Nachdenkliches · Kurzgeschichten

Von:    Robert Zobel      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 28. Januar 2004
Bei Webstories eingestellt: 28. Januar 2004
Anzahl gesehen: 2402
Seiten: 2

Als Alois und Erika sich ineinander verliebten, war die Welt verzaubert. Ein goldener Schleier gab allem ein wunderschönes Funkeln. Die Sonne schien heller, ein Lächeln hatte viel mehr Gewicht und die Farben leuchteten alle intensiver. Das weltliche Leid hatte keinen Zugriff mehr auf die beiden Seelen. So nah waren sie dem Himmel.



Erika war ihm sofort aufgefallen. Wie sie durch die Tür kam, sich bewegte und nervös das Haar hinter ihr Ohr steckte. Als er in ihre Augen schaute, wehte aus dem Herz eine Gefühlswelle durch seinen ganzen Körper. Die Hände pochten sacht, das Gehirn wollte sich nichts entgehen lassen und überschlug sich alle Sinneseindrücke aufzunehmen. Bloß nichts verpassen. Ihre Bewegungen wurden gespeichert, die Nase versuchte ihren Geruch einzufangen und die Augen überfluteten ihren Körper mit Fantasie und Begehren.

Es war Liebe auf den ersten Blick. Alois war selbst verwundert. Noch nie hatte sein Herz so stark gebebt, noch nie fühlte er so eine Zuneigung. Und dann zu einer unbekannten Frau. Sie setzte sich an den Tisch neben ihn.

Auch Erika war der Mann aufgefallen, der sie angestarrt hatte. Da war irgendwas gewesen. Ein Sprühen von Energie. Eine Corona mit silbrigen Fäden. Und als sein Blick den ihren traf, fühlte sie sich mit einem wohligen Schauer überzogen. Im Bauch kribbelten auf einmal alle Alarmglocken. Misstrauisch hörte sie in ihren Kopf hinein und stieß auf einen Wirbelsturm, der sie mit sich trug. Das Misstrauen blieb zurück.

Er machte den Anfang mit einem Lächeln, als sie ihn aus den Augenwinkeln anschaute. Dann ergab sich ein Gespräch. Seine Ohren kamen ins Spiel und gaben ihrer Stimme das Prädikat „wundervoll“. Beide verstanden sich mit und ohne Worte. Eine seltsame Vertrautheit lag in der Luft.

Gegenseitig hingen sie sich an den Lippen und bei jedem neuen Wort, wollten sie die Stille mit einem Kuss hervorzaubern. Eine Weile nur sitzen und die Lippen aufeinander spüren. Ganz nah den Duft des Anderen in sich saugen. Etwas magnetisches war zwischen ihnen. Beide träumten gleichsam.

Vor Fieber brannten ihnen die Sicherungen durch und sie mussten sich einfach küssten. Es blitzte und dann waren sie zusammen. Alois und Erika.

Ihre Liebe war ungeheuerlich. Nicht 200 Ehen hätte ihre Zuneigung aufwiegen können.
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Die schönsten Liebesgeschichten waren nichts im Vergleich zu Alois und Erika.

Erst sahen sie sich nur am Wochenende, denn Erika kam aus Bremen und Alois aus Hamburg und dann zogen sie zusammen. Ständig kuschelten und küssten sie sich und konnten ihre Finger nicht voneinander lassen.

Überall sah man sie nur zu zweit. Immer Hand in Hand und stets die Augen sorgsam auf den Partner gerichtet.

Bald schon gingen sie nicht mehr aus dem Haus und gruben sich in die Betten. Draußen konnten sie sich nicht genug genießen. Alles andere lenkte so ab.

Sie fingen an, nur im Bett zu bleiben. Die ganze Zeit redeten sie miteinander. Fernsehen lenkte zu sehr von ihren schönen Lippen und seinen tollen Augen ab. Seine Hand streichelte über ihre kleinen Bäckchen, über die sanft geschwungenen Brauen und liebkosten ihren Hals. Keiner der Beiden wurde müde. Sie sang manchmal ein leises zartes Lied und er hörte ihr fasziniert zu. Ließ ihre Stimme zu dem einen Ohr herein und zu dem anderen Ohr nicht heraus. Hier fühlten sie sich wohl. Die Körperwärme, Haut an Haut unter der dicken Decke, war so unendlich wohltuend und hätte man zu diesem Zeitpunkt ein Teil des menschlichen Puzzles aus dem Bett genommen, wäre der andere Teil emotional erfroren. In der ersten Zeit begleitete Erika Alois noch, wenn er zum Kühlschrank ging. Dann irgendwann schafften sie es nicht einmal mehr dorthin zu kommen. Es genügte Ihnen ihr Bett und ihre gegenseitigen Zärtlichkeiten. Aufstehen hätte bedeutet, auf eine Sekunde Liebkosung zu verzichten und das sahen die Beiden nicht mehr ein.



Sie verliebten ihr Leben.



Man fand sie mit einem Lächeln zwischen den Kissen.
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Punktestand der Geschichte:   7
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Kommentare zur Story:

  Na, wenn sie doch glücklich gestorben sind... War aber ein kurzes Glück...Der Tod hat sie dann doch getrennt...

Ich finde es sehr schön geschrieben. Voller Emotion.  
   Sommertänzerin  -  24.07.11 11:26

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  ganz nett der Gedanke an so eine grosse Liebe !!  
dirtymax  -  28.01.07 11:56

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  aaahh, ich finde die geschichte echt sooo toll!!!
ich weiß, das hab ich schon geschrieben, aber es ist auch wirklich eine der besten geschichten, die ich in letzter zeit so gelesen habe. ich kann jetzt nicht mehr viel mehr dazu sagen, bravo!  
abenddämmerung  -  03.02.04 19:07

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  Sowas, sowas... solls ja geben. Mir fällt auf, daß schon in einem der frühen Sätze ein Hinweis darauf versteckt wird, das es schon bald wieder vorbei ist: "..und sie mussten sich einfach küssten." Oh weh, im ersten Aufwallen der Liebe kündigt sich bereits eine sozusagen perfekte Andeutung des bevorstehenden Endes an. An der Stelle, als seine "Ohren ins Spiel kamen", hatte ich allerdings zunächst sehr irreführende Assoziationen (böse Phantasie, böse!). Unsicher machte mich auch diese Formulierung: "Misstrauisch hörte sie in ihren Kopf hinein und stieß auf einen Wirbelsturm, der sie mit sich trug. Das Misstrauen blieb zurück." Äh.. wo? Im Kopf? Während sie schon weg war?
Und wieviel Zuneigung in 200 Ehen so durchschnittlich stecken kann... gut, darüber kann man diskutieren. Langfristig abgeschlossene Beziehungsverträge waren für mich schon immer ohne Zuneigungsgarantie.
Für meinen Geschmack hast du hier und da deutlich zu dick aufgetragen, da ich die Grundidee nicht schlecht finde. Das Ganze hätte zwar durchaus gefühlvoll, aber insgesamt etwas lässiger und auch fehlerfreier geschildert werden können. Der Satz "Sie verliebten ihr Leben" macht zwar allerhand wieder wett (sehr schön!), doch warum du "Ihnen" zwischenzeitlich groß schreibst, bleibt mir allerdings weiterhin ein Rätsel.  
Trainspotterin  -  01.02.04 19:27

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  sehr gut!  
abenddämmerung  -  01.02.04 12:43

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  mhhh... da steckt tiefes drin... ich kann es nur nicht in worte einsperren... 5 punkte  
Becci  -  28.01.04 19:58

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Unbekannt" zu "Violett"

schöö :-)

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