Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten

Von:    ThiloS      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 10. Januar 2006
Bei Webstories eingestellt: 10. Januar 2006
Anzahl gesehen: 2846
Seiten: 2

Weil es immer wieder das gleiche ist. Ich gehe friedlich und mit der Welt im Einklang durch unsere Fußgängerzone, stelle mich am Eissalon an, der bei uns noch herrlich dämlich "Capri" oder "Venezia" heißt und während sich der Senior vor mir für seine Enkelschar für fuffzich Märker Speiseeis in eine Tüte packen lässt, fällt mein wartender Blick auf ein grellgelbes Plakat mit einem wirklich schlechten Schwarz-Weiss-Foto. Drunter in origineller "Book Antiqua"-Schrift "SPIDERMAN".



Schön und gut. Die Rockband mit dem super-ausgefallenen Namen gibt ein Konzert. Und weil’s mal wieder länger dauert, schaue ich mir das Foto dann dochmal näher an. BINGO!!!!



Eine Mauer. Davor 5 Typen mit Frisuren, die jeden Friseur an den Galgen brächten.



Wie immer guckt einer zur Seite, einer hat eine Sonnenbrille auf, sein Nachbar sieht gelangweilt aus und hat die Hände in den Taschen, dessen Nebenmann wiederum ist im Profil zu sehen, wie er auf seine Schuhspitzen guckt. Und der letzte der fünf Clowns kniet vor der Gruppe und blickt aufsässig/romantisch direkt auf den Betrachter/die Betrachterin.



Kurz, man sieht: Die Jungs sind Revoluzzer. Die sind cool, die sind wirklich gut. Die sind Musiker und die geben keine Zugaben im Madison-Square-Garden. Die halten uns mit ihren sozialkritischen Texten und dieser neuen Art, Songs zu schreiben, den dreckigen Spiegel der abgefuckten Gesellschaft unter die Nase.



Und die Jungs können auch anders. Die Jungs können wild romantisch sein. Geburtstagsrosen aus dem Blumen-Bouquet einer frisch aufgebahrten Leiche, ein Ehering aus dem Gaszug der Harley, Jungs, die die Freiheit lieben und sich nicht an die herrschenden Gesetze der Nomenklatura anpassen wollen. So, wie junge Revoluzzer eben sind!



Und da die Revoluzzer-Band so ehrlich anders als alle andern sein will, sieht sie genauso aus wie alle anderen ehrlichen Revoluzzer-Bands. Alle stehen cool und furchtbar provozierend und auch irgendwie doof vor einer sozialkritischen Backsteinwand (gerne mit Graffitos) herum.



Ich habe ja so die leise Vermutung, dass es IMMER das gleiche Foto ist – mit bestenfalls veränderten Köpfen. Irgendwo in Deutschland muss es eine Agentur geben, die Laienmusiker anschreibt mit dem Text: "Ihre Band vor der Backsteinwand.
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Einfach Passbilder einschicken und los gehts"!



Und während der Rentner vor mir seine Rechnung augenscheinlich in 10-Pfennig-Stücken bezahlt, frage ich mich: Was wollen mir die Musiker von "Spiderman" mit dem Foto sagen?



"Schau her, wir kommen aus dem falschen Viertel der Stadt. Aber wir wollen nach oben"? Oder "wenn Du glaubst, dass wir scheiße aussehen, dann solltest Du erst mal unsere Musik hören"? Oder "das ist die Innenwand vom Jugendknast, da tust Du ein gutes Werk, wenn Du für uns Eintritt bezahlst"?



Mir geht dann immer die Frage durch den Kopf, wer von denen wohl welches Instrument spielt....



Der Heini im Vordergrund ist wahrscheinlich der Lead-Sänger, der die Teenies zum Kreischen bringen soll. Sieht so irre sexy aus in seinem blöden T-Shirt.



Der Stiefelgucker, da er so intensiv und introvertiert auf seine Schuhe guckt, ist sicherlich der Bassist ("halt die Schnauze, sonst ersetzen wir Dich durch einen Sampler".



Der Typ mit den Händen in der Tasche ist schätzungsweise der Keyboarder, klar ist der gelangweilt. Der hat Sonntags schon seine Midispuren programmiert und könnte während des Auftritts getrost eine warme Mahlzeit zu sich nehmen, ohne sich einmal zu verspielen.



Mr. Sonnenbrille ist garantiert der Schlagzeuger. Einmal beim Solo übertrieben und - zack- war der Stick im Auge. Außerdem hat er so schöne Oberarme.



Und Django Seitenblick ist ganz klar der erste Gitarrist, an allem außer seinem Solo uninteressiert, da er seine läppischen Akkorde im Schlaf beherrscht.



Der Rentner vor mir ist fertig mit Zahlen und Eiseinpacken und erzählt dem gähnenden Gelatiitaliener, dass er jetzt zum Platzkonzert im Park geht.



Ich hole mir einmal Schoko-Vanille und freue mich auf biedere katholische Bauerntöchter mit Klarinetten im karierten Rock.
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Kommentare zur Story:

  Sorry hat meine Namen vorhin vergessen. Und Kritik, auch wenn sie positiv ist, ohne Namen ist immer blöd.  
Daniel Schlund  -  10.01.06 20:10

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Das witzige an dieser Story ist, das es einfach die Wahrheit ist. Super wizig geschrieben.  
Unbekannt  -  10.01.06 20:09

   Zustimmungen: 5     Zustimmen

  Herrlich köstlich, diese Geschichte - und wie wahr. Die Herren wollen nach etwas aussehen - und sind doch nicht mehr als alle anderen 6,6 Milliarden auf der Welt.  
Rosamunde  -  10.01.06 15:45

   Zustimmungen: 5     Zustimmen

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Interessante Kommentare

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