Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten

Von:    ThiloS      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 31. August 2004
Bei Webstories eingestellt: 31. August 2004
Anzahl gesehen: 3160
Seiten: 3

Ich zapp mich abends so durch die Programme, als ich gestern bei einem jungen Mann hängenbleibe, neben dem Fünf so ein wenig aufgedeckte Spielkarten zu sehen sind. Der junge Mann guckt mich direkt beschwörend wie ein ägyptischer Hypnotiseur an:



"ZwansischtausendEurowennsieJETZTanrufenundmirsagenwievielKarosSiesehen"



Nun, ich sehe eine Menge Karos, ziemlich viele, allerdings weiß ich nicht, ob die Form, WIE die Karten gelegt sind (die bilden nämlich, wenn ich meinen Fernseher um 45° kippe, ebenfalls ein Karo), auch mitzählt, und so beschliesse ich, zuerst mal ein wenig zu warten...



"ZwansischtausendEuroSOVIELhattenwirNOCHNIEMontagsrufensieanrufensiean"



Im Hintergrund gibts irgendein Tekknogeblubber und plötzlich kommt aus irgendeinem saublöden Grund, der mir verschlossen bleibt *huihuihuihui" eine Sirene...



Überhaupt geht es jetzt auf dem Bildschirm so richtig ab. Die Fündunssswansssischtausendeuro blicken lustig im Vordergrund, ein kleiner Hase fährt durchs Bild, unten pulsiert die Telefonnummer und der junge Mann sieht etwas verschwitzt aus und rollt die Augen:



"derHottbaddnläuftundläuftundläuftSIEsindderNächste"



Oha. Ich bin der Nächste? Warum? Ich habe ihm doch garnichts getan, dem Saftsack. Nichtmal angerufen hab ich!



RingRing



"Jahallowerisnda?" Eine unverständliche Stimme quäkt

"wchlsnbdaJUTTA". "JaJUTTAwievielKaros?" "EINHUNDERTZWEIUNDSIEBZIG"



Also ich weiß nicht, wieviel Jutta gesoffen hat, aber es muß verdammt viel sein, wenn sie die Karos 6-fach sieht. Der junge Beschwörer ist ganz meiner Meinung brüllt ihr ein "FALSCHALLESGUTEZWANSISCHWEUROFÜRDICH" entgegen. Daß er ihr nicht ein "blöde blinde Kuh" hinterherruft ist alles. Aber jetzt widmet er sich wieder mir:



"HörenSiedenTickerHörenSieIhnTICKTACKTICKTACKdasSpielläuftderHoddbaddbsuchtundsucht..."



Naja, der Hoddbaddn kann meinetwegen suchen oder Trompete blasen. Ich möchte jetzt wissen, ob der junge Mann noch persönlich wird, wenn ich mich weiter in meine Decke hülle und einfach garnichtsmache.
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Und tatsächlich



"RUFENSIEJETZTAN: ZWANSSSSISCHTAUSENDEURO.ZEHLNSIEDIEKAROS"



Hab ich, wie gesagt, ich bin bei einer Schummeltoleranz des Senders von wenigstens 3 angekommen. Das ist mir der Anruf noch nicht wert.



RingRing



"JAwerisndran?" "..." "DREIZWEIEINSNÄCHSTER"



Tja, vielleicht wären das die 20.000 Tucken gewesen, aber der Anrufer war wohl selbst verblüfft. Oder es war seine Mutter. So wirds nix, mit dem kleinen Vermögen. Ich merk schon, 9live ist kein Sender für introvertierte Grübler.

Ich ruf da nicht an.



"ZWANSSSISCHTAUSENDEUROEINVERMÖGENFÜRSIEWASMACHTESDASCHONWENNSIEZEHNODERZWANSISCHODERDREISSISCHMALANRUFENDASSINDDANNFUFFZEHNEURODAMITWISCHISCHMIRDENARSCH"



Schön für ihn, ich nicht. Keine 50 Cent für so einen Kack.



"WISSNSEWAS?" brüllt mich der junge Mann, der anscheinend Gedanken lesen kann, aus dem Fernseher entnervt an "MIRREICHTSJETZT.JETZTREICHTSMIR. JETZTHAUISCH[b]RISCHTISCH[/b]KOHLERAUS. [b]EIN[/b]UNDZWANSSISCHTAUSENDEUROWENNSIE[b]JETZT[/b]ANRUFEN!"



Wie? Er erhöht nur um schlaffe 1000 Euro? Das nennt der "Kohle raushauen"? Jemand, der sich mit 15 E den Arsch abwischt? Der lüscht doch! So nicht. Jetzt ruf ich erst recht nicht an. Das Ganze läuft nun auf einen Nervenkrieg zwischen ihm und mir ´raus.



Ringring



Mein junger Feind rollt die Augen: "jahallowerisndran"? Ich bins nicht, aber "Erwn" isses. "JAERWINDANNSAGMALWIEVIELKAROS" "DREISSISCH" "FALSCHTSCHÜSS"



Dreissig. Erwin ist ein Vollspack, der nicht zählen kann. Der junge Mann sieht das genauso. "LEUDDEZÄHLTDIEKAROSUNDRUFTAN". Mach ich nicht.

"DERHODDBADDNSUCHTUNDSUCHTEHRLISCHJEDDZ"



"Ehrlich jetzt"? Ja, hat der die ganze Zeit gelogen? Jetzt ruf ich ERST RECHT nicht an. Soll der Scheißhoddbaddn doch suchen oder die Goldmedaille gewinnen.



Der junge Mann nimmt einen Schluck aus irgendeiner Flasche und wie er das tut, lässt darauf schliessen, daß er mit dem Düsenjäger durch die Kinderstube gebrettert ist.
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Er sieht dabei aus wie ein Schimpanse, der eine Flasche entdeckt hat. Ich habe ihn wohl auch ziemlich weichgekocht. Er sieht mir direkt in die Augen und sagt:



"DieMusikendetJETZT" und *schwupp* ist das Tekknogeblubber weg.



Ja? Und?



"jetzt sind Sie dran" sagt er ganz leise und betont "Sie sind jetzt dran. Rufen Sie an und sagen Sie mir, wieviele Karos Sie sehen und holen Sie sich die Einundzwanzigtausend Euro."



Ich hülle mich in meine Decke. Ich rufe nicht an. Ich nicht. "Der Hoddbaddn sucht." ich weiß. Aber MICH wird er nicht finden. Es bleibt ruhig im Studio. Der junge Mann ist voll konzentriert in diesem Nervenkrieg. Ich bin es auch. Ich werde nicht anrufen. Und wenn er sich in die Studiodekoration stürzt oder sich am Mikrofongalgen erhängt.



Aber ich habe den Typen jetzt auch weichgekocht. Er schlägt auf die Lehne seines Sessels: "OKSIEHABENMICH" brüllt er mit Schaum vor dem Mund "ICH ERHÖHE AUF FÜNFUNSSSWANNSSISCHTAUSENDEURO. HAMMSIEGEHÖRT?FÜNFUNSSSWANSSSISCHTAUSENDEUROWENNSIEJEDDDZANRUFEN."



Ich freue mich innerlich über meinen moralischen Sieg. Hab ich ihm nochmal Viertausend aus den Rippen geleiert, dem Arschloch. Ich setze für mich mal so Fuffzichtausend als Limit bevor ich anrufe. Er weiß es und wird hysterisch. Und die Dudelmusik setzt wieder ein.



"FÜNFUNZWANSSSISCHTAUSENDEUROVERDAMMTNOCHMALEINVERMÖGENFÜRSIE..."



Und während er brüllt, tobt und schreit, fallen mir die Augen zu.



In der Nacht träume ich von Hoddbaddns, die aussehen wie dämonische Hunde mit Hörnern und feurigen Augen, die nach mir suchen, während ich verzweifelt Karos zähle und durch den Regen irre, immer die Stimme von Adolf Hitler im Hintergrund "Fönffondzwanzächdausende und Aberdaussende von Äurrros lägen Ähnen zu Fössen, wänn sä jäzz anroffn."



Als ich zwischendurch aufwache, zieht sich gerade irgendeine nicht unbedingt gut bestückte Osteuropäerin aus und meine Träume bessern sich.
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Trotzdem bin ich am Morgen etwas enttäuscht: wäre der junge Mann drangeblieben, würde der Jackpot sicher jetzt bei 3 Millionen stehen... Ob er sich wohl umgebracht hat?
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Kommentare zur Story:

  Köstlich! Wer kennt sie nicht, die ewig babbelnden Gute-Laune-Moderatoren. Mittlerweile bereits auf mehr als fünf Sendern...!
Deine Sprache ist toll! Der Dialekt erst recht! Vor allem für uns Schweizer :o)
5 Punkte!

greetz, writtenby  
writtenby  -  11.12.05 00:57

   Zustimmungen: 5     Zustimmen

  So liebe 9live-Lieber und Hasser*gg*
Das ist doch mal anschauliche Lektüre für das Weltverbreitete Tele-Home-Ganz-Bequem-Vom-Fernseher-Aus-Geld-Gewinnen-Shopping.
Wunderbar erzählt, hab sehr gelacht*gg* Fands nur Schade das der Zuschauer eingeschlafen ist, hätte gerne gewusst was denn nun aus den 25.000 € geworden wäre*gg* und ob er irgendwann einmal doch angerufen hätte....

Auf jeden Fall, schreibst wirklich gut ;)

5 Pkt. ist mir der Spaß wert*g*  
Zimtsternchen  -  01.07.05 14:14

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  *gggg* also, mir hats gefallen!
was nur etwas anstrengend war, war die zeilen zu lesen, wo ohne leertaste geschrieben wurde. sehr anstrengend für die augen aber im ganzen gefällts mir.  
smithy  -  31.08.04 23:00

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Homo Faber" zu "Der Zug"

Hallo, ein schöner text, du stellst deine gedanken gut dar, trifft genau meinen geschmack. lg Holger

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