Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten

Von:    ThiloS      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 26. Januar 2004
Bei Webstories eingestellt: 26. Januar 2004
Anzahl gesehen: 2774
Seiten: 3

Ohja, wir alle lieben sie. Die harten Heavy-Metal-Trash-Grunge-Hardrock-Gitarristen, die uns mit ihren Klängen bei jedem x-beliebigen Dorffest immer wieder aufs Neue verzaubern. Allein der "Soundcheck" (die Zeit, die der im sexy hautengen Strampelanzug gefangene Langhaarträger braucht, um herauszufinden, ob er auch schön schräg klingt) ist sehenswert. Se Giddarmän betritt die Bühne, schnappt sich eine der bis dato jungfräulich herumstehenden Gitarren und stöpselt sie mit fachkundigem Auge in eine Box. Dann schlägt er die ein/zwei ihm bekannten Akkorde und der "Sound" klingt irgendwie RICHTIG. Das mag der Giddarmän nun garnicht leiden und fletzt dem Menschen am Mischpult ein zorniges "Ei kännt hier mei Moniddor" zu. Dann fummelt er wichtig an den Knöpfchen seiner Gitarre, der Mischer fummelt wichtig an den Knöpfchen seines aus dem Internet bestellten Mischpults und voilá - jetzt klingt der G-Dur Akkord wie der Ausbruch des dritten Weltkriegs.



Se Giddarmän zappels himself nau woarm. Er zieht an den Saiten, wirft den Oberkörper vor und zurück, lässt seine Mähne/seinen Zopf hin und her fliegen und zittert wie ein Elektriker, der das falsche Kabel angefasst hat. Bis ihm nach zehn sehr lauten Minuten eine gnädige Seele den Saft abdreht. Dann steht se Giddarmän erschöpft und hechelnd am Bühnenrand, ist aber sehr glücklich und tut dies mit einem "Idds okäi nau" in Richtung Mischpult kund.



Während nun die anderen Bandmitglieder schüchtern versuchen, ihre Instrumente zu stimmen, läuft se Giddarmän mit nickendem Kopf wichtig auf der Bühne auf und ab und gibt Einsatzzeichen und versucht, zu jedem wie immer gearteten Geräusch (inclusive Husten des Drummers und einer Polizeisirene draussen auf der Straße) eine Melodie zu improvisieren. Was natürlich nie klappt.



Dies ist mit einer der Gründe, warum die anderen Bandmitglieder den Giddarmän hassen - denn der Giddarmän besteht bei jedem Stück auf ein wenigstens zehnminütiges Rückkopplungs-Solo und ist immer bestrebt, die anderen Mitleidenden zu übertönen. Das geht natürlich nicht (außer se Giddarmän ist Carlos Santana) und deswegen greift der Mann am Mischpult quasi gottesgleich immer wieder mit dem Fade-out-Regler ein, weswegen se Giddarmän seinerseits den Mischer hasst.
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Überhaupt hat se Giddarmän nur einen Freund in der Bänd, das ist der zweite Giddarmän. Während der Vorstellung laufen beide in der Regel wichtig und sexy und wie die Schweine schwitzend , völlig vertieft in das eigene Geklampfe, auf der Bühne auf und ab und wenn sie sich zufällig dabei treffen, stellen sie sich aus lauter Wiedersehensfreude Rücken an Rücken und wackeln und zappeln und lassen die Haare fliegen usw.usw....



Generell gibt es bei dem Giddarmän übrigens vier Körperausdrucksformen:

- "rebellisch konzentriert": se Giddarmän wirft den Oberkörper zurück, petzt die Augen zusammen, lässt die Haare nach hinten fallen und sieht aus wie Jesus mit einem frischen Lungensteckschuß bevor er zur Haltung



- "zornig geknickt" wechselt. Hier fällt der Oberkörper nach vorne, die Haare stehen wirr zur Seite, se Giddarmän hat die Augen fest geschlossen, die Zähne gefletscht und schüttelt den Kopf wild hin und her wie ein Gorilla mit Darmverschluß. Schließlich fällt er in der



- "stolz kapitulierend"-Haltung auf die Knie, robbt an den Bühnenrand, fast im Takt kopfnickend und kopfschüttelnd, Hauptsache, die Haare fliegen, ja Baby, und hämmert dabei feste auf die laut protestierende Gitarre ein.



Flieht dann endlich alles, was noch einen Gehörgang hat, entsetzt zum Ausgang, dann springt se Giddarmän



- "panisch motivierend" auf die Füße, hört auf zu "spielen", hoppst mit vor dem Bauch baumelnden Instrument (und das ist durchaus zweideutig gemeint) auf der Stelle und versucht, durch rythmisches über-dem-Kopf-klatschen oder mit-beiden Zeigefingern-in-die Zuschauermenge-deuten das noch nicht hörgeschädigte Publikum zum Bleiben zu animieren. Meist wird er dabei durch den Rest der Band durch lautes "hey, hey, hey, hey" und ein verzweifeltes "Ei kännt hier ju" (was nun wirklich kein Wunder ist) unterstützt.



Ist die Show nun aus, stellt se Giddarmän brav seine Gitarre in die Ecke, wirft kurz ein "Bei" und einen kurzen Winker (auch als "deutscher Gruß" bekannt) in das noch verbliebene Auditorium und geht ansonsten stolz und wortlos zum Pinkeln hinter die Bühne (im Fachjargon kurz "Bäggstäitsch" genannt, selbst wenn es sich um die Einmachküche von Tante Hilde handelt).
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Na denn: Schiff ahoi. Und nächste Woche: der gemeine Ghetto-Rapper und seine Unterarten.
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Punktestand der Geschichte:   405
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Kommentare zur Story:

  HAMMER-Story, hätte glatt von mir sein können.
Sehr authentisch (kann ich als Musiker nur
bestätigen). Super-Story: 10000 Punkte von mir  
   Stephan F Punkt  -  03.10.14 21:49

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  und noch eine meiner lieblingsstorys  
Pet  -  27.10.04 19:30

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  What a Lachnumber! Werry guud!
Den Typen hast du super getroffen. Wann kommt der Rapper?  
Stefan Steinmetz  -  25.06.04 09:41

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  Ich las deine Geschichte an und mußte wegen eines nicht zu bändigen Zwerchfell-Lach-Solos die Weiterverfolgung der Handlung um zehn Minuten verschieben. Dein Vergleich des G-Dur-Akkordes mit dem 3ten Weltkrieg-einfach der Hammer-ich hab mich nicht mehr eingekriegt. Du hast sie durchschaut und richtig beschrieben. Ich besitze einen Übungsraum und habe viele solcher Nachbarn (ich spiel Sax), von dnen ich seit über 5 Jahren nichts anderes höre, als die Anfangsakkorde von "Long train running". Für mich als Musik(-liebhab-)er sehr gut nachzuvollziehen. Brilliante Sprache, Supermetapher und ein ordentlicher Schuss Zynismus. Das war das beste, was ich seit langem hier gelesen habe. Vielen Dank dafür!  
Andre  -  06.02.04 23:02

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Sabine Müller" zu "verkaufte Seele"

Hallo, sehr berührend. Gefällt mir gut, auch wenn es sehr traurig ist. Gruß Sabine

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