Schauriges · Kurzgeschichten

Von:    Haac Siddenrich      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 26. Januar 2008
Bei Webstories eingestellt: 26. Januar 2008
Anzahl gesehen: 2101
Seiten: 5

Update 12.02.08, Lektoriert von: Todd Schneider



Sie nahm ihre beiden Hände und strich mit ihnen gleichzeitig ihre dünnen blonden

Haare hinter ihre leicht abstehenden Ohren zurück, beugte sich vor, zog ihre Backen

ein und sammelte Speichel im Mund, spitze ihre Lippen. Sie ließ ihren Speichel demonstrativ vor meinen Füßen auf den Boden langsam hinunter gleiten. Sie war einen Kopf größer als ich, blickte auf mich herab und winkte mich mit ihrem Zeigefinger zu sich her. Kerstin und Melanie standen neben ihr und sahen gespannt in die Runde. Ich machte einen Schritt auf sie zu während sich mein Blick in ihren stahlgrauen Augen verfing. Als ich ihren Spuckehaufen mit einem Schritt überquerte stand ich ganz dicht vor ihr. Wir standen zu Viert in ihrer Gartenlaube, Ines Gartenlaube. Sie öffnete meine Winterjacke ein Stück, das Licht, das um die Mittagszeit noch kräftig genug war, das durch milchige Plexiglassscheiben in die Laube drang, ließ mich ahnen, dass der Frühling im Kommen war. Meine Hände glitten im fahlen Licht an ihre ausladenden Hüften. Sie zog mich näher und näher an ihren Körper heran, unsere Lippen trafen aufeinander, ich spürte, dass ich mich unbeholfen anstellte während ich begann, das Spiel der Liebe zu spielen. Unversehens drückte sie mich nach einigen Momenten wieder von ihr weg.

{{ So, das wars, jetzt weisst du, wie man küsst}}

Ich öffnete meine Augen, blickte mit meinen brennenden Backen in die drei grinsenden Gesichter vor mir.

{{Kerstin, Zigarette}} warf Ines, streng mit Hochmut in den Holzverschlag der Gartenlaube. Kerstin zog automatisiert die Zigarettenschachtel aus ihrer Jackentasche und teilte artig jedem eine aus. Ines strich sich mit der Hand, in die sie die Zigarette bekommen hatte, wieder ihre Haare zurück und spuckte abermals auf den Boden, bevor sie sich die Kippe in den Mund schob. Ich sah auf die Zigarette herab, die in meiner Hand war, schluckte begierig mehrmals, um den Moment des ersten Kusses in mir zu behalten, um darauf genauso demonstrativ auf den Boden zu spucken wie sie es tat.

{{Okay, lasst uns hier zu Ende rauchen, dann gehen wir wieder rein}}

Melanie zückte ein Feuerzeug und gab jedem Feuer, letzter der Reihe war ich. Als sie

meine Kippe ansteckte, lächelte sie mich etwas verlegen an.
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Nach diesem Kuss wusste ich, dass ich mehr wollte, mehr, mehr als nur einen Kuss.

{{Meine Eltern werden übermorgen wieder hier sein}} sagte Ines sich umblickend zu uns.

{{Meine Eltern wissen Bescheid}} murmelte Melanie.

{{Meine auch}} sagte Kerstin.

Ich setzte ein Grinsen auf und sagte:

{{Meine Eltern denken, dass ich bei Tom penne}} und zog an meiner Zigarette.

Ines tat es mir gleich und zog ebenfalls an ihrer und betrachtete ihre Kippe , ließ

sie vom Mittel- und Zeigefinger zu Zeigefinger und Daumen rollen, hob ihre Hand über meine Schulter hinweg –Schnipp- und schnippte sie zum Ausgang zielend raus in den Garten. Sie strich mir die Asche, die von ihrem Manöver auf meine Schulter herab gefallen war, weg und sagte:

{{Ich habe alles vorbereitet}}

Zuversichtlich gingen wir über den Garten in das Haus ihrer Eltern.

In der Küche angekommen ging Ines von einem zum anderen Fenster, um die Vorhänge zu schließen. Ich beobachtete jeden ihrer Schritte -musste wie in Bann gezogen, wie ich sie da durch die Küche huschen sah, immer und immer wieder an das Gefühl denken, das sie mir gab, als wir uns küssten.

Wir saßen der Runde nach am Küchentisch. Kerstin holte einige Blätter aus ihrer Tasche, entfaltete sie und gab jedem von uns eines. Ines deutete mit einer Kopfbewegung zu Melanie und nickte zur Kommode hin, die eine Armlänge von Melanie entfernt war. Melanie beugte sich zur Kommode, schob die Schublade auf und holte nacheinander Kerzen aus der Schublade, die sie auf dem Tisch aufreihte. Ich sagte:

{{ Brauchen wir nicht echtes Blut?}} und blickte unschuldig in die Runde.

Als mein Blick bei Ines stehen blieb, schweifte sie kurz zu Kerstin und Melanie. Sie

zog ihre Schultern an, setzte die Ellbogen auf den Tisch, beugte sich vor. Blickte

wieder zu Kerstin und Melanie, sah in mein Unschuldsgesicht. In dem Augenblick

vernahm sie, dass sie es tun musste. Sie stand auf und holte sich ein Messer, ich tippte Kerstin an, deutete ihr noch ein Blatt zu entfalten, sie legte es in die Mitte des Küchentisches. Ines hielt eine Hand über das Blatt, in der anderen hatte sie das Messer, das geballt senkrecht in ihrer Faust nach oben funkelte. Sie senkte es mehrmals in die Handfläche der anderen Hand.
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Ich sagte:

{{Nicht in die Handfläche, nimm einen Finger}}

Melanie hob ihren Zeigefinger und malte in die Luft ein Pentagramm. Als sie es in die Luft gezeichnet hatte, fing sie erneut an und flüsterte zu Ines:

{{Fang am Besten so an}} sie zeichnete wieder ein Pentagramm in die Luft.

Ich nahm Ines das Messer aus der Hand, sie ließ ihre Hand aufs Papier fallen und

drehte ihren Kopf weg. Ich stach ihr mit der Spitzte des Messers in die Kuppe ihres Zeigefingers.

{{Aua, ahh}} biss Ines ihre Zähne zusammen. Ich ließ das Messer fallen, Totenstille.

Meine zitternden Hände zog ich schnell zurück. Ines Hand verkrampfte, ihr blutender Finger streckte sich über das weiße Blatt empor, das Blut pochte in leichten Schüben aus

der Wunde über ihren Fingernagel herab auf das Papier. Melanie begann wieder in die Luft zu zeichnen. Ines folgte ihr, doch der erste Versuch gelang ihr nicht. Ines

drehte das Blatt und zeichnete wieder. Nachdem Ines das Pentagramm richtig gezeichnet hatte, gab ihr Kerstin ein Tempo, das sich Ines um ihren Finger wickelte.

{{Melanie, den Spiegel}} Melanie gab Ines einen kleinen Schminkspiegel.

Ines öffnete den kleinen Handspiegel, nahm das Messer und zertrümmerte mit dem

Handgriff des Messers den Spiegel, sie teilte jedem von uns einen Splitter aus und

sagte mit dem Stolz einer Zeremonienmeisterin:

{{Alle Hände an die Tischkante, auf drei, alle gleichzeitig!}} Sie zählte, eins und

nickte, zwei und nickte, drei...

Melanies und Ines Splitterstücke trafen das Pentagramm nicht, Kerstins landete in einem Zacken des Pentagramms, meines fiel direkt in die Mitte.

{{Wenigstens hast du getroffen}} während Ines aufstand um das Küchenlicht zu löschen. Melanie zündete die Kerzen an und stellte an jedem Zacken des Pentagramms eine auf. Wir streckten uns die Arme entgegen und hielten uns der Runde nach die Hände, beugten uns auf die Blätter, die Kerstin uns zuvor ausgeteilt hatte.

{{Ich kann´s nicht lesen, es ist zu dunkel}} Ich stand auf, ging zur Kommode, stellte jeder meiner Mitbeschwörerinnen eine weitere Kerze zur Seite. Abermals ergriffen wir uns an den Händen.
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Ines begann zu lesen:

{{Retav Resnu, Tgilieheg edrew nied.............!}} und wir stimmten alle mit ein.

Nach dem dritten oder vierten Vater Unser auf rückwärts fügte Ines hinzu:

{{Wir müssen das so lange machen, bis einer von uns was spürt}}

Weitere Rezitationen vergingen bis Melanie flüsterte:

{{Seht, guckt, die Kerze bewegt sich}}

Jeder von uns sah zu der Kerze, auf die Melanie hindeutete. Nach einem kurzen

Moment im flackernden Kerzenlicht, gespannt auf die eine Kerze, unterbrach Kerstin:

{{Ach Quatsch, da bewegt sich gar nichts, vielleicht sollten wir unsere Augen schließen}}

Ich sah zu Ines, sie zu Kerstin, Ines von Kerstin zu Melanie, und wir waren uns einig.

Die Kerze bewegte sich nicht und wir schlossen allesamt die Augen und murmelten Ines Retav Resnu nach, das sie mittlerweile auswendig konnte. Ich musste dennoch blinzelnd einen Blick auf den Zettel werfen, der vor mir lag, um dem Kanon folgen zu können, und klammheimlich äugte ich auf Ines -stellte mir vor, wie es wäre, wenn ich sie nochmal küssen könnte. Mir schien es so, als würde jeder von uns einen Blick erhaschen, oder vielleicht war es ja das Flackern der Kerzen, die in mir den Anschein erweckten, ein Zucken in den anderen Augenlidern zu sehen.

Kerstin seufzte, als wir zum x-ten Mal das Vater Unser runter leierten. Unsere Hände hatten sich schon längst auf die Tischplatte abgesenkt, um Halt zu finden.

{{Ich spüre was}} drückte dabei Ines, die zur meiner Linken saß und Kerstins Hand, die zur Rechten saß, fest. Das Zittern begann in meinen Händen, ging über meine Schultern bis hin zu Kopf und Oberkörper. Meine Augen waren fest verkniffen, sie öffneten sich nur ab und an kurz und schwirrten wie verrückt über die anderen Gesichter und die von Kerzenlicht geschwängerte Küche. Mein Kehlkopf schien sich selbstständig zu machen, der Atem wurde schwer und tief.

Ich gab komische Laute von mir. Das Zittern wurde heftiger, bis schließlich mein ganzer Körper davon erfasst wurde. Kerstin und Melanie standen verschreckt auf. Je heftiger meine Ausbrüche wurden, umso mehr gerieten die Beiden in Panik und Angst. Ines versuchte mich an meinen Händen zu halten, aber die Stöße, die durch meinen Körper jagten, waren zu mächtig.
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Ich kippte mit dem Stuhl nach hinten weg, landete auf dem Boden. Mit meinem Umkippen kippte auch die Stimmung im Raum, alle drei fingen zu Kreischen an, tobten wie wild durch die Küche. Mein Kehlkopf war stocksteif, aber dennoch kam eine raue, dunkle Stimme, die Angst einflößend klang:

{{Ich... bin... Satan, WAS... WOLLT... IHR{{nach jedem Wort trat eine kurze Pause mit Zitterschüben ein.

{{WAS...WOLLT...IHR!!!}}

Kerstin kauerte sich in die Sitzecke, zog ihre Knie hoch und legte ihren Kopf zwischen die Knie, wippte und murmelte vor sich hin. Melanie tobte immer noch, sie lief durch die Küche, ging abwechselnd zu Ines und Kerstin, auf dem Weg von der einen zur anderen schrie sie hysterisch:

{{Oh mein Gott, Oh mein Gott}}

Ines behielt als einzige die Ruhe, sie beugte sich auf Knien zu mir und fragte

Zähne klappernd:

{{Wann werde ich sterben?}}

Wieder fauchte meine Schmerz verzogene Stimme in den Raum:

{{Ines...Ines...Komm...näher..}}

Sie kniete tiefer. Erst jetzt kam Melanie auf die Idee, das Licht anzuschalten.

Erst da sah sie, dass meine Augen geöffnet waren, aber keine Pupillen zu sehen waren,

meine Augen schielten. Melanie brach in Tränen aus und wimmerte:

{{Wir brauchen einen Krankenwagen, Wir brauchen einen Krankenwagen}}

Ines war ein kopfbreit vom meinem Gesicht und hielt ihre Haare zurück. Mit einem

Satz ergriff ich sie an beiden Armen, schüttelte sie durch und offenbarte ihr in grausamem Geschrei:

{{DU STRIBST JETZT}}

Heilloses Chaos brach in der Küche aus, als hätten die drei den wahrhaften Teufel gesehen. Kerstin sprang auf, um aus der Küche zu flüchten, dabei stieß sie mit Ines zusammen, sie raffte sich wieder auf, aber ich packte sie am Fuß und brüllte:

{{IHR WERDET ALLE STERBEN}}

Das ohrenbetäubende Kreischen ging in Verzweiflung über, das Szenario konnte mit

jedem Horrorfilm mithalten. Ich drehte meine Augen wieder normal und stieß ein hinterfotziges Gelächter aus.

Das Lachen überschlug sich mehrmals, das Lachen war so heftig, dass ich mich krümmen musste. Alle anderen verstummten, nur mein abartiges Gelache schallte durch die Küche.
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Ines trat an mich heran und ohrfeigte mich:

{{Du Arschloch, du verdammtes Arschloch, hast uns verarscht}}

Nach der Ohrfeige verstummte mein Lachen. Es war still, alle blickten auf mich, aber ich konnte nicht widerstehen. Als ich die drei Gesichtsausdrücke sah, brach ich

wieder in Gelächter aus.
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