Hinter den schwarzen, noch blattlosen Bäumen verabschiedet sich die Sonne, um den Druiden ihren Zeitraum zu öffnen. Das Gold ist gleißend, es blendet und hinterläßt Nachbilder auf dem betrachteten Objekt. Was sehen Sie denn da? Ach ich sehe nicht mit den Augen, daher sehe ich anderes als ihr und sehe das andere anders als erlernt. Die Schmutzflecken des langen Winters auf der Scheibe brechen das Sonnenlicht noch tausendmal. Hinter dem Wald ist die Welt zu Ende. Dort befinden sich meine Grenzen -, bis dorthin kann ich noch allein gehen. Die Nachbilder halten an, als die Sonne einen gelben Himmel hinterläßt und kein Versprechen abgegeben hat. O meine schöne Welt bei mir.
Innen bist du gar nicht so schön, sagte einer zu seinem Gegenüber, wohl wissend, daß er zunächst auf Unverständnis stoße. Das bedeutet, wir müßten Schönheit neu definieren, wenn wir keine Haut hätten. Das Gegenüber schaute an sich herunter, sah durch Glas hindurch auf all die Muskeln, Sehnen, Knochen, Nerven, Adern und Organe – und mußte zugeben, daß sich alles durch Farben unterschied. Aber schön? Ich wußte nicht, daß wir gar keine Haut brauchen, die uns zusammen hält. Alles lag Kontur an Kontur -, inmitten das pulsierende Herz, das nicht so rot war, wie man es sich vorstellt. Nimmt man ein Organ vorsichtig in die Hand ..., ja mitnehmen kann man es nicht. Das machen die Zusammenhänge: durchscheinende helle Wurzeln – radix – oder feine Häute – fascia . Suche dort eine Seele. Suche dort, weshalb die Nerven körperliches Fühlen senden. Suche dort, was wohl dein geistiges Empfinden hervorruft. Suche dort, was Schmerz in Wirklichkeit ist. Du wirst ja nur dazu erzogen, ‚blau’ und ‚grün’ und ‚Schmerz’ zu sagen. Und Freude, Trauer, Frohsinn, Wehmut erzeugen sich selbst. Das, was wir sehen und wie wir es sehen und wie wir es nennen, ist anerzogen. ‚Rot’ könnte auch ‚gelb’ sein. Aber wie unterscheidet sich deine Freude von meiner? Meine ‚Freude’ ist orangerot. Wenn du kein Synaesthetiker bist, ist deine ‚Freude’ schwarz. Sieh in dich hinein, laß’ den freudigen Inhalt weg und sag’, wie deine Freude aussieht, welche Farbe sie hat. Dann dürfen wir vergleichen, ob deine und meine ‚Freude’ sich ähnlich sind. Ob wir das Wort vermeiden können und dennoch unsere Freude beschreiben.
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Der gläserne Mensch sah wieder an sich herunter und suchte in seinem Inneren die Freude. Aber sie ist den Augen der Anatomen verborgen und kann nicht rekonstruiert werden. Im gläsernen Menschen gibt es sie nicht. Wer den Gläsernen betrachtet, sollte die Freude schon längst kennen gelernt haben. Und was im Glashaus sitzt, muß frieren. Ohne Haut. Reiß’ die Haut in Fetzen. Danach bist du nicht mehr schöner als die anderen. Innen sind wir alle gleich unschön.
Dennoch froh, nicht als hippopotame geboren zu sein
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