Nachdenkliches · Kurzgeschichten · Sommer/Urlaub/Reise

Von:    Katoso      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 23. Januar 2005
Bei Webstories eingestellt: 23. Januar 2005
Anzahl gesehen: 1909
Seiten: 2

Als die Menschen noch die Sprache der Natur verstanden,

erzählten ihnen Wind und Meer Geschichten von anderen Ländern.

So entstand die Sehnsucht.



Die Rückkehr des Meeres



I.

"Das Meer ist unberechenbar", sagen die Alten und blicken ängstlich zu den schlierigen Scheiben der Sprossenfenster. "Das Meer ist auch nur Wasser", sagt ein Junger und lächelt scheu. "Dann erklär` es uns!", grollt der Wirt hinter dem Tresen und poliert mit weißem Tuch ein Bierglas, ohne aufzuschauen. "Außerdem ist es schlecht für`s Geschäft."



II.

Vom alten Fährkapitän erzählt man, einer seiner Vorfahren habe den Teufel auf die Insel gebracht. Dieser habe für die Überfahrt versprochen, dass allen männlichen Nachkommen des Fährmannes kein Leid geschehe, solange sie auf dem Meer blieben. Nun sitzt der alte Kapitän in der dunkelsten Ecke der Kneipe, schlürft vorsichtig an seinem heißen Grog und denkt an den nahen Tod.



III.

"Das Meer ist nach der letzten Ebbe einfach nicht mehr zurückgekehrt", erzählt der Minister einem Fernsehteam, "unsere Wissenschaftler haben hierfür noch keine Erklärung gefunden. Seit vier Tagen trocknet der Schlick im Wattenbereich aus, wir haben in der Zwischenzeit die Inseln zum Notstandsgebiet erklärt." Dann folgt er dem Kamerateam in den wartenden Hubschrauber, weil man noch einige Aufnahmen aus der Luft machen möchte.



IV.

Die letzten Feriengäste verlassen die Insel in Richtung Festland auf hochrädrigen Wattwagen. Es sei ihnen unangenehm, doch der Geruch des vermodernden Schlicks sei auf Dauer einfach unerträglich. Selbstverständlich würde man wiederkommen, wenn das Meer ...

Einige Einheimische stehen auf dem Deich und winken ihnen nach, wünschen aus alter Tradition eine gute Überfahrt.



V.

Der alte Pfarrer der Inselkirche spricht von der Endzeit, die gekommen sei wegen der großen Schuld, die die Menschheit auf sich geladen habe. Einige schwarzgekleidete Frauen hocken regungslos auf den kalten Bänken und wischen sich nach seiner Predigt verstohlen die Tränen von den Wangen.
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Und wenn das Meer nicht mehr zurückkommt? Wenn es nie wieder seine rollenden Wellen gegen die Insel wirft?



VI.

"Hier liegt alles im Sterben", sagt der Naturschutzwart und hockt sich erschöpft auf die Deichkrone. "Jeden Morgen sammeln wir die toten Krebse und Möwen am ehemaligen Strand ein und jeden Tag werden es mehr." Am Horizont erscheint ein weißes Schiff, das sich langsam eine neue Fahrrinne sucht. "Wenn das Wasser nicht bald zurückkommt..." Er beendet seinen Satz nicht.



VII.

Die Wirtin der Pension träumte schon immer davon, eines Tages in den Alpen Urlaub zu machen. In jedem Fremdenzimmer hängen Bilder vom Berchtesgadener Land. "Jetzt, wo ich endlich die Zeit dafür hätte, ist es zu spät", sagt sie. "Meine Knie wollen nicht mehr so wie früher."



VIII.

Der ehemalige Wärter des Leuchtturmes sitzt auf den Eingangsstufen und starrt zur Küste. Irgendwo dort draußen muss das Wasser sein. In seiner Hand die Anweisung der Gemeinde, das Leuchtfeuer auszuschalten. Plötzlich springt er auf, ballt zornig seine Faust und schreit: "Komm, komm zurück."



IX.

Die ersten Lebensmittellieferungen werden vom Festland mit dem Hubschrauber zur Insel gebracht. Eine lange Menschenschlange bildet sich vor dem Landeplatz, die ersten schleppen bereits große Pakete in das Dorf zurück. "Wie soll es bloß weitergehen", murmelt einer, der keine Antwort erwartet.



X.

Am ehemaligen Hafen liegen die Boote auf ausgetrocknetem Grund, die schützende Mauer zur See leuchtet weiß in der Sonne. "Wenn es doch nur regnen würde", fleht der Hafenmeister und blickt zum wolkenlosen Himmel, "vielleicht würde dann..."



XI.

Im Heimatmuseum wühlen einige in alten Büchern, suchen einen Hinweis aus früheren Tagen, suchen eine Antwort, die sie ruhig schlafen lassen könnte - wenigstens in dieser Nacht. Aber sie finden nichts.



XII.

"Das Meer wartet", sagt der alte Lehrer, "es wartet dort draußen und sammelt sich, um all das zurückzuholen, was es je an uns verloren hat."

"Warum gehen Sie dann nicht auf das Festland zurück?", frage ich ihn.
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"Haben Sie nicht verstanden? Es wird sich alles zurückholen, alles!"
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Punktestand der Geschichte:   3
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Kommentare zur Story:

  Von der Idee und Umsetzung solide, allerdings fand ich kleine Mängel.
* "Jeden Morgen sammeln wir tote Krebse und Möwen ein". Es entsteht das Bild, als würden tapfere Greenpeacler mit der Hand kleine tote Krabben aufsammeln. Wirkt komisch. Und Möwen fliegen weg!! Die sammeln sich woanders und hocken sich nicht hin und warten aufs Meer.
* Wenn das Meer fort ist und das Land dazwischen ausgetrocknet, können Lastwagen fahren und man braucht keine Hubschrauber.
* Ich vermute, der Teufel hat wegen seines Schwurs "Nachkommen des Fährmanns geschieht kein Leid, wenn sie auf dem Meer bleiben" das Meer verschwinden lassen, um sie doch noch alle zu holen. Das hätte ein wenig mehr Drall in eine Richtung in die Story gebracht.

LG Pia Dumpty  
anonym  -  29.05.08 14:44

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  Lustiger Kommentar!
Man muss auch nicht darüber nachdenken, wenn man es nicht versteht.
Habe ich ja direkt Glück gehabt, dass du nicht in der Jury warst, die mir dafür einen Preis gegeben hat - und die Geschichte in einer Anthologie veröffentlicht hat.  
Unbekannt  -  06.03.05 18:31

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  Na sowas, das Meer ist weg.
Und jetzt soll man darüber nachdenken, ob es mit einer riesigen Flutwelle zurückkommt?
Der Text ist ziemlich langweilig geschrieben, besonders durch diese Numerierung.
Hey, ich wohne an der Küste, aber sagt mir dein Text irgendetwas? Meine Antwort: Nein!  
Chris Stone  -  06.03.05 14:53

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Kommentar von "Jonatan Schenk" zu "Eine Rose wird blühen"

ein sehr schönes gedicht!

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