Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten

Von:    Klaus Asbeck      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 12. Februar 2004
Bei Webstories eingestellt: 12. Februar 2004
Anzahl gesehen: 2322
Seiten: 2

Freunde“, begann er seine Rede, und sein Blick glitt über die Anwesenden hinweg, schweifte ziellos im Raum umher, trat aus den Mauern und suchte in der Ferne Halt.



Die Anwesenden schauten zu ihm auf, und keiner konnte sich so recht ein Bild machen. Einer fingerte an seiner Krawatte. Ein anderer nahm seine Hand zurück, die auf dem Oberschenkel seiner Nachbarin geruht, sich aber nicht ausgeruht hatte. Eine schüttelte ihr langes Haar locker und immer lockerer. Eine andere dachte an die vergangene mißlungene Liebesnacht. Wieder eine andere schloß und spreizte die Beine ein ums andere Mal, um sich auf diese Weise etwas Erleichterung zu verschaffen. Denn es war bebend schwül im Raum, so schwül, daß man hätte hineinbeißen können. Jedem rann der Schweiß am erhitzten Körper, erst in feinen Tröpfchen, sodann in Tropfen, die sich schließlich in kleinen Rinnsalen vereinten und so oder so in den Textilien endeten.



„Freunde“, hob er erneut an, und fing seinen Blick von weither ein, der sodann auf eine ihm am anderen Tischende gegenüber sitzenden Dame fiel. Diese versuchte ihn mit leicht geöffneten Lippen anzulächeln, wobei, vornüber gebeugt, ihre gewollt oder ungewollt schlecht sitzende Korsage ihres schrill roten Kleides nach vorn klappte und entblößte, was über die längst vergessenen Zärtlichkeiten frühzeitig gealtert war.



Ausgerechnet in diesen Enthüllungen verfing sich sein Blick, was ihn in noch größere Traurigkeit riss, so daß seine schon vor Jahren vorbereitete und für ihn so überaus wichtige Rede nunmehr gänzlich ins Stocken geriet. War es doch sein Bedürfnis gewesen, an diesem Abend endlich über die Liebe im generellen und vor allem auch im speziellen reden zu können. Dieses sein drängendes Bedürfnis war nämlich in all den zurückliegenden Jahren, wo er sich von Fall zu Fall vorgetastet und manchmal auch vorgearbeitet hatte, dieses innere Bedürfnis nämlich war bis zu diesem Abend mit seinen Freunden zu einem mächtigen Strom angeschwollen, der nun aus ihm herausdrängte, um ihn zu befreien oder gar zu erlösen.

Diese Sehnsucht in ihm, die ihn all die Jahre in Unfreiheit gefangen gehalten hatte und seine stolze Natur gebeugt hielt, sollte durch diese Rede erlöst werden; diese Kerkermeisterin, die nur seinen Phantasien Freiheit zu ihrer Entfaltung gewährte.
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Und wenn seine Phantasien dann in bunten Farben schillernd von ihren Ausflügen in sein Gefängnis zurückkehrten und ihn wollüstig erschaudern ließen, dann sank er jedes Mal verzweifelt auf seine Lagerstatt mit dem Ausruf: „Warum denn ausgerechnet ich!“



So stand er vor seinen Freunden, die ihn erwartungslos anschauten, jeder mit etwas in seiner Vergangenheit, mit etwas im jetzigen Augenblick oder mit etwas in der Zukunft innerlich oder äußerlich beschäftigt, jedoch fast alle nichts ahnend. So hatte sich denn die Hand von der Krawatte in der Hosentasche eingefunden, um der sich dort anbahnenden Enge Raum zu verschaffen. Und die Hand des anderen hatte wieder auf dem Oberschenkel seiner Tischnachbarin zurückgefunden, die sich ihrerseits an der Tischkante festhielt und ihren schweren Atem zu unterdrücken suchte. Die andere Dame, die sich noch bis eben mit den möglichen Gründen der mißglückten vergangenen Liebesnacht auseinandergesetzt und sich dabei nochmals alle Details kritisch ins Gedächtnis gerufen hatte, wandte sich nun gedankenschwer, jedoch nicht ohne Hoffnung den Möglichkeiten der kommenden Nacht zu. Dabei stellte sie sich den Redner so vor, wie es ihr die größte Befriedigung zu versprechen schien. Das war ihr letztlich deswegen ein leichtes, weil sie ihn überhaupt nicht kannte, so daß ihre Phantasie nicht an vorgegebene Tatsachen gebunden war. Und schließlich gab die Dame am Tischende ihrer Korsage wieder ihre Aufgabe zurück. Im übrigen war sie unter den Anwesenden die Einzige, die dem Redner in seiner Gänze ihre Aufmerksamkeit schenkte. Und sie war es auch, die die sich deutlich abzeichnenden Probleme des Redners sah und eine Ahnung davon hatte, was diesen so schmerzlich gefangen hielt und folglich, was er in seiner Rede hatte zum Ausdruck bringen wollen.



Dieser bemerkte diese seine erstarrte Traurigkeit. Er bewegte seine Lippen verzweifelt, um doch noch seinen Gefühlen Gehör zu verschaffen und Gefühl zu vermitteln. Aber die Laute blieben irgendwo in ihm stecken. Er setzte sich schließlich und vergrub seinen Kopf in seinen Händen.



Noch Jahre später sprachen seine Freunde von dieser gelungenen Rede.
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enen Rede.
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Punktestand der Geschichte:   145
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Kommentar von "Nathanahel Compte de Lampeé" zu "Manchesmal"

... welch ein wunderschöner text ! lg nathan

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