Plötzlich kamen alle wieder - Schluss   17

Nachdenkliches · Kurzgeschichten

Von:    Homo Faber      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 7. Februar 2007
Bei Webstories eingestellt: 7. Februar 2007
Anzahl gesehen: 2190
Seiten: 6

Diese Story ist Teil einer Reihe.

Verfügbarkeit:    Die Einzelteile der Reihe werden nach und nach bei Webstories veröffentlicht.

   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Am Wochenende feierten wir. Es gab drei Anlässe: Melanies negativer HIV-Test, nachträglich Biancas Rückkehr und die Versöhnung zwischen Melanie und mir. Ich sah Melanies Freund zum ersten Mal. Ich konnte nicht sagen, ob er mir sympathisch oder unsympathisch war, ich hatte einen neutralen Eindruck, was selten vorkam. Normalerweise hatte ich schon immer nach ein paar Sekunden einen ersten Eindruck, der sich auch immer bestätigte. Er war acht Jahre älter als Melanie, aber ich fand, sie passten trotzdem gut zusammen, zumindest optisch, das andere konnte ich ja nicht beurteilen so lange ich noch keinen richtigen Eindruck von ihm hatte. Melanie hatte ihm zwar erzählt, dass sie mal einen One-Night-Stand gehabt hatte, weshalb sie den Test gemacht hatte, hatte ihm aber nicht gebeichtet, dass es während ihrer Beziehung passiert war. Ich hatte ihr geraten es gar nicht zu erzählen, da dieser Seitensprung ja im Rausch passiert war. Warum unnötigen Beziehungsstress auslösen, wenn dies ungewollt war? Bianca hatte ihr dann aber zu dieser halben Wahrheit geraten, die wohl auch die vernünftigste Alternative war.

Wir waren wieder zu viert und darunter ein Paar. Aber es fehlte Pia. Bianca würde irgendwann wahrscheinlich auch wieder einen Freund finden, nur ich wäre dann noch allein. Ich hatte mit Bianca seit sie aus Wien zurück war, viel Zeit verbracht und Spaß gehabt, wenn sie wieder einen Freund haben würde, würde ich sie auch nicht mehr so oft sehen. Ich durfte nicht daran denken, wie es dann wäre.



Sonntagnachmittag kamen Melanie und Pia unerwartet zu mir. Beide sahen ziemlich aufgeregt aus. Es hatte sich doch nicht etwa etwas an dem Ergebnis des HIV-Tests geändert? Nein, ich glaubte nicht, sie wirkten eher fröhlich.

„Du hast mir doch erzählt, dass du manchmal immer noch denkst, dass jeden Moment dein Handy klingelt und du eine SMS von Pia bekommst“, fing Bianca an.

„Ja“, antwortete ich.

„Stell dir vor, es passiert wirklich“, sagte Melanie dann.

„Ja, aber wie kommt ihr jetzt darauf“, fragte ich und wusste nicht, was los war. „Du weißt doch, dass ihre Leiche nie gefunden wurde, als sie sich umgebracht hatte“, erzählte Melanie weiter. „Was wäre, wenn sie gar nicht tot wäre, sondern ihr Gedächtnis verloren hätte und deshalb verschwunden war?“

„Ich versteh nicht, was wollt ihr mir damit sagen?“, fragte ich.
Seite 1 von 6       


„Denk doch mal nach“, sagte dann Bianca. Beide sahen mich abwartend an und lächelten. Langsam wurde es mir klar.

„Ihr meint, dass es vielleicht wirklich so ist?“, fragte ich.

„Nicht nur vielleicht“, antwortete Bianca.

Das konnte doch nicht sein.

„Versteh ich euch jetzt richtig? Ihr wollt mir sagen, Pia ist nicht tot?“, fragte ich hastig. „Ach, das ist doch völlig absurd, ihr wollt mich doch veräppeln.“

Ich glaubte natürlich nicht, dass sie über so etwas scherzten, aber das, was sie mir erzählen wollten, konnte ich einfach nicht glauben.

„Nein, wollen wir nicht“, sagte Melanie.

„Pia lebt!“, betonte Bianca dann.

Ich konnte es immer noch nicht glauben. Pia lebte? Sie wollten mich nicht veräppeln, ich glaubte ihnen. Aber irgendwie war es noch nicht richtig zu mir durchgedrungen. Es wäre ein Wunder. Ich glaubte gleich umzufallen.

„Wo ist sie?“, fragte ich. „Habt ihr sie gesehen?“ Beide nickten und grinsten. „Sie ist hier, sie wartet draußen, wir dachten, es wäre besser, wenn wir dich erst einmal darauf vorbereiten“, sagte Bianca.

Ich wollte es nicht vor ihnen tun, aber trotzdem begann ich vor Freude zu weinen.

„Soll ich sie hereinholen?“, fragte Melanie.

„Ja, bitte“, sagte ich.

Sie ging zur Tür. Es würde jetzt nur noch maximal 5 Sekunden dauern, bis ich sie sah, doch konnte ich diese fünf Sekunden kaum abwarten. Wie sie wohl jetzt aussehen würde? Etwa zwei Sekunden später hatte sie die Tür geöffnet und rief Pia. Ich starte zur Tür. Mein Herz klopfte. Ich hörte Schritte. Etwa zwei weitere Sekunden vergingen. Dann sah ich sie. Sie stand wirklich dort. Sie blieb kurz in der Tür stehen und sah mich an. Sie war noch so schön wie damals. Ihre Haare waren länger und sie sah, wie auch Bianca, etwa zwei Jahre reifer aus. Dann eilte sie auf mich zu, wir fielen uns um die Arme. Auch sie musste weinen.

„Du lebst“, brachte ich hervor. Sie nickte.

„Ihr habt sicher viel zu besprechen, wir lassen euch erst mal allein“, sagte Melanie.

„Okay, wir sehen uns die Tage“, sagte ich.
Seite 2 von 6       


„Ich hab dich so vermisst, jeden Tag“, sagte ich zu Pia.

„Es tut mir alles so leid“, sagte sie, während sie noch weinte. „Die ganzen zwei Jahre…Ich konnte mich an nichts erinnern“, fuhr sie fort.

„Hauptsache, du lebst“, sagte ich.

„Soll ich dir alles erzählen?“, fragte sie. Ich nickte.

„Ich bin nachdem ich versucht hatte, mich umzubringen, irgendwann im Krankenhaus aufgewacht und konnte mich an gar nichts erinnern, ich wusste nicht einmal, wer ich bin. Man sagte mir, dass ich beinahe ertrunken sei, irgendjemand mich gefunden hatte, wie ich bewusstlos im Fluss getrieben bin. Ich hatte auch keine Papiere dabei, so dass keiner meine Identität feststellen konnte. Da mein Gedächtnis nicht zurückkehrte, haben die Ärzte schon befürchtet, ich würde mich vielleicht nie wieder erinnern.“

„Wo bist du die zwei Jahre gewesen?“, fragte ich.

„Im Sauerland. Ich bin dort in einer Pension untergekommen, dass einem älteren Ehepaar gehörte, wo ich die ganzen zwei Jahre gelebt habe. Ich habe dort auch gearbeitet. Sie waren wirklich sehr nett und haben mich immer gut behandelt.“ „Das ist schön, das ist wirklich schön“, antwortete ich.

„Dann vor ein paar Tagen, als ich gerade in der Schwimmhalle gewischt hab, bin ich am Beckenrand ausgerutscht und ins Wasser gefallen. Plötzlich habe ich mich an alles wieder erinnert! Das Ehepaar hat daraufhin meine Mutter angerufen. Die ist zusammen mit meinem Vater gekommen und hat mich abgeholt. Sie sind so glücklich, und stell dir vor, sie wollen beide noch einmal von vorn anfangen und wieder zusammen ziehen.“

„Wirklich? Das freut mich.“

„Ich hab mich heute dann bei Melanie gemeldet, das heißt, meine Mutter hat sie angerufen, sie hätte ja sonst einen Schock bekommen, wenn ich plötzlich vor ihrer Tür gestanden hätte. Dann hab ich von Mel auch erfahren, dass Bianca wieder hier ist. Wir haben uns dann heute auch sofort getroffen, wie du gesehen hast, wir wollten dann zusammen zu dir.“

„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du hier vor mir stehst“, sagte ich. „Es tut mir so leid, was ich damals gemacht habe. Hätte ich es nicht getan, wäre es gar nicht so weit gekommen.“

„Du warst einfach zu verzweifelt“, sagte ich.
Seite 3 von 6       
„Geht es dir jetzt wieder gut?“

„Ja, es geht mir wieder gut“, sagte sie. „Mein Vater hat eingesehen, was er falsch gemacht hat und ist nicht mehr mit dieser Frau zusammen. Und wenn er mit meiner Mutter wieder zusammen zieht, kann es nicht mehr schöner werden. Ich werde jetzt gucken, ob ich eine Arbeit finde und versuche bald einen Studienplatz zu bekommen oder eine Ausbildungsstelle. Aber es macht mir niemand mehr Druck. Und ich habe euch noch alle.“

„Und ich habe euch drei auch alle wieder“, freute ich mich.

Es war wirklich ein Wunder, dass alle fast zur selben Zeit wieder kamen. Erst mein Vater, dann Bianca, kurz darauf Melanie und jetzt Pia.

„Aber ich habe auch eine schlechte Nachricht für dich“, sprach sie dann.

„Was für eine denn?“, fragte ich. Ich hatte schon einen leisen Verdacht, was mich jetzt erwartete.

„Inzwischen gibt es jemand anderen in meinem Leben“, sagte sie. Das bestätigte meinen Verdacht. Ich sah zu Boden.

„Es tut mir leid“, sagte sie. Ich nickte.

„Zwei Jahre sind eine lange Zeit, da kann viel passieren“, sagte ich.

„Er war die ganze Zeit für mich da, anfangs war es Freundschaft, aber irgendwann wurde Liebe daraus. Als ich mein Gedächtnis wieder hatte sind meine alten Gefühle leider nicht mehr zurückgekehrt“, erklärte sie mir und sah mich mitfühlend an.

„Bitte mach dir keine Vorwürfe, du kannst nichts dafür. Ich werde damit klarkommen. Wir bleiben doch Freunde, oder?“, fragte ich.

„Aber natürlich bleiben wir das“, sagte sie und nahm mich in den Arm.

„Und wir unternehmen alle gemeinsam etwas an den Wochenenden?“

„Aber ja, wie früher. Nein, du wirst mich nicht verlieren“, beruhigte sie mich. Sie war wieder da, aber es würde auch jetzt nicht mehr so wie früher werden.



Als ich später spazieren ging und nachdachte, wurde mir plötzlich klar, dass meine Gefühle sich auch geändert hatten, ich es aber nicht gemerkt hatte. Ich spürte, dass mein Herz für jemand anders zu schlagen begonnen hatte, für jemanden, mit dem ich viel in der letzten Zeit unternommen hatte.

Ich musste zu Bianca. Ich rannte los. Ich rannte und rannte. Wahrscheinlich war sie jetzt sowieso noch nicht da, aber ich wollte bei ihr warten.
Seite 4 von 6       
Ich war fast bei ihr zu Hause angekommen, da sah ich sie, als sie an der gegenüberliegenden Straßenseite aus einem Bus stieg.

„Bianca“, rief ich. Sie drehte sich um. Ich winkte.

„Martin“, rief sie überrascht und blicke erfreut, im selben Moment ging sie ohne auf den Verkehr zu achten über die Straße, um zu mir zu kommen. Ich sah noch wie ein Auto in dem Moment kam und mit einer Vollbremse anhielt, sie sprang erschrocken zur Seite und fiel um. Ich konnte nicht erkennen, ob das Auto sie erwischt hatte.

„NEIN!“, schrie ich und rannte zu ihr. Sie lag völlig reglos dort.

„Sie kam plötzlich auf die Straße, ich konnte nichts machen“, sprach der Autofahrer, der ausgestiegen war, voller Panik auf mich ein. Ich reagierte darauf nicht und kümmerte mich um Bianca. Ich schüttelte sie, doch sie reagierte nicht. „Bianca, bitte sag doch was“, sprach ich auf sie ein, doch sie reagiert nicht. „Bitte, du darfst nicht sterben, bitte tu mir das nicht an.“ Immer noch keine Reaktion.

„Ich…ich… rufe einen Rettungsarzt… eh einen Notwagen“, stotterte der Mann. Ich streichelte ihr über den Kopf.

„Bitte, komm zu dir“, flehte ich.

„Ich liebe dich“, kam es plötzlich aus mir heraus. Plötzlich öffnete sie ihre Augen und legte ihre Arme um meinen Hals.

„Hereingefallen“, sagte sie und zog mich an sich und küsste mich. Ich erwiderte den Kuss. Es wurde ein langer Kuss. Plötzlich hörte ich jemanden klatschen, da sah ich erst, dass sich inzwischen einige Zuschauer um uns versammelt hatten, deren Rest jetzt auch zu klatschen begann. Wir beide standen auf und nickten ihnen dankend zu. Der Fahrer des Autos schüttelte den Kopf, musste aber auch lachen und klatschte.

„Alles in Ordnung, nichts passiert“, meinte Bianca zu ihm. „Tut mir leid, ich wollte sie nicht erschrecken“, entschuldigte sie sich dann noch bei ihm und grinste. Er stieg darauf hin zurück in sein Auto und fuhr weiter.

„So, aber mich wolltest du schon erschrecken“, sagte ich zu ihr.

„Hm…ja“, grinste sie und küsste mich. „Könntest du das vielleicht wiederholen, was du vorhin gesagt hast?“, fragte sie.

„Ich liebe dich“, wiederholte ich.

„Ich dich auch“, antwortete sie, und wir gingen Arm in Arm los, es gab noch viel für uns zu sagen.
Seite 5 von 6       




Nun war ich endlich wieder richtig glücklich. Ich wusste nicht, wie lange ich sie schon liebte, vielleicht schon die ganze Zeit, aber erst als Pia wieder kam, wurde es mir bewusst. Jetzt wusste ich, warum meine Mutter, als ich ihr im Jenseits begegnet war, gesagt hatte, dass alles seinen Grund hatte. Ich wusste nach wie vor nicht, ob es nur ein Traum war oder vielleicht doch Realität, aber was spielte es noch für eine Rolle? Ich hatte mein Leben wieder, es waren alle wieder da, fast alle. Gleichzeitig war es so, als gäbe es ein anderes Ich von mir, das unabhängig von mir lebte und noch immer glücklich mit Pia war, während ich es mit Bianca war.

Es blieb dabei, es würde nie wieder so wie früher werden, nur eines: genau so schön. Ich freute mich auf den Sommer.
Seite 6 von 6       
Punktestand der Geschichte:   17
Dir hat die Geschichte gefallen? Unterstütze diese Story auf Webstories:      Wozu?
  Weitere Optionen stehen dir hier als angemeldeter Benutzer zur Verfügung.
Ich möchte diese Geschichte auf anderen Netzwerken bekannt machen (Social Bookmark's):
      Was ist das alles?

Kommentare zur Story:

  Hallo,

danke für eure bewertungen und vor allem fürs lesen, war ja wirklich eine lange story :-). Ich freu mich, dass euch die geschichte gefallen hat.

liebe grüße
Holger  
Homo Faber  -  15.02.07 00:06

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  hallo, holger, ist doch schön, wenn alles ein gutes ende nimmt. leider ist es im leben nicht immer so. aber ich glaube auch, dass alles einen sinn hat, den man oft erst sehr spät erkennt. aber besser spät als nie. eine rührende geschichte.
einige bemerkungen: am anfang sind zu viele - hatte - hintereinander,
... bestätigte. er war... was? der eindruck? lach.
na, ja, und so einige andere fehler.
aber darüber kann ich hinweg sehen, ist ja eine lange geschichte. also, nochmal - gefällt mir gut. und ist flüssig geschrieben.
gruß von rosmarin  
rosmarin  -  09.02.07 18:29

   Zustimmungen: 5     Zustimmen

  Hallo, die Geschichte hat mir im Ganzen sehr gut gefallen. Spannend, ergreifend und auch humorvoll. Schade, dass es nun vorbei ist. Hut ab. für so viel Ausdauer, eine solche lange Geschichte zu schreiben. Gruß Sabine  
Sabine Müller  -  09.02.07 18:02

   Zustimmungen: 5     Zustimmen

Stories finden

   Hörbücher  

   Stichworte suchen:

Freunde Online

Leider noch in Arbeit.

Hier siehst du demnächst, wenn Freunde von dir Online sind.

Interessante Kommentare

Kommentar von "Unbekannt" zu "Violett"

schöö :-)

Zur Story  

Aktuell gelesen

  In Arbeit

Funktion zur Zeit noch inaktiv. Über ein Konzept zur sicheren und möglichst Bandbreite schonenden Speicherung von aktuell gelesenen Geschichten und Bewertungen, etc. machen die Entwickler sich zur Zeit noch Gedanken.

Tag Cloud

  In Arbeit

Funktion zur Zeit noch inaktiv. In der Tag Cloud wollen wir verschiedene Suchbegriffe, Kategorien und ähnliches vereinen, die euch dann direkt auf eine Geschichte Rubrik, etc. von Webstories weiterleiten.

Dein Webstories

Noch nicht registriert?

Jetzt Registrieren  

Webstories zu Gast

Du kannst unsere Profile bei Google+ und Facebook bewerten:

Letzte Kommentare

Kommentar von "Michael Brushwood" zu "Sich fühl'n wie Seifenblasen"

Liebe Rosmarin, der Hase stammt übrigens aus der Oberlausitz. Diese Art von Volkskunst finde ich besonders amüsant. Da Ostern diesmal mit der Zeitumstellung einhergegangen ist, und die Kinder ...

Zur Story  

Letzte Forenbeiträge

Beitrag von "Tlonk" im Thread "Winterrubrik"

auch von mir. Bleibt gesund und munter und wer es nicht ist, werdet es. Macht diesen schönen Feiertag zu etwas Besonderem. Ihr habt es in der Hand. Euer Tlonk

Zum Beitrag