Die Zauberin von Vreen (3. Kapitel)   322

Romane/Serien · Fantastisches

Von:    Robin van Lindenbergh      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 9. Oktober 2007
Bei Webstories eingestellt: 9. Oktober 2007
Anzahl gesehen: 2381
Seiten: 22

Diese Story ist Teil einer Reihe.

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   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


3. Zur grünen Lichtung



Es war bereits dunkel, als Fiona und Leonas Cres endlich erreichten. Im Vergleich zu allen anderen Siedlungen, die Fiona bisher in Vreen gesehen hatte, war Cres eine richtige Großstadt. In ihre Richtung wurde sie begrenzt und geschützt durch eine breite, steinerne Mauer, die aus gewaltigen Quadern zusammengesetzt war, die anscheinend ohne Mörtel hielten. Geschickte Hände hatten die Steine einst so behauen, dass sie nun so exakt aufeinander passten, dass nicht einmal ein Stück Papier zwischen die Fugen passte.

Cres war eine wehrhafte Stadt, das sah man sofort, denn auch das riesige Stadttor sah aus, als könnte es mit Leichtigkeit sogar dem Angriff eines Drachen trotzen. Jetzt war es das Nadelöhr, durch das sich unzählige Reisende, Bauern und Händler in die Stadt drückten. Wie schon in dem Dorf, in dem sie die Trolle getroffen hatten, gab es auch hier alle möglichen Wesen und nur wenige Menschen, die sich teils zu Fuß, teils mit Karren und Kutschen in die Stadt bewegten.

Gerade wollten sie durch das Tor gehen, als Fiona einen Blick nach oben warf. Seit der Begegnung mit dem Drachen hatte sie sich das angewöhnt. Auch jetzt bemerkte sie eine ganze Gruppe Schatten, die sich zwischen den Mauerzinnen bewegten, allerdings war keiner so groß, wie der Drache, aber dafür sah sie, dass die Wesen auch weite Hautflügel hatten. Sie patrouillierten auf der Mauer und schienen dabei alles unter sich genau im Blick zu haben.

Jetzt kam einer von ihnen in den Lichtkreis der Fackel und Fiona konnte für einen kurzen Augenblick das Gesicht der Wache sehen. Es wirkte wie die Fratze eines Monsters aus einem Horrorfilm. Das gesamte Wesen erinnerte an eine gigantische Fledermaus, sein Körper war vollständig mit einem schwarzen, kurzen Fell bedeckt und im Schein der Fackel schimmerten nadelspitze Eckzähne hervor.

Nachtalben nannte Leonas diese Wesen und beschrieb sie als relativ harmlos, aber Fiona machten sie dennoch Angst und sie traute sich nicht, sie auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen, während sie durch das gewaltige Stadttor gingen.

Hinter den Mauern war Cres der reinste Hexenkessel. Hunderte der unterschiedlichsten Wesen bewegten sich trotz der späten Stunde kreuz und quer durch die Stadt. Doch Leonas schien sich glücklicherweise gut auszukennen, denn er bahnte sich seinen Weg sicher durch das Gewühl, vorbei an Marktständen, Lokalen und dunklen Gassen.
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Die Hauptstraße selbst war einer der stinkendsten Orte, die Fiona je in ihrem Leben betreten hatte. Überall lagen Unrat und Exkremente auf der Straße, Obst- und Gemüsereste, die wohl von alten Marktständen stammten, verfaulten einfach so im Rinnstein. Allerdings schien sich niemand so recht an diesen Zuständen zu stören, sondern die Bewohner der Stadt bemühten sich anscheinend, die Gesamtsituation auch noch zu verschlechtern, indem sie ständig weiter die Wege verdreckten.

Fiona war froh, als Leonas endlich den Weg in Richtung einer der Seitenstraßen einschlug, aus denen es zumindest etwas weniger stank. Aber sie hatten noch nicht einmal halb die schmale Gasse erreicht, als sich vor ihnen die Masse wie auf ein stilles Signal teilte. Jeder versuchte so schnell wie möglich Platz zu machen an den Rändern der Straße wurde es eng. Erst verstand Fiona gar nicht den Grund, aber dann sah sie, für wen der Weg geräumt worden war, denn es näherte sich ihnen eine regelrechte Prozession. Die Straße hinunter gingen fünf, ältliche Herren, die offensichtlich Menschen waren. Jeder von ihnen trug ein langes, schwarzes Gewand und einen gewaltigen, spitzen Hut, der bestimmt vier Mal so hoch war, wie ihre Köpfe. Langsamen, gemessenen Schrittes gingen sie durch die Menge und machten dabei den Eindruck, als würden sie ein Terrarium mit Ekel erregenden Käfern betrachten. Ihnen schien nichts zu entgehen.

Keiner machte auch nur ein Geräusch und das einzige, was zu hören war, waren die Schritte der Männer.

Fiora betrachtete sie neugierig, denn sie fragte sich, was das für Menschen sein mussten, denen man mit so viel ehrfürchtigem Respekt begegnete. Dann wurde es ihr plötzlich klar.

„Das sind Zauberer, oder?“ fragte sie Leonas.

Sie hatte keineswegs laut gesprochen, aber trotzdem blieb sofort der Blick eines der Männer an ihr hängen. Interessiert ruhten seine Augen auf ihr und dabei schien er sie einer genauen Prüfung zu unterziehen.

Leonas bemerkte es und auch sein Blick traf den des Zauberers für eine Sekunde. Schnell zog er Fiona in die nächste Gasse hinein und Fiona hörte, dass die Prozession auf der Hauptstraße kurz anhielt, sich dann aber weiter bewegte.
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„Was waren denn das für Typen?“ erkundigte sich Fiona noch einmal, als sie sich noch ein wenig weiter von der Hauptstraße entfernt hatten. Wer waren sie, dass sie sogar Leonas Angst machten?

„Das sind die Stadthexer von Cres. Sie haben keine große Zauberkraft, machen sich aber gerne wichtig. Man sagt, sie wissen alles, was in und um der Stadt vorgeht. Ich hoffe nur, dass sie uns nicht erkannt haben. Das könnte Probleme geben.“

„Probleme?“

„Ja, man weiß nie, wem sie berichten würden, dass wir hier sind.“

Mittlerweile waren sie vor einem kleinen, einfachen Gasthof angekommen, der Fionas Gedanken von den unheimlichen Stadthexern ablenkte. Von außen sah das Gebäude alles andere als einladend aus. Farbe und Putz blätterte von den Wänden, die Fenster waren dreckig und ließen nur einen schwachen Lichtschimmer durch und die Tür hing schief in den Angeln. Über dem Eingang hing ein vergilbtes Holzschild. Jemand hatte vor langer Zeit ein paar Bäume und ein Tier, das wohl ein Reh darstellen sollte, hineingeschnitzt und ‚Zur grünen Lichtung’ in reich verzierten Buchstaben darüber geschrieben. Früher einmal musste dies ein sehr feines Gasthaus gewesen sein, aber das war anscheinend schon lange her. Leider schien trotzdem genau hier Leonas’ Ziel zu sein.

Zu Fionas Erleichterung hatte man innen etwas mehr auf das alte Haus geachtet als außen, denn es war dort unerwartet warm und gemütlich und in der Gaststube hing ein großer, wohlriechender Suppentopf über dem Feuer. Als sie eintraten, wandten sich die übrigen Gäste ihnen interessiert zu. Eine Gruppe aus einem Nachtalben, zwei Trollen und ein paar Zwergen in einfacher Kleidung, die bislang hier ihr Bier genossen hatten, hörten augenblicklich auf zu lachen und unterbrachen ihr Würfelspiel. Ein weiterer Zwerg hatte bis zu diesem Zeitpunkt an den Saiten eines Musikinstruments herumgezupft und diesem einen sanften, melancholischen Klang entlockte. Auch seine Musik erstarb, als er die Ankömmlinge bemerkte.

Fiona warf ihnen ein nervöses Lächeln zu.

Hinter dem hölzernen Rezeptionstisch stand ein kleiner Waldgnom auf einer Kiste, ohne die er nicht hätte über den Tresen sehen können.
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Er sah Leonas’ Diener Dwal zum Verwechseln ähnlich, bis auf seine geschäftsmäßige Kleidung, die aus einer taillierten schwarzen Jacke mit passendem Hut bestand, die ihm beide viel zu groß zu sein schienen. Seine Augen begannen hinter seiner kleinen Brille zu leuchten, als er die Besucher erkannte.

„Willkommen! Was für Freude, Euch zu sehen hier, mein...“, wollte er sie begrüßen, aber Leonas sah ihn durchdringend an und er schien zu begreifen, dass seine Gäste inkognito reisten und verstumme.

„Schön dich wieder zu sehen, Reigam. Erinnerst du dich noch an mich? Valni aus Kleth! Und kennst du eigentlich schon meine Frau Obora?“ begrüßte ihn Leonas.

Fiona hätte schwören können, dass der Gnom zu einer Verbeugung angesetzt hätte, wenn Leonas ihn nicht unterbrochen hätte. Der Gnom verstand glücklicherweise sofort und seine Haltung wurde entspannter. „Valni? Ja, das ist Ewigkeit her, dass Reigam hat gesehen dich und deine schöne Frau. Was kann Reigam tun für dich?“

„Wir brauchen ein Zimmer für die Nacht, Reigam.“

Die anderen Gäste verloren das Interesse und setzten ihren feuchtfröhlichen Abend fort. Auch die Musik des Zwergs erklang wieder.

„Sicher, für Freunde nur bestes Zimmer in Haus.“ Mit einer geschickten Bewegung hüpfte Reigam von der Kiste und führte sie in den hinteren Teil der Herberge zu einer kleinen Kammer mit einer schweren Eichentür. Sie war sehr gemütlich eingerichtet, sauber mit frischen Binsen auf dem Boden aus festgestampftem Lehm, einem großen Doppelbett und im Kamin brannte ein loderndes Feuer, das tanzende Schatten in den Raum warf.

„Er kennt dich?“ fragte Fiona Leonas, als Reigam verschwunden war.

„Er ist Dwals Cousin und wir übernachten öfter hier, wenn wir auf Reisen sind“, erklärte er ihr. „Willst du noch in die Gaststube gehen?“

Sie hatte gar nicht gemerkt, wie müde sie eigentlich schon war und lehnte deshalb ab. Nachdem sie eine Kleinigkeit gegessen hatten, wollte sie nur noch schlafen. Sie setzte sich auf das Bett und begann ihre Wanderstiefel auszuziehen. Nur er blieb unschlüssig stehen.

„Wenn du willst, schlafe ich auf dem Boden“, schlug er vor.

„Sei nicht albern.
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Das ist ein großes Bett und wir sind beide erwachsen, oder?“

Er wartete kurz, aber der Gedanke an den kalten Boden schien ihm nicht wirklich zu gefallen und so legte er sich doch auf die andere Seite des Bettes, wenn doch allerdings sehr weit an die Kante, sodass sie schon befürchtete er würde jeden Moment herausfallen.

„Deine Freundin und mein Prinz werden schon nicht eifersüchtig werden, oder?“ kommentierte sie sein Verhalten, aber auch das veranlasste ihn nicht näher zu rücken. Sollte er, wenn es ihm so gefiel.

Fiona hatte erwartet, dass sie sofort einschlafen würde, aber am heutigen Tag war einfach zu viel passiert. Außerdem musste sie immer noch an den Prinzen denken. Als sie merkte, dass auch Leonas noch nicht schlief, beschloss sie, ihn das zu fragen, was ihr auf der Seele brannte. „Nehmen wir mal ganz kurz an, ich bin wirklich Fiora, was ist, wenn ich ihn nicht mehr liebe?“

„Wen meinst du?“ Sie konnte sein Gesicht nicht mehr sehen, weil das Feuer bereits verglomm.

„Den Prinzen. Immerhin wäre ich dann ein anderer Mensch. Ich würde mich nicht einmal erinnern können, wie ich früher gewesen bin. Vielleicht würde er mich dann jetzt auch nicht mehr wollen.“

„Keine Ahnung“, sagte er mürrisch. „Auf jeden Fall bist du es ganz sicher. Mach dir nicht so viele Gedanken und schlaf jetzt, wir müssen morgen noch sehr weit.“

Mit der Überzeugung, dass er ihr ausgewichen war, fiel Fiona in einen tiefen, traumlosen Schlaf.



Als sie am Morgen erwachte, musste sie sich erst wieder orientieren, wo sie war. Dann aber fielen ihr die Ereignisse des vorherigen Tages wieder ein: Drachen, Riesen, Spriggans, Trolle, Gnome und Prinzen. Es war alles immer noch unglaublich.

Helles Sonnenlicht breitete sich bereits im Zimmer aus. Sie blickte auf die andere Seite des Bettes, aber Leonas war verschwunden. Statt seiner saß der Waldgnom Dwal aufrecht auf einem Stuhl neben der Tür, wobei seine kurzen Beine nicht bis auf den Boden reichten.

„Gutes Morgen. Ihr geschlafen gut?“ fragte er sie, als er bemerkte, dass sie wach war.

„Guten Morgen Dwal. Wo ist Leonas?“

„Mein Herr nach Vreen geflogen. Hat gesagt Dwal auf Euch aufpassen, bis er zurück. Will melden Prinzen.
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“ Es klang als hätte er seinen Text auswendig gelernt.

Fiona sah ihre Chance, vielleicht würde sie aus dem kleinen Gnom mehr über diesen Prinzen herauszubekommen, als aus Leonas. „Dwal, erzähl mir bitte von meinem Mann“, bat sie.

„Nein“, Dwal schüttelte so heftig seinen Kopf, dass seine langen Ohren ein klatschendes Geräusch machten. „Herr hat gesagt, Dwal soll nicht reden über Prinzen, er mich sonst schicken nach hause in Heuna-Wald.“

Fiona wurde nachdenklich. „Bist du sein Sklave?“

„Nein, Dwal hat Lebensschuld. Viele Jahre her, Herr hat gerettet Dwals Leben. Dafür Dwal ihm schenken sein Leben und ihm folgen überall hin.“

„Wenn du mir schon nichts von eurem Prinzen verraten darfst, dann erzähl mir wenigstens mehr von deinem Herren“, bemühte sie sich.

Bevor der Gnom darauf antworten konnte, flog der Falke durch das geöffnete Fenster herein und Leonas stand vor ihnen und sah den Gnom fragend an.

Dwal sprang sofort von seinem Stuhl. „Dwal hat nichts gesagt, Herr. Hat sich genau an Befehls gehaltet. Aufgepassen auf die Lady bis Ihr wieder hier und nichts sagen.“ Mit diesen Worten kletterte er aus dem Fenster und verschwand fluchtartig.

„Du kannst ihm glauben“, sagte sie sauer, „er hätte sich eher die Zunge abgebissen, als mir irgendetwas zu erzählen. Wie der Herr, so der Diener.“

„Sind wir aber heute morgen schlecht gelaunt“, bemerkte er fröhlich. „Es wird dich freuen zu hören, dass ich in Vreen war. Man erwartet uns dort und der Prinz möchte, dass du das hier bekommst.“

Er überreichte ihr einen Brief, der mit einem kunstvollen Siegel verschlossen war, das einen fauchenden Drachen zeigte. Sie erbrach es, entfaltete die Nachricht und begann die feine, goldene Handschrift zu lesen.



Meine geliebte Fiora,

ich freue mich, dass es dir gut geht und dass du endlich wieder bei uns bist. Ich habe erfahren, was mit dir geschehen ist und ich möchte, dass du weißt, dass ich dich zu nichts drängen werde. Meine Liebe ist dir sicher und ich hoffe, dass unsere Magier möglichst schnell ein Heilmittel finden. Bis dahin sollte ich am besten meinen Platz an deiner Seite nicht einnehmen. Es wäre für uns beide sicher nicht gut. Mit Sehnsucht brenne ich darauf, dass wir bald wieder vereint sein werden.
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In ewiger Liebe L.



„Na, der macht es sich aber ganz schön leicht“, sagte Fiona, als sie den Brief beendet hatte.

„Wieso leicht?“ fragte Leonas verdutzt.

„Na ja, er sagt er liebt mich, aber wenn das stimmen würde, dann müsste er doch so schnell wie möglich herkommen wollen, aber er macht es sich einfach und verschwindet. Ich an seiner Stelle würde alles versuchen, dass sich meine Frau wieder an mich erinnert.“

„Also, ich finde das sehr edel“, entgegnete er. „Er sagt, er zwingt dich zu nichts. Wenn du dich nicht mehr an ihn erinnerst und ihn nicht mehr liebst, dann lässt er dich gehen und wenn du dich wieder erinnerst, umso besser.“

Das war seine Meinung. „Was heißt eigentlich dieses ‚L’?“ wechselte sie das Thema.

„Leoniases III.“, erklärte er. „Das ist...“

Mitten im Satz wurde er unterbrochen, denn Dwal erschien plötzlich wieder wie aus dem Nichts im Zimmer. „Herr, Gefahr!“ platzte er hervor. „Draußen Wachen!“

Leonas reagierte unverzüglich, nahm seinen Stab und sein Schwert und schlich aus dem Zimmer in Richtung Gaststube. „Du bleibst hier und rührst dich nicht bis ich zurück bin“, befahl er ihr, als er bemerkte, dass sie ihm folgen wollte.

Das kam ja überhaupt nicht in Frage, dass er sie hier so allein ließ – Dwal war bereits wieder verschwunden. So leise sie konnte folgte sie Leonas nach draußen.

Von den Gästen des Vorabends war in dem dunklen Raum nichts mehr zu sehen, nur der Geruch eines alten Feuers und des Eintopfs bewies, dass hier am Abend jemand gewesen war. Trotzdem war die Stube nicht leer. Drei Soldaten, ein Troll und zwei Nachalben, in blauen Uniformen, die dasselbe Drachenzeichen trugen, das Fiona auf dem Brief des Prinzen gesehen hatte, bedrängten Reigam.

Sie atmete auf, die Soldaten waren doch eindeutig von der Wache des Königs, Leonas brauchte doch nur zu sagen, wer er war – was auch immer er am königlichen Hof so tat – und die Wachen würden Reigam in Ruhe lassen. Aber wo war Leonas überhaupt? Sie blickte sich suchend um, immer darauf bedacht, dass die Soldaten sie nicht bemerkten. Erst bei genauerem Hinsehen entdeckte sie ihn. Er hatte sich hinter einem Vorhang verbogen und belauschte das Geschehen.
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Also war die Sache wohl doch nicht so einfach.

„Man hat uns berichtet, dass du zwei Menschen beherbergst, Gnom“, sagte der Troll gerade zu Reigam. Riesige, gelbe Zähne ragten aus seinem Maul hervor und Fiona befürchtete schon, er würde dem armen, kleinen Gnom den Kopf damit abbeißen.

„Menschen? Reigam hatte viele Gäste. Reigam weiß nicht“, stotterte der Gnom und seine grüne Haut war durchsichtig wie Papier. Er schien große Angst zu haben.

„Lüg nicht!“, fuhr ihn der Troll mit lauter Stimme an, die Reigam beinahe von seiner Kiste stürzen ließ.

„Beruhig dich“, mischte sich der größere der beiden Nachtalben ein, dann wandte er sich an Reigam, wobei er wohl versuchte seine dünne, pfeifende Stimme beruhigend klingen zu lassen. „Denk noch einmal nach, Wirt. Zwei Menschen, ein Mann und eine Frau mit roten Haaren.“ Er lächelte Reigam aufmunternd zu, was eine Reihe nadelspitzer Zähne entblößte, und schob dem Gnom eine Silbermünze zu.

Eins war klar, zuhause hieß dieses Spiel „Guter Bulle – böser Bulle“.

Reigam kannte das Spiel offensichtlich nicht, denn er nahm die Münze grinsend entgegen. „Richtig. Jetzt, wo du sagen. Hier gewesen zwei Menschen.“

Er hatte sie tatsächlich verraten. Fiona sah sich nach Leonas um, aber er war ruhig geblieben.

„Zwei Bauern aus Kleth, aber sind schon bei Sonnenaufgang weg“, fuhr Reigam fort, wobei er plötzlich eine unauffällige Geste hinter seinem Rücken machte, die Fiona gelten musste.

Sie blickte in die Richtung, die er gewiesen hatte, und sah auf der gegenüberliegenden Seite des Korridors eine kleine Klappe. Mit einem Satz erreichte sie sie und verbarg sich dahinter in einem dunklen Loch. Muffiger Kellergeruch stieg ihr entgegen und absolute Dunkelheit umfing sie. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, aber sie zwang sich, die Klappe etwas beiseite zu schieben, um dem Gespräch draußen weiter folgen zu können.

Der Troll schien langsam mit Reigam die Geduld zu verlieren. Wutschnaubend drückte er ihm die Klinge seines Dolches an den Hals und riss den kleinen Gnom vom Boden hoch. „Welches Zimmer, Gnom? Und wage es nicht mich zu belügen.“

„Zimmer neun“, presste Reigam hervor und in seiner Stimme schwang nackte Panik mit.
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Der Troll gab dem kleineren der Alben ein Zeichen und Fiona konnte hören, wie seine Klauen besetzten Füße nur wenige Zentimeter von ihrem Versteck vorbeizogen. Nach wenigen Minuten kam er zurück.

„Das Zimmer war leer“, meldete er, „aber es roch frisch nach Mensch und ich habe das hier gefunden.“

Fiona wagte es, die Klappe ein paar Millimeter weiter zu öffnen, sodass sie gerade noch sehen konnte, dass der Alb dem Troll ihren Brief des Prinzen übergab. Der Anführer grinste breit und steckte den Zettel, nachdem er ihn gelesen hatte, unter seine Uniformjacke.

„Nehmt diesen armseligen Gnom mit“, befahl er seinen Leuten. „Vielleicht hilft ein kleiner Aufenthalt im Kerker seinem Gedächtnis auf die Sprünge.“ Der größere Nachtalb packte Reigam unsanft und sie verließen die ‚Grüne Lichtung’.



Fiona wartete bis ihre Schritte nicht mehr zu hören waren, bevor sie sich aus ihrem Versteck wagte. Als sie die Klappe völlig beiseite geschoben hatte und vorsichtig herauskletterte, wäre ihr beinahe vor Schreck ihr Herz stehen geblieben. Leonas stand direkt vor ihr.

„Kannst du denn nicht einmal auf das hören, was man dir sagt?“ fragte er sie, aber es klang nicht wirklich böse.

Sie stand auf und wischte ein paar Staubflusen und Spinngewebe von ihrer Hose. „Und brav im Zimmer darauf warten, dass mich diese Typen mitnehmen?“

„Das hätte ich schon verhindert“, sagte er.

„Und warum hast du es bei Reigam nicht getan? Die Wachen gehörten doch eindeutig zum König und du doch angeblich auch. Warum hast du ihnen nicht gesagt, wer du bist?“

„Das waren keine Wachen des Königs, sondern des königlichen Stadthalters“, erklärte er.

Sie verstand nichts. „Gibt es da denn einen Unterschied?“

Er sah wohl ein, dass er es ihr erklären musste. „Offiziell natürlich nicht, aber Vreen ist groß. Die Stadthalter führen sich in ihren Städten auf, wie kleine Könige. Wir können gar nichts dagegen tun.“

„Das heißt, wenn du offiziell als Abgesandter des Königs um Reigams Freilassung bitten würdest...“ hakte sie nach.

„.
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..würde er mich wahrscheinlich verhaften lassen, um vom König irgendwelche Privilegien zugesprochen zu bekommen“, beendete er ihren Satz. „Die Wachen wussten genau, wen sie suchen. Wahrscheinlich haben uns die Stadthexer gestern erkannt und es ihm berichtet.“

Der Gedanke an die unheimlichen Gestalten ließ sie erschaudern. „Die sahen wirklich nicht gerade aus, als wollten sie uns zum Kaffee einladen.“

„Jetzt verstehst du hoffentlich endlich, warum wir inkognito reisen.“

Sie nickte, aber lieber wäre es ihr trotzdem gewesen, wenn er ihr das früher erzählt hätte. Also würden Drachen und Strauchdiebe wohl nicht ihr einziges Problem sein, auch wenn sie mit dem offiziellen Vertreter des Prinzen des Landes reiste. Es gab einiges in Vreen, das sie anscheinend noch dringend lernen musste. „Was wird jetzt aus Reigam?“

„Wenn er Glück hat, verhört ihn der Stadthalter ein paar Stunden und lässt ihn dann wieder laufen.“ Sie konnte an seinem Tonfall hören, dass er das selber nicht glaubte. „Aber wahrscheinlich“, fuhr er dann auch fort, „wird er irgendeinen fadenscheinigen Grund finden, um den Kleinen zu foltern, bis er ihm verrät, was er wissen will.“

Fiona konnte es kaum glauben, das war ja finsterstes Mittelalter. „Ist dein Leben denn so viel wert?“

„Und was ist mit deinem? Vreens Oberste Magierin wiederzubekommen würde sich König Belyn schon einiges kosten lassen. Dwal!“ rief er nach dem Gnom, der auch prompt auf die übliche Weise erschien. Er sah blass und ängstlich aus. „Dwal“, wies Leonas ihn an, „geh zur Stadtkommandantur und versuch rauszubekommen, was der Stadthalter schon weiß und was genau er von Reigam will.“

Der Waldgnom sah augenblicklich etwas besser aus, seine großen Ohren hoben sich und er blickte seinen Herren erwartungsfroh an. „Ihr Reigam befreien? Danke Herr, danke!“ Mit diesen Worten verschwand er.

„Damit haben wir uns jetzt wahrscheinlich eine Lebensschuld seines ganzen Clans eingehandelt. Wir werden nie wieder in Ruhe in den Heuna-Wald gehen können.“ Er überlegte. „Aber wir werden Hilfe brauchen.“

„Du sagst doch, wir können hier niemandem trauen“, erinnerte sie ihn.

„Ich habe auch an niemanden von hier gedacht“, antwortete er.

Bevor sie weiterfragen konnte, ergriff er seinen Stab mit beiden Händen und schloss die Augen.
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Er schien sich konzentrieren zu müssen und tatsächlich begann das Holz nach einer Minute in dem üblichen hellen Weiß zu leuchten. Dann passierte eine Zeit lang gar nichts, bis plötzlich kleine Flammen auf dem steinernen Boden entstanden. Ein heller, perfekter Kreis bildete sich, aber das Feuer leuchtete dabei unnatürlich orange. Mitten aus diesem Kreis erhob sich dann eine mannshohe Flamme, die tatsächlich die Gestalt eines jungen Mannes freigab.

Er schien etwa so alt wie Leonas zu sein und hatte auffällig feuerrotes, wild gelocktes Haar und ein rundes Gesicht voller Sommersprossen. Allerdings erinnerte seine Kleidung an die der Stadthexer, denn auch er trug einen langen, Mantel und einen spitzen Hut, alles in einem dunklen Grün. Aber sein Mantel wirkte eleganter und sein Hut war bei weitem nicht so hoch.

Als er Leonas sah, begrüßte er ihn freundschaftlich. „Ich hatte nicht gedacht, dich schon so bald wieder zu sehen, mein Freund“, sagte er und beide schlossen sich in die Arme.

„Fiora, das ist Pelleas von Edyn, der größte Zauberer der Kobolde und einer der fünf mächtigen Magier von Vreen“, stellte Leonas den anderen vor.

„Ich bin sehr erfreut dich kennen zu lernen“, sagte sie und das war sie wirklich, denn er sah nicht so Furcht einflößend aus, wie sie bei einem mächtigen Zauberer befürchtet hatte. „Ich hatte mir einen Magier immer ganz anders vorgestellt“, gab sie zu. Gleichzeitig war sie aber etwas enttäuscht, dass Kobolde anscheinend genau wie Menschen aussahen.

„Er ist die große Ausnahme und zieht den Altersdurchschnitt im Rat mächtig nach unten“, antwortete Leonas.

„Ich hoffe, du wirst mir bald wieder dabei helfen, Kleines“, sagte Pelleas und grinste so, wie man es sich bei einem Kobold vorstellte. Fiona mochte ihn sofort. „Aber warum hast du mich hergerufen?“ wandte er sich wieder an Leonas.

„Seldan, der Stadthalter, hat Reigam verhaften lassen. Er hat entdeckt, dass er uns versteckt hat.“

„Ich habe dir doch gleich gesagt, dass ihr nicht in Cres übernachten sollt. Seldan ist ein Schurke und Halsabschneider. Ich habe schon so viel Schlechtes über ihn gehört, da sollte sich unser Prinz mal dringend drum kümmern“, erklärte der Koboldmagier.
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„Ich werde es ihm sagen“, versprach Leonas.

In diesem Moment erschien Dwal wieder in der Gaststube und erstattete prompt Bericht. „Herr. Schlimm, ganz schlimm. Stadthalter will foltern Reigam, weil Reigam ihm nicht sagen, was er will hören. Er Reigam gegeben Zeit bis heute Mittag, ihm zu sagen, was er will wissen.“

„Und was ist es, was er wissen will?“ bohrte Leonas nach.

„Reigam ihm soll sagen, wo Lady Fiora und warum Prinz in der Stadt“, informierte der Gnom seinen Herren. Tatsächlich war er noch blasser als vorhin.

„Der Prinz?“ wunderte Fiona sich. „Wie kommt er denn darauf, dass der Prinz hier ist?“

„Anscheinend sind seine Quellen auch nicht die besten“, vermutete Pelleas und ließ sich auf einem Stuhl in der Gaststube nieder.

Gut, dass die Wachen die anderen Gäste anscheinend vertrieben hatten. Leonas setzte sich zu ihm und beratschlagte, was sie nun tun sollten.

Fiona tat der kleine Waldgnom richtig leid, der sich an die Feuerstelle zurückgezogen hatte. Sie hockte sich neben ihn und strich mit dem Finger sanft über seine Ohren. Dwal sah sie geknickt an, ließ aber nicht erkenne, dass ihm ihre Berührung unangenehm war.

„Es wird alles wieder gut“, beruhigte sie ihn. „Leonas und Pelleas fällt sicher etwas ein und dann ist dein Cousin bald wieder frei.“

„Wenn Lady Fiora das sagen“, war seine Antwort, die aber nicht danach klang, dass sie ihn überzeugt hatte.

„Bestimmt“, versicherte sie ihm. Mehr konnte sie im Moment wohl nicht für den Kleinen tun, also wandte sie sich wieder dem Gespräch der Männer zu.

„Zwar bin ich für die Gnome zuständig, aber ich kann da nicht einfach reingehen, sage: ‚Hallo ich bin Pelleas von Edyn. Lasst den Gnom frei’ und dann ist alles in Ordnung“, erklärte Pelleas gerade. Inzwischen sah er überhaupt nicht mehr wie ein mächtiger Zauberer aus. Fiona hatte gar nicht gemerkt, wann er seinen Zauberermantel gegen grüne Hosen und ein Leinenhemd eingetauscht hatte. „Reigam wäre nie wieder sicher hier in der Stadt“, ergänzte er.

„Dasselbe würde aber auch passieren, wenn ich zu ihm ginge. Seldan würde es nicht wagen, mich festzuhalten, wenn du dabei wärst, aber Reigam könnte seine Herberge zumachen.
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“ Leonas hatte offenbar auf eine Eingebung seines Freundes gehofft.

Fiona dachte nach. Reigam tat ihr leid, schließlich würde er jetzt alles verlieren, vielleicht sogar sein Leben und das alles nur, weil nicht ein Bauernpaar aus Kleth, sondern Leonas und sie hier übernachtet hatten. „Wie müsste so ein Bauernpaar aus Kleth eigentlich aussehen?“ fragte sie plötzlich, denn ihr war eine Idee gekommen. Vielleicht war es ein dummer Einfall, aber wenigstens war es einer. Die beiden Männer sahen sie fragend an. „Es war gerade nur so ein Gedanke, aber Reigam hätte keine Probleme, wenn man Seldan beweisen würde, dass wirklich nur Valni und Obora und nicht Fiora und Leonas hier übernachtet haben, oder?“

„Wie stellst du dir das vor? Wir sind hier viel zu bekannt, als dass uns das jemand abnehmen würde.“ Leonas war die Idee viel zu verrückt.

Pelleas hingegen schien begeistert. „Ich liebe deine Ideen, werte Freundin. Da merkt man dein Koboldblut.“ Sie sah ihn fragend an.

„Dein Großvater väterlicherseits war einer aus den Koboldvolk“, klärte Leonas sie auf. „Oder was hast du gedacht, warum deine Haare so rot sind? Deshalb neigst du auch leider all zu oft zu denselben Schnapsideen wie Pelleas.“

„Jetzt komm schon, Leonas“, versuchte der Zauberer ihn umzustimmen, „lass es uns versuchen und wenn alle Stricke reißen, stellen wir uns offiziell vor und der König gibt Reigam die Erlaubnis in Vreen eine Herberge zu eröffnen.“ Er wartete nicht, dass sein Freund seine Zustimmung gab. „Als erstes die Kleider.“ Er richtete seinen Zauberstab – einen dünnen, dunkelgrünen Holzstab von etwa vierzig Zentimetern Länge, in den Kleeblätter und verschiedene magische Runen geschnitzt waren – auf Fiona und ihre Hose und Weste verwandelten sich augenblicklich in ein schäbiges, abgetragenes Bauernkleid mit langer Schürze und ihr Haar verschwand unter einer Haube. Pelleas besah sich sein Werk. „Schade, du hättest das sicher besser gekonnt.“ Dann wandte er sich an Leonas. „Jetzt du.“

„Danke, erinnere dich, ich kann das zur Zeit selber“, wehrte der ab und erhob seinen eigenen Stab, um sich zu verwandeln. Ein paar Sekunden später trug auch er nicht mehr seine Reisekleidung, sondern abgescheuerte Beinlinge, einen mottenzerfressenen Umhang und einen alten Schlapphut.
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In seinem sonst so glatt rasierten Gesicht war ein brauner Vollbart erschienen. „Das klappt nie“, stellte er trotzig fest.

„Nicht, wenn ihr einfach so bei der Kommandantur ankommt.“ In Pelleas hellgrünen Augen blitzte es auf. Anscheinend hatte er eine neue Idee. Er erhob seinen Zauberstab erneut und hüllte nun seinen ganzen Körper in grelles, orangefarbenes Licht.

Als der Schein verblasste, hatte er sich vollkommen verändert und war zu einem Nachtalb in königlicher Uniform geworden. Niemand würde einen Unterschied bemerken, denn Pelleas hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Mit seinem schwarzen, pelzigen Gesicht, seiner fledermausartigen Nase, den nadelspitzen Zähnen und den großen Schwingen, sah er wirklich aus wie die Wächter, die Reigam abgeführt hatten. Nur seine leuchtendgrünen Augen verrieten ihn, aber wer würde darauf achten?

„Ich habe euch gerade verhaftet“, verkündete er und sogar seine Stimme klang nicht mehr wie vorher, sondern hoch und pfeifend.

Fiona klatschte vor Begeisterung in die Hände. Aber wenn Leonas dachte, dass sie zu so etwas fähig war, hatte er sich gewaltig getäuscht. Eine Gabe wie diese vergaß man doch nicht so einfach.



Da es schon fast Mittag war, beeilten sie sich und marschierten gemeinsam in Richtung der Stadtkommandantur. Leonas hatte Dwal zu Reigam geschickt, um dem Gnom Mut zu machen, damit er nicht in letzter Minute vor Angst seine Meinung ändern würde. Um sich selber und Pelleas schien er sich ja auch gar keine Sorgen zu machen, dafür aber umso mehr um sie.

„Du bist zu hübsch. Niemand, der bei halbwegs klarem Verstand ist, hält dich für eine einfache Bäuerin“, hatte er ihr erklärt.

Sie fühlte sich geschmeichelt und merkte, dass sie rot wurde. Sich selbst hatte sie nie für hübsch gehalten, denn sie war weder besonders schlank, noch hatte sie einen besonders gut gebauten Körper. Eigentlich sah sie eher durchschnittlich aus, hatte zu viele Sommersprossen im Gesicht und dann noch diese unmögliche Haarfarbe. Noch nie hatte ein Mann das anders gesehen und sie hatte sich damit abgefunden. Trotzdem war sie sicher, dass er es nicht gesagt hatte, um ihr zu schmeicheln.
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Er meinte es.

Sie mussten schon eine merkwürdige Prozession sein, als sie so durch die dreckigen Straßen von Cres gingen. Pelleas’ Stab hatte er in eine lange, spitze Lanze verwandelt und es machte ihm anscheinend Spaß, seinen Freund ab und an damit zur Eile anzutreiben. Die Bürger der Stadt blieben stehen und sahen ihnen nach, obwohl sie schnell wieder das Interesse verloren. Pelleas hatte zu berichten gewusst, dass Stadthalter Seldan fast täglich irgendjemanden abführen oder verhaften ließ und Leonas war anscheinend erleichtert, als er bemerkte, dass sie den Leuten kaum einen zweiten Blick wert waren.

Cres war auf einem Hügel erbaut worden und deshalb führten alle Straßen mehr oder weniger nach oben. Am Ende trafen sie sich schließlich am höchsten Punkt der Stadt in einem sternförmigen Platz, auf dem die Stadtkommandantur lag.

Das Gebäude passte gar nicht nach Cres, denn es erinnerte an ein mittelalterliches Stadtpalais. Fiona war sich sicher, dass es schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel haben musste, aber dennoch, war es weder verfallen noch alt. Ganz im Gegensatz erstrahlte der gesamte Bau in überzogenem Prunk. Viele Balken waren mit Blattgold und bunten Farben dekoriert, die Fenster und Türen waren mit Stuck und Schnitzereien verziert.

Der Platz war im Gegensatz zu allen Straßen der Stadt sauber und gepflegt. Teuer aussehende Granitsteine waren zu kunstvollen Mosaiken zusammen gelegt, die alle auf die Mitte des Platzes hinwiesen. Dort stand eine riesige Statue, bestimmt zehn oder fünfzehn Meter hoch, die ein geschickter Künstler aus einem reinen, weißen Stein gefertigt hatte. Fiona glaubte einen Satyrn zu erkennen, ein Wesen aus den griechischen Sagen, das obere Hälfte menschlich, dessen Beine aber die einer Ziege gewesen sein sollten. Er stand dort in siegessicherer Pose mit hocherhobenem Haupt, die Fäuste entschlossen in die Seiten gestemmt. Dazu trug es eine schneidige Uniform, die mit vielen kostbaren Orden geschmückt war.

„Sieh dir das an“, flüsterte Leonas, der ebenfalls die Statue anstarrte. „Das ist der große Tapferkeitsorden, die Drachentötermedaille und der Goldene Stern am Bande.“

„Ja, unser Seldan ist eben ein großer Held“, bemerkte Pelleas sarkastisch.

„Ich wüsste nicht, wofür der einen Orden verdient haben sollte.
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König Belyn hat ihm bestimmt nie einen verliehen.“

Erst jetzt fiel Fiona auf, dass der Platz keineswegs leer war. Unter den wachsamen Augen der Satyrstatue trainierte ein ganzes Bataillon von Soldaten. Einige führten Schaukämpfe aus, während andere sich um den Zustand ihrer Waffen kümmerten. Seldan hatte eindeutig eine eigene Armee.

Fiona bekam ein flaues Gefühl im Magen, wenn sie daran dachte, was diese kampferprobten Wesen wohl tun würden, wenn ihre kleine Maskerade auffiel. Sie hatte auch nicht die geringste Chance. Leonas war zwar ein sehr guter Kämpfer, aber gegen so viele konnte selbst er nicht bestehen, besonders, da er sein Schwert in der ‚Grünen Lichtung’ gelassen hatte. Auch auf Pelleas’ magische Kraft konnten sie nicht hoffen. Er hatte ihr erklärt, dass ganz Vreen aus starken und schwachen magischen Feldern bestand. Aus ihnen bezog er seine Macht. Cres sei, so hatte er erklärt, sehr schwach, so dass er hier nur Illusionen bewirken konnte und keine echte Magie. Es würde später reichen, um ihn selbst nach Vreen zu bringen, aber Fiona und Leonas konnte er nicht mit sich nehmen.

Nur Illusionen. Pelleas hatte es gesagt, als wenn es so leicht wäre. Sie wäre froh gewesen, hätte sie auch nur eine winzige Illusion erzeugen können, aber sie war nun einmal keine Magierin und vielleicht genauso wenig Fiora von Avalon, wie sie Obora von Kleth war.

„Los, kommt. Jetzt oder nie“, beschloss Leonas, weil alle drei am Rande des Platzes stehen geblieben waren, um Seldans Reich zu betrachten.

„Hey, ich habe dir nicht erlaubt zu reden“, fuhr Pelleas ihn an und versetzte ihm einen weiteren Stoss mit der Lanze, woraufhin Leonas ins Stolpern geriet. In letzter Sekunde konnte er sich abfangen.

„Übertreib es nicht“, flüsterte Leonas mit warnendem Unterton.

Pelleas zwinkerte Fiona verschwörerisch zu und sie musste sich beherrschen, nicht laut zu lachen.

Inzwischen war man auf sie aufmerksam geworden. In ihrer Nähe saß ein kleines, bärtiges Wesen, das aussah als wäre es aus einer einzigen, knotigen Baumwurzel gewachsen, an einem Wetzstein und polierte ein kurzes, schartiges Schwert.

Er unterbrach seine Arbeit, als er die kleine Gruppe bemerkte und maß Pelleas und seine Gefangenen mit forschendem Blick.
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„Hey Kollege, wen bringst du da?“ fragte er.

„Das sind die beiden Menschen, nach denen Stadthalter Seldan sucht. Ich habe sie in der Nähe der ‚Grünen Lichtung’ gefunden, sie wollten sich eben aus der Stadt stehlen“, erklärte Pelleas.

Der Wurzelzwerg schien mit dieser Erklärung zufrieden zu sein und widmete sich wieder seinem Schwert. Das Spiel konnte beginnen.



Auch das Innere der Kommandantur ließ darauf schließen, dass Seldan an nichts sparte. Schon allein der Boden der Eingangshalle bestand aus einem auf Hochglanz polierten Holzmosaik. Die Wände säumten zahllose Satyrstatuen aus feinstem Marmor, die immer wieder Seldan in verschiedenen Siegerposen zeigten.

„Ich glaube ich weiß, wo die königlichen Steuerprüfer sich bald mal wieder umsehen sollten“, grinste Pelleas und folgte der langen Eingangshalle in das Büro des Oberhauptmanns.

Da die Tür offen stand, ging Pelleas mit seinen Gefangenen einfach hinein und trafen dort auf zwei Männer, die so sehr ins Gespräch vertieft waren, das sie ihr Ankommen gar nicht bemerkten.

„Noch eine halbe Stunde bis Mittag, mein lieber Myrre, dann holen Sie den Gnom und foltern ihn so lange, bis er mir sagt, wo der Prinz und die Zauberin sind“, sagte der kleinere von beiden und Fiona war sicher, dass sie direkt vor dem berühmten Seldan stand. Obwohl das kleine Wesen, das in einem offensichtlich bequemen Ohrensessel am Fenster saß, kaum etwas mit den Statuen zu tun hatte. Das war kein heroischer Führer, sondern ein alter, schmierbäuchiger Satyr, dessen Haare und räudiges Ziegenfell auch schon bessere Zeiten gesehen hatten.

Sein Gegenüber hätte ihn wahrscheinlich um das vierfache überragt, selbst wenn Seldan gestanden hatte. Bei dem schlaksigen Elf, mit den langen, weißblonden Haaren, handelte es sich wohl um den Oberhauptmann.

Selbstzufrieden zog Seldan an einer Pfeife, die einen herben, unangenehmen Gestank verbreitete.

„Und dann“, fuhr er fort. „Wie wäre es mit Münzrecht? Wir prägen unser eigenes Geld und werden reich.“

„Verzeihen Sie, Herr Hauptmann“, machte Pelleas sich endlich bemerkbar.

„Was willst du, Soldat? Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin?“ fuhr ihn der Elf mürrisch an.
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Es schien ihm wohl nicht aufzufallen, dass er diesen Wachmann noch nie gesehen haben konnte. Dann bemerkte er Pelleas’ Begleitung. „Wer sind die beiden?“

„Die habe ich bei der ‚Grünen Lichtung’ aufgegriffen. Sie passten auf die Beschreibung der beiden, die wir suchen“, erklärte Pelleas.

Auch Seldan sah nun auf und sprang von seinem Sessel hinunter. Seine Hufe machten klackernde Geräusche auf dem Parkett. Selbstsicher schob er Pelleas beiseite, obwohl er diesem nur bis zur Taille reichte, und beäugte dann Fiona und Leonas von oben bis unten. „Das sind nicht der Prinz und die Lady“, entschied er endlich. „Wer seid ihr?“

„Valni und Obora aus Kleth“, antwortete Leonas und klang dabei, als hätte der Satyr ihn eingeschüchtert. „Wir sind Bauern und wollen unsere Verwandten in Càrn besuchen.“

„Die selben Namen hat uns der Gnom auch genannt“, bemerkte der Elf. „Gute Arbeit, Soldat.“ Er entließ Pelleas mit einer Handbewegung und dem Zauberer fiel anscheinend kein Grund ein, warum er noch hätte bleiben sollen. Seine Freunde mussten vorerst alleine zu Recht kommen.

„Bliebe nur die Frage offen, warum ein Bauernpaar einen Brief mit königlichem Siegel dabei hat, der an Fiora von Avalon gerichtet ist?“ sagte der Satyr und unterzog Fiona einer erneuten Überprüfung.

Den Brief hatte sie schon ganz vergessen, dann begann sie laut zu schluchzen. „Es tut mir leid, Euer Eminenz.“ Sie wusste nicht einmal, ob der Titel richtig gewählt war und hoffte, dass das von einer Bauersfrau auch nicht erwartet wurde. „Wir wurden als Boten beauftragt, den Brief nach Vreen zu bringen und der Lady zu übergeben.“ Tränen erstickten ihre Stimme. „Aber... ich war so neugierig und habe das Siegel erbrochen... ich dachte, ich kann es wieder schließen...“ Unfähig weiter zu sprechen warf sie sich an Leonas’ Schulter.

Auch er spielte mit und sah betreten zu Boden, was ihm offensichtlich ganz recht war, da er sich das Lachen über ihre schauspielerischen Leistungen kaum verkneifen konnte. So wie Fiona Pelleas kennen gelernt hatte, hätte er seine wahre Freude gehabt.

„Und wer ist dann dieser L. in dem Brief?“ Die Augen des Satyrs funkelten listig.

„Das hat uns Stadthalter Lemis nicht gesagt, als er uns den Brief gab.
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Bitte Herr, unsere Familie erwartet uns in Càrn. Meine Nichte heiratet. Das wird ein ganz großes Fest...“, erzählte Leonas.

„Es sind tatsächlich Bauern“, unterbrach in Seldan mit keifender Stimme, „Sie versetzten die komplette Wache in Aufruhr wegen ein paar Bauern, Myrre. Lassen Sie augenblicklich den Gnom frei und hoffen Sie mit mir, dass er nicht seinen ganzen Clan auf uns hetzt, Herr Leutnant“, spie er dem ehemaligen Hauptmann entgegen.

„Aber, aber, die Stadtzauberer...“ stammelte der.

„Verfluchte Stadtzauberer, die sehen doch immer mehr, als wirklich da ist.“ Mit diesen Worten stampfte der Satyr aus dem Zimmer. Valni und Obora waren entlassen.



Eine halbe Stunde später kehrte Reigam immer noch ein wenig aufgelöst, aber ansonsten gesund in die ‚Grüne Lichtung’ zurück.

„Reigam Euch ewig dankbar“, sagte er zu Fiona und Leonas.

„Ohne uns wärst du doch gar nicht in die Lage gekommen“, erinnerte ihn Fiona. „Wir sind quitt.“

Mit dieser Lösung schien Reigam zufrieden zu sein, bestand aber darauf, sie wenigstens noch auf eine Flasche seines besten Weins einzuladen.

Pelleas – inzwischen wieder er selber – lehnte dankend ab. „Ich muss nach Vreen zurück. Hier in der Gegend soll sich ein Drache herumtreiben und solange du noch fehlst, Fiora, fällt der uns noch in Vreen ein. Beeil dich und komm bald heim.“ Er lächelte sie an und verschwand auf der Stelle in einem orangefarbenen Feuerring.

Fiona wünschte sich, er könne sie mitnehmen. Zwar verbrachte sie gerne ihre Zeit mit Leonas, aber Vreen an sich wurde ihr langsam etwas viel. So viel Aufregung wie in den letzen zwei Tagen hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gehabt – es sei denn, sie war doch Fiora von Avalon… die sie aber nicht war.



Da es bereits dunkel wurde, entschieden sie sich noch eine Nacht Reigams Gastfreundschaft zu genießen. Zeitig am nächsten Morgen, nach einem ausgiebigen Frühstück aus Brot und Obst, das Fiona noch nie gesehen hatte, das aber wunderbar süß schmeckte, verabschiedeten sie sich von Reigam und verließen Cres.

Genau wie auf dem ersten Stück ihrer Reise sprachen sie wenig und Fiona hatte Zeit ihren Gedanken nachzuhängen.
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Diese Magie – einfache Illusionen, wie Pelleas ihr erklärt hatte – war so gewaltig, so unbeschreiblich. Sie sollte das und noch viel mehr können? Wie konnte sie so etwas besitzen? Wie hätte sie jemals so etwas vergessen können? Wie sollte sie Fiora von Avalon sein und damit sogar ihre große Liebe und ihr komplettes Leben vergessen haben? Igraine war mächtig, wenn sie jemandem so etwas antun konnte und sie hatte mindestens einmal gewonnen. Wer sagte, dass sie es beim nächsten Mal nicht schaffen würde? Dieses Land brauchte dringend die echte Fiora.



Ihr Weg führte an Feldern und Bächen vorbei und durch ein paar lichte Wälder. Gegen Mittag brannte die Sonne von einem strahlendblauen Himmel und es war drückend heiß, als sie eine Wegekreuzung erreichten.

Leonas blieb stehen. „Der rechte Weg ist länger, aber sicherer. Durch den linken sparen wir mindestens fünf Stunden, aber er ist sehr gefährlich.“

„Fünf Stunden?“ Fiona wischte sich den Schweiß von der Stirn und dachte an ihre schmerzenden Füße. Selbst ihre Blasen schienen bereits Blasen zu haben. „Dann lass uns bitte den kurzen Weg nehmen. Du beschützt mich doch und wie gefährlich kann ein Weg schon sein?“

Ohne seine Antwort abzuwarten, denn sie befürchtete er würde den langen Weg wählen, nahm sie den linken Pfad. Er musste ihr folgen, ob er wollte oder nicht.

Zunächst schien der Weg auch die richtige Wahl zu sein, er war eben und ausgetreten und führte durch einen lichten Tannenwald, der ihnen kühlenden Schatten bescherte. Aber nach und nach wurde er zunehmend enger und morastiger. Der Waldboden verwandelte sich in ein Moor und sie kamen nur langsam voran. Dichter Nebel stieg aus dem Sumpf empor und Fiona konnte kaum ein paar Zentimeter weit sehen. Schlingpflanzen schienen nach ihr zu greifen und überall bewegte sich etwas um sie herum.

Warum musste sie immer so stur sein?, fragte sie sich. Hätte sie auf Leonas gehört, er wäre sicher den bequemeren Weg gegangen, aber nein, sie hatte ihren Kopf durchsetzen müssen, wie immer.

Plötzlich verwandelten sich die Geräusche des Moores in Stimmen, die nach ihr riefen. „Fiona, wo bist du? Komm her zu mir!“

„Leonas, hast du das gehört? Das klang genau wie meine Mutter.
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“ Sie sah sich suchend um, aber von Leonas fehlte jede Spur. Der Nebel zog sich um sie wie ein Schleier.

„Fiona, komm nach Hause. Wir vermissen dich“, rief die Stimme ihrer Mutter lockend nach ihr.

Sie hatte den Weg sowieso schon verloren und jetzt auch noch Leonas, also folgte sie der Stimme hinein in den Sumpf. Das brackige Wasser stand ihr bis zu den Knien und immer mehr Dinge schienen sich darin zu bewegen. Nach ein paar Metern blieb sie stehen. Aus welcher Richtung kam die Stimme? Sie schien überall um sie herum zu sein und ihr Geist war von den Sumpfgasen total verwirrt. Sie watete in eine Richtung und merkte plötzlich, dass der Boden unter ihr nachgab. Langsam aber sicher versank sie im Moor.

„Mama, Leonas, Hilfe!“ schrie sie laut, aber sie war alleine.

Minuten vergingen, sie rief, aber weder er noch ihre Mutter war zu hören und sie war schon bis zur Brust versunken. Schwer drückte der Morast auf ihre Brust und machte damit und seinem Gestank das Atmen zur Qual. In wenigen Augenblicken würde sie ganz verschwunden sein und elendig im stinkenden Schlamm ersticken. Ihr Blick fiel auf einen Ast direkt rechts von ihr, den sie vorher nicht bemerkt hatte. Er war zwar alt und sah ziemlich morsch aus, aber wenn sie ihn nur erreichen könnte, vielleicht könnte sie sich daran selber aus dem Morast ziehen. Sie streckte sich, aber der Ast war unerreichbar. Unüberwindbare zwanzig Zentimeter trennten sie von ihrer Rettung. Wenn sie ihn nicht erreichte, war alles aus.

Mit einem Mal durchströmte sie eine völlig neue, unbekannte Kraft. Wohlige Wärme und ein Gefühl der absoluten Sicherheit überflutete ihren gesamten Körper. Sie kam sich vor, als hätte jemand in ihr ein Ventil geöffnet und nun etwas in ihr ausgegossen, das sie voll und ganz erfüllte. Erneut streckte sie ihre Hand nach dem Ast aus und auf wundersame Weise begann das tote Holz zu wachsen. Sie erreichte es und zog sich zentimeterweise auf den festen Boden zu, aber sie war nicht stark genug und das Holz zu morsch. Auf halben Weg versagten ihr ihre Muskeln den Dienst. Nun war alles aus. Das merkwürdige Gefühl in ihr war fort, nur eine innere Lehre war geblieben.

Plötzlich fassten sie zwei starke Arme aus dem Nebel und zogen sie das restliche Stück aus dem brackigen Sumpf.

„Leonas, du hast mir das Leben gerettet.
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“ Sie war so erleichtert, dass sie ihm an den Hals flog. Er war genauso nass, stinkig und dreckig, wie sie selbst, aber das war ihr egal.

„Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, Fiora. Du warst plötzlich verschwunden.“

„Meine Mutter hat nach mir gerufen“, erklärte sie noch völlig außer Atem.

„Das war nicht deine Mutter, sondern wahrscheinlich Sumpfgeister.“ Er sah sie liebevoll an. „Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist. Ich hätte es nicht ertragen, dich wieder zu ver... “

Sie verschloss seine Lippen mit einem Kuss. Später konnte sie nicht mehr sagen, ob es in dem Moment aus Dankbarkeit geschehen war oder ob die Sumpfgase ihre Sinne vernebelten, aber ihr größter Wunsch war es, seine Lippen auf ihren zu spüren und tatsächlich erwiderte er den Kuss.

„Ich habe doch gesagt, der Prinz kann mich nicht so lieben, wenn er zulässt, dass ich mich in dich verliebe“, sagte sie nach einer Weile, in der sie einfach so eng umschlungen dagestanden hatten. Plötzlich wusste sie, dass es wahr war. Irgendwann während dieser letzten drei turbulenten Tage hatte sie sich tatsächlich in ihn verliebt.

Augenblicklich ließ er sie los. „Fiora, das war ein Fehler. Wir hätten das nicht tun dürfen.“

„Vielleicht beweist dir das endlich, dass ich nicht Fiora bin. Wenn sie den Prinzen so sehr liebt, kann ich nicht sie sein. Denn ich will den Prinzen nicht“, entschied sie. „Ich will dich.“

„Hör auf damit. Komm, wir müssen nach Vreen, damit die Magier dir helfen“, sagte er steif und führte sie geradewegs aus dem Sumpf.



Durch das Moor hatten sie ein großes Stück Weg gespart und auf dem ganzen restlichen sprach er kein Wort. Wie konnte man nur so stur sein? Sie hatte sich in ihn verliebt und auch er konnte nicht leugnen, dass er etwas für sie empfand und trotzdem brachte er sie auf dem schnellsten Weg zu einem anderen Mann. Langsam war es an Fiona, so schnell wie möglich nach Vreen kommen zu wollen. Vielleicht konnten ihr Pelleas und die anderen Magier helfen, ihre Gefühle in Ordnung zu bringen. Kurz dachte sie auch an den Ast. Hatte sie das wirklich getan, oder waren es auch nur die Sumpfgase gewesen? Sie war nicht Fiora von Avalon, die von ihr aus auch gerne diesen Prinzen haben konnte.
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Verschiedenste Gefühle spielten mit ihr Pingpong. Sie musste Klarheit bekommen und im Moment konnte sie die nur von den Magiern erhalten.

Deshalb beeilte sie sich und im letzten Licht der untergehenden Sonne erreichten sie den Rand des Waldes und durch die Bäume sahen sie die glitzernde Stadt Vreen.
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Kommentare zur Story:

  Schön geschrieben.. weiter so. Ich warte schon auf die Fortsetzung  
UweB  -  12.10.07 12:26

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Kommentar von "ISA" zu "Das Hörspiel"

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