Nachdenkliches · Poetisches

Von:    Heiko Sonnleitner-Seegmüller      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 2. April 2004
Bei Webstories eingestellt: 2. April 2004
Anzahl gesehen: 2578
Seiten: < 1

Stundenlang saß ich in diesem kleinen Cafè um die Ecke und betrachtete mir die Menschen, die unermüdlich und gehetzt an mir vorbeizogen. Eine Hektik, die in diesen Räumlichkeiten nicht zu verspüren war. Nur leise drangen die Geräusche der Blechlawinen durch die großen, mit einigen Aufklebern versehenen Fenster. In mir hatte sich an diesem Tag eine seltsame, eine nachdenkliche Stimmung breit gemacht, die ich in dieser Intensität noch niemals zuvor erlebt hatte und bis zum heutigen Tag niemals erleben durfte. Meine Gedanken streiften durch die Welt und vor meinem geistigen Auge tauchten immer wieder die Bilder vergangener und gegenwärtiger Ereignisse auf.

Eine Frau brachte mir ein Glas Wasser, das ich mir nach meinem vierten oder fünften Kaffee bestellt hatte. Leise erklang meine Stimme und gab ein Danke in den Raum, von dem ich nicht weiß, ob es zu leise war, um in ihr Gehör einzudringen.

Ich betrachtete mir dieses Glas Wasser. Wie rein das Wasser war. Nichts schien diese Flüssigkeit zu trüben. Ich nahm das Glas in die Hand, schaute hindurch. Und durch dieses Wasser zwischen mir und der Umwelt erschien mir das Gesehene verzerrt und dennoch kenntlich.

Noch war es rein und genießbar, doch wie würde es morgen sein, übermorgen. Bakterien würden sich in ihm vermehren. Bald würde es ungenießbar werden. Es würde seine Reinheit verlieren. Und wenn es seine Reinheit verloren hatte, würde dieses Wasser unbeachtet hingestellt und für lange Zeit würde es kein Mensch mehr beachten. Vielleicht würde es für immer unbeachtet bleiben. Vielleicht würde ein Mensch dieses Glas ausschütten; in den Abfluss oder sonst wohin. Jeder einzelne Tropfen würde in den unendlich vielen Tropfen eines großen Beckens nicht mehr auffallen.

Unwillkürlich dachte ich an das Leben eines Menschen. Kamen wir nicht alle so rein wie dieses Wasser auf diese Erde? Wurden wir nicht alle im laufe unseres Lebens mit Bakterien verseucht? Bleiben wir nicht alle unbeachtet irgendwo in einer Ecke stehen? Und gehen wir nicht alle unter in der Flut der großen Stadt?

Ich stellte mir diese Fragen, doch so sehr ich darüber nachdachte, desto weniger klar wurde mir die Antwort. Und mit dieser Unklarheit verstummten langsam auch die Fragen.
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Kommentare zur Story:

  Hallo, Heiko! Ich finde nicht, dass der von Anika angemerkte Satz sich widerspricht. Im Gegenteil, du hast hier die Präzision deines herausragenden Momentes punktgenau getroffen. - Bei mir bleibt kein Wasser ungenutzt im Glas. Damit werden die Pflanzen gegossen. Aber du hast schon Recht, wenn man in einer trüben Laune ist, sieht man die vielen Möglichkeiten nicht. Zum Glück sind Menschen und auch Wasser, Erde, Luft, zu ständiger Umwandlung fähig. Reinheit ist eine Idee, und ohne Verschmutzung gäbe es weder Entwicklung, noch Streben. Das ist jetzt wohl die Ostersonntagstimmung im Gegensatz zum trüben Karsamstag. ;)
LG und Danke für dein nachdenkliches Glas.
Arnika  
anonym  -  23.03.08 14:16

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Das ist wirklich eine unglaublich gute Geschichte, auch wenn sie mich truarig gestimmt hat. Mir gefällt der Vergleich mit dem Wasser und den Menschen sehr gut. Was ich allerdings nicht verstehe ist ein Satz:
die ich in dieser Intensität noch niemals zuvor erlebt hatte und bis zum heutigen Tag niemals wieder erleben durfte
Das widerspricht sich doch, oder? Aber sonst richtig, richtig gut!  
Anika sleeplessdreamer42  -  24.04.04 21:48

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