Tafari Adisa (Kapitel 1, Teil 1)   18

Romane/Serien · Fantastisches

Von:    Kerstin Lara Winter      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 15. Februar 2008
Bei Webstories eingestellt: 15. Februar 2008
Anzahl gesehen: 2164
Seiten: 4

Diese Story ist Teil einer Reihe.

Verfügbarkeit:    Die Einzelteile der Reihe werden nach und nach bei Webstories veröffentlicht.

   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


“Wer gegen Tiere grausam ist, kann kein guter Mensch sein.”, Arthur Schopenhauer

********************************************************************************

„Ich fürchte, die Tiere betrachten den Menschen als ein Wesen ihresgleichen,

das in höchst gefährlicher Weise den gesunden Tierverstand verloren hat“, Nietzsche

********************************************************************************

Tafari Adisa



1.Die wahre Vergangenheit



Die alte Frau lief einen schmalen Feldweg entlang, er war von beiden Seiten mit gelb und braun beflecktem, eingeknicktem Gras gesäumt. Die Dämmerung sollte sich noch Zeit lassen, aber dennoch zogen schwarzgraue Wolken schwerfällig über einen trübblauen Himmel und verschleierten die Sonne. Nach einigen Metern hatte sie eine Kuppe erreicht, der Wind frischte auf und zerzauste ihre langen weißen Haare, ein scheußlicher Gestank stach ihr in die Nase, es roch nach Blut, tierischen Exkrementen und Verwesung. Von hier aus bot sich ihr ein ausgesprochen unschöner Ausblick, soweit das Auge reichte, sichtete die Frau große Koppeln, zu weit entfernt um die Tiere genau zu erkennen, aber es war durchaus festzustellen, dass es sich um große Massen von ihnen handeln musste. Hinter dem riesigen Weideland lag eine Metropole, von ihren hohen Schornsteinen stiegen Rauchschwaden in den Horizont empor und sammelten sich dort schließlich zu eben jenen Wolken, die den Himmel in Schwärze tauchten. Ein mulmiges Gefühl in ihrem Magen ließ die alte Frau zögern, wenn sie ihren Weg jetzt fortsetzte würde sie wissen was es mit diesem Gestank auf sich hatte- aber, wollte sie das denn überhaupt? Vielleicht sollte sie besser umkehren, sie wandte sich um und ihre Augen weiteten sich entsetzt, der Weg hinter ihr löste sich augenblicklich auf und hinterließ einen Abgrund ins Nichts. Nun ertönte eine tiefe, hallende Stimme und ließ sie zusammenfahren: „Du musst weitergehen, du musst es sehen.“

Da ihr ohnehin nichts anderes übrig blieb schritt sie langsam und mit zittrigen Beinen die Kuppel hinab, der beißende Geruch wurde immer unerträglicher, sodass sie sich ein Tuch von ihren grauen Leinengewändern vor Mund und Nase presste. Sie vernahm gedämpfte, durcheinander rufende Tierlaute aus allen Richtungen.
Seite 1 von 4       


Nachdem sie die Koppel erreicht hatte packte die alte Frau das wahre Grauen, auf den Weideflächen standen auf engstem Raum zusammengepfercht Rinder, Schweine, Pferde, Ziegen, Schafe und auch eine ganze Reihe weiterer Tiere. Die armen Wesen hatten nicht einmal genügend Platz um sich um die eigene Achse drehen zu können, ihre Augen starrten sie traurig und verzweifelt an. Sie waren nicht dazu in der Lage ihre Mimik zu verändern, doch ihre Körperhaltung verriet Angst und Schmerz, die meisten Tiere senkten ihre Köpfe und zitterten, wobei es manchmal nicht ganz eindeutig war, ob sie dies aus Furcht taten, oder weil sie zu schwach waren um sich richtig auf den Beinen zu halten. Ihre Laute entwickelten sich zu einem herzzerreißenden Klagelied, viele von ihnen hatten offene Wunden und sogar Knochenbrüche, die vermutlich vom Transport stammten, teilweise waren sie eitrig und schlimm entzündet. Sie senkte den Blick, Tränen standen in ihren Augen: Als sie dann auch noch feststellen musste, dass der Boden zentimeterhoch mit Fäkalien bedeckt war, auch die lang gestreckten Futtertröge vor Schmutz verkrustet waren und zwischen den auf einander gedrängten Leibern zertrampelte, blutüberströmte Kadaver lagen drehte sich ihr der Magen um. Der Weißhaarigen war so schlecht, wie noch nie zuvor in ihrem Leben und sie übergab sich mehrmals. Ein heftiges Schwindelgefühl machte sich in ihrem Kopf breit und verschleierte ihr Blickfeld, die schrecklichen Klagelaute verzerrten sich, dann wurde ihr schwarz vor Augen und sie sackte in die Knie.

Der Schwächeanfall dauerte nur wenige Sekunden, die alte Frau öffnete die Augen und richtete sich, nach dem sie festgestellt hatte, dass sich ihr Sichtfeld wieder geklärt hatte langsam auf. Sie benötigte nur wenige Sekunden um zu verstehen, dass sie sich an einem völlig anderen Ort befand. Die Weißhaarige drehte sich nach allen Seiten um, ihre Augen musterten die Umgebung: am graublauen Himmel hingen nach wie vor schwerfällige, finstere Wolken, doch das Umfeld zeigte diesmal einen Wald, allerdings hatte er nichts mit einem idyllischen Ort, an dem man gerne wandern ging und die Schönheit der Natur genoss gemeinsam. Die breitstämmigen, alten Bäume ragten hoch in den Himmel empor und besaßen kaum noch grüne Blätter, ihre Rinde war teilweise bereits abgeblättert und von tiefen Furchen durchzogen, die Äste größtenteils ineinander verschlungen oder abgeknickt.
Seite 2 von 4       
Auch kreuz und quer über den moosbedeckten Boden zogen sich schmale, kurvige Rillen. Es war kein Vogelgezwitscher oder Flattern zu hören und nicht das kleinste Insekt lies sich blicken, weit und breit waren weder Armeisenhaufen noch Spinnenetze zu sehen, hier schienen all diese Tiere nicht zu existieren. Es herrschte, bis auf den Wind, der hin und wieder durch die Baumkronen blies völlige Stille und der Geruch von modrigem Holz und feuchter Erde lag in der Luft.

Nach einiger Zeit fragte sie sich ob es an diesem schaurigen Ort überhaupt noch Leben gab und wünschte sich fast im selben Augenblick, sie hätte sich diese Frage nie gestellt. Die alte Frau spürte etwas schleimiges, kaltes auf ihrem Arm und starrte angeekelt auf ein bizarres Geschöpf, zuerst hielt sie es für eine Schnecke- aber, Moment mal, dazu war es viel zu groß und es besaß vier verkümmerte Beine! Kurz darauf kribbelte ihr Arm, die blasse Haut errötete stark und begann schließlich heftig zu brennen, blutige Bläschen breiteten sich auf der Schleimspur aus. Schockiert und mit schmerzverzerrtem Gesicht schüttelte sie das abstoßende Wesen ab und wischte sich rasch mit dem Ärmel den Schleim vom Arm, woraufhin sich in diesen ein paar kleine Löcher ätzten. Jetzt wurde ihr auch klar, wieso dieser Wald so krank und von Spuren durchpflügt war. Die Weißhaarige wollte ihren Weg fortsetzen, als sie plötzlich eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahrnahm, sie erwartete schon, dass das Geschöpf, mit welchem sie Bekanntschaft gemacht hatte Verstärkung gerufen hatte, ihre Augen schweiften hektisch über den Boden und hätten wohl am liebsten alle Richtungen auf einmal im Blickfeld gehabt. Sie erschrak heftig, als die Büsche raschelten. Ein sehr kleines Wesen huschte im Zickzack über den Weg und verschwand im gegenüberliegenden Dickicht, die alte Frau konnte es nicht richtig erkennen, aber dies war dennoch ein Grund erleichtert aufzuatmen, denn – was auch immer das eben gewesen sein mochte - für eines dieser Minnimonster war es zu schnell und zu langbeinig.

Ein warnendes Gefühl beschlich sie jedoch schon bald und diese Beunruhigung stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Alles was sie jetzt noch wollte war so schnell wie möglich den Ausgang des Waldes zu finden, bevor sich die innere Warnung bestätigte.
Seite 3 von 4       


Die Weißhaarige sichtete mit verwunderter Miene reihenweise Sandhäufchen am Wegesrand, vielleicht war es besser erst gar nicht darüber nachzudenken, was es damit auf sich hatte. Aber leider blieb ihr die ausgesprochen unerfreuliche Erkenntnis darüber nicht erspart. Vor ihr erbebte die Erde grollend, Risse zeichneten sich, wie ein Netzwerk aus Adern darauf ab und sie begann sich langsam zu heben, etwas grub sich an die Oberfläche. Der alten Frau entfuhr ein lauter Schrei, als sich der Untergrund von einem Herzschlag auf den nächsten aufbäumte und ein riesiges Geschöpf daraus hervor kam, als sei es einfach ausgespuckt worden. Es hatte Schaufelhände und eine spitze Schnauze, vielleicht hätte man es für einen gigantischen Maulwurf halten können, doch die entblößten Zähne waren viel zu spitz und der wache Blick in seinen schwarzen, runden Augen verriet, dass es offenbar recht gut sehen konnte. Die unheimliche Kreatur hatte wohl nicht vor sich lange aufzuhalten, stieß einen schrillen Laut aus der Brust und schoss mit seinem gewaltigen Körper nach vorne. Die vor Angst erstarrte Frau konnte kaum noch atmen und sah schon ihr bisheriges Leben an sich vorüberziehen. Sie kniff die Augen zusammen und bereitete sich schon darauf vor von mächtigen Kiefern zermalmt zu werden. Sicherlich kein angenehmes Ende, ging es ihr durch den Kopf, dennoch hoffte sie, dass die Panik ihr Schmerzzentrum lähmte, sodass sie wenigstens nichts spüren würde. Doch das Furcht erregende, weit aufgesperrte Maul des Giganten hatte ein völlig anderes Ziel, nämlich die Felsen hinter ihr! Es bohrte seine Zähne hinein und biss das Gestein einfach in kleine Stücke, die es mit lautem Knirschen zwischen den kolossalen Kiefern zermalmte und unterschluckte, als seien sie weich wie Zuckerwatte. Nach dem die Kreatur ihr eigenartiges Mal beendet hatte bohrte sie sich unter dem völlig verblüfften Blick der alten Frau wieder in die Erde und verschwand, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen.

Ein klackernder Laut lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die neugierigen Zuschauer, die sich hinter den Büschen versteckt hatten und nun langsam auf sie zukamen...
Seite 4 von 4       
Punktestand der Geschichte:   18
Dir hat die Geschichte gefallen? Unterstütze diese Story auf Webstories:      Wozu?
  Weitere Optionen stehen dir hier als angemeldeter Benutzer zur Verfügung.
Ich möchte diese Geschichte auf anderen Netzwerken bekannt machen (Social Bookmark's):
      Was ist das alles?

Kommentare zur Story:

Leider wurde diese Story noch nicht kommentiert.

  Sei der Erste der einen Kommentar abgibt!  

Stories finden

   Hörbücher  

   Stichworte suchen:

Freunde Online

Leider noch in Arbeit.

Hier siehst du demnächst, wenn Freunde von dir Online sind.

Interessante Kommentare

Kommentar von "Nathanahel Compte de Lampeé" zu "Manchesmal"

... welch ein wunderschöner text ! lg nathan

Zur Story  

Aktuell gelesen

  In Arbeit

Funktion zur Zeit noch inaktiv. Über ein Konzept zur sicheren und möglichst Bandbreite schonenden Speicherung von aktuell gelesenen Geschichten und Bewertungen, etc. machen die Entwickler sich zur Zeit noch Gedanken.

Tag Cloud

  In Arbeit

Funktion zur Zeit noch inaktiv. In der Tag Cloud wollen wir verschiedene Suchbegriffe, Kategorien und ähnliches vereinen, die euch dann direkt auf eine Geschichte Rubrik, etc. von Webstories weiterleiten.

Dein Webstories

Noch nicht registriert?

Jetzt Registrieren  

Webstories zu Gast

Du kannst unsere Profile bei Google+ und Facebook bewerten:

Letzte Kommentare

Kommentar von "Jochen" zu "Fachkräftemangel"

Hallo Stefan, da könnte man ja die Prüfungen in der Schulbildung gleich um eine Politikprüfung ergänzen, die sowohl für die Ausübung politscher Mandate als auch für die Stimmabgabe bei Wahlen ...

Zur Story  

Letzte Forenbeiträge

Beitrag von "Tlonk" im Thread "Winterrubrik"

wünsche ich euch allen. Feiert schön und kommt gut rüber.

Zum Beitrag