das lassen Sie mal meine Sorge seien, Bruce. Bis jetzt haben Sie doch jedes Schiff von mir gebaut bekommen, das Sie wollten, oder?!“ Ismay grinste, nahm einen Zug von seiner Zigarre und fragte anschließend: ,,Also können wir nun davon ausgehen, dass die Entstehung dieser neuen Ära hiermit beginnt?“ Pirrie erhob sein Glas und sagte: ,,Ich würde sagen, dass die Entstehung dieser neuen Ära bereits begonnen hat.“ Ismay erhob ebenfalls sein Glas und sagte: ,,Dann würde ich sagen, trinken wir auf ein neues Abenteuer.“ ,,Auf ein neues Abenteuer.“

So wurde also der Bau mit einem Handschlag beschlossen. Pirrie unternahm in den nächsten Monaten die Vorbereitung für den Umbau der Harland & Wolf Werft in Belfast vor. Es wurden drei ehemalige Helligen, in denen die vorherigen Schiffe der White Star Line gebaut wurden, abgerissen und durch zwei neue gewaltige Helligen mit den Nummern 400 und 401 ersetzt. Sie waren 290m lang, 90m breit und 80m hoch und besaßen zudem eine neuentwickelte Konstruktion, wie sie Welt noch nie gesehen hatte und den Bau der neuen Schiffe vereinfachen sollte.
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Als die Helligen 1908 schließlich fertig gebaut waren, waren auch gleichzeitig die Baupläne für die drei neuen Schiffe fertiggestellt. Diese Schiffe waren ebenso auch noch in einer neue Klasse eingestuft, nämlich der ,,Olympic-Klasse“ aber es war immer noch kein Bauvertrag von Ismay unterschrieben worden. Als Lord William Pirrie zusammen mit seinen Konstrukteuren Alexander Carlisle, Thomas Andrews und Rotherick Chisolm schließlich bei der Vorführung der Baupläne Ismay von den neuen Schiffen überzeugen konnten, entschloß sich Ismay dazu, den Bauvertrag im Namen der White Star Line zu unterschreiben und zu genehmigen. Als er den Stift in die Hand nahm, meinte er zu den anderen: ,,Doch vorher würde ich aber noch ganz gerne die Namen der Schiffe wissen, damit wir nicht länger von Schiff 400 oder 401 reden müssen.“ Darauf Pirrie: ,,Nun da die Schiffe der Olympic-Klasse angehören, haben wir uns für das erste Schiff ganz spontan den Namen: ,,Olympic“ einfallen lassen.“ Ismay nickte und meinte: ,,Hm, das findet sicher schnell Zuspruch unter den Passagieren. Ja, ich bin damit einverstanden.“ Er schrieb den Namen auf die erste Zeile im Vertrag und fragte anschließend: ,,Und das zweite Schiff? Da haben Sie sich doch sicher auch was besonders ausgedacht.“ Pirrie grinste und entgegnete: ,,Nun, wir hielten es für eine gute Idee, Ihnen mal die Freude zu machen, sich einen Namen auszusuchen. Schließlich sind es ja Ihre Schiffe.“ Ismay war geschmeichelt und dachte nach: ,,Hm, also das erste Schiff haben Sie ,,Olympic“ genannt. Der Name ist ist ja der Antike gewidmet, nämlich der Heimstadt der griechischen Götter ,,Olymph“. Neben den Göttern gab es ja noch andere Giganten wie zum Beispiel den ,,Titanen“, welche zugleich auch ihre großen Rivalen waren.“ Die Konstrukteure waren gespannt, was für einen Namen sich Ismay nun für das zweite Schiff ausdenken würde, bis Ismay erneut anfing zu grinsen und meinte: ,,Wissen Sie was meine Herren, ich ernenne dieses Schiff zu meinen persönlichen Favouriten und gebe ihm den Namen: ,,Titanic“.“ Die Konstrukteure sahen sich an und Pirrie entgegnete: ,,Das ist wirklich ein ausgezeichneter Name, Bruce.“ Ismay war erfeut und sagte: ,,Mein Schiff heißt also ,,Titanic“.“, worauf er den Namen auf die zweite Zeile im Vertrag schrieb und anschließend sagte: ,,Jetzt bleibt uns schließlich noch das dritte Schiff.
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“ Der Schwager von Pirrie Alexander Carlisle mischte sich ein und meinte: ,,Sie haben vorhin etwas von ,,Giganten“ gesagt. Ich finde, wir sollten bei den antiken Namen bleiben und das dritte Schiff einfach ,,Gigantic“ nennen.“ Auch hier sahen sich alle Konstrukteure an und Ismay dachte einen Moment nach, bis er sagte: ,,Damit tragen unsere drei neuen Schiffe also Namen von griechischen Mythologien. Ich glaube, auf die Idee wäre eine andere Reederei bestimmt niemals gekommen.“ Er schrieb den Namen des dritten Schiffes auf die dritte Zeile im Vertrag und unterschrieb schließlich auf der letzten Zeile mit seinem Namen und dem Datum, womit nun endlich nach wenigen Monaten mit dem Bau der ersten zwei neuen White Star Line Schiffen, der Olympic und der Titanic, begonnen werden konnte.



Mr. Andrews legte das Buch dann wieder zurück und zeigte uns darauf die Kommandobrücke. Sie lag auf der obersten Etage des Schiffes und ragte über den Quergang des Promenadendecks hervor, wo sie von drei dünnen Säulen gestützt wurde. Im Inneren bestand sie aus zwei hintereinander liegenden Gehäusen, wobei das vordere Gehäuse an den Seiten offen stand und sich in ihm das Ruder und vier Maschinentelegraphen für die Küstennähe befanden. In dem kleineren und geschlossenem Gehäuse befanden sich ebenfalls noch mal vier Maschinentelegraphen und das Hauptruder, welche für die Fahrt auf dem offenen Meer eingesetzt wurden. Zusätzlich befand sich an der Wand ein Schalthebel für eine ganz besondere revolutionäre Erfindung, die das Schiff so einzigartig machten, nämlich für die 15 verschließbaren Schotten im Unterdeck. Diese 15 Schotten teilten bei Betätigung das Unterdeck der Titanic in 16 wasserdichte Kammern und schützten das Schiff vor Wassereinbruch. Noch dazu ragten diese Kammern bis zum E-Deck hinauf und lagen demnach weit über der Wasseroberfläche. Eine Schotttafel über dem Schalter zeigte durch Aufleuchten von 15 Lämpchen an, ob alle 15 Schotten geschlossen waren und das Schiff vor Wassereinbruch gesichert war. Die verschließbaren Schotten hatten auch damals die Olympic bei ihrem Zusammenstoß mit der H.M.S Hawke gerettet und sie vor dem Untergang bewahrt.

Neben dieser Tafel befanden sich auch fünf Telefongeräte, damals die allerneueste Erfindung, von denen eins die Brücke mit dem Auskuck, auch Krähennest genannt, am vorderen Mast veband und die Auskuckmänner den Offizieren ein kommendes Hindernis mitteilen konnten.
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Die nächsten drei Telefone waren mit dem Maschinen-, Kontroll- und Turbinenraum in den unteren Decks verbunden. Was das fünfte Telefongerät verband, wollte Andrews uns später noch zeigen. Doch vorher gab er

der Gruppe die Gelegenheit, sich das Brückengehäuse in Ruhe anzuschauen. Über der Schotttafel hingen vier dünne Ketten mit je einen Holzgriff, woraus ich schloss dass dies die Betätigungen für die vier Dampfpfeifen an den Schornsteinen waren und ich mir in dem Moment nichts so sehr wünschte, als einmal an einen dieser, Griffe zu ziehen. Doch ich entschied mich lieber, es nicht zu tun und stellte mich stattdessen mal direkt an das Ruder für die Küstennähe, da am Hauptruder ja bereits ein Matrose steuerte. Ich machte dabei eine klitzekleine Drehung, um zu erfahren, wie es ist, das größte Schiff der Welt zu steuern und bekam darauf ein sehr aufregendes Gefühl zu spüren, was aber schnell wieder aufhielt, als ich glaubte, von den Offizieren beobachtet zu werden und schaute mir darauf mal die Telegraphen an, mit denen dem Maschinenraum gesagt wurde, welche Geschwindigkeit gewünscht war. Man konnte sie auf ,,Full“ für Höchsgeschwindigkeit stellen, auf ,,Half“ für halbe Geschwindigkeit, ,,Slow“ für Buchteinfahrten, ,,Dead Slow“ für Hafenfahrten, Stand By“ um das Schiff in Kurvenmanövern zu drehen und schließlich auf ,,Stop“ um das Schiff zum Stillstand zu bringen. Diese Geschwindigkeiten konnte man natürlich auch für den Rückwärtsgang einsetzen, aber im diesem Moment waren alle Telegraphen auf ,,Full“ gestellt, was demnach also bedeutete, dass die Titanic gerade mit Höchstgeschwindigkeit fuhr.

Ein Herr aus der Gruppe fragte Andrews, was die Glocke draußen vor dem Fenster zu sagen hatte und Andrews antwortete, dass sie nur dem Auskuckmännern im Krähennest mitteilen sollte, dass sie gleich abgelöst werden und das Nest verlassen konnten. Ein anderer Herr fragte, was die zwei Lampen auf den Backbord- und Steuerbordnocken zu bedeuten hatten und Andrews antwortete: ,,Das sind Morselampen. In diesen beiden Nocks befinden sich die Schalter zum signalisieren von Lichtnachrichten, die an die Morselampen weitergegeben und im Umkreis von 20 Meilen gesichtet werden können.
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“ Ich erinnerte mich, dass die Titanic gestern Nacht mit dem vorbeifahrendem Schiff gemorst hatte, als Jeanette und ich alleine im Empfangsraum saßen und aus dem Fenster schauten. Von dieser Lampe auf dem Dach des Backbordnocks kam also das Licht her.

Auf der Brücke erschien plötzlich ein jüngerer Herr und fragte nach dem Kapitän. Der erste Offizier sagte ihm, dass er zusammen mit Mr. Ismay eine Privatführung für die Astors durchführte und zurzeit nicht anwesend war. Der junge Herr sagte darauf, dass er wieder eine Eiswarnung, diesmal von der MS ,,Baltic“, empfangen hatte, die er dem Kapitän überreichen wollte und der Offizier sagte zu ihm: ,,Wir werden es nachher an dem Kapitän weitergeben. Danke, Bride.“ Der Funker namens Bride ging wieder zurück an seinen Posten und die Offiziere wandten sich wieder ihrem Dienst zu. Den Kapitän wollte ich sehr gerne mal kennen lernen und ich hoffte, dass wir ihn während der Führung noch begegnen würden.

Andrews sagte: ,,So, meine Damen und Herren. Ich darf Sie nun bitten, mir zum Achterdeck zu folgen. Vorher aber werfen wir noch einen Blick in den Funkraum.“ Wir gingen alle links aus der Brücke raus und liefen zur Eingangstür zum Funkraum. Er lag auf der Backbordseite zwischen den Offizierskabinen, zu denen die Passagiere der ersten Klasse Zugang hatten, wenn sie ein Telegramm absenden wollten. Der Funker Harold Bride, der vorhin die Eiswarnung brachte, saß mit seinem Kollegen Jack Phillips schwer beschäftigt am Funkgerät. Ein Telegramm an Bekannte abzusenden war für viele Passagiere der letzte Schrei gewesen, was für die Funker natürlich mehr Arbeit und Geschicklichkeit beim Morsen hieß.

Wir gingen das Bootsdeck weiter zur 2.Klasse Treppe, doch bevor wir dort ankamen, zeigte Andrews hoch zum vierten Schornstein und fragte: ,,Wissen Sie, warum kein Rauch aus dem hintersten Schornstein quillt?“ Alle sahen hoch, doch keiner wusste die Antwort und Andrews sagte: ,,Weil er eine Attrappe ist.“ Alle sahen sich verständnislos an und er erwähnte: ,,Ursprünglich waren für die Titanic nur drei Schornsteine bestimmt. Aber mit einem Vierten waren wir der Ansicht, das Schiff würde dadurch einen besseren Eindruck machen.
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Da wo er jetzt steht, sollte vorher ein Lüfter sein, der den Rauch aus dem Rauchsalon saugen sollte. Dies übernehmen jetzt die Lüftungsschächte drum herum, währendder Schornstein für die Belüftung des Maschinenraums acht Stockwerke unter ihm sorgt.“ Mir war während der ganzen Fahrt gar nicht aufgefallen, dass aus dem vierten Schornstein kein Rauch quoll und so gut wie keinen Zweck erfüllte, aber mit drei Schornsteinen hätte die Titanic auch bestimmt nicht so imposant gewirkt, wie mit vier Schornsteinen, da hatte Andrews Recht.

Wir gingen die Treppe der zweiten Klasse runter zum C-Deck, wo wir dann auf das beinahe menschenleere Achterdeck zu dieser ,,Erhöhung“ den selben Weg liefen, den ich gestern auch schon mal gegangen war. Andrews erklärte, was es mit dieser Erhöhung auf sich hatte: ,,Was Sie hier sehen, ist die ,,Manövrierbrücke“ der Titanic. Sie dient zum Einparken des Schiffes in Häfen und dafür werden ebenfalls Ruder, Telegraphen und ein Telefon benötigt, welches das fünfte Telefon auf der Hauptbrücke verbindet.“ Eine Manövrierbrücke also. Jetzt wurde mir auch klar, weshalb sich jeden Tag ein Wachmann dort aufhielt, damit sich keiner der Passagiere einen Scherz erlaubt und an den Geräten rumfuchtelt. Während Andrews noch weiter erzählte, kam ein Besatzungsmitglied vorbei, der gerade die Hunde aus der ersten Klasse ausführte und Andrews bemerkte, dass er etwas genervt aussah und fragte ihn aus Spaß: ,,Hallo Thomson. Na, machen Ihnen die Hunde Schwierigkeiten?“ Der Matrose antwortete mit verdrehten Augen: ,,Furchtbar. Die wissen nicht, wo sie lang wollen und irgendwann bleiben sie einfach stehen.“ Andrews lachte und sagte: ,,Ach, Sie machen das schon, junger Mann.“ Darauf er: ,, Sie haben leicht reden, Mr. Andrews.“ Als der Matrose wieder verschwand, sagte Andrews: ,,Auch für die Hunde ist übrigens an Bord gesorgt. Ich habe einen bequemen Hundezwinger einbauen lassen, in dem sich auch eine Sandgrube, sozusagen eine ,,Hundetoilette“ befindet“. Ein Herr aus der Gruppe fragte: ,,Warum werden die Hunde dann ausgeführt?“ Etwas verwundert über diese Frage antwortete Andrews: ,,Na, damit sie Bewegung haben. Und sollten Sie doch an Deck plötzlich unerwartet ihr Geschäft machen, hat Thomson notfalls eine Schaufel und einen Lappen bei sich.
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“ Das ließ einige aus der Gruppe ins Gelächter fallen und nachdem alle wieder still wurden, sagte Andrews: ,,So, und jetzt führe ich Sie zu den unteren Decks. Bitte folgen Sie mir.“



Jetzt ging es zu den Maschinen und ich war ich schon sehr gespannt darauf, wie riesig die wohl sein mochten. Andrews ging mit uns in den Gesellschaftsraum der dritten Klasse und führte uns die Treppe runter bis zum F-Deck. Dort liefen wir dann durch den Kabinenflur der dritten Klasse, in dem nicht viel los war, da sich die meisten Passagiere wohl noch beim Mittagessen im Speisesaal befanden. Durch eine offene Tür konnte ich sehen, wie eine dritte Klasse Kabine aussah und ich stellte fest, dass sie mit den Kojen und dem recht großen Waschbecken sehr gemütlich und sauber war, was wohl für viele der dritte Klasse Passagieren ein richtiger Luxus war.

Mitten im Gang blieb Andrews neben einer Stahltür, an der ein Drehhebel war, stehen und schaute nach ob die Gruppe noch vollzählig war, worauf er anschließend sagte: ,,Durch diese Tür geht es jetzt zum Maschinenraum. Ich weiß nicht wie lärmempfindlich Sie sind, aber halten Sie sich auf jeden Fall die Ohren zu und bleiben Sie vor allem dicht zusammen.“ Er öffnete die Stahltür und der rhythmische Klang von aktiven Dampfmaschinen kam uns entgegen. Nun waren wir im Maschinenraum, der, so erklärte Andrews, der größte Raum des Schiffes war und bis zum E-Deck hinauf ragte. So laut, wie Andrews sagte, fand ich die Maschinen allerdings nun nicht, denn man konnte sich noch gut miteinander verständigen. Wir liefen eine Wendeltreppe bis zum Boden hinunter, wo wir uns dann direkt neben einer der beiden 9m hohen Dampfkolbenmaschinen befanden, die durch ihre Auf und Ab Bewegungen die Schraubenwellen zum Drehen brachten. Andrews erklärte, dass acht Zylinderkolben die beiden großen Schrauben und eine kleine Dampfturbine die mittlere Schraube in Bewegung setzten. Sie alle brachten das Schiff auf eine Leistung von 46000 PS. Während Andrews noch weiter erzählte, sah ich mir die Maschinen mit großem Erstaunen an und stellte mir dabei die drei großen, sich drehenden Schiffschrauben vor. Natürlich konnte ich mir nicht

alles merken, was Andrews über die Maschinen erzählte. Aber einige wichtige Geräte, die schon vom Namen her ihre Funktionen sagten, merkte ich mir für den Brief, den ich meinen Onkel ja versprach zu schreiben, wenn ich zu Hause bin.
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Bevor wir die Kesselräume besichtigten, zeigte uns Andrews den Kontroll- und Turbinenraum. Im Kontrollraum waren Messgeräte, die anzeigten, ob alles in den Maschinen ordentlich verlief. Alle Werte lagen im grünen Bereich und Andrews meinte, dass es in den Maschinen gar nicht ordentlicher verlaufen könnte. Die

Turbinen im Turbinenraum sorgten mit einem feinen Summen für den nötigen Strom an Bord und hätten auch eine Kleinstadt versorgen können, erwähnte Andrews nebenbei in einem leicht ironisch ausgedrücktem Ton.

Nun liefen wir wieder zurück durch den Maschinenraum in den Kesselraum Nr.1. Hier war es sehr warm, weil hier durch Verbrennen von Kohle Dampf für die Maschinen erzeugt wurde. Dafür mussten Heizer mächtig viel Kohle in die 29 Kesseln reinschaufeln, was wohl eine ziemlich harte Arbeit für sie gewesen sein muss. Wir stellten uns an einem Kessel, an dem noch keine Heizer schaufelten, aber noch kommen sollten. Er öffnete ihn und wir warfen alle mal einen Blick hinein, um zu sehen, wie viel Kohle in so einem Kessel geschaufelt werden konnte. Am Tag verschlangen die Kessel rund 640t von den in den Bunkern gelagerten 8500t Kohlemengen und als Andrews den Kessel wieder schloss, sagte er: ,,Wir sind hier übrigens am tiefsten Punkt des Schiffes, der zugänglich ist. Wir befinden uns genau 11m unter der Wasserlinie.“ Elf Meter unter Wasser? In diesem Bereich war es ganz schön aufregend, wenn man bedenkt, dass unter der drei Meter dicken Bodenplatte und hinter den zwei Zentimeter dicken Wänden der Ozean entlang strömte. Andrews zeigte uns noch einen von den verschließbaren Schotten, die man von der Brücke sowohl als auch von den unteren Decks aus betätigen konnte und die 16 Abteilungen vor Wassereinbruch schützten. Wir gingen darauf durch die weiteren fünf Kesselräume bis wir den Laderaum erreichten. Über den Laderaum gab es ja nun nicht viel zu erzählen, deshalb ließ uns Andrews einfach nur rumgehen um zu sehen, wie viel in diesem Raum an Fracht gelagert werden konnte. Unter den 11524 Frachtstücken befand sich sogar auch ein Auto der ,,Renault“ –Klasse, dem wohl sicher einem der Wohlhabenden an Bord gehörte. Die wertvollste Fracht auf diesem Schiff war etwas recht Ungewöhnliches.
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Es war das ,,Buch der Rubaijat Handschrift“, das in einer streng verschlossenen Kiste in einem verschlossenen Gitterraum gelagert war und in das New Yorker Kunstmuseum ausgestellt werden sollte. Sein Einband war mit Gold und kostbaren Edelsteinen bestückt und hatte einen Wert von 405 Pfund gehabt.

Nach 10min versammelte sich die Gruppe wieder und Andrews führte uns eine Treppe hoch nach draußen zum vorderen Wellendeck. Nun war das Vorderdeck dran und Andrews zeigte uns die Ankerketten, die eine Länge von 100m hatten, die Winden, die die Ketten aufwickelten und die beiden Anker hochzogen, und den Ankerkran für den in einer Deckwanne verstauten Ersatzanker. Er zeigte auch noch mal aufs Krähennest am Mast, der dort ungefähr 10m über dem Vorderdeck befestigt war. An der Mastspitze ganz oben wehte die amerikanische Nationalfahne,

da die Titanic ja auf dem Weg nach Amerika war. Auch hier hatten wir noch mal Gelegenheit, uns alles in aller Ruhe anzuschauen. Ich wagte mich vorsichtig an die Bugspitze und befand mich dann am vordersten Punkt des Schiffes. Unten in 15m Tiefe schnitt sich die gischtumschäumte Bugspitze durch das Wasser und der angenehm frische Fahrtwind wehte mir genau ins Gesicht, wobei ich kurz im Begriff war, meine Arme seitlich auszustrecken und mich wie ein fliegender Vogel zu fühlen. Doch Andrews unterbrach mein Vorhaben und bat mich wieder zurück zu kommen, worauf ich mich dann von der Bugspitze wieder entfernte. Ungefährlich war es an der Bugspitze nicht, denn dieser Punkt war recht eng und es konnte leicht passieren, dass man dort das Gleichgewicht verliert und über die Reling fällt. Andrews wandte sich wieder dem Passagier zu, mit dem er sich eine ganze zeitlang schon unterhielt, aber über was sie sprachen, konnte ich nicht heraushören. Wenn man vom Vorderdeck aus nach achtern schaute, sah man deutlich, wie sehr die Titanic in die Breite ging. Schließlich waren das 28m, die sich dort erstreckten und die 60000 Tonnen an Wassermenge nach außen verdrängten.

Die Gruppe versammelte sich wieder und Andrews wollte uns noch die Kombüse hinter dem Speisesaal zeigen. Wir gingen also alle wieder zurück in die erste Klasse runter zum Speisesaal, in dem die Stewards gerade die Tische für den Abend dekorierten, und liefen durch den ganzen Raum zur Eingangstür der Kombüse.
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Hier wurden also all die Köstlichkeiten gekocht, die ich an Bord bereits gegessen hatte. Selbst dieser Raum schien mit den großen Backstuben,

den langen Kochherdplatten und den Spülküchen die modernste Küche auf der Welt zu sein. Sie lag zwischen dem Speisesaal der ersten und der zweiten Klasse und für den Speisesaal der dritten Klasse auf dem F-Deck befand sich noch mal eine etwas kleinere Kombüse zwei Stockwerke tiefer, zu der man Zugang von der oberen hatte.

Nach der Besichtigung der Kombüse machten wir uns alle gemeinsam wieder durch den Speisesaal auf dem Weg hoch zum Bootsdeck, wo uns Andrews noch etwas über die Rettungsboote erzählte. Die Titanic hatte eine Passagierkapazität von 3547, die Boote eine Kapazität von 1178. Insgesamt sollten 64 Boote auf dem Deck platziert werden, aber wegen zu großen Platzbedarf wurde die Anzahl der Boote auf sechzehn Rettungsboote + vier ,,Engelhardt“ Notboote aus Leinwand mit Holzböden beschränkt. Eine Dame in der Gruppe fragte, ob das auf einem so großem Schiff mit so vielen Menschen an Bord nicht doch zu riskant wäre, worauf Andrews meinte, dass die Titanic selbst ein riesiges Rettungsboot sei und deshalb kein Risiko bestünde. Dieselbe Person fragte: ,,Und wenn doch mal was passiert?“ Alle sahen erwartungsvoll zu Andrews hin, der kurz nachdachte und anschließend ganz gelassen sagte: ,,Das ist vollkommen ausgeschlossen, Mem. Sie befinden sich hier auf dem sichersten Schiff der Welt.“ Alle nahmen es mit Eindruck und Faszination entgegen, worauf Andrews auf seine Taschenuhr sah und sagte: ,,14:55 Uhr. Ich darf Sie nun bitten, mir zur Brücke zu folgen. Sie sollen dort noch mal die Ehre haben, den Kapitän kennen zu lernen.“

Auf dem Weg zur Brücke nahm ich mir nun auch mal den Mut, Andrews die Frage zu stellen, die mich interessierte, seit ich von der Titanic hörte: ,,Mr. Andrews, können Sie mir sagen, wie groß die Titanic im Vergleich zur Olympic ist?“ Er antwortete: ,,Kann ich, junger Mann. Dreißig Zentimeter.“ Vollkommen perplex sah ich ihn an und vergewisserte mich, ob ich ihn richtig verstanden hatte, worauf er ganz relaxt antwortete: ,,Sie haben schon richtig gehört, junger

Mann. Eigentlich sollten beide Schiffe gleich lang sein, aber Ismay bestand darauf, der Titanic eine längere Bugspitze zu geben, um die Olympic doch noch

ein klein wenig zu übertreffen.
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“ Ich holte das Zeitungsbild von den beiden Schiffen raus und sagte: ,,Aber auf dem Zeitungsbild hier sieht die Titanic doch viel größer aus.“ ,,Das täuscht nur.“, entgegnete er: ,,In Wirklichkeit sind die beiden Schiffe, abgesehen von den dreißig Zentimetern, von der Größe her identisch.“ Leicht verdattert und zum Teil enttäuscht von dem vermeintlichen Größenunterschied, steckte ich das Zeitungsbild wieder ein und als Andrews meine Trübheit wahrnahm, erzählte er mir zum Trost: ,,Dafür hat die Titanic aber viel mehr Räume und dadurch eine größere Passagierkapazität, wodurch sie 1000 Tonnen schwerer ist, als die Olympic.“ Das brachte mich wieder auf andere Gedanken, doch die verschwanden schnell wieder aus meinem Kopf, als Andrews zusätzlich noch erwähnte: ,,Größe spielt bei der Titanic eh bald keine Rolle mehr, denn in zwei Jahren wird ihr zweites Schwesterschiff ,,Gigantic“ sie um ein paar Meter übertreffen.“ Mir drehte sich förmlich der Magen, aber Andrews schaffte es auch zum zweiten mal, mich wieder aufzumuntern, indem er fest überzeugt sagte: ,,Aber machen Sie sich deswegen mal keine Sorgen, junger Mann. Ich bin mir sicher, dass die Titanic die Sensation unter den drei White Star Line Schiffen bleibt und die meisten Menschen auf ihr reisen werden. Und damit das auch so geschieht, habe ich schon etliche Verbesserungspläne für die Titanic entworfen, die ich verwirklichen werde.“ ,,Ach,“ meinte ich zu ihm, um ihm ein Kompliment zu machen: ,,viel verbessern brauchen Sie nicht, denn sie ist schon ein einmaliges Wunderwerk.“ Er sah mich erfreut an und sagte: ,,Vielen Dank. Das freut mich sehr, dass Sie das sagen. Aber ich bin mir sicher, dass man noch mehr aus ihr machen kann und wenn ich einen hochzufriedenen Passagier wie Sie begegne, dann reizt es mich noch mehr, Verbesserungspläne zu entwickeln und zu verwirklichen.“ Er schien sich wirklich verdammt viel für die Titanic in den Kopf gesetzt zu haben und so wie sich sein Stolz in seinen Augen zeigte, war ich mir sicher, dass er es schaffen würde, die Titanic während ihre gesamten Dienstjahre zu den beliebtesten Schiffen der Weltmeere zu erhalten, auch wenn sie bis dahin nicht mehr das größte Schiff der Welt sein sollte.
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Aber noch galt sie ja als das größte Schiff der Welt und ich war mir sicher, dass man bestimmt noch eine ganze Zeit lang von ihr reden würde. Ich sah schon die nächsten Schlagzeilen: ,,Das unsinkbare Schiff, noch luxuriöser, noch moderner, noch prachtvoller.“, und tief in Gedanken versunken schwor ich mir, eines Tages vielleicht mal wieder auf der Titanic zu reisen, denn meine Faszination zu ihr würde bestimmt nicht so schnell verblassen, wie die zu der Olympic.

Wir gingen wieder in die Brücke rein, wo sich tatsächlich nun der Kapitän in seiner schnieken schwarzen Uniform befand und seine Privatführung mit Ismay und den Astors bereits beendet hatte. Andrews stellte ihn uns vor: ,,Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen nun unseren Kapitän vorstellen: Edward James Smith.“ Alle applaudierten und Kapitän Smith machte eine leichte Verbeugung, worauf Andrews auf die Person neben ihm zeigte und sagte: ,,Und Joseph Bruce Ismay, der Präsident der White Star Line. Ihm haben wir die Titanic zu verdanken.“ Noch mal applaudierten alle für Ismay, der sich ebenfalls verbeugte. Okay, dachte ich mir, er war zwar der Eigner, aber dennoch nicht der Besitzer der Titanic, denn das war James Pierpont Morgan, der ,,Herrscher der sieben Weltmeere“ aus den USA. Wirklich schade, dass er die Reise aus gesundheitlichen Gründen absagte, denn ich hätte diesen mächtigen und hochrangigen Mann auch gerne mal vor Augen gesehen.

Ismay sagte bescheiden: ,,Mein lieber Andrews. Der Triumph gehört doch wohl ganz alleine Ihnen, schließlich haben Sie dieses Schiff gebaut.“ Alle applaudierten nun für Andrews, der darauf zurecht geschmeichelt wirkte. Ich sah mir das Paar neben dem Kapitän an, welches wohl die Astors sein mussten und sicher einer der Luxussuiten bewohnten. Da sie vom Kapitän und von Ismay zusätzlich noch eine Privatführung bekamen, ging ich mal davon aus, dass sie die wohlhabendsten Passagiere an Bord waren. Vielleicht gehörte ihnen sogar das Auto im Laderaum, aber ich war mir da nicht ganz sicher, denn es gab auf dem Schiff noch andere Wohlhabende wie die Carters, die auch eine der Suiten bewohnten. Da sie noch zwei Kinder hatten, war es eher anzunehmen, dass ihnen das Auto der Renaultklasse gehörte. Ein Herr aus der Gruppe fragte den Kapitän, ob es wirklich die letzte Fahrt vor seiner Pension sei, worauf der Kapitän antwortete: ,,Ja das ist richtig.
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Nach 32jähriger Dienstzeit freue ich mich nun auf ein langes und ruhiges Leben. Ismay wollte unbedingt, dass das Schiff so schnell wie möglich in New York ankommt, damit ich meinen Ruhstand mit einem Feuerwerk entgegentrete.“ Ismay mischte sich ein und gab hinzu: ,,So bekommt Smith nicht nur eine grandiose Pension, er sorgt gleichzeitig auch für Schlagzeilen für die Jungfernfahrt der Titanic.“ Ein anderer Herr aus der Gruppe fragte: ,,Schlagzeilen für eine neue Gewinnerin des Blauen Bandes?“ Andrews antwortete: ,,Oh nein, dazu ist das Schiff nicht fähig genug. Die Maschinen verleihen dem Schiff zwar viel Kraft, aber keine Schnelligkeit. Die ,,Mauretania“ der Cunard Line wird mit ihren Turbinen vorerst die Gewinnerin des Blauen Bandes bleiben.“ Ismay setzte sich ein und sagte: ,,Es ist aber fähig genug ihre Schwester in der Überquerung des Atlantiks zu übertreffen. Captn Smith, wie schnell fahren wir denn jetzt?“ Kapitän Smith

antwortete: ,,Im Moment 20 Knoten, aber die letzten Kessel werden noch beheizt. Das heißt, wir legen nachher noch an Geschwindigkeit zu und werden wahrscheinlich, wenn das Wetter so bleibt, am Mittwochabend in New York einlaufen. So weit ich mich erinnern kann, überquerten wir bei der Jungfernfahrt der Olympic den Atlantik in acht Tagen. Die Titanic dürfte bei ihrer Fahrt also

leicht und locker der Olympic um einen Tag voraus sein.“ Dann hätte die Titanic den Ozean also in sieben Tagen durchquert. Das wäre in New York ja schon ein Feuerwerk wert, wenn sie dort eintrifft und alle überrascht. Nur schade, dass sie das Blaue Band nicht gewinnen konnte, aber Hauptsache sie sorgte mit ihrer Größe und ihrem Luxus weiterhin für Faszination. Eine Dame aus der Gruppe fragte: ,,Vorhin ist doch eine Eiswarnung empfangen worden. Werden wir es in den nächsten Tagen nicht mit Eis zu tun haben?“ Der Kapitän antwortete ganz gelassen: ,,Kein Grund zur Sorge. Zu dieser Jahreszeit ist das völlig normal. Außerdem fahren wir eine südlichere Route, da wird uns so gut wie kein Eis entgegenkommen. Aber die Nächte könnten trotzdem recht kühl werden, ziehen Sie sich warm an, wenn Sie nachdem Dinner noch mal an Deck gehen sollten.“ Alle fassten es humorvoll auf und als Andrews sah, dass keiner mehr eine Frage hatte, sagte er: ,,Tja, meine Damen und Herren, wir kommen zum Ende der Führung.
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Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen und Ihrer Reise eine kleine Abwechslung gegeben. Es war mir ein großes Vergnügen, Ihnen das Schiff gezeigt zu haben. Haben Sie weiterhin noch eine gute Fahrt und kommen Sie gut in New York an. Ich danke Ihnen für Ihr Anwesen.“ Er machte eine kleine Verbeugung, worauf alle applaudierten und Ismay noch zügig erwähnte: ,,Das wünschen die White Star Line und ich natürlich auch.“ ,,Und die Crew natürlich auch.“ , fügte der Kapitän hastig hinzu und verbeugte sich zusammen mit Ismay. Alles applaudierte nun noch kräftiger und als Dank für die Teilnahme an der Brückenführung bekam jeder von uns zwei Postkarten von den beiden Schwesterschiffen geschenkt. Danach ließen wir uns von der gesamten Crew verabschieden und gingen alle nacheinander aus der Brücke raus.

Das war meiner Meinung nach die aufregendste Führung in meinem ganzen Leben. Interessant war für mich vor allem der Bau der Titanic in Belfast, der genau drei Jahre lang gedauert hat. Die 4000 Werftarbeiter waren ganz bestimmt stolz darauf gewesen, dieses Schiff mit ihren bloßen Händen erbaut zu haben. Acht von ihnen durften sogar als ,,Guarantee Group” zur Beseitigung restlicher Schäden bei der Jungfernfahrt dabei sein. Unter ihnen sollte sich auch der Mann befinden, der den Bau der Titanic überhaupt erst möglich gemacht hatte, nämlich Lord William Pirrie, der Generaldirektor der Harland & Wolff Werft, doch aus schwer gesundheitlichen Gründen sagte er die Jungfernfahrt der Titanic ab und ließ stattdessen seinen Neffen Thomas Andrews an seine Stelle treten.

Ich dachte immer, dass am Heck unter dem Namen des Schiffes immer der Name

der Stadt geschrieben ist, in der das Schiff gebaut wurde. Doch anhand des

Beispiels der Titanic erfuhr ich, dass es mit dem Stadtnamen etwas ganz anderes auf sich hatte. Die White Star Line, zu dessen Reederei die Titanic gehörte, hatte ihren Sitz in der westenglischen Hafenstadt Liverpool und da die Titanic demnach auch dort vertraglich zugelassen war, befand sich an ihrem Heck die Aufschrift in goldfarbigen Buchstaben: TITANIC LIVERPOOL.

Ich ging zurück in die erste Klasse und machte mich die Treppe runter zum C-Deck in den Kabinenflur, wo ich vor Jeanettes Kabine stehen blieb und an die Tür klopfte.
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Kurz bevor sie aufging, hörte ich die freundliche Stimme von Mrs. Franklin noch sagen: ,,Langsam, Kind. Er läuft dir schon nicht weg.“ Die Tür ging auf und Jeanette zog mich in ihre Kabine, wo sie mich so kräftig umarmte, als hätte sie mich schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Mrs. Franklin, die auf dem Stuhl am Tisch saß, schüttelte freudelächelnd den Kopf und nach dem ich Jeanette auch umarmte, fragte ich spaßtonend: ,,Ich war doch wohl nicht zu lange weg?“ Jeanette sah mir ins Gesicht, worauf sie dann grinsend zu ihrer Mutter blickte, die dann zu Jeanette meinte: ,,Na los, sag es ihm schon.“ Ich schaute zu beiden hin und her und fragte, was es denn da so zu Grinsen gäbe, worauf Jeanette meinte: ,,Tim, wir sind vom Kapitän zum Abendessen an seinem Tisch eingeladen, und du auch.“ Völlig verdutzt sah ich Jeanette und ihre Mutter an und fragte nach kurzer Zeit: ,,Wirklich?“ Beide nickten zur Antwort und Mrs. Franklin erwähnte: ,,Da der Kapitän bei dem Gottesdienst die Predigt hielt, haben wir danach noch eine Weile mit ihm geredet, worauf er uns persönlich für heute Abend zu seinem Tisch eingeladen hat. Und Jeanettes Vater hat ihn extra noch so überredet, dass du auch noch dabei bist.“ Wie freundlich von Mr. Franklin, aber um ihm dafür zu danken, befand er sich im Moment nicht im Raum. Total begeistert sagte ich: ,,Meine Güte. Erst die Einladung zur Brückenführung und jetzt eine Einladung zum Kapitänstisch.“ Jeanette und ihre Mutter grinsten, bis Mrs. Franklin fragte: ,,Und? Wie war die Führung?“ und Jeanette ergänzte: ,,Ja, erzähl. Wie war es gewesen?“ Ich setzte mich mit Jeanette auf die Couch und erzählte alles, was ich während der Brückenführung erfahren und gesehen hatte, worauf Jeanette etwas neidisch drein sah und meinte: ,,Das war bestimmt viel interessanter, als irgendwelche Kirchenlieder zu singen.“ ,,Jeanette.“, kam Mrs. Franklin leicht empört entgegen, worauf Jeanette leicht grinsend sich dafür entschuldigte. Mrs. Franklin nahm es mit einem Nicken zur Kenntnis und meinte darauf zu uns: ,,Also, ihr beiden. Wir treffen uns vor dem Abendessen hier und gehen dann gemeinsam runter zu den anderen eingeladenen Gästen. Seid rechtzeitig da.“ ,,Natürlich.“, kamen Jeanette und ich im selben Moment entgegen, worauf Mrs.
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Franklin aufstand und noch ergänzte: ,,Dann macht euch beide jetzt noch einen schönen Tag.“ Sie gab Jeanette einen Kuss auf die Wange und sagte: ,,Bis dann, Schatz. Bis dann, Tim.“ , worauf sie dann die Kabine verließ und wir beide alleine nebeneinander auf der Couch saßen. Ich strich Jeanettes Hand und fragte: ,,Hat dein Vater dich noch mal wegen gestern angesprochen?“ Sie lehnte ihren Kopf an meine Schulter und sagte: ,,Er hat sich bei mir entschuldigt. Dafür, dass er die Fassung so sehr verlor.“ ,,Na, Gott sei Dank.“, kam ich erleichtert entgegen und Jeanette fuhr fort: ,,Und er hat mir erzählt, dass er sehr von dir beeindruckt ist und ich sagte ihm, dass ich das schon längst weiß.“ Ich strich ihr zum Dank die Wange und sagte anschließend: ,,Du hast mir bei der Führung gefehlt. Es wäre schön gewesen, wenn du dabei gewesen wärst.“ Nun strich sie mir das Kinn und meinte: ,,Das glaube ich dir.“ Nachdem wir darauf eine zeitlang stillschweigend einfach so dasaßen und ich aus dem Fenster rausschaute, sagte ich, um die Stimmung wieder aufzubessern: ,,Na komm, lass uns rausgehen. Es ist ein herrlicher Tag.“

Während wir ein paar Runden auf dem Bootsdeck liefen, fiel mir ein, dass wir nur noch zwei Tage auf dem Schiff sein würden, wenn wir schon Dienstagabend in New York einlaufen und schließlich dann auch der Moment kommt, an dem Jeanette und ich Abschied nehmen mussten, aber Gott sei Dank nicht für immer. Dennoch glaubte ich, dass uns beide dieser Moment sicher nicht leicht fallen würde. Ich versuchte, jetzt noch nicht daran zu denken und nachdem ich mich mit Jeanette auf die Bank am hinteren Mast setzte, hörte ich die Rufe von zwei Albertrossen und schaute nach, woher sie kamen. Sie flogen flach über das Achterdeck und landeten direkt vor uns auf die Reling. Das waren bestimmt die selben Albertrosse, die ich heute morgen an meinen Fenster vorbeifliegen sah.

Ohne Scheu saßen sie auf der Reling und putzten sich die Flügel. Jeanette und ich sprachen über die beiden, worauf Jeanette sich leise von der Bank entfernte und vom Veranda Cafe ein paar Gebäckstückchen holte. Als sie zurück kam, zerbröckelten wir sie und warfen es den Albertrossen entgegen, worauf sie von der Reling runter sprangen und die Stückchen vom Boden aufaßen. Das war lustig mit anzusehen, doch als ich mein nächstes Stückchen warf und die Vögel es essen wollten, kam plötzlich ein kleines Mädchen im Alter von 3 Jahren angerannt und verscheuchte die Vögel.
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Das Mädchen sah den beiden noch hinterher, wie sie wegflogen, bis es dann das Gebäckstückchen auf dem Boden entdeckte und gerade im Bergriff war, es zu essen, worauf Jeanette sofort auf sprang und es ihr weg nahm, bevor die Kleine es in den Mund steckte. Sie sah Jeanette darauf ganz erschrocken an und sie sah so aus, als wollte sie im nächsten Moment vor Schreck gleich losbrüllen. Doch Jeanette verhinderte dies, indem sie sich hinkniete und der Kleinen den Rest von ihrem Gebäck gab. Voller Freude nahm sie es entgegen und aß es. Offensichtlich mochte sie Jeanette, denn sie blieb bei ihr, als ob sie ihre kleine Schwester wäre. Wie unglaublich liebevoll Jeanette dann mit der Kleinen umging, hatte mich zutiefst gerührt und wie gut sich die beiden miteinander verstanden, war einfach wundervoll mit anzusehen. Die beiden lachten ununterbrochen viel und Jeanette bemerkte, wie ich sie beobachtete, worauf sie zu der Kleinen flüsterte: ,,Auf, geh mal zu dem Jungen dort. Der hat auch noch eins in der Hand“ Das Mädchen kam auf mich zugelaufen, worauf ich ihr das Stückchen gab und sie es mit einem freundlichem Danke schön entgegen nahm. Ich stupste darauf ihr kleines Näschen, worauf die Kleine anfing zu lachen und anschließend ihre Arme nach mir streckte, womit sie andeutete, sie auf meinen Schoß zu setzen. Als ich ihr den Gefallen tat und Jeanette sich darauf wieder neben mich setzte, meinte sie: ,,Sie scheint dich wohl zu mögen .“ Das Mädchen fand es besonders lustig, wenn ich dieses ,,Hope, Hope Reiter“ -Spiel mit ihr machte und weil ich sie auch mal gerne auf Jeanettes Schoß sehen wollte, übergab ich sie ihr und sah zu, wie Jeanette der Kleinen den Mund ein wenig mit einem Taschentuch sauber wischte, da von dem Gebäck, was die Kleine vorhin gegessen hatte, noch ein paar restliche Krümel um ihren Mund herum klebten. Auch das machte Jeanette wunderbar, ohne das die Kleine sich geniert oder den Kopf wegdrehte. Jeanette verstand es wirklich, mit Kindern um zu gehen und die Art, wie sie mit der Kleinen sprach, mit ihr Umging oder sie ansah, war so was von fürsorglich und liebevoll. Sie fragte die Kleine, wie sie hieß, worauf sie dann mit einer süßen und piepsigen Stimme antwortete: ,,Lorraine Allison.
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“ Während wir darauf so ein wenig mit Lorraine sprachen, kam die Mutter von ihr angelaufen und sagte: ,,Hier steckst du also, du kleine Ausreiserin. Und Gesellschaft hast du auch noch.“ ,,Ach“ entgegnete Jeanette vergnügt: ,,Das war uns ein Vergnügen.“ Die Mutter sagte freudelächelnd: ,,Das ist nicht zu übersehen . Ich danke Ihnen für Ihre Bemühung. Komm Kleines, Dein Papa wartet schon auf uns.“ Sie nahm Lorraine auf den Arm und verabschiedete sich von uns, worauf anschließend mit Lorraine, die uns noch lange hinterher winkte, in der Backbordpromenade verschwand. Jeanette sah ihr noch eine Weile nach, während ich noch mal über diese wunderbare Art von ihr gegenüber Lorraine nachdachte. Ich glaubte, dass Jeanette ein wundervolle Mutter sein wird, wenn sie eines Tages ihre eigenen Kinder haben sollte. Jeanette fragte mich nach kurzer Zeit: ,,Süß die Kleine, oder?“ darauf ich: ,,Oh ja. Vor allem mit dir.“ Sie sah mich neugierig an und fragte: ,,Mit mir?“ ich antwortete: ,,Ja. Du warst so fürsorglich zu ihr, dass sie sich richtig zu dir hingezogen fühlte, als wärst du ihre große Schwester.“ Jeanettes sah erfreut nach unten und sagte: ,,Ach was. Als sie auf deinem Schoß saß, hatte sie doch auch viel gelacht.“ Darauf ich: ,,Das schon, aber bei dir war es was anderes. Du hast eine wundervolle Art gegenüber Kindern. Das ist....das ist wirklich ganz toll.“ Sie war geschmeichelt und schwieg ein wenig, bis sie dann meinte: ,,Aber du hast auch so eine liebevolle Art und das ist, was ich an dir so liebe.“ Wir sahen uns eine Weile an, bis wir plötzlich wieder das Gekreische der Albatrossen hörten, welches diesmal von oben kam. Wir sahen, dass die Vögel im hohen Bogen die Mastspitze umkreisten, was irgendwie den Eindruck machte, sie würden dort oben irgend etwas bewachen. Aber dann nach kurzer Zeit entfernten sie sich von der Mastspitze und flogen beide solange auf den Horizont zu, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Ich schaute danach auf meine Taschenuhr und im selben Moment stellten Jeanette und ich die selbe Frage, ob wir wieder einen Tee trinken wollten. Dass wir immer die selben Gedanken hatten, fand ich schon sehr eigenartig, aber auch amüsant. Ich stand auf und reichte Jeanette meine Hand, worauf sie sie nahm und wir gemeinsam zum Gesellschaftsraum gingen.
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Als wir uns an einem der Tisch setzten, bestellten wir wieder das übliche, ein Kähnchen Tee und ein wenig Gepäck.



Während ich den Zucker in meinem Tee rührte, warf ich gelegentlich mal ein paar unauffällige Blicke zu Jeanette und überlegte mir, ob ich sie nun auf die letzte Nacht ansprechen sollte, als sie sich vor mich auszog. Allerdings glaubte ich weniger, dass dies nun die passende Gelegenheit dafür sein würde, da sich um uns herum noch andere Leute befanden. Doch je länger ich Jeanette ansah und ihren Körper betrachtete, fiel es mir regelrecht schwer, darüber zu schweigen. Jeanette merkte, wie tief ich in Gedanken versunken war und fragte mich: ,,Woran denkst du gerade?“ Ich musste mir jetzt ganz schnell was anderes einfallen lassen, denn woran ich wirklich dachte, konnte ich ihr ja nun nicht einfach so sagen. Mir fiel dann wieder das Thema ein, worüber ich mir schon die ganze Fahrt über den Kopf zerbrach: ,,Ich muss dauernd daran denken, dass die Reise in zwei Tagen vorbei ist und wir uns voneinander verabschieden müssen.“ Jeanette sah bedrückt nach unten und meinte: ,,Ja, ich muss auch immer daran denken.“ Schweigend sahen wir beide auf den Tisch, bis Jeanette erwähnte: ,,Aber was soll uns daran schon großartig hindern? Wir können uns doch immer wieder besuchen und gegenseitig Briefe schreiben.“ Darüber dachte ich nach und meinte: ,,Das schon, aber ich hätte dich trotzdem viel lieber jeden Tag in meiner Nähe. Du bedeutest mir so viel, Jeanette.“ Jeanette sah mich fast zu Tränen gerührt an und sagte, wobei sie meine Hand hielt: ,,Ach Tim. Ich wünschte auch, wir würden in der selben Gegend wohnen und uns jeden Tag sehen, aber wir müssen es eben so hinnehmen, wie es ist.“ Darauf ich: ,,Wenn das nur so einfach wäre, wie es klingt.“ Wir schwiegen eine Weile, bis Jeanette sagte: ,,Lass uns gegenseitig doch schon mal unsere Adressen aufschreiben.“ Wir ließen uns vom Steward Zettel und Stift geben, worauf wir uns dann gegenseitig die Adressen gaben: ,,12th. Oliviastreet/ North Philadelphia”, lautete ihre und nachdem ich den Zettel gleich in meine Brieftasche einsteckte und ein wenig über die Reise nachdachte, sagte ich: ,,Hast du dir mal Gedanken darüber gemacht, wie sich alles hier ergänzt? Wir lernen uns auf dem größten Schiff der Welt kennen, wir verlieben uns auf den ersten Blick und unsere Väter waren mal Arbeitskollegen.
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Kann das wirklich nur Zufall sein?“ Jeanette machte ein verträumtes Gesicht und sagte: ,,Ich weiß es nicht, aber ich froh, dass es so gekommen ist.“ Ich nahm ihre Hände und streichelte sie sanft, wobei ich sagte: ,,Das bin ich auch.“ Ich gab ihr einen Handkuss, worauf sie lächelnd nach unten schaute, tief einatmete und nach einer Weile mir dann wieder ins Gesicht sah: ,,Ich hätte dich auch nicht aufgegeben, wenn mein Vater es gewollt hätte. Nicht dich, denn du bist so ein wunderbarer Mensch und du hast....du bist...“ Sie brachte den Satz nicht fertig und senkte das Gesicht wieder nach unten, wobei ich eine Träne an ihrer Wange runterlaufen sah. Ich nahm an, dass sie nun wegen des baldigen Abschieds weinte und wischte ihr die Träne weg, worauf ich zu ihr sagte: ,,Hey. Du brauchst doch nicht zu weinen, so weit wohnen wir voneinander gar nicht entfernt.“ Sie schaute mich mit ihren leicht tränengefüllten Augen an und zeigte zu ihrer Erleichterung ein kleines Lächeln, worauf ich noch spaßtonend ergänzte: ,,Und wenn es nötig ist, werde ich zu dir nach Philadelphia laufen. Ich meine 80 Meilen sind doch nun wirklich nicht zu viel, oder?“ Das erheiterte sie auf und veranlasste sie ein klein wenig zum Lachen.

Draußen dämmerte bereits der Abend, aber die Sonne war noch nicht weg und ich fragte Jeanette, um ihre Freude auf dem Laufenden zu halten: ,,Hast du schon mal einen Sonnenuntergang auf See gesehen?“ Sie antwortete, wobei sie sich die Augen wischte: ,,Nein, noch nie!“ darauf ich: ,,Na dann komm mit. Jetzt hast du nämlich die Gelegenheit dazu.“ Ich nahm ihre Hand und lief mit ihr aufs Promenadendeck, von dem man aus nach vorne auf den Horizont schauen konnte. Die Lufttemperatur war in den letzten Stunden extrem auf 5-6°C gesunken, aber das hielt mich nun nicht davon ab, Jeanette den Sonnenuntergang zu zeigen. Die Sonne fing gerade an sich langsam hinter dem Horizont zu senken, wodurch sich der Himmel um sie herum und das vor ihr liegende Wasser rötlich verfärbten, was sich von Minute zu Minute immer dann immer mehr verdunkelte. An diesem Abend fuhr die Titanic einem richtig tollem Naturschauspiel entgegen und Jeanette schien es sehr beeindruckt zu haben, obwohl ich einen Sonnenuntergang wie diesen auch noch nie gesehen habe. Weil es so atemberaubend war, wollte sie noch solange dableiben, bis der komplette Himmel dunkel war.
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In dieser Zeit wurde es sogar noch kälter und ich schätzte, dass es wohl jetzt nur noch ein paar Grad über null waren, aber nichts desto trotz war ich froh, Jeanette wieder eine Freude gemacht zu haben,

Ich schaute auf meine Taschenuhr, 17:30uhr. Für uns war es an der Zeit, uns für den besonderen Abend fertig zu machen und gingen in unsere Kabinen, um uns umzuziehen. Für den Kapitänstisch zog ich erstmals meinen neuen Anzug an, den Onkel Frank mir am Tag der Abreise schenkte und für diesen Abend wirklich wie gemacht zu sein schien. Als ich mich damit im Spiegel ansah, glaubte ich, ein vollkommen anderer Mensch zu sein und war schon gespannt darauf, wie wunderschön sich Jeanette für diesen Abend machen würde. Aus einer Vase auf dem Tisch nahm ich für Jeanette eine Rose mit und klopfte um punkt 18 Uhr bei ihr an die Tür, worauf sie sie öffnete und ich ihr die Rose entgegenhielt: ,,Für das schönste Mädchen auf dem schönsten Schiff der Welt.“ sagte ich, worauf sie die Rose erfreut entgegennahm und Jeanettes Mutter aus dem Badezimmer rief: ,,Schatz, wir müssen noch deine Haare binden.“, und Jeanette entgegenrief: ,,Ja ich komme.“, dann ergänzte zu mir: ,,Meine Haare müssen noch gemacht werden, komm so lange rein.“ Jeanette ging wieder ins Badezimmer und es dauerte keine fünf bis sie diesmal mit vollkommen anders zusammengebunden und teils geflochten Haaren wieder aus dem Bad kam. Glänzende Ketten mit Perlen hielten ihr Haar zusammengebunden, in den zusätzlich noch eine weiße feinfasernde Feder steckte. An den Händen trug sie weiße Handschuhe und in ihrem hellen Abendkleid, was mir erst gar nicht auffiel, als Jeanette mir die Tür öffnete, erstrahlte sie wie helles Licht. ,,Einfach umwerfend.“, sagte ich kopfschüttelnd vor Begeisterung, worauf Jeanette geschmeichelt nach unten schaute und die Rose, die ich ihr schenkte, in ihrer Hand bemerkte. Sie steckte sie mir in die Brusttasche und meinte: ,,Da ist sie besser aufgehoben.“ Ich ging auf ihre Meinung nicht ein, da ich immer noch so überwältigt von Jeanettes Schönheit war und sie einfach nur anschaute. Sie trat einen Schritt zurück und inspizierte mich von oben bis unten, worauf sie meinte: ,,Du hast ja einen völlig neuen Anzug an.
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“ Es dauerte einen Moment, bis ich wieder klar denken konnte und entgegnete leicht stotternd: ,,Ähm...ja...äh ja! Den hat mir mein Onkel vor der Abreise geschenkt.“ Mrs. Franklin mischte sich ein und sagte: ,,Ihr beide seht wirklich wunderbar aus.“ ,,Ich finde, das tun sie auch so.“, sagte eine Stimme hinter uns, worauf wir uns umdrehten und feststellten, dass Mr. Franklin soeben in die Kabine gekommen war. Er begrüßte seine Frau mit einem Kuss, worauf er sich Jeanette zuwandte und ihr liebevoll sagte: ,,Du siehst ganz bezaubernd aus, Kleines.“ Er gab ihr zusätzlich noch einen Handkuss, was Jeanette noch mehr schmeichelte und sie im Gesicht ein wenig rot anlief. Anschließend begrüßte er mich, worauf er dann zu uns allen meinte: ,,Ich glaube, wir können uns heute auf einen wundervollen Abend erfreuen.“ Er reichte Mrs. Franklin seinen Arm und fragte: ,,Wollen wir gehen?“ ,,Mit dem größten Vergnügen.“, antwortete Mrs. Franklin und ich hielt Jeanette meinen Arm hin, worauf sie sich einhackte und wir uns alle gemeinsam auf den Weg runter in die Empfangshalle vor dem Speisesaal machten. Dort hatten sich Kapitän Smith und White Star Line Präsident Bruce Ismay mit den anderen eingeladenen Gäste bereits versammelt und begrüßten uns auf sehr vornehme Weise, als wir erschienen waren. Anschließend stellte Smith uns jeden einzelnen seiner eingeladenen Gäste vor: Der erste war der berühmte Major Archibald Butt, der Militärberater des damaligen US-Präsidenten Taft und ein enger Freund von dem späteren US-Präsidenten Theodore Roosevelt. Direkt neben ihm stand Benjamin Guggenheim, den man das ,,schwarze Schaaf“ einer amerikanischen Bergwerks und Hüttendynastie nannte. Zu seinem Vergnügen hatte er sogar eine Mätresse an Bord gehabt, was für einige der Anwesenden eine Empörung war, da er noch Familie in London hatte. Hinter ihm trat ein älteres Ehepaar namens Isidor und Ida Strauß hervor, von dem Mr. Strauß Besitzer und Gründer des größten ,,Macy’s“ Kaufhaus der Welt war. An ihrer rechten Seite begrüßten wir eine recht kräftig gebaute Dame namens Margarete Tobin Brown, dessen Ehemann, der nicht mit an Bord reiste, Besitzer vieler Goldminen in Denver/Colorado war. Was ihr Name anging, wurde sie von allen einfach nur ,,Molly“ genannt. Mit einer aufrechten Haltung stand uns dann Col.
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Archibald Gracie gegenüber, der ein erfolgreiches Buch über einen Zivilkrieg mit dem Titel: ,,Die Wahrheit über Chickamauga.“ schrieb, wovon ich allerdings noch nie etwas zu hören bekam. Dann trat eine junge und sehr hübsche Dame hervor, die fast genauso hell gekleidet war, wie Jeanette. Ihr Name war Lucy Noelle Martha Dyer Edwards, die Gräfin von Rothes aus Britannien, und als sie sich vorstellte, machte Jeanette vornehm einen leichten Knicks und ich eine leichte Verbeugung, wie es sich bei Lordschaften gehört, worauf die Gräfin zu uns freudelächelnd meinte: ,,Sehr aufmerksam.“

Natürlich durften auch die Wohlhabendsten an Bord, die Astors, am Tisch nicht fehlen. John Jacob Astor war ein sehr erfolgreicher Immobillyenmarkleer und Besitzer vieler großer Grundstücke und Palasthotels. Einige Monate vorher hatte er auch für einen Skandal gesorgt, als seine Frau sich von ihm scheiden ließ und er kurze Zeit später die gerade mal 18jährige Madeleine aus New York heirate. Davon schien sich an diesem Abend allerdings keiner der Gäste Notiz zu machen und begaben sich gut gelaunt und hocherfreut mit uns in den Speisesaal an den großen, ovalförmigen Kapitänstisch, auf dem zwei Lampen standen und die wundervolle blumenbestückte Dekoration mit verschiedengroßen Gläsern, Tellern und Besteckteilen anstrahlten. Als wir uns alle setzten, hieß Kapitän Smith uns alle an seinem Tisch willkommen und wünschte uns nach einer kurzen, aber trotzdem wundervollen Rede einen unterhaltsamen Abend. Die Stewards brachten uns die Speisekarten und schenkten darauf allen Champagner in die Gläser, die wir dann erhoben und auf die Jungfernfahrt der Titanic anstießen. Kurz darauf tauchte Thomas Andrews plötzlich unerwartet auf und sagte: ,,Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung. Es gab ein paar Probleme mit den Kesseln.“ Jeder nahm es mit einem Nicken zur Kenntnis und begrüßten ihn, worauf er sich an Kapitän Smith wandte und ihn über das Problem mit den Kesseln flüsternd informierte. Ismay fragte, so dass es jeder am Tisch hörte: ,,Haben Sie das Problem denn wieder gelöst, Thomas?“, worauf Mr. Andrews freundlich zu ihm blickte und antwortete: ,,Jawohl, Mr. Ismay. Ihr Schiff läuft jetzt auf Hochtouren.“ ,,Großartig.“, entgegnete Ismay hocherfreut, worauf sich Andrews zu meiner Überraschung auf den leeren Platz direkt neben mich setzte und als er mich erblickte, fragte er: ,,Ach, Sie sind auch hier?“ Ich grinste ihn an und entgegnete: ,,Wie Sie sehen können, Mr.
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Andrews.“ Er lachte kurz und meinte: ,,Das ist aber eine Überraschung.“, worauf er mir dann die Hand schüttelte und Ismay anschließend über den jetzigen Zustand der Kessel informierte. Die ersten Minuten am Tisch verbrachte ich damit, mir jede hochrangige Person genauer anzusehen und festzustellen, dass es überhaupt ein Wunder war, mit ihnen an einem Tisch zu sitzen und Champagner zu trinken. Selbst Jeanette schien mit ihrer Klugheit, ihrem Temperament und ihrer so liebevollen Art dieser hochfeinen Gesellschaft beinahe schon anzugehören und wenn ich daran dachte, dass ich mit einem recht bedürftigen Abschluss aus einem Internat von Portsmouth stamme,kam ich mir unter diesen Leuten ziemlich unbedeutend und minderwertig vor.

Doch das änderte sich schlagartig, nachdem sich jeder sein Essen bestellt hatte und darauf alle gegenseitig in tiefe Gespräche verwickelt waren. Ich nahm mir die Gelegenheit, Andrews die Frage über die Olympic und die Titanic zu stellen, die nur er beantworten konnte: ,,Sieht es auf der Olympic denn eigentlich genau so aus, wie auf der Titanic, Mr. Andrews?“ und Andrews antwortete, wobei er sich eine Baguettebrotscheibe mit Kaviar bestrich: ,,So gut wie alle Räume, aber da die Titanic noch mehr Luxuskabinen hat, gilt sie als das Luxuriösere von beiden Schwesterschiffen.“ Beide Schiffe waren von der Inneneinrichtung her also gleich, aber dennoch galt die Titanic als das luxuriösere Schiff und um Andrews zu zeigen, wie stolz ich war, an Bord zu sein, sagte ich: ,,Ich kann nur wiederholen, Mr. Andrews. Ihr Schiff ist zweifellos ein wahres Wunderwerk.“ ,,Ich danke Ihnen, junger Mann.“. entgegnete er hocherfreut und ich ergänzte, wobei ich flüchtig den Speisesaal inspizierte: ,,Alles scheint wie aus einem Guss zu sein, als hätte es sie schon immer gegeben.“ Andrews blickte nun auch über Saal hinweg und sagte: ,,Es hätte sie schon viel eher gegeben, wenn es auf der Werft nicht so viele Probleme gegeben hätte.“ ,,Es gab beim Bau Probleme?“, fragte ich neugierig und er antwortete: ,,Reichlich! Das Schlimmste waren immer diese Aufstände unter den Werftarbeitern zwischen den Protestanten und den Katholiken.
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“ ,,Ach ja!“, gab ich darüber ein wenig bedrückt zum Ausdruck, denn schließlich wurde die Titanic ja in Nordirland gebaut, wo schon seit Jahren Kämpfe für die Freilassung und der Unabhängigkeit von Irland herrschten. Doch bis jetzt hatten diese Kämpfe eher Hass im Land verbreitet und zahlreiche Menschenleben gefordert. Wann würden diese sinnlosen Gewalten nur endlich beendet und eine Lösung für die Zukunft Irlands gefunden werden? Ich war nun kein politisch engagierter Mensch, das waren mehr die anderen Herren, die an diesem Abend hier am Tisch saßen, doch sie sprachen mehr über die damaligen Aufmärsche und Konflikte zwischen Serbien und Österreich. Andrews erwähnte: ,,Diese Aufstände bereiteten auf der Werft nicht nur Probleme, sie führten auch dazu bei, dass mein Onkel Pirrie flüchten musste.“ ,,Wieso denn das?“, fragte ich leicht erschrocken und Andrews antwortete: ,,Nun ja, mit seinem politischem Ehrgeiz wollte er für die Freilassung und die Zukunft von Irland kämpfen. Doch die meisten Werftarbeiter waren dagegen und hatten....na ja....sie hätten ihn am liebsten dafür umgebracht. Es blieb ihm daher nichts anderes übrig, als nach London zu flüchten.“ ,,Ach du meine Güte.“, gab ich entsetzt zum Ausdruck. Der stolze Generaldirektor der Harland & Wolff Werft wurde von seinen eigenen Arbeitern verhöhnt und vertrieben, nur weil er für den endgültigen Frieden in Irland sorgen wollte. ,,Wie geht es Ihrem Onkel jetzt?“ fragte ich Andrews, worauf er besorgt antwortete: ,,Gesundheitlich gar nicht gut, er ist völlig am Boden zerstört.“ ,,Oh“, entgegnete ich: ,,das tut mir Leid.“ Er schüttelte den Kopf und meinte: ,,Ich bin mir sicher, dass er bald wieder wohl auf sein wird.“ Das ließ die Trübheit wieder ein wenig senken und ich fragte ihn: ,,Kehrt Ihr Onkel dann wieder zur Werft zurück?“ er antwortete: ,,Nein, dafür hat er mich an seine Stelle treten lassen.“ ,,Sie?“ fragte ich erstaunt: ,,Sie werden die Werft weiterleiten?“ Er nickte lächelnd und ich ergänzte: ,,Na, dann können Sie Ihre Pläne mit der Titanic ja problemlos verwirklichen.“ Darauf er bescheiden: ,,Nicht so voreilig. Erst mal muss die Gigantic fertig werden, das wird noch einige Jahre dauern. Bis dahin gebe ich mich mit der Titanic noch so zufrieden, wie sie jetzt ist.
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Die Stewards rollten auf Wägen das Essen heran und legten es jedem auf den Tisch, worauf sich der Kapitän erneut erhob und uns allen einen guten Appetit wünschte. Schließlich begannen darauf alle zu speisen und ließen sich vom dem Genuss des Essens verführen.

Nachdem Essen, als sich dabei viele noch einen Cappuchino bestellten, gingen die tiefen Gespräche wieder weiter und Andrews stellte mir die altbekannte Frage: ,,Was werden Sie machen, wenn Sie in New York sind?“ Als ich ihm die Antwort darauf gab, sah er mich erstaunt an und meinte: ,,Dann werden Sie ja von Erfolgen nur so gekrönt sein.“, worauf ich bescheiden sagte: ,,Na ja, bis dahin ist noch allerhand zu lernen.“ ,,Ach, das werden Sie schon hinbekommen.“, meinte Andrews überzeugt: ,,Ich sehe in Ihnen den kommenden Mann.“ ,,Vielen Dank, Mr. Andrews.“, sagte ich überrascht und zum Teil recht geschmeichelt, worauf Andrews sich an Jeanette neben mich wandte und sie fragte: ,,Und Sie, Miss Franklin? Was haben Sie sich für Ihre Zukunft vorgenommen?“ Jeanette wandte sich von dem Gespräch ihrer Mutter ab und drehte ihr Gesicht zu Andrews hin, worauf sie antwortete: ,,Ich habe beschlossen, meinen Wunsch als Modeschöpferin zu erfüllen.“ ,,Oh“, gab Andrews überrascht zum Ausdruck und erwähnte: ,,Da werden Sie ja bestens mit bedient sein.“ Mrs. Franklin mischte sich ein und sagte, wobei sie ein wenig Jeanettes Schulter strich: ,,Mit meiner Hilfe wird sie das schaffen.“ und anschließend ihre Wange liebevoll an Jeanettes Stirn drückte. ,,Davon bin ich überzeugt.“, meinte Andrews und ergänzte spaßtonend: ,,Dann entwerfen Sie doch bitte ein schönes Abendkleid für meine Tochter, damit sie eines Tages auch so bezaubernd aussieht, wie Sie es jetzt tun.“ Jeanette fasste es geschmeichelt auf und sagte leicht errötet: ,,Jawohl, Mr. Andrews. Werde ich machen.“

Bis hier hin schien es wirklich ein wundervoller Abend gewesen zu sein, doch etwas unangenehm gegenüber mir wurde es, als Oberst Archibald Gracie sich an mich wandte und fragte, ob ich meine Zukunft nicht eher beim Militär aufbauen wollte, da dort immer junge Leute gebraucht wurden, und ich entgegnete: ,,Nein danke, Sir. Ich bevorzuge es lieber, bei meinem Vater in Lakehurst zu bleiben.“ ,,Ach, Lakehurst!“, mischte sich Major Butt mit verdrehten Augen ein und sagte: ,,Ich bitte Sie, junger Mann.
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Beim Militär kommen Sie um die ganze Welt und haben mit Sicherheit eine bessere Zukunft, als bei Ihrem Vater.“ Das klang meinem Vater gegenüber recht beleidigend und ich fragte: ,,Woher wollen Sie das denn wissen? Sie haben mit Flugzeugen doch gar nichts zu tun!“ darauf Butt: ,,Na selbstverständlich haben wir das, schließlich brauchen wir so etwas ja auch in unserer Organisation.“ Grazie ergänzte: ,,Und Leute wie Sie sind uns immer willkommen, gerade bei solch einem Projekt, wofür das Militär viel....“ ,,Nun hören Sie doch auf, den Jungen mit Ihrem Militärgefasel voll zu quatschen. Sie sehen doch, dass er kein Interesse daran hat.“ Alle sahen wie gebannt zu Molly Brown hin, die soeben das Wort ergriffen hatte, wobei Oberst Gracie und Major Butt ihr einen recht empörten Blick zu warfen und bevor sie sich dazu äußern konnten, verschlug ihnen Molly gleich wieder das Wort und erwähnte: ,,Der junge Mann ist bestimmt nicht hier, um sich mit Ihnen über seine Zukunft zu unterhalten. Also suchen Sie sich Leute aus, die gewillt und daran interessiert sind, Ihrem Militäreinfluss beizutreten.“ Die beiden Herren sahen sich entsetzt über Mollys Ausdruck an und tranken den Rest ihres Champagners mit einem Zug leer. Gräfin Rothes hielt sich grinsend die Hand vor dem Mund und begann leise darüber zu lachen. Auch Mr. Andrews gab ein leises Kichern von sich und Kapitän Smith nahm grinsend ihn die Luft schauend einen Schluck von seinem Espresso. Ich sah darauf erstaunt und grinsend zu Molly Brown hin, die mir unauffällig mit dem Auge zuzwinkerte und mich anschließend anlächelte. Sie schien eine Person zu sein, die trotz ihres vielen Geldes nicht so hochnäsig und arrogant war. Im Gegenteil, durch ihre zum Teil recht vulgäre Art war sie eine sehr schlagkräftige und sehr sympathische Frau. Vor einigen Jahren hatte sie in Denver noch als Kellnerin in einem mickrigen Schubben gearbeitet, bis sie einen Goldgräber geheiratet hat und mit ihm jetzt nur noch so vom Reichtum beglückt ist. Unter den reichen Gesellschaften bezeichnete man sie deshalb auch gerne als ,,neureich“ und das bekamen Butt und Gracie an diesem Abend ja deutlich zu spüren. Kapitän Smith wandte sich an mich und sagte mir, sodass es kein anderer zu hören bekam: ,,Nehmen Sie es sich nicht so zu Herzen, was die beiden Herren gerade sagten, junger Mann.
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Ich finde Ihren Weg weitaus besser, denn Sie gestalten sich dadurch Ihre eigene Zukunft.“ ,,Vielen Dank, Kapitän Smith.“, entgegnete ich erfreut und war gleichzeitig auch begeistert, nun ein paar Worte mit dem Kapitän persönlich zu wechseln und fragte ihn, weil dies nun die einmalige Gelegenheit war: ,,Kapitän Smith, darf ich Sie mal was über Ihre Fahrt auf der Olympic fragen?“ Er nahm einen weiteren Schluck von seinem Espresso, worauf er neugierig antwortete: ,,Aber selbstverständlich, nur zu!“ ,,Wie kam es letztes Jahr eigentlich zu dem Zusammenstoß mit der Hawke? Wie konnte das passieren?“ Er schien gewusst zu haben, dass ich ihn darauf ansprechen würde und er antwortete ganz gelassen: ,,Nun ja, wir passierten gerade den Southamptonkanal, als uns die Hawke entgegen kam und in den Sog der Olympic geriet. Sie verlor sofort die Kontrolle und stieß in das Heck der Olympic, wodurch ihre Wand aufgeschlitzt und die rechte Schraubenwelle beschädigt wurde. Gott sei Dank befand sich zu dem Zeitpunkt keiner der Passagiere in den hinteren Kabinen, sonst wären sie wohlmöglich schwer verletzt worden.“ Andrews ergänzte: ,,Und durch die von uns entwickelten Schotten wurde die Olympic vor dem Sinken bewahrt.“, darauf ich: ,,Dieselben Schotten, die die Titanic auch hat und sie ,,unsinkbar“ machen?“ ,,Na ja“, gab Andrews zu: ,,Keiner von uns auf der Werft oder der Reederei hat je behauptetet, dass die Titanic das wäre. Dies war ein Slogan, den die Presse an einer Konferrenz aufgeschnappt und an die Leute veröffentlicht hatte.“ Smith setzte sich ein und meinte: ,,Aber dennoch kann ich mir keine Katastrophe vorstellen, die diesem Schiff passieren könnte.“ Andrews lächelte und sagte: ,,Uns ist kein Schiff bekannt, das sicherer wäre. Durch die hohe Sicherheit an Bord könnte man allerdings schon annehmen, dass die Titanic tatsächlich unsinkbar ist.“ Jeanette beteiligte sich plötzlich an das Gespräch und fragte: ,,Entschuldigen Sie, Mr. Andrews. Ich möchte nicht aufdringlich sein, aber wäre es nicht doch besser, wenn Sie mehr Rettungsboote auf diesem Schiff platzieren?“ Mr. Andrews, Kapitän Smith und ich waren recht verwundert über diese Frage und ich konnte mich nicht daran erinnern, Jeanette irgendetwas über die wenige Anzahl der Rettungsboote an Bord erzählt zu haben.
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Anscheinend hatte sie das selber herausgefunden und ergänzte zu ihrer Frage: ,,Ich finde, trotz hoher Sicherheit sollten Sie kein Risiko eingehen, Sir. Ich meine, bei so vielen Menschen an Bord weiß man ja nie!“ Das hatte Alexander Carlise, der Erbauer der Olympic und der zweite Onkel von Andrews sicher auch gesagt, bevor er sich von der Werft zurückzog. Andrews rieb sich das Kinn und schaute nachdenklich auf den Tisch, während Kapitän Smith ihm einen erwartungsvollen Blick zuwarf und anschließend meinte: ,,Ich glaube, die junge Dame hat nicht ganz Unrecht, Mr. Andrews. Vielleicht sollten Sie das ein wenig berücksichtigen.“ ,,Nun ja“, kam Andrews entgegen: ,,Die Davits sind so konstruiert, dass sie noch zwei weitere Reihen von Rettungsbooten aufnehmen können.“, worauf er dann einen Moment schwieg und Jeanette anschließend fragte: ,,Aber meinen Sie nicht, dass das Deck dann zu vollgestellt wäre, Miss Franklin?“ Mit dieser Frage schien Jeanette nun nicht gerechnet zu haben und dachte mit einer ungewissen Miene nach, bis sie schlicht und einfach antwortete: ,,Ich glaube, das ist für den Passagier nicht von großer Bedeutung, Sir. Er wird sicherlich mehr darüber erfreut sein, auf Ihrem Schiff reisen zu dürfen.“ Andrews und Smith sahen sich begeistert über Jeanettes Argument an, wobei Smith grinsend zu ihm meinte: ,,Sie könnten wohl noch eine Menge von ihr lernen, Thomas.“ Leicht lachend wandte sich Andrews wieder zu Jeanette und fragte spaßtonend: ,,Hätten Sie nicht Interesse, auf die Werft zu kommen und mir bei meinen Verbesserungsplänen zu helfen, Miss Franklin?“ Jeanette fasste es geschmeichelt auf und antwortete lächelnd: ,,Vielen Dank, Mr. Andrews, aber ich bleibe lieber bei der Mode.“ ,,Daran werden Sie auch sicher viel mehr Freude haben, meine Liebe.“, meinte Kapitän Smith und erhob darauf seinen Espresso, um ihr seine Hochachtung auszudrücken. Ich sah Jeanette hocherstaunt an und fragte Andrews: ,,Werden Sie nun mehr Boote für die Titanic bauen lassen?“ Er nickte entschieden und sagte: ,,Ich werde es nachher auf jeden Fall in meine Pläne notieren.“

Nun erwies sich Jeanette auch noch als Mitstreiterin zur Gestaltung der Titanic, dachte ich mir, mal sehen, was für Überraschung noch in ihr verborgen lagen. Ich schwieg einen Moment lang und hörte ein wenig der kapelle zu, die schon während des ganzen Abends für Unterhaltungsmusik sorgte, bis mir wie ein Blitz die Frage durch den Kopf schoss, die mir schon stellte, seit ich an Bord war, nämlich nach dieser seltsamen Melodie, die die Kapelle im Empfangssaal spielte, wenn neue Passagiere zustiegen.
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Ich sprach Ismay einfach mal darauf an und er runzelte zuerst die Stirn, bis ihm aber dann ein Licht aufging und der antwortete: ,,Das ist die Hymne unserer Reederei, die als Willkommensgruß für Passagiere gespielt wird, wenn sie an Bord kommen. Eine Tradition bei der White Star Line, die es schon zur Zeiten gab, als mein Vater die Reederei noch leitete.“ Damit schien auch diese Frage nun endgültig beantwortet zu sein.

Ein Steward erschien unerwartet mit einem Tablett in der Hand und hielt es Kapitän Smith hin, wobei er meinte: ,,Nachrichten für Sie, Sir.“ ,,Danke.“, sagte Smith und nahm drei Zettel von dem Tablett, worauf der Steward wieder verschwand und Smith die Nachrichten stöhnend durchlas. ,,Gibt es Probleme, E.J.?“, fragte Ismay, was allen anderen am Tisch auch interessierte und Smith antwortete: ,,Drei Eiswarnungen, aber die sind nicht von großer Bedeutung, da sie von weitentfernten Schiffen kommen.“ Beruhigt lehnten sich die Damen wieder zurück und Benjamin Guggenheim meinte leicht amüsiert: ,,Wie überaus empfindlich doch manche auf und für Ihr Schiff reagieren, nicht wahr Mr. Ismay?“ Darauf Astor: ,,Na selbstverständlich, scjließlich wollen wir doch alle heil und wohl auf in new York ankommen, oder?!“ Für den einen oder anderen am Tisch war es ein kleiner, aber nicht allzu bedeutender Anlass zum Lachen, doch Smith schien ein wenig anderer Ansicht zu sein und sagte: ,,Sie müssen mich entschuldigen, meine Damen und Herren. Ich muss mich auf die Brücke begeben und die Lage mit meinen Offizieren besprechen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und eine weiterhin gute Reise.“ Ein wenig enttäuscht darüber verabschiedeten sich alle freundlichst von Kapitän Smith, der darauf den Speisesaal verließ und auf die Brücke ging. Die Gäste blieben dennoch am Tisch sitzen und vertieften sich wieder in ihre endlosen Gespräche. Jeanette schaute etwas besorgt auf den Tisch und fragte mich leise: ,,Drei Eiswarnungen? Und trotzdem fahren wir so schnell?“ Ich strich ihr zur Beruhigung über die Hand und sagte: ,,Mach dir keine Sorgen.
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Der Kapitän weiß, was er tut. Er ist bestimmt zur Brücke geeilt, um nun den Kurs zu ändern und eine südlichere Route zu befahren.“ Sie lächelte matt und meinte: ,,So wird es wohl sein.“, worauf ich ihren Arm strich und meine Stirn sanft gegen ihre stieß und sie fragte: ,,Alles in Ordnung mit dir?“ Sie antworte mit einem Nicken und hielt darauf meine Hand unter dem Tisch fest. Während unsere Stirnen immer noch aneinandergelehnt waren, bemerkte ich, wie Mrs. Strauss uns gerührt ansah und den Blick von uns gar nicht mehr abwandte. Anscheinend erinnerte sie sich bei Jeanettes Anblick gerade daran, als sie noch so jung war wie sie und solche Momente mit ihrem Gatten teilte. Mr. Strauss verfolgte den Blick seiner Frau und als er feststellte, dass sie uns ansah, legte er seinen Arm um sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange, worauf er zu ihr sagte: ,,Genau, wie wir damals. Nicht wahr?“

Kurze Zeit später, als die Kapelle an der Tanzfläche, die gar nicht so weit von uns weglag, ihr letztes Stück für diesen Abend fertig spielte, sah Ismay auf seine Taschenuhr und fragte: ,,Also, Gentlemen. Würden Sie mir bei einem Brandy im Rauchsalon Gesellschaft leisten?“ ,,Aber mit dem größten Vergnügen.“, sagten Butt und Gracie gleichzeitig, worauf sich dann alle Gäste gemeinsam von ihren Stühlen erhoben und Richtung Ausgang gingen. Dort verabschiedeten sich alle voneinander und bedankten sich gegenseitig für den wunderbaren Abend, wobei Andrews mich anschließend noch fragte: ,,Sagen Sie mal, Mr. Wenck. Wäre es eventuell möglich, Ihre Flugzeuge in Lakehurst mal näher anzusehen? Das würde mich nämlich sehr interessieren.“ ,,Nun ja,“ meinte ich: ,,da müssen Sie sich an meinen Vater wenden. Warten Sie, ich gebe Ihnen die Adresse, dann können Sie...“ ,,Immer mit der Ruhe, junger Mann.“, unterbrach Andrews mein Vorhaben und meinte: ,,Das können wir auch am nächsten Tag besprechen. Treffen wir uns doch morgen zum Frühstück im Veranda Cafe, da können Sie mir dann alles Weitere erzählen.“ ,,Sehr gerne, Mr. Andrews. Es wird mir eine Ehre sein.“ ,,Großartig.“, sagte Andrews erfreut, worauf Ismay sich plötzlich ein mischte und mich fragte: ,,Leisten Sie uns Gesellschaft, Mr. Wenck? Ich würde auch sehr gerne mehr über Ihre Projekte erfahren, vielleicht könnte die White Star Line ja eines Tages mal davon Gebrauch machen.
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“ Ich sah rüber zu Jeanette, die gerade mit den Damen sprach und antwortete: ,,Vielen Dank, Mr. Ismay, aber ich würde mich doch gern in meine Kabine begeben. Es war heute ein sehr aufregender Tag für mich gewesen.“ ,,Ganz, wie Sie wünschen.“, gab Ismay nach und Andrews fragte: ,,Dann sehen wir uns morgen beim Frühstück, ja?“ ,,Selbstverständlich, Mr. Andrews.“, gab ich zurück, worauf Andrews mir hocherfreut die Hand schüttelte und mir eine gute Nacht wünschte, was ich dann auch tat und er sich darauf mit den anderen Herren, darunter auch Mr. Franklin, die Treppe hoch begab.

,,Wollen Sie wirklich nicht noch mit uns in den Gesellschaftsraum kommen, Miss Franklin? Ich würde sehr gerne noch mehr über Sie erfahren.“, fragte Mrs. Strauss Jeanette, als ich mich den Damen nährte und Gräfin Rothes ergänzte: ,,Ja, Sie könnten mir auch noch mehr über Ihre interessanten Modeideen erzählen.“ ,,Sehr gerne,“ entgegnete Jeanette geschmeichelt: ,,aber ich bin doch sehr müde. Sie müssen verstehen, ich bin kein Mensch für lange Abende.“ ,,Dann sollst du dich auch nicht unnötig dazu zwingen, Schätzchen.“, meinte Molly Brown, worauf Mrs. Franklin sagte: ,,Ich begleite Sie gerne, meine Damen. Durch mich erfahren Sie auch eine Menge über meine Tochter und ihre Vorstellungen.“ Sie strich darauf Jeanettes Schulter, worauf sich die Damen dann von Jeanette und mir verabschiedeten und uns eine gute Nacht wünschten. Mrs. Franklin gab ihrer Tochter zusätzlich noch einen Kuss auf die Wange und sagte: ,,Dann bis morgen, Schatz. Schlaf gut.“, worauf sie sich dann noch freundlich von mir verabschiedete und mit den Damen Richtung Aufzug verschwand. Somit ging also der wunderbare Abend zu Ende und ich fragte Jeanette, ob sie wirklich schon müde sei, worauf sie antwortete: ,,Nein, das habe ich nur gesagt, damit ich bei dir sein kann.“

Im Badezimmer ihrer Kabine sah ich von der Tür aus zu, wie Jeanette die Ketten aus ihrem Haar nahm und die zusammengeflochten Strähnen wieder löste. Als sie sich darauf den Lippenstift wegwischte, fragte ich sie: ,,Weißt du eigentlich, dass du in deinem Kleid heute Abend ganz fantastisch ausgesehen hast?“ ,,Findest du?“, entgegnete sie geschmeichelt und sah mich im Spiegelbild an, worauf ich antwortete: ,,Oh ja.
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Jeder am Tisch hat dich bewundert und ich bin mir sicher, dass der Kapitän über dein Anwesen ganz besonders erfreut war.“ ,,Das war er doch bei jedem Gast.“ ,,Das mag sein, aber dennoch warst du die Hauptattraktion an diesem Abend, so wie du es immer bist.“ Jeanette lächelte geschmeichelt auf, während sie ihr offenes Haar kämmte und anschließend sagte: ,,Kapitän Smith ist wirklich ein sehr freundlicher Herr.“ darauf ich: ,,Das ist er, in der Tat. Genauso wie Mr. Andrews, er will sich morgen sogar mit mir im Veranda Cafe treffen.“ ,,Wirklich? Weswegen denn?“ ,,Er möchte sehr gerne mehr über die Flugzeuge meines Vaters wissen und sie sich eventuell mal in Lakehurst ansehen.“ ,,Wow, welch eine Ehre für euch.“ ,,Allerdings und er wird sich sicher auch freuen, wenn er dich morgen auch wieder sieht.“ Jeanette nahm es mit einem zartem Lächeln zur Kenntnis und legte den Kamm auf die Beckenablage, worauf sie mich fragte: ,,Könntest du mir mal bitte das Kleid hinten aufmachen?“ Ich blickte auf den dünnen Reisverschluss an ihrem Rücken und war recht überrascht, dass sie das nun von mir verlangte und schämte mich gleichzeitig darüber, ihn nun zu öffnen. Schließlich zog ich ihn auf und sah direkt auf Jeanettes nacktem Rücken, worauf ich dann zu ihr leicht stotternd sagte: ,,Ich...geh dann mal aus dem...B...Bad.“ Anscheinend schien Jeanette das zu amüsieren, denn als ich in ihre Kabine zurückging, hörte ich sie noch leise hinter mir kichern. Ich sah mir darauf ein wenig die Bilder an, die sie auf den Bord stehen hatte und entdeckte ein Foto, auf dem sie mit vier anderen Mädchen abgebildet war, woraus ich schloss, dass dies ihre Freundinnen aus ihrer Schule waren. Trotz, dass jedes dieser vier Mädchen verdammt hübsch aussah, so schien Jeanette unter ihnen die Schönste zu sein und die Freude, die sie mit ihnen zusammen auf dem Foto zeigte, lies deutlich darauf hindeuten, dass sie mit ihnen gemeinsam wohl eine sehr schöne Zeit hatte. Genauso, wie ich mit meinen Freunden, der reinen Jungenclique, eine schöne und ,,wilde“ Zeit hatte. Jeanette trat umgezogen neben mir hervor und fragte mich: ,,Gefallen dir die Bilder?“ ,,Oh ja,“ antwortete ich und nahm darauf das Portraitfoto von ihr, wobei ich ergänzte: ,,Besonders das hier.
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“ ,,Ich schenke es dir.“, entgegnete sie, worauf ich sie überrascht ansah und fragte: ,,Einfach so?“ darauf sie: ,,Natürlich, ich habe genug Bilder von mir. Wenn dir das hier so sehr gefällt, dann möchte ich es dir gerne schenken.“ Ich betrachtete das Bild eine Weile und sagte dann: ,,Vielen Dank, Jeanette. Das ist wirklich lieb von dir.“ Sie nickte lächelnd, worauf ich ihr eine lange Zeit schweigend in die Augen sah und mir in dem Moment Tausende von Gedanken durch den Kopf gingen, was die letzte Nacht betrafen. Nun schien sich dafür die beste Gelegenheit zu bieten, sie darauf anzusprechen und ich sagte zu ihr, nachdem ich mich mit ihr wieder auf die Couch setzte: ,,Jeanette ich muss dich mal etwas fragen.“ Sie blickte neugierig auf und sagte: ,,Natürlich, nur zu.“ ,,Nun ja,“ entgegnete ich: ,,es fällt mir ein wenig schwer, weil ich nicht weiß, ob es dir dabei vielleicht unangenehm werden könnte.“ Jeanette zog eine verständnislose Miene und meinte darauf: ,,Spreche es offen aus, nur keine Scheu.“ Ich atmete tief durch und sagte leicht nervös: ,,Also gut. Gestern Abend in meiner Kabine vor dem Schlafengehen hast du....na ja....da hast du dich.... direkt vor meinen Augen.....ausgezogen und....nun, den Rest kannst du dir ja vielleicht denken.“ Die Reaktion von Jeanette, die darauf erfolgte, werde ich nie vergessen. Sie schaute nach unten und schmunzelte leicht, worauf sie das Gesicht wieder hob und sagte: ,,Ich dachte schon, du würdest mich nie darauf ansprechen.“ Ich sah sie vollkommen perplex an und fragte: ,,Bitte was?“ Sie entgegnete immer noch mit einem leichten Grinsen im Gesicht: ,,Glaubst du etwa, ich habe nicht gewusst, dass du direkt vor mir standest?“ Ich sah sie einen Moment lang schweigend an, bis ich fragte: ,,Heißt das, du hast es bewusst getan?“ ,,Siehst du daran etwas Schlimmes?“ ,,Nein...nein, natürlich nicht. Es ist nur...ich meine, es ist doch ungewöhnlich wenn du....na ja, wenn du dich einfach so vor mir ausziehst und...“ Jeanette lehnte sich vor und hielt ihre zarte Hand an mein Gesicht, wobei sie sagte: ,,Weißt du, Tim, du bist jemand, dem ich alles anvertraue, egal was es ist.“ Als ich das langsam zu verstehen begriff und sie mir einen Kuss auf die Wange gab, stand sie plötzlich auf und sagte: ,,Na los, lass uns noch ein wenig rausgehen.“ Ich blickte aus dem Fenster und meinte: ,,Aber draußen ist es doch bestimmt jetzt wahnsinnig kalt.
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“ ,,Na und?“, entgegnete sie grinsend: ,,Ist doch egal. Los komm schon, lass uns rausgehen.“ Sie zog ihre Jacke über, nahm meine Hand und führte mich von der Couch aus ihrer Kabine, worauf ich mich dann mit ihr in meine Kabine begab und ihr Bild auf dem kleinen Tisch neben dem Bett stellte. Anschließend zog ich mir meine Jacke über und ging mit ihr hinaus aufs Bootsdeck und trotz, dass die Temperatur jetzt unter 0°Celsuis betrug, hatten wir eine wunderschöne und sternenklare Nacht gehabt, in der sich die Sternenbilder am Himmel deutlicher zeigten, wie noch nie zuvor. Zu unserer Überraschung flog sogar noch eine Sternschnuppe vorbei, worauf ich zu Jeanette sagte, sie solle sich was wünschen, was sie dann auch mit geschlossenen Augen tat. Der klare Sternenhimmel war aber noch gar nichts im Vergleich zu dem, wie sich das Wasser in dieser Nacht zeigte. Das Meer war, so weit man auch sehen konnte, glatt wie ein Teich und glich einem riesigen Spiegel. Nicht ein Lüftchen gab dem Wasser die kleinste Unruhe und es schien beinahe so, als hätte sich der Wind extra für die Titanic still gelegt, damit sie in dieser so klaren und mondlosen Nacht das Meer problemlos durchqueren konnte.

Die Titanic fuhr wohl gerade mit Höchstgeschwindigkeit, denn nun hatte sie ja die perfekte See und Wetterlage dazu. Selbst Eisberge, von denen schon den ganzen Tag gesprochen wurde, waren nirgends zu sehen, nicht einmal am Horizont. Um das Schiff herum lag nichts als die stille schwarze See.

Während ich mit Jeanette Hand in Hand auf dem Deck spazieren ging und gerade mit ihr an das Sonnendeck vorbei kam, bemerkte ich die Leiter, die ich am ersten Abend der Reise mit Martin hinaufklettertet war und mich mit ihm eine Weile auf dem Dach der Brücke aufgehalten hatte. Nun hielt ich es für eine gute Idee, mit Jeanette da hinauf zu gehen und führte sie aufs Sonnendeck zur der Leiter hin, worauf ich sie fragte: ,,Was hältst du davon, wenn wir da jetzt mal hinaufgehen?“ Sie sah sich die Leiter bedenklich an und fragte: ,,Wo willst du denn hin?“ darauf ich: ,,Lass dich überraschen.“ Sie sah die Leiter erneut an und kletterte sie dann erwartungsvoll hoch, worauf ich ihr folgte und ihr anschließend die Augen zuhielt. ,,Was hast du denn jetzt vor?“, fragte sie und ich antwortete: ,,Sonst ist es doch keine Überraschung, oder?“ Ich führte sie vorbei an den beiden Schornsteinen und den zwei platzierten Notbooten zum Dach der Brücke hin, wo ich dann meine Hände von ihren Augen wegnahm und ihr die atemberaubende Sicht auf den mit Sternen übersätem Himmel und dem endlos weitem Meer freigab.
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,,Und,“ fragte ich: ,,was sagst du nun?“ Jeanette schien von diesem Anblick vollkommen überwältigt gewesen zu sein und schwieg erst mal einen Moment lang, bis sie verträumt sagte: ,,Das ist...das ist wunderschön.“ Ich freute mich richtig, dass sie das so sehr beeindruckte und mir die Überraschung gelungen war, obwohl ich von diesem Anblick auch sehr angetan war, weil er sich mit dem vor fünf Tagen überhaupt nicht vergleichen ließ. Während Jeanette weiterhin die Aussicht betrachtete, legte ich meine Arme um ihre Schultern und sagte: ,,Als ich schon mal hier oben war, habe ich ununterbrochen an dich denken müssen. Du warst mir überhaupt nicht mehr aus dem Kopf gegangen.“ ,,Du mir auch nicht.“, entgegnete Jeanette und drehte sich zu mir hin: ,,Als ich dich das erste mal im Kabinenflur sah, konnte ich fast die ganze Nacht nicht schlafen.“ Sie senkte das Gesicht nach unten und erwähnte dann schmunzelnd: ,,Gerade, weil du mir so plötzlich über den Weg gelaufen warst.“ Ich erinnerte mich und sagte: ,,Wem sagst du das?!“ Aus Jeanettes Schmunzeln wurde nun ein leichtes Lächeln und um das Thema ein wenig umzulenken, schaute sie hinauf zum Himmel und meinte: ,,Es ist so eine wunderschöne Nacht, als wäre sie etwas ganz Besonderes.“ Ich sah ebenfalls einen Moment lang zu den Sternen hinauf, bis ich schließlich sagte: ,,Du bist etwas ganz Besonderes, Jeanette.“ Wir sahen uns wieder in die Augen und ich ergänzte: ,,Weißt du, in meiner Internatszeit hatte ich mich nie wie für Mädchen interessiert gehabt, doch jetzt, wo du mir auf diesem Schiff begegnet bist, hat sich diese Interesse sehr stark verändert und seitdem ist es, als wäre ich selbst ein ganz anderer Mensch geworden. Und das nur, weil ich dich so sehr liebe, Jeanette.“ Sie sah wie zu Tränen gerührt nach unten und schwieg einen Moment lang, bis ich dann wieder ihr Kinn hob und sagte: ,,Und weißt du Jeanette, es ist inzwischen auch viel mehr als das, verstehst du? Ich meine seit du gestern....da empfinde ich....!“ ,,Schhh“, sagte Jeanette und hielt mir ihren Finger an die Lippe, worauf sie erwähnte: ,,Ich weiß, was du meinst.
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“ Sie strich mir darauf übers Gesicht und ich versuchte, das Thema erneut noch mal aufzugreifen, doch ich wurde daran gehindert, als plötzlich eine Glocke mit einem dreifachen Gebimmel zu hören war und ich drauf nach vorne zum Krähenest am Vormast hinsah, von dem das Gebimmel kam. Ich nahm an, das dies nun die Ankündigung für die nächste Wachablösung war und als ich gerade dabei war, die nächsten Auskuckmänner ausfindig zu machen, drehte Jeanette mein Gesicht wieder zu sich hin und fragte: ,,Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir gleich noch mal in deine Kabine gehen? Ich habe da nämlich eine kleine Überraschung für dich.“ Ich sah sie neugierig an und fragte: ,,Und was wäre das?“, worauf sie schmunzelnd nach unten sah und antwortete: ,,Das wirst du schon sehen!“ Dann wollte sie mir einen Kuss auf die Lippen geben, als es unter unseren Füßen aber dann plötzlich anfing zu zittern und wir beide gleichzeitig, wie gebannt zum Boden hinsahen. ,,Was ist denn jetzt los?“, fragte Jeanette verwundert, worauf ich eine Schritt zurücktrat und sagte: ,,Keine Ahnung. Scheint so, als hätten die....“ Auf einmal stieß Jeanette einen Schreckensschrei aus und hielt sich mit einem erstarrten Blick die Hände vor dem Mund. ,,Was ist?“, fragte ich und verfolgte ihre Blickrichtung nach vorne, worauf vollkommenen ich dann ebenfalls einen fürchterlichen Schreck bekam, als ich etwas Großes und Dunkles an der Steuerbordseite des Buges entlang streifen sah und je näher dieses Ungetüm kam, desto deutlicher erkannte ich, dass es sich bei diesem Ungetüm um einen Eisberg handelte. Er war kaum

höher, als das Schiff selbst und als er an dem vorderen Wellendeck ankam, fielen plötzlich ein paar Eisbrocken von ihm ab und prasselten über die gesamte Steuerbordseite des Decks hinweg. Das Zittern nahm sein Ende, als die Spitze des Eisberges vor unseren Augen vorbei nach achtern glitt und der gesamte Eisberg darauf in der Dunkelheit am Horizont verschwand. Jeanette und ich waren vor Schreck wie gelähmt und ich sagte: ,,Das ist doch wohl nicht zu fassen. Wir haben einen Eisberg gerammt.“ Jeanette hielt sich immer noch beide Hände vor dem Mund, bis sie tief einatmete und mich fragte: ,,Glaubst du, das Schiff wurde beschädigt?“ Ich schaute zur Steuerbordseite hin und sagte: ,,Komm, wir sehen mal nach.
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“ Ich nahm Jeanette an die Hand und ging mit ihr zurück zur Leiter, die wir dann runter kletterten und anschließend an der Steuerbordreling nach unten auf die Rumpfwand schauten. Die Wand war vollkommen unversehrt, es zogen sich nur hier und da mal ein paar glitzernde Eisstreifen an ihr entlang und ich sagte zu Jeanette: ,,Scheint alles unbeschadet überstanden zu haben. Wir sind wohl nur an dem Eisberg vorbei gestreift.“, worauf Jeanette leicht skeptisch entgegnete: ,,Hoffen wir mal, dass es so ist.“

Einige Passagiere kamen an Deck um nachzusehen, was sich hier gerade abgespielt hatte, aber da der Eisberg schon weg war, kamen sie etwas zu spät und als sie darauf die Eisbrocken auf dem Wellendeck verteilt liegen sahen, liefen sie sofort die kleinen Treppe nach unten und sahen sich die Brocken interessiert an. Jeanette und ich gingen mit, da ich ebenfalls neugierig war und Jeanettes schlechtes Gewissen damit wieder ein wenig aufbessern wollte. Einer der Passagiere kam mit einem Cocktail an und meinte: ,,Das kommt gerade richtig.“, worauf er sich bückte, ein kleines Stück von einem der Brocken abbrach und es anschließend in sein Cocktail legte. Ein anderer Passagier nahm ein Brocken hoch und fragte seine Frau: ,,Wie wär’s Schatz, wollen wir das Stück als Hochzeitssouvenir mitnehmen?“ Jeanette und ich sahen uns ein Brocken an, der fast so groß wie ein Tisch war und daneben lag ein kleineres Stück, welches ich hoch hob und es auf mindestens 15kg einschätzte. Neben Jeanette flog plötzlich ein kleines Eisstückchen vorbei, als Passagiere aus der dritten Klasse dazukamen und sich wie bei einer Schneeballschlacht gegenseitig mit Eis bewarfen. Andere fingen an, mit einem ballgroßen Brocken Fußball zu spielen, was für viele andere Passagiere recht amüsant war, mit anzusehen. Dass das Schiff einen Eisberg rammte, schien hier wohl niemanden wirklich zu interessieren. Wieso auch? Es war ja nichts derartig Schlimmes passiert und für alle war es mehr eine kleine Abwechslung, da ja während der Reise sonst nicht viel an Bord passierte. Ich dachte gerade daran, dass diese Brocken ja genau das Richtige für die Kinder aus der dritten Klasse wären, aber wahrscheinlich schliefen sie schon um diese Zeit, da es schon 0:05uhr war. So endete also bereits der fünfte Tag der Reise mit einer kleinen, aufregenden und recht interessanten Abwechslung.
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ag der Reise mit einer kleinen, aufregenden und recht interessanten Abwechslung.
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anonym  -  02.11.08 19:13

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Kommentar von "SCvLzH" zu "Am Meer"

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