Nachdenkliches · Kurzgeschichten

Von:    Klaus Asbeck      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 17. März 2005
Bei Webstories eingestellt: 17. März 2005
Anzahl gesehen: 2485
Seiten: 2

Er beugte sich über sie und flüsterte tonlos. „Verlass mich nicht, bitte verlass mich nicht. Himmel, wo steckt dieser verdammte Gott der Barmherzigkeit.“ Er küsste ihre blassen, trockenen Lippen und presste ihre Hand gegen sein Herz. „Barmherziger Gott, was mach ich nur ohne sie, nimm sie mir nicht fort.“



Sie schlug ihre Augen auf und schaute ihn wie aus weiter Ferne an. Ihr Gesicht überkam ein friedvolles Lächeln. Und er spürte einen leichten Druck ihrer Hand in der seinen. Dann erlosch der Glanz in ihren Augen. Für einen Augenblick starrte er sie ungläubig an. Ein tierischer Schrei entrang sich seiner Brust. Er warf sich über sie, küsste sie und riss sich sein Hemd entzwei. Dann jedoch erfasste ihn plötzlich eine tiefe Ruhe, so, als habe ihn die Vorsehung angerührt.



Er schloss ihre Augen, breitete die Decke über ihr Gesicht, holte seinen veralteten Armeecolt aus einer Schublade, setzte sich den verschossenen Armeehut auf, entnahm einem Regal einen Kanister Petroleum, goss es in der ganzen Hütte aus und zündete es am Eingang an. Beim Verlassen der Hütte murmelte er: „Allmächtiger, kümmere Dich um unsere Seelen.“



Aus dem Stall holte er sein Maultier, legte ihm das Zaumzeug an, streichelte seinen Hals und stieg sehr behutsam auf. Das Maultier wendete, um wie gewohnt zur nächsten Ansiedlung zu traben. Doch er lenkte es um: „Nein, Charly, nicht in die Kneipe, in die Berge.“ Unwillig folgte Charly dieser Aufforderung. Er wurde dieses Mal nicht zur Eile angetrieben. So strebten der alte Colonel und sein langjähriger Gefährte langsam den nahen Bergen zu. Charly spielte nicht mit seinen langen Ohren, sondern ließ sie hängen. Und der Colonel summte keine vertraute Melodie aus besseren Zeiten.



Auf der ersten Anhöhe hielt er Charly an und blickte zurück. Seine Hütte stand in lodernden Flammen. Das war gut so. Sodann setzten sie ihren Weg fort. Der schmale Pfad wand sich höher und höher, bis er auf einem kleinen Plateau endete, das einen Blick weit über das Land gestattete, dem Himmel aber näher als der Erde zu sein schien. Hier stieg der Colonel ab, befreite Charly vom Zaumzeug und gab ihm einen Klaps: „Geh jetzt alter Kumpel, geh zurück zu den Menschen.“ Und als Charly zögerte, schlug ihn der Colonel mit aller Macht auf die Kruppe und brüllte ihn an, er solle endlich verschwinden.
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Charly stieg auf die Hinterhand und schlug mit seinen kleinen Hufen hilflos in der Luft herum, wendete sich und schritt zuerst zögerlich den Pfad zurück, um sodann in einen leichten Trab zu fallen.



Als Charly einige Zeit später den Schuss hörte, dessen schier nie endendes Echo zwischen den Bergen hin- und hergeworfen wurde, blieb er abrupt stehen und lief unschlüssig im Kreis herum. Sodann setzte er seinen Weg zu den Menschen fort, während der untergehende Feuerball der Sonne die Berge in ein flammendes Rot tauchte.



15.III.2005
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Punktestand der Geschichte:   97
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Kommentare zur Story:

  och nö, das schreit für mich irgendwie nach einem happy end. und wenn es dann keins gibt, ist die geschichte am besten gelungen. naja. trotzdem wär ein happy end gut fürs herz;)
lg darkangel  
darkangel  -  17.08.07 00:24

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  interessant, interessant!
bitte nicht dieses Ende, cher Monsieur Colonel, s´íl vous plait.  
achim kaul  -  22.03.05 20:40

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