Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten

Von:    Floh      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 12. Februar 2005
Bei Webstories eingestellt: 12. Februar 2005
Anzahl gesehen: 2476
Seiten: 2

Im Gemeindebaugreissler. Die mittelalterliche Verkäuferin mit Dralonpullover und Küchenschürze hört sich die nur mäßig lustigen Späßchen des dicklichen Pensionisten an, während sie ihn bedient. Als wäre die Szenerie einem Fernsehspiel von Ernst Hinterberger entsprungen, befindet sich im Greissler auch ein Arbeiter, der sich mit einem Bier die Mittagspause vertreibt. Der dickliche Pensionist erzählt, dass er kommenden Mittwoch nach Gran Canaria fliegen wird, denn hier in Wien ist es doch viel zu kalt. Und außerdem hätte er sein ganzes Leben gearbeitet und sich die Reisen im Winter verdient.

Die mittelalterliche Verkäuferin mit Dralonpullover und Küchenschürze lacht, während sie ihm Emmentalerkäse schneidet. “Du weißt aber schon, dass der Käse Löcher hat“ sagt sie. Der dickliche Pensionist lacht ebenfalls. Die Verkäuferin trägt einen Schal um den Hals. Ich sehe sie vor mir, wie sie ihre Wohnung geht und ihrem Mann Gulasch kocht. Ich versuche mir -erfolglos- ihren Mann vorzustellen. Vielleicht hat sie gar keinen Mann? Sie hat ganz sicher einen Kater. Ich sehe sie, wie sie den Boden ihrer Küche aufwäscht. Ich sehe sie, wie sie auf ihrer Couch sitzt und “Wetten, dass…“ im Fernsehen ansieht. Ich sehe sie auf einer Silvesterfeier in den 70er Jahren. Sie trägt ein violettes Seidenkleid, raucht. Sie ist sehr schlank und raucht wie der berühmte Schlot. Viele Männer wollen mit ihr tanzen und viele wollen ihr an die Wäsche. Die Verkäuferin ist schlagfertig; einige dürfen mit ihr tanzen, aber an die Wäsche darf ihr zu dieser Zeit nur einer. Der Kurt. Ja, Kurt wird er heißen, der da mit geöffneter Krawatte am Tisch sitzt und schon ein wenig betrunken ist. Irgendwann wird die Verkäuferin Kurt nehmen und ihm ins Ohr zischen, dass es wirklich Zeit wird zu gehen. Kurt wird nicht wollen, aber Renate wird siegen. Ja, sie heißt bestimmt Renate. Sie schleppt Kurt durch die Nacht. Kurt ist viel dicker als Renate. In jungen Jahren ist Kurt hübsch gewesen, aber jetzt ist er 40 und dick.

Ich merke, dass mir ein Denkfehler unterlaufen ist. Wenn Kurt in den 70er Jahren 40 ist, dann ist Kurt nach Adam Riese in den 30er Jahren auf die Welt gekommen. Das würde bedeuten, dass auch Renate in den 30er Jahren geboren wurde und nun um die 70 Jahre alt ist. Aber Renate ist nie und nimmer 70 Jahre alt.
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Oder? Wie alt ist sie? 50? 60? Ich weiß es nicht. Renate hat sicher früher in einem Kaffeehaus gearbeitet. In einem Kaffeehaus an der Schank,

hat Bier ausgeschenkt und mit der Stammtischrunde Scherzchen gemacht. Sie macht Brötchen und steckt sich gelegentlich ein Blatt Wurst in den Mund. Renate isst gern Fleisch und Wurst und macht sich nichts aus Süßigkeiten. Wenn Renate gestresst ist, vergisst sie zu essen. Renate sagt sicher nicht “gestresst“, sie würde “hektisch“ sagen.

Ich sehe Kurt nicht mehr in Renates jetzigem Leben. Aber ich kann einen Sohn sehen, ja, Renate hat einen Sohn. Er ist ihr einziges Kind und heißt Robert. Robert ist ein guter Sohn, er hat eine Frau und eine kleine Tochter. Robert ist Wohnberater beim Lutz oder beim Möbel Ludwig in der Shopping City Süd. Robert und seine Frau haben ein Fertigteilhaus um 23. Wiener Gemeindebezirk aufgestellt und Renate ist sehr stolz auf Robert und was er sich geschaffen hat. Es freut mich für Renate, dass sie einen Sohn hat.

Mittlerweile bin ich mir ganz sicher, dass Renate keinen Mann hat. Was ist passiert, hat Renate Kurt hinausgeworfen ? Oder ist Kurt tot? Nein, Kurt ist nicht tot. Zumindest war er es nicht, als Renate beschlossen hat, dass sie ohne Kurt besser dran ist. Eines weiß ich nun, Kurt ist nicht der Vater von Robert. Ganz sicher nicht. Ich glaube, Renate war alleinerziehend.
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Punktestand der Geschichte:   42
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Kommentare zur Story:

  danke erstmal für deine kritik. dies ist ein erster auszug aus diversen episoden, gedanklichen momenten, die ich geschrieben habe und deren verknüpfung sich erst langsam ergibt(die fortsetzungen sind noch nicht hier veröffentlicht). ich habe den text auf anraten einer bekannten hier eingestellt, weil ich konstruktive kritik bezüglich meiner stilistik haben möchte.
ich habe deinen text "nie wieder" gelesen und mir bei der lektüre eine ähnliche frage gestellt, wie du es bei meinem getan hast.
vielen dank für deinen kommentar! liebe grüsse  
Unbekannt  -  17.02.05 14:21

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  Du siehst eine Person, eine Situation und denkst dir eine Geschichte dazu aus. Soweit ganz okay.
Aber was habe ich davon, deinen Gedankengängen, mitsamt deinen Irrtümern, zu folgen?
Warum habe ich diese Geschichte eigentlich gelesen?  
Chris Stone  -  17.02.05 13:50

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Kommentar von "Jonatan Schenk" zu "Eine Rose wird blühen"

ein sehr schönes gedicht!

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