Erinnerungen · Fan-Fiction/Rollenspiele

Von:    Aves      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 29. Januar 2005
Bei Webstories eingestellt: 29. Januar 2005
Anzahl gesehen: 2815
Seiten: 12

Wir brauchen viel mehr Männer





Wenige Minuten später schlichen James Bowie und Juan Seguin vorsichtig über den Friedhof südwestlich San Antonios. Sie hatten die Flinten im Anschlag und suchten aufmerksam die Gegend um sie herum mit den Augen ab. Ihre Nerven waren zum Zerreissen gespannt.

Falls die Mexikaner schon hier sein sollten… Seguin dachte den Gedanken lieber nicht zu Ende.

Als es vor ihnen im Unterholz knackte, gingen sie rasch in Deckung.

Beide richteten ihre Musketen auf die Stelle, von wo das Knacken gekommen war, als langsam eine Gestalt aus der Dunkelheit auftauchte.

Sofort nahmen sie sie ins Visier. Seguin fragte sich, wer wohl so dumm war, alleine hier rum zu schleichen? Vielleicht ein Scout…

„No te muevas!“, befahl Bowie laut.

Die Person, die in der Dunkelheit nur schwer zu erkennen war, fragte mit lauter Stimme: „Sprecht ihr Jungs nur spanisch?“

Wie auf ein Zeichen tauchten hinter dem Mann zahlreiche weitere auf und richteten ihre Gewehre auf Bowie und Seguin.

Seguin lief es eiskalt den Rücken hinab.

„Wir haben sie.“, sagte einer triumphierend.

Doch Bowie gab winkte kurz mit der rechten Hand und schon tauchten viele Männer aus San Antonio ebenfalls aus einer Hecke auf und richteten ihrerseits ihre Gewehre auf die Neuankömmlinge.

Pattsituation, dachte Seguin.

Der vorderste der Neuen lächelte plötzlich breit, senkte sein Gewehr und meinte: „Ich hab’ das Gefühl dass wir auf der selben Seite sind.“

Angespannte Unruhe breitete sich unter den Männern Jim Bowies aus.

„Was wollen Sie hier?“, fragte Bowie, das Gewehr immer noch auf den Fremden gerichtet.

Dieser hörte auf zu lächeln und antwortete: „Mein Name ist David Crockett.“

Bowie – und mit ihm die anderen – schauten den Neuankömmling gross an.

„Crockett aus Tennessee?“, fragte Bowie ungläubig „Davy Crockett?“

Crockett nickte.

„Er bevorzugt David.“, sagte einer der Männer neben ihm.

Die Männer auf beiden Seiten senkten langsam ihre Gewehre.



Später am Abend stand David Crockett auf einem provisorischen Podest in San Antonio und erklärte seine Anwesenheit: „Tja, zu Haus gab’s ein kleines Problem mit meiner Wiederwahl…“

Stimmen wurden laut, als Travis’ und Bowies Männer ihre Zustimmung bekundeten: „Ja, das haben wir gehört“.
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„War wohl eher ne Nicht-Wiederwahl“.

Crockett winkte ab: „Jaja, schon gut. Wisst ihr was ich den Brüdern gesagt habe?“

Alles sah ihn fragend an. Viele konnten es noch gar nicht fassen, den berühmten Davy Crockett unter sich zu haben, auch wenn er entgegen den Geschichten keine zwei Meter gross war.

„Ich sagte“, fuhr Davy fort „Ihr könnt alle zur Hölle geh’n. Aber ich gehe nach Texas!“

Die Leute grölten zustimmend und einer hob sein Glas und rief: „Willkommen in Texas, Davy!“

Einer vom Travis’ Leuten drängelte sich zu ihm durch, hielt ihm ein in Leder gebundenes Buch hin und fragte: „Bekomm’ ich ein Autogramm, Mister Crockett?“

Davy war einen Moment überrascht, doch dann erinnerte er sich an seine Popularität und sagte: „Ja, natürlich. Gern.“

Er unterschrieb auf dem Buchdeckel und war nur ein bisschen erstaunt, als er den Titel las: „Davy Crockett, die lebende Legende“.

„Ich bin ein halber Alligator und eine halbe Schnappschildkröte.“, zitierte einer der Männer James Hackett und lächelte Crockett erwartungsvoll an „Ich rutsche über den Regenbogen und springe mit einem Satz über den Mississippi. Erzähl ihnen mal, Davy, wie du wirklich wütende Wildkatzen gewürgt hast!“

Crockett sah den Mann mit einem gütigen Lächeln an.

„Ich kenn’ dich von der Bühne.“, sagte dieser stolz. Einige Männer nickten anerkennend.

Lächelnd verneinte Crockett. „Tut mir leid, das war ich nicht.“

Das Grinsen des Mannes verblasste. Etwas unsicher sagte er: „Aber natürlich warst du das…“

„Nein, nein.“, sagte Crockett und konnte sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen „Das war ein Schauspieler, der auf der Bühne eine Rolle gespielt hat.“

Der Mann glotzte ihn an. Dann lachte er.

„Ach komm, Davy, sag den Text auf. Davy Crockett, der Löwe des Westens!“

Derjenige, der das Autogramm bekommen hatte, meinte: „Jetzt wo Sie hier sind, sollte sich Santa Anna hier nicht sehen lassen!“

Nun verblasste David Crocketts Lächeln.
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Etwas verwirrt sah er die vielen Gesichter an.

„Ich dachte, die Kämpfe sind zu Ende…“ fragte er. „Nein?“

Als er die betretenen Gesichter der vielen Leute sah, wusste er schon, dass es nicht so war.



Wenn einer der Männer oder Frauen auch nur die geringste Abneigung gegen David Crockett gehabt hätte, wäre sie bestimmt spätestens jetzt verschwunden gewesen.

Der Mann aus Kentucky brachte erst richtig Leben in die Stadt. Während die einheimischen Musiker gerade mal die Hintergrundmusik beherrschten, spielte Davy auf seiner Geige munter drauf los.

Er fiedelte ein flottes Volkslied aus Kentucky, so dass sogar der biedere Travis sich zu einem kleinen Tänzchen hinreissen liess.

Selbst diejenigen Einwohner von San Antonio, die hart gesottene Anhänger Mexikos waren, mussten zugeben, dass die Yankees einfach besser feiern konnten.

Als Crockett dann auch noch von der kleinen Bühne herunterstieg und Geige spielend durch die tanzenden Paare lief, gab es für niemanden mehr ein Halten.

Doch zwischen den Feierlichkeiten bahnten sich Schwierigkeiten heran. Ward, der beste Freund Bowies, erfuhr die Nachricht zuerst.

Überrascht, doch nicht befehligt, etwas zu tun, sagte er es Bowie weiter. Dessen Augen weiteten sich erstaunt und dann bildeten sich steile Zornesfalten in seinem Gesicht.

Als Crockett sein Spiel beendet hatte und tosenden Applaus erhielt, ging Bowie auf Travis los.

Er schubste ihn hart gegen die Wand und schaute dem grösseren Mann zornig in die Augen.

Travis schaute etwas verwirrt zurück.

„Sie werden noch nicht mal wagen mit meinen Männern zu reden und schon gar nicht haben Sie den Mut, sie festzunehmen.“, schnauzte Bowie den Leutnant Colonel an.

Der Grund der Auseinandersetzung war der, dass Travis vor einer halben Stunde mehrere stockbesoffene Leute Bowies hatte einsperren lassen, da diese eigentlich Wache schieben sollten.

Trotzig antwortete Travis: „Ich werde hier die Ordnung wieder herstellen.“

„Sie haben keine Befehlsgewalt über meine Freiwilligen, oh nein!“, fuhr ihn Bowie an.

„Ich habe hier das absolute Kommando.
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“, gab Travis zurück.

Dann drehte er sich um und wollte sich vom Fest entfernen.

„Jungs!“, sagte Bowie laut „Befreit die anderen!“ Überrascht drehte sich Travis um. So hatte noch nie jemand mit ihm zu reden gewagt…

„Ha!“, spottete Bowie „Eher schneit es in der Hölle, als dass sich jemand von einem Schuldenmacher was befehlen lässt, der seine schwangere Frau im Stich lässt und bei Nacht und Nebel verschwindet!“

Mittlerweile hatten die beiden die Aufmerksamkeit aller Anwesenden. Neugierig sahen sie dem Streit zu. Vielleicht kam es ja zu einer Schlägerei…

„Was hält man von einem Grundstücksbetrüger der ein Mädchen heiratet, Gott sei ihrer Seele gnädig, weil sie einen reichen Vater hat?“, konterte Travis scharf. Seine Gelehrtenzunge würde es allemal mit diesem ungehobelten Klotz aufnehmen können.

Das war zuviel für James Bowie. Seine Frau, Ursula de Veramendi, war vor einigen Jahren an Typhus gestorben, ebenso ihr Vater. Irgendwelche Unterstellungen gegenüber ihr ertrug er nicht.

Wutentbrannt ging er auf Travis los. Hastig stellte sich ihm Travis’ Quartiermeister, Leutnant John Forsythe, in den Weg.

Bowie packte Forsythe am Mantel und schmiss ihn zu Boden. Der eher kleine Mann verfügte über beachtliche Kraft.

Doch bevor er sich auf Travis stürzen konnte, stellte sich David Crockett zwischen die beiden, immer noch seine Geige in der Hand haltend.

„Hey, aufhören!“, sagte er „Lasst das sein! Nur weil wir gegen niemanden kämpfen können, heisst das nicht, dass wir uns gegenseitig anfallen müssen.“

Beschwichtigend hob er die Geige.

Travis, dem ein wenig mulmig geworden war, bestätigte: „Der Abgeordnete Crockett hat recht! Das sollten wir demokratisch lösen.“

Bowie hatte bereits sein berühmtes Messer gezückt, doch er steckte es jetzt in das Holz eines nahe stehenden Tisches.

Herausfordernd sah er Travis an.

„Abstimmung.“, meinte dieser. Trotz der Kälte der Nacht rann ihm der Schweiss über den Nacken.

„Und wenn Colonel Crockett uns anführt?“, fragte Samuel Holloway, derjenige, der noch vor einer guten Stunde James Hackett zitiert hatte.
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Doch Crockett verneinte hastig: „Nein, nein, ich bin an eurer Seite, nicht über euch.“

Für einen Moment herrschte peinliches Schweigen, dann sagte Bowie theatralisch: „In Ordnung, Abstimmung. Wer von euch für den Leutnant Colonel ist, der hebe die Hand.“

Zögerlich gingen ein paar wenige Hände in die Luft. Nur Forsythe stand offen zu seiner Meinung und hob seine Hand mit Stolz.

Travis sah sich überrascht um, er hatte mit viel mehr Stimmen gerechnet.

„Na kommt schon, stimmt ab, Männer.“, versuchte er sie verzweifelt zu überreden „Das wird keine Nachteile haben.“

Doch die Männer liessen sich nicht beeindrucken. Bowie machte sich einen Scherz daraus, sich zu bücken und nach allfälligen Betrunkenen zu sehen.

„Und wer ist für mich?“, fragte er dann, immer noch genau so theatralisch.

Sofort hoben sich die meisten Hände. Über dreiviertel der Anwesenden stimmten für Bowie.

„Danke.“, sagte dieser.

„Sie kommandieren nur die Miliz.“, sagte Travis mühsam beherrscht „Die Regulären dürfen von keinem Freiwilligen geführt werden. Das ist ungesetzlich.“

Bowies Augen blitzten. Langsam ging er näher auf Travis zu.

„Aha, wenn Ihnen das Ergebnis nicht gefällt ändern Sie die Regeln.“, sagte er leise und verachtend „Ist es nicht so, Schnösel?“

Bevor er jedoch wieder auf Travis losgehen konnte, hielt ihn Ward zurück: „Reg dich deshalb nicht auf, Jim. Wir wissen alle wer hier das Sagen hat…“

Bowie starrte Travis weiterhin feindselig an.

Zwei der Männer, Juan Seguin und sein Freund, Gregorio Esparza, beobachteten die Szene mit Interesse.

„Porqué luchas por eso escroto en realidad?“, wollte Esparza wissen – Wieso kämpfst du für diesen Abschaum?

„El enemigo de mi enemigo es mi amigo.“, antwortete Seguin – Der Feind meines Feindes ist mein Freund.

„Sicher“, antwortete Esparza „Aber General Santa Anna will wenigstens nur Mexiko. Diese Gesindel hier aber todo el mundo.“ Seguin entgegnete nichts.

Die zwei Streithähne, Bowie und Travis, hatten sich mittlerweile getrennt. Travis schritt raschen Fusses davon. Er hatte genug von diesem Mann aus South Carolina, der sich für den besten Menschen der Welt hielt und seine Autorität aufs schärfste untergraben hatte.
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Crockett ging langsam zum Tisch, an dem sich Bowie, Ward und einige andere wieder niedergelassen hatten.

„Wieso hassen Sie ihn so?“, fragte Crockett Bowie. Dieser lachte, stürzte ein Glas Whisky hinunter und antwortete: „Weil er ein eingebildeter, grosskotziger Möchtegern ist.“

„Auf mich macht er einen ganz vernünftigen Eindruck“, antwortete David Crockett.

Bowie verwarf die Hände. „Natürlich macht er einen vernünftigen Eindruck. Er wird es auch sein. Aber er kennt den Kampf nur von seinen Büchern und hält sich trotzdem schon für einen Helden. Sie sollten ihn mal reden hören, wenn er mit einem höhergestellten Offizier spricht. Einfach widerlich!“

„Ich weiss, dass Sie schon einiges mehr erlebt haben als Colonel Travis.“, entgegnete Crockett „Doch geben Sie ihm doch eine Chance…“



In dieser Nacht schlief Travis äusserst unruhig. Immer wieder plagten ihn Albträume, in denen entweder James Bowie mit seinem Messer oder dann mexikanische Armeen vorkamen. Zum krönenden Abschluss überrannten Santa Anna und seine Männer San Antonio und hinterliessen keine Gefangenen.

Glockengeläut erlöste Travis endlich von seinem unruhigen Schlaf. Er blinzelte den Schlaf aus seinen Augen und streckte sich ausgiebig.

Dann fuhr er hoch.

Blitzschnell war er aus seinem Bett gesprungen und öffnete die Tür. Die Glocken der Kirche von San Antonio läuteten Sturm. Travis wusste, was dies bedeutete…

Hastig zog er seine Weste, seinen Mantel und den Hut an, dann stürmte er hinaus.

Der junge Leutnant Colonel rannte über einen grossen Platz und dann über den Friedhof San Antonios’.

Viele der Einwohner standen auf den Strassen und dem Marktplatz und tuschelten aufgeregt miteinander. Auch die Soldaten und die Freiwilligen waren, die Büchsen in den Händen, ins Freie gerannt.

Travis erreichte eine Aussichtsplattform und ihm stockte sofort der Atem. Auf den Hügeln südwestlich der Stadt bewegten sich tausende von Soldaten auf sie zu. Glänzende Lanzenspitzen funkelten in der Sonne mit silbernen Helmen um die Wette.
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Unzählige schwarzblau gewandete Soldaten marschierten in gleichmässiger Linie die Wege hinab und ganz vorne ritten prunkvoll angezogen Offiziere. Die Mexikaner waren gekommen und hatten die Herausforderung der Texaner angenommen…

„Wir können die Stadt niemals halten.“, keuchte Bowie, der neben Travis aufgetaucht war „Wir müssen uns nach Alamo zurückziehen.“



Kaum war die Nachricht vom Ankommen der Mexikaner zu den Einwohnern San Antonios durchgedrungen, spaltete sich die Stadt quasi in zwei Teile.

Ein kleinerer Teil blieb in der Stadt. Sie waren sowieso gegen die Besatzung der Texaner, also freuten sie sich über die Ankunft der mexikanischen Befreiungstruppen.

Der weit aus grössere Teil wandte sich jedoch zur Flucht. Viele Männer schlossen sich mit samt Familien den Texanern an, die hastig zum Fort strebten.

„Geordneter Rückzug in das Fort!“, befahl Travis den Soldaten „Nicht rennen! Zieht euch geordnet zurück.“

Hastig schlossen die Leute sich den Kompanien an, die in Reih und Glied nach Alamo strömten.

Viele der Einwohner San Antonios wollten zum Fort laufen, doch Travis und einige anderen hielten sich zurück: „Sie sind noch nicht hier, verbreitet keine Panik. Geht langsam und geordnet.“

Doch die meisten Menschen wollten nicht hören. Sie rafften eiligst ihre wertvollste Habe zusammen und rannten in Richtung Alamo.

Nur mit Mühe gelang es den Truppführern ihre Leute in Reih und Glied zu halten, da die ersten Mexikaner bereits vor den Stadttoren auftauchten.

Als letzte gingen Crockett und seine Gefährten, darunter seine Freunde William Fauntleroy und Micajah Autry.

Sie machten sich bereit, die Flüchtlinge zu verteidigen, falls die Mexikaner in die Stadt eindringen sollten.

Fauntleroy, der Sohn eines Iren, ein Mann mit breiten Koteletten und riesigem Schnauzer, kniete hinter ein Fass, klappte den Hahn seiner Muskete nach hinten und legte das Gewehr an.

„Komm, weg hier.“, meinte Crockett und fasste Fauntleroy an der Schulter „Die Leute sind raus aus der Stadt.“

Mürrisch sicherte Fauntleroy sein Gewehr wieder und dann verliessen er und Crockett als letzte San Antonio de Bexar.



Die wenigen Soldaten, die in Alamo waren, öffneten den Leuten das Tor und hastig strömten sie hinein.
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Ein Bauer hatte mehrere Ochsen retten können, die nun wild brüllend durch den kleinen Wassergraben preschten und schliesslich auch in das Fort gelangten.

Während John Forsythe schon in Alamo war, rannten Crockett und seine Männer gerade erst zu den Toren San Antonios hinaus.

Auch Gregorio Esparza mit seiner Familie flüchtete vor den Mexikanern. Er hatte zu lange unter dem Kommando der Amerikaner gedient, so dass jetzt nicht daran zu denken war, zu Santa Anna zu stehen. Die Einwohner San Antonios würden ihn verraten.

Juan Seguin übernahm zusammen mit Bowie die Verteilung der geretteten Güter. Baumstämme zur Verteidigung, persönliches Hab und Gut, Gewehre, Munition, Lebensmittel und noch vieles mehr bildeten ein heilloses Durcheinander.

Schliesslich waren jedoch alle ins Fort gelangt und die Tore wurden geschlossen. Männer besetzten die Mauern und andere wiesen den geflohenen Familien ihre Quartiere zu.

William Travis hatte Colonel Neills Vorschlag angenommen und sich in dessen Privatquartier eingenistet. Joe, sein Sklave, wartete brav im Hintergrund, während Travis hastig Briefe schrieb.

Während er Nachrichten an Colonel Fannin in Goliad und nach Gonzales verfasste, klopfte David Crockett an die Tür.

„Colonel“, sagte er „Entschuldigen Sie die Störung, aber wir haben da draussen ein ziemliches Durcheinander…“

Travis sah auf.

„Ich muss Kuriere losschicken, solange noch Zeit dafür ist.“, erklärte er „Sie und Ihre Männer verteidigen die Palisade.“

Crockett schaute ihn überrascht an. „Palisade?“, fragte er verwirrt „Ich nehme an, Sie meinen die paar Stöckchen, die da drüben stehen?“

„Eine andere Anweisung wäre Ihnen lieber?“, fragte Travis ihn barsch.

Crockett seufzte.

„Nein, das ist genau die um die ich Sie gebeten hätte…“, antwortete er leise. Was blieb ihm auch anderes übrig?

Travis merkte, dass er sich im Ton vergriffen hatte. Versöhnlich sagte er: „Es wäre hilfreich, wenn Sie die Bemannung der Mauern überwachen würden. Wir brauchen sechs Mann an jeder Kanone.
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18 Rohre, das sind zusammen –„

„108 Mann.“, kam ihm Crockett zuvor.

Jetzt war es an Travis, überrascht zu gucken.

Rasch fügte er hinzu: „Und auf der Mauer im Abstand von einem Meter ein Mann mit einer Muskete.“

Crockett nickte langsam. „Wir brauchen mehr Männer…“



Drückende Stille lastete über San Antonio. Die Leute hatten sich in die Häuser zurückgezogen, nur ein paar wenige standen an den Strassenrändern. Warmer Wind blies durch die Strassen und wirbelte Staub auf.

Die Mexikaner marschierten langsam ein. Ihre Späher hatten berichtet, dass die Texaner, und mit ihnen viele Bürger, nach Alamo geflohen waren.

Nun ritten Santa Anna und seine Offiziere an der Spitze der Armee in die Stadt ein. General Santa Anna hatte seine Prunkuniform angezogen und lächelte mit der Miene eines Eroberers.

Genau so musste sich Napoleon gefühlt haben, schoss es dem General durch den Kopf.

Lächelnd winkte er einigen Bürgern zu, die ihn mit grossen Augen ansahen.

„Viva Santa Anna!“, rief ein kleines Mädchen „Viva Mexiko!“

Santa Anna strahlte.

Vor dem grossen Herrenhaus, in dem noch am Abend zuvor die Texaner gefeiert hatten, hielt er an.

General Manuel Castrillon und der junge, ehrgeizige General Martin Perfecto de Cós, der Schwager Santa Annas, begrüssten ihn.

„Excelencia.“, sagte Castrillon und salutierte „Euer Quartier ist bereit.“

Selten hatte sich Santa Anna so gut gefühlt.

„Und die Geschütze, sind die da?“, fragte er. Beide Generäle nickten.

„Sí“, antwortete Castrillon „Aber vielleicht werden wir sie nicht brauchen. Die Texaner bitten um Verhandlungen…“



Castrillon und Cós lenkten ihre Pferde auf die Brücke, die den Wassergraben auf der Südwestseite von Alamo, gegenüber von San Antonio, überspannte.

Die beiden Generäle sahen, wie ihnen ebenfalls zwei Reiter entgegenkamen. Einer davon hielt eine weisse Parlamentärsflagge in der Hand.

Castrillon erkannte James Bowie als den einten. Der andere war Green Jameson. Bowie war ihm wohlbekannt, zwischen den beiden herrschte ein respektvoller Umgang.
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„Manuel.“, begrüsste Bowie Castrillon, als die beiden Texaner auf der Brücke ankamen. Cós ignorierte er einfach.

Castrillon nickte ihm zu.

„Sollen wir denn ewig wegen dieser alten Kirche verhandeln?“, fragte Bowie auf Spanisch. Sein Gesicht hatte einen bedauernden Ausdruck angenommen. Musste es unbedingt Manuel Castrillon sein, dem er als Feind gegenüberstand?



„Was macht Colonel Bowie da auf der Brücke?“, fragte Travis laut und auf seiner Stirn bildeten sich Zornesfalten.

Sein Leutnant, John Forsythe, hatte ihn auf die Mauer gerufen, damit er sich das eindrucksvolle Schauspiel ansehen konnte. San Antonio war total besetzt von tausenden von Mexikanern. Kompanien um Kompanien marschierten in Positionen. Die Grenadiere bauten ihre Kanonen um das ganze Fort herum auf und stellten Deckungen aus Bast und Stroh zusammen.

Langsam schwärmten die Soldados aus, um Alamo gänzlich zu umstellen.

„Er versucht uns mit Gesprächen hier raus zu hauen…“, erklärte Ward Travis.

„Feuert die Achtzehnpfünder ab.“, befahl Travis ruhig.

Sofort war es mucksmäuschenstill auf der Südmauer. Alle schauten den Leutnant Colonel überrascht an.

„Sir?“, fragte Forsythe ungläubig.

„Sie haben schon verstanden.“, sagte Travis mit einem hochnäsigen Unterton „Abfeuern.“

„Kanone laden.“, befahl nach einigen stillen Sekunden Captain Almeron Dickinson, der Befehlshaber der Kanoniere.



Auf der Brücke indes reichte Cós Bowie einen zusammengefalteten Zettel.

„ A suyo Excelencia, Antonio Lopez de Santa Anna.“, sagte er hochnäsig.

Bowie nahm ihn an und las ihn aufmerksam durch.

Dann warf er einen fragenden Blick zu Castrillon.

„Manuel?“, fragte er und deutete auf das Schreiben. Das war ja wohl die absolute Höhe…

„Lo siento, Santiago.“, antwortete Castrillon – Es tut mir Leid, James.

Bowie wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als von Alamo ein lautes „Feuer!“ ertönte.

Dann gab es einen lauten Knall und mit einer Pulverdampfwolke sandte der Stolz Alamos, die achtzehnpfündige Kanone, eine Kugel in Richtung San Antonios.

Das Geschoss raste über die Stellungen der mexikanischen Armee hinweg und schlug in ein Wohnhaus ein.
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Krachend brach ein Stück aus dem Dach heraus und Trümmer prasselten auf die umstehenden Soldaten nieder. Etwas weiter links und die Kugel hätte Santa Anna und viele der Offiziere zerfetzt.

Santa Annas Adjutant, José Batres, warf sich hastig auf seinen General.

Kaum war der Staub verschwunden, stiess Santa Anna Batres wütend weg.

„ La bandera!“, fauchte er „ Iza la bandera!“

Auf der Brücke rissen beide Parteien hastig ihre Pferde herum.

„Lo siento, Manuel!“, rief Bowie den fliehenden Generälen nach „Ich hatte nichts damit zu tun!“

Stocksauer ritt Bowie und mit ihm Jameson zurück zum Fort.

Dort angekommen rannte Bowie den Aufgang zur Wehrmauer hinauf und brüllte Travis an: „Sind Sie wahnsinnig geworden? Ich habe wegen Waffenruhe verhandelt!“

Travis fauchte genau so wütend zurück: „Waffenruhe? Um Waffenruhe verhandeln wir nur in einer Position der Stärke, nicht der Schwäche!“

„Verdammt noch mal!“, schrie Bowie und drehte sich weg. Er hatte grosse Lust, den Leutnant Colonel zu erschlagen.

Hastig marschierte er zur Brustwehr, damit er im Zorn nichts Unüberlegtes tat.

„Wir legen uns nicht auf den Rücken und winseln.“, fuhr Travis fort „Ansonsten haben wir nichts gesagt und dieser Konflikt bedeutet nichts.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte Bowie trotzig an.

Bowie nahm hastig einen Schluck aus seinem Flachmann, hustete und spuckte den Alkohol wieder aus.

„Für nichts zu krepieren bedeutet für mich Scheisse!“, sagte er immer noch erhitzt.

„Und die Antwort von denen?“, wollte Travis wissen.

„Scheisse!“ Bowie schmiss den Brief vor Travis auf den Boden.

Travis hob das Schreiben auf, konnte jedoch das Spanisch nicht lesen. Etwas verwirrt sah er Bowie an.

Dieser hustete, krümmte sich und hielt die Hände vor den Bauch. Dann hatte er sich soweit gefangen, dass er antworten konnte: „Bedingungslose Kapitulation… Schnösel.“

„David.“, erklang Autrys leise Stimme „Sieh dir das an.“



In San Antonio war Batres dem Befehl Santa Annas nachgekommen und hatte befohlen, dass die Flagge zu hissen sei.
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Hastig kletterten mehrere Soldaten mit Leitern auf den Kirchturm und befestigten einen Fahnenmast.

Dann hängte der oberste von ihnen eine blutrote Fahne daran. Langsam entfaltete sie sich im Wind und die Texaner konnten lesen was zwischen den Knochen des darauf gemalten Totenkopfes stand: ‚ Muerto a los traidores’– Tod den Verrätern.



„In ein paar Tagen weiss ganz Texas von unserer Situation.“, versuchte Travis die anderen zu beruhigen.

Bowie schnaubte verächtlich.

„Aber, Schnösel, in Alabama ist präzise was gemeint, wenn man sagt ‚ein paar’?“, fragte er. Travis gab keine Antwort.

Weiter rechts auf der Mauer standen Juan Seguin und Gregorio Esparza und blickten ebenfalls nach San Antonio.

„Ist dein Bruder unter ihnen?“, fragte Seguin.

„Er hisst vielleicht gerade die Flagge…“, antwortete Esparza leise.



So gedrückt die Stimmung unter den Männern in Alamo war, so ausgelassen war sie unter den Führenden der mexikanischen Armee.

Santa Anna, Cós, Castrillon, Batres und eine Vielzahl weitere Offiziere tranken Tee, lachten und scherzten miteinander.

Dann erhob Santa Anna die Stimme und die übrigen verstummten: „Es Houston entre los defensores?“ – Ist Houston unter den Verteidigern?

Cós verneinte.

„Er wird kommen.“, prophezeite Santa Anna „Schon um seinen Ruf zu retten. Doch was ist mit diesem berühmten Messerkämpfer… Jim Bowie?“ Er sprach das ‚Bowie’ wie ‚Buwii’ aus.

„Él está en la misión.“, sagte Cós lächelnd – Er ist in der Mission. „Und eine grössere Berühmtheit: Der Abgeordnete Davy Crockett…“

„Crockett!?“, rief Santa Anna erstaunt aus „El grande asesino de osos?“ – Der grosse Bärentöter?

„Ja..“, bestätigte Cós.

„Ah, excelente!“, lachte Santa Anna.



In Alamo liefen die Vorbereitungen zur Abwehr eines möglichen Angriffs auf Hochtouren.

Männer schliffen Messer und Degen, Pulver wurde verteilt, Gewehre geputzt und vieles mehr.
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Einige brachten schwere Baumstämme an den Aussenmauern an, die die Wucht der Kanonenkugeln dämpfen sollten.

Es gab viel zu tun, doch die Eingeschlossenen wussten, dass jede noch so sorgfältige Vorbereitung wahrscheinlich nicht viel bringen würde, sollten die Mexikaner einen Sturmangriff wagen.

„Lageschätzung?“, fragte Travis. Er, Leutnant Forsythe und Colonel Crockett hatten sich in seinem Quartier getroffen.

Forsythe fuhr sich nachdenklich über die halblangen, hellbraunen Haare.

„Erste Schätzungen besagen, dass die mexikanische Armee etwa 3000 Soldaten mitgebracht hat. Dazu gut zehn Kanonen, zwei schwere Mörser und die Elitekavallerie Dolores. Ausserdem ist Santa Anna persönlich hier…“

„Dreitausend…“, sagte Crockett niedergeschlagen „Wir brauchen viel mehr Männer…“
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Kommentare zur Story:

  Sehr spannend die Streitigkeiten zwischen Colonel Bowie und Colonel Travis. Oh Mann, war Travis wirklich so dumm, die friedlichen Verhandlungen Bowies mit den Mexikanern zu vermasseln? Muss, sobald ich Zeit habe, deshalb gleich weiterlesen, hehe!  
doska  -  05.08.05 20:46

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Unbekannt" zu "Violett"

schöö :-)

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Kommentar von "rosmarin" zu "Sich fühl'n wie Seifenblasen"

Hahaha, darauf muss man erstmal kommen. Köstlich. Habt alle ein schönes Osterfest. Gruß von

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