Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten · Frühling/Ostern

Von:    ThiloS      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 28. Mai 2004
Bei Webstories eingestellt: 28. Mai 2004
Anzahl gesehen: 4356
Seiten: 3

Frühling wird’s wieder in deutschen Landen. Die Sonne lacht vom Himmel, die Blümchen wachsen und schon werden aus den bunten Deppen, die den Winter damit zugebracht haben, vor dem Schilift Schlange zu stehen, bunte Deppen, die mit Aufblendlicht im Rückspiegel schnell größer werden.



Richtig. Die Rede ist von der Spezies der Motorradfahrer. Endlich kann wieder vor Kurven wie irr überholt werden, da die Gefahr, durch Glatteis auf die Fresse zu fallen, geringer geworden ist.



Ich persönlich schätze mich als eher passiven Fahrer ein, der gerne GANZ nach rechts fährt, sobald einer dieser Fliegen-zwischen-den-Zähnen-Sammler mal wieder in physikver-leugnender Geschwindigkeit von hinten anbrettert.



Wir unterscheiden 4 Spezies von Motorraddeppen:



1) der Rudelfahrer



Der Rudelfahrer ist die angenehmste Sorte der Motorradfahrer. Er holt das gute Stück nur Samstags aus der Opel-Astra-Kombi-besetzen Doppel-Garage, um mit seinen Kumpels einen Motorradausflug zu machen. Im Pulk hat er Spaß und gefährdet weder sich noch andere.



Allerdings bekommt der Rudelfahrer Panikattacken, wenn sich ein Auto in den Pulk schiebt. Da hat der Rudelfahrer Angst, er könnte den Anschluss an die Herde verlieren, weswegen sich in seinem Gehirn dann ein Schalter mit der Aufschrift "einholen" umlegt und alle anderen Gehirnfunktionen unterdrückt. Jetzt überholt der Rudelfahrer links oder rechts oder vor Kurven oder in Kurven, mit Gegenverkehr, ohne Gegenverkehr, alles egal, das Ziel ist. die eigene Staffel wieder einzuholen, um sich nicht solch widerwärtigen Sätzen wie "wo bleibste denn?" aussetzen zu müssen.



2) den Kradmelder



Der Kradmelder ist meist mittleren oder fortgeschrittenen Alters und fährt ein kleines bis mittelschweres Motorrad. Der Kradmelder ist der Ansicht, dass er eine RIEEEESIGE Fahrpraxis hat und deswegen "schon irgendwie rechtzeitig vom Bock kommt", sollte es eine Krisensituation geben.



Der Kradmelder glaubt unbedingt, dass Gott ihm zu diesem Zeitpunkt einen Weiher oder einen Heuhaufen sendet, damit er weich fällt. Deswegen trägt der Kradmelder auch Jeans und T-Shirt, bestenfalls Windjacke, da es für ihn völlig ausge-schlossen ist, dass er unter seiner Maschine mit 100 km/h über den Strassenasphalt schmirgeln könnte.
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Der Kradmelder ist so eher der lockere Typ, der Kinder bis 6 Jahre schon mal ohne Sturzhelm auf dem Sozius hat, denn da er bisher unfallfrei gefahren ist, bleibt das schließlich auch in Zukunft so und stellt kein Risiko dar.



3) das hoffnungsvolle Renntalent



Das hoffnungsvolle Renntalent ist ständig im Training. Es trägt einen augenbeleidigend gemusterten Kasperanzug aus Leder, der günstigerweise zur Farbe seines mittelschweren bis schweren Selbstmordinstruments passt. Das Renntalent sucht die Herausforderung vor jeder Kurve und vertraut darauf, dass die Autofahrer schon irgendwie auf die Bremse treten, wenn es zwecks überraschendem Gegenverkehr panisch nach rechts ziehen muss. Über-haupt hält das hoffnungsvolle Renntalent solche Dinge wie "Geschwindigkeitsbegrenzungen" oder "Spielstrasse" für Einschränkungen seiner persönlichen Freiheit und Hinweisschilder für Weicheier, die nicht fahren können.



Schließlich hat das hoffnungsvolle Renntalent seine Maschine auch noch bei 200 Sachen im Griff und es ist auch in einem Baustellenbereich völlig ausgeschlossen, dass Steine oder Sand auf der Fahrbahn liegen könnten und dass Eltern selbst schuld sind, wenn sie ihre Kinder in Spielstrassen unangeleint herumlaufen lassen.



4) der Nightrider



Schwarz. Alles Schwarz. Beim Nightrider sind das Motorrad schwarz, die Ledermontur schwarz, der Helm schwarz, das Visier schwarz, die Fingernägel schwarz.



Der Nightrider hält sich für das Phantom der Phantome, den Schrecken der Landstrasse, den Vollstreckungsbeamten des jüngsten Gerichts und den Top Gun der himmlischen Heerscharen. Deswegen steht der Nightrider darauf, mit irrem Karacho durch die Landschaft zu brettern, überraschend hinter PKW aufzutauchen, wie blöd zu überholen und andere zum Abbremsen zu zwingen. Der Nightrider weiß nämlich: wer bremst, verliert.



Genauso wenig wie Strassenverkehrsregeln gelten für den Nighrider physikalische Gesetze.



Für ihn existieren Worte wie "kinetische Energie" oder "Gravitation" oder gar "Masseträgheit" oder "Fliehkraft" einfach nicht, weswegen wenigstens er sehr angstfrei durch die Gegend donnert.
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Er schlängelt sich in Staus gerne auf der Mittelspur durch (wer will schon warten?) und ist bereit, jedem die Fresse zu polieren, der dabei so dreist ist und die Fahrertüre aufmacht. Und weil der Nightrider so unsagbar lässig ist, fährt er bei 160 auch schon mal einhändig mit seinem Bock und demonstriert kleine Kunststückchen wie "die Füße auf dem Asphalt schleifen lassen".



Fazit: Herr, lass es regnen. Dann hüllen sich nämlich die ganzen Motorradschwachmaten in ihre orangenen Regenkombis, sehen ganz uncool wie Strassenbauarbeiter auf Streife aus und fahren ganzganz vorsichtig und rücksichtsvoll, wie das eigentlich sein sollte. Und während den Helden der Asphaltbahn das Regenwasser in den Stiefeln steht, sitze ich im warmen Auto, höre Musik und zünde mir ein Zigarettchen an.



Fröhliche Nierenbeckenentzündung allerseits.
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Kommentare zur Story:

  zügle dich freundchen  
holli  -  03.06.06 22:55

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  Sehr gut beobachtet!
Ich frage mich schon die ganze Zeit, zu welcher Kategorie ICH wohl gehöre?
Ob es so etwas auch für Autofahrer gibt?  
Minotaurus  -  23.10.05 18:05

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  Naja, Klischees sind schließlich dazu da, bedient bzw. zitiert zu werden. Daß der Autor selbst Motorradfahrer ist, kann ich mir eher schwer vorstellen. Ich bin mir nur noch nicht sicher, welcher der beiden existierenden Kategorien von Autofahrern er angehören könnte. Eher der Golf-GTI-Breitreifen-Industrieschornsteinauspuff-und-tiefergelegt-Rennfahrer oder vielleicht Merzedes-180C-mit-Hut-mörderische-73km/h-die-Landstraße-Entlangheizer...
Oder sollte es auch bei der Spezies Autofahrer Grauzonen und Randgruppen geben?
Egal, eines ist jedenfalls sicher, Satire will provozieren und polarisieren, und das ist dem Autor wohl recht gut gelungen.  
Eliot  -  25.06.04 09:11

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  Hi

Gut erzählt :-)
Man muss schon Motorradfahrer sein, um einiges davon nachvollziehen zu können!
Deshalb hier mal ne längst vergessene story. Die Geschehnisse haben keine Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen :-)

Eines Nachts

.....nachts......
Selbst in so einer Stadt wie Berlin, ist nachts nicht selten tote Hose.
Leere Straßen sind natürlich sonst eher ein Wunschtraum...
Sicherlich ist auch die rasante Fahrt durch die Lücken, die Daimler, VW und Andere noch nicht schließen konnten, vor allem mangels Masse der Kundschaft, eher etwas Sportliches, als Langweiliges durch die Stadt fahren, wobei hier niemals von Rasen die Rede sein kann, denn der wächst bekanntlich im Park und selten auf Straßen.
Nee, nee....fuffzig is schon schnell genug in der Stadt....
Doch nachts??.....Na ja, wir haben da so'ne Straße, tierisch breit...mit Tunnel und so, zweispurig, also breit....und vor allem leer...130 ...und noch Gas, doch ich weiß da ist der Tunnel zu Ende und oben die Ampel...also runter....120...Blick zur Ampel...grün....Gas....äähhh...da ist doch noch ne Ampel, also Gas weg, hingeschauht, grün, ok, Gas, wieder 130, juchhu 
Blick nach vorn......eine Millisekunde.......
Die dritte Ampel...war sie nie da?...vergessen!
...Sie.....
Rot.......Und da ....Autos....Bremsen....?....wie ?? bei der Geschwindigkeit....
Viele Autos fahren in Abständen von 20 Metern quer über MEINE Fahrbahn...
Ampel vergessen..........Sehen,.....schätzen...die Lücke..Tempo...bremsen is nich... durch mit 120...Hupen verhallt in der allbekannten ach so guten Berliner Luft....Irgendwo anhalten....zittern...ausatmen...nachdenken...sich beschwören....in Ruhe weiterfahren....nichts passiert....aber verunsichert, gerade die Autofahrer.  
yza  -  24.06.04 20:25

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  vom feinsten
leider  
cronos  -  29.05.04 03:16

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  AB-SO-LUT KORREKT!!!!!!
Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Diese rasenden Vollidioten, die ohne jede Rücksicht ihre Mitmenschen gefährden gehen mir auch tierisch auf die Eier!

Und es ist mitnichten eine Minderheit!!!
Diese Krankheit scheint rund ein Drittel der motoradenden Zunft befallen zu haben!
Mindestens!!!  
Stefan Steinmetz  -  28.05.04 23:47

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