Anleitung zum Unbeliebt machen - die GANZE Story   374

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten

Von:    ThiloS      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 6. Mai 2004
Bei Webstories eingestellt: 6. Mai 2004
Anzahl gesehen: 3272
Seiten: 3

Diese Geschichte ist fiktiv, Personen und Ort sind frei erfunden, werden aber so oder so ähnlich demnächst passieren, fürchte ich.



Wir hatten eine öffentliche Gemeinderatssitzung in unserem kleinen Örtchen, wo die Einheimischen noch miteinander verwandt sind und "auswärtig" gleich "aussätzig" bedeutet.



Ich dachte, ich sehe mir das mal an.



Da saßen dann die ehrenwerten Gemeinderatsmitgleider von CSU und SPD beisammen, die duzen sich alle und (erwähnte ich es?) sind alle miteinander verwandt und beschliessen so spannende Sachen wie die Errichtung von 2 Kastanienbäumchen (Stück 40 ?) vor der Kirche und auf welche unbeliebten Bürger sie die Kosten für das neue Gewerbegebiet "in den Gänswiesen" umlegen können. Man plaudert, ist charmant, will den größten Arbeitgeber am Ort noch um eine Spende für das Gemeinschaftsbasteln der örtlichen Hausfrauengruppe anhauen und zum Schluß dreht sich der Bürgermeister zu mir und den 10 anderen anwesenden Bürgern um und fragt, ob wir als Bürger auch noch Anliegen hätten.



Herr Junker fragt noch nach, ob er den Schwarzbau seiner Garage doch noch abreissen müsse, er hätte nichts gewusst, "nun ja" und "ach komm" und "wenn´s keinen stört", dann isses OK und "gibt´s sonst noch was"?





Mir ist langweilig, und so sage ich einfach mal "ja". Die Gemeinderatsmitglieder outen mich als Zugezogenen und fragen "was hätten SIE jetzt noch"?



Und ich sage: "Ich fände es wichtig, wenn wir am Rathaus eine Plakette oder Gedenktafel für die in der Nazizeit verschleppten Juden anbringen."



Schweigen.



"Wozu soll das gut sein?" fragt einer hilflos. "Die Frage stellt sich nicht" antworte ich "es geht um die Solidarität mit den Bürgern, deren Kinder und Kindeskinder heute auch hier anwesend wären, wenn es Auschwitz nicht gegeben hätte."



Schweigen.



"Gerade die Mitglieder der SPD, die sich doch sonst auch für Verfolgte einsetzen, sollten doch daran interessiert sein, daß unser Hinterhofshausen Flagge zeigt" schiebe ich nach.
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"Hatten wir überhaupt Juden in Hinterhofshausen?" fragt ein etwas jüngeres SPD-Gemeinderatsmitglied.



"Do, der Peter müsst des doch wisse" kommt es aus dem Eck "dem sein Grossvadder war doch da Bürschermaster."



Peter schaut geschockt auf seine besudelte Familienehre. "Na un?" kommt es trotzig zurück "die warn früher alle debbei"



Aber der Herr im Eck, ebenfalls SPD´ler lässt nicht locker: "aber kanner war Bürschermaster" und Peter bekommt eine gesunde Gesichtsröte.



"Leut" lenkt der CSU-Bürgermeister ein "des is doch alles alder Kram. Des intressiert doch heut kein mehr."



"Ob das die Lokalpresse auch so sieht?" hake ich nach.



"Des is mir wurscht" bläst mich der Bürgermeister an "wenn Sie hier Unfriede stifte wolle, dann verweis ich Sie des Saals."



Ach. So ist das? Der von mir gewählte Gemeinderat nebst CSU-Bürgermeister will mich in meinen Bürgerrechten beschneiden? "Nur zu" sage ich "das können Sie dann übermorgen in der Zeitung lesen und sicher interessiert sich auch das Fernsehen dafür. Gute Werbung für Investoren."



"Was wär denn an einer Plakette so schlimm?" fragt einer dazwischen.



"Ei, wer soll ´en des bezahle" pflaumt ihn der Bürgermeister trotzig an.



"Vielleicht genügt es ja, wenn wir die zwei Kastanienbäumchen vor der Kirche streichen" schlage ich listig vor.



"Die Bääm bleibe" rotzt mich der Bürschermaster an. "Isch verzischt doch nit uff Bääm wesche so´ ner blöde Plakette"



"Nur, um das festzuhalten" ich habe ihn jetzt voll am Sack "Sie finden also zwei Bäume vor der Kirche wichtiger als eine Gedenktafel für verfolgte und getötete Mitglieder Ihrer Gemeinde?"



Der Bürgermeister sieht aus wie eine Tomate vor der Explosion. "So was muss ich mir von äm Fremde nit sache lasse" brüllt er.
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"Sie sollte sich erstemal hier intrigieren, bevor Sie glaube, hier große Tön spugge zu könne."



Ich springe auch auf "ERSTENS heißt es "Integrieren" und ZWEITENS, was, wenn nicht? Wollen Sie mich dann auch verfolgen?"



"RAUS.."



"JA; ICH GEHE. ABER BEI DER NÄCHSTEN SITZUNG BIN ICH WIEDER DA, UND DANN WERDEN SIE SCHWARZ AUF WEISS HABEN, WER AUS DEM NOBLEN HINTERHOFHAUSEN VON INTOLERANTEN FASCHISTEN VERSCHLEPPT UND GETÖTET WURDE. UND WER DABEI WAR!

UND WEIL WIR GERADE DABEI SIND: UNSERE TÜRKISCHEN MITBÜRGER HÄTTEN GERNE EINEN GEBETSRAUM. KÖNNEN SIE SICH SCHONMAL DRAUF EINSTELLEN!" und ich gehe

türeschlagend ab.



Ich freue mich auf die nächste öffentliche Sitzung. Auch, wenn mich bis daher kein Einheimischer mehr grüßt.
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Punktestand der Geschichte:   374
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Kommentare zur Story:

  Eine köstliche Satire!
Obwohl...
... ist es überhaupt eine???
Das war alles so real, als ob ich das Ganze bereits gut kennen würde.
Weiter so!  
Minotaurus  -  23.10.05 17:58

   Zustimmungen: 5     Zustimmen

  *ThiloS ThiloS

*grinssssssss*
u. grüße aus vindobona.  
toncsi  -  06.07.05 21:15

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Ja, gibt es so was denn in echt?
Ist doch sicher guter Stoff für einen Kurzfilm...?
Was ist denn nun mit der nächsten Sitzung? Gibt es Fortsetzung?!?

Ich bin sprachlos (*g*), wie man sieht, ähm, mehr davon, bitte!  
zoberlotte  -  17.07.04 13:12

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Hehe, hoert sich ja beinah so an, wie die Gemeindesitzung in meinem Nachbardorf...Sehr gut getroffen.

Ach ja, und die Ueberschrift koennte passender nicht sein. Mich juckt es da schon in den Fingern, das muesste sich mal einer trauen! Mensch was waer das schoen!  
Regina  -  16.05.04 16:49

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Interessante Kommentare

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