Trauriges · Kurzgeschichten

Von:    Ralf Seybold      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 19. Juni 2004
Bei Webstories eingestellt: 19. Juni 2004
Anzahl gesehen: 1848
Seiten: 2

Sieben Wochen sind vergangen, seit sie ihn verlassen hatte. Sieben Wochen, in denen er nichts von ihr hörte. Seine Wohnung ist leer, ohne den Menschen, der ihm alles bedeutet und ohne die Kinder, die seine Welt sind. Es ist ungewöhnlich still in den Räumen, die sonst mit Kinderlachen und abendlichen Streitgesprächen gefüllt waren. Ihm kommt es vor, als wäre es gestern gewesen, als sie ihm das Herz herausriss und mit den Kindern zu ihrer Mutter gezogen ist. Sind es tatsächlich schon sieben Wochen, die vergangen sind?



Seine Frau hatte ihn vor zwei Tagen angerufen und für heute einen Termin vereinbart. Sie wollte ihn besuchen kommen in der einstmals gemeinsamen Wohnung. Einen Termin hatte sie gesagt und damit klar deutlich gemacht, dass es sich nicht um eine Verabredung handelt.



In wenigen Minuten muss sie kommen. Er räumt noch schnell seine Wäsche weg und stellt die schmutzigen Teller und Gläser in die Spülmaschine. Auf keinen Fall Schwäche zeigen. Auf keinen Fall zugeben, dass das Leben schwieriger verläuft und schon gar nicht, wie wenig er mit den alltäglichen Problemen zurechtkommt. Es klingelt. Er öffnet die Tür. Da steht sie und ist so schön wie immer, vielleicht noch schöner als sonst. Zumindest aber schöner als in seiner Erinnerung.



Er bittet sie herein und kämpft innerlich mit seinen Tränen, als sie ihn auf seine Wange küsst. Sie gehen ins Wohnzimmer und setzen sich. Er hat bereits Gläser und Mineralwasser vorbereitet. Keinen Wein. Es ist kein Date, sondern ein Termin!



Sie sagt, sie wollte schauen, wie es ihm geht. Den Kindern würde es gut gehen, aber sie vermissen ihren Papa. Vielleicht, so sagt sie, könnte er ein Mal vorbeischauen und auf die Kinder aufpassen, während sie weg wäre. Er hätte dann wieder mal Zeit mit ihnen. Sie fragt ihn, ob es ihm gut geht, sie hätte sich Sorgen gemacht, wie er wohl zurechtkommen würde und ob er ihr wohl vergeben könnte. Sie hofft, dass er glücklich werden würde.

Er sagt ihr, er wäre so glücklich, dass er nicht aufhören könnte, zu weinen und noch durch seine Tränen hindurch lachen würde.



Wochen später traf er eine Bekannte in einer Bar. Sie hatten sich verabredet, um zu reden.
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Zumindest wollte das seine Bekannte. Sie wollte wissen, wie es ihm wohl so geht seit der Trennung. Besonders seit sie hörte, dass sie einen neuen Freund hätte, machte sie sich Sorgen um ihn, wie er das wohl aufgenommen hätte und wie er sich fühlen würde. Er antwortete ihr, er wäre so glücklich, dass er nicht aufhören könnte, zu weinen und noch durch seine Tränen hindurch lachen würde.



Seine Stimmung hatte sich nicht geändert, als er seinen Anwalt getroffen hatte, um den notwendigen Papierkram zu erledigen, damit die Trennung legalisiert wird. Und in der Nacht nach der gerichtlichen Verhandlung der Scheidung ging er spazieren. Er musste eine Antwort finden auf sein Leben und wie es weitergehen könnte. Die Sterne blinkten von der Ferne. Ein Stern für jeden sorgenvollen Menschen. Der Himmel war ein Meer von Trostspendern. Er wählte einen Stern für sich, einen Stern für IHN, zwei Sterne für seine Kinder und einen Stern für seine Ex-Frau. Plötzlich spürte er eine Wärme in sich und er verstand. Er verstand, wie die Sterne und Menschen zusammenhängen. Die Erde und die Natur, die Planeten, der Mond – alles hängt irgendwie zusammen. Er lächelte und seine Schmerzen wurden erträglicher.



Sonntag nachmittag im Park. Überall spielen Kindern mit ihren Sonntagsvätern. Überall geschmolzenes Vanilleeis. Er versucht das Beste mit der Zeit anzufangen, die ihm mit seinen Kindern gegeben ist. Kinder gehören zu ihrer Mutter, das weiß doch jeder. Was kann ein Vater schon tun, als hin und wieder die Kinder zu übernehmen und babysitten? Zufällig trifft er seine Bekannte im Park. Sie meint, er würde heute irgendwie anders aussehen. Er antwortet ihr, dass jeder irgendwann einmal die Dunkelheit verlassen und dem Alltag in die Augen blicken müsse. Und er sagt, er sei so glücklich, dass er nicht mit weinen aufhören könne, dass er durch seine Augen hindurch lachen würde. Durch seine Augen hindurch.
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Kommentare zur Story:

  Hallo!! Mir hat es ausgesprochen gut gefallen. Hm, nur die Formulierung "dass er durch seine Augen hindurch lachen würde" - fand ich irgendwie nicht ganz glücklich.Ist vielleicht aber Geschmackssache und mir fällt auch ehrlich gesagt nichts ein, wie es besser klingen könnte!  
Dragonsangel74  -  21.06.04 10:30

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  Hallo,

dieser Text ist ein Experiment, inspiriert von einem Text von Sting, den ich in eine kurze Geschichte umsetzen wollte.

Ich hoffe, euch gefällt es.

Viele Grüße,
Ralf  
Ralf Seybold  -  20.06.04 08:52

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Interessante Kommentare

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