Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten

Von:    Robert Zobel      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 31. Dezember 2003
Bei Webstories eingestellt: 31. Dezember 2003
Anzahl gesehen: 2376
Seiten: 2

Einen Menschen kann man erst dann richtig beurteilen und in eine Schublade stecken, wenn man weiß, was er liebt:



Ich liebe Steine, die im Licht glitzern, wenn man sie dreht.

Den Blick aus dem Flugzeug, wenn man über Wolken fliegt.

Liebespaaren zusehen, die sich an den Händen halten und vor Glück lachen.

Holz im Lagerfeuer, wenn es flüstert.

Zimtstangen dicht an die Nase halten und dann daran riechen.

Den sichtbaren Hauch im Winter.

Feine blonde Nackenhaare mit den Fingerspitzen berühren.

Braune Blätter, die auf der Wasseroberfläche tanzen.

Einen wilden Sturm der an den Häusern frisst und die Wolken im Zeitraffer über den Himmel fegt.

Ungestellte Fotos die einen echten Augenblick einfangen.

Rustikale Balken in moderner Einrichtung.

Wein, der wie ein warmer Kuss auf den Lippen liegt.

Wenn man aus der Art, wie jemand redet, mehr erfährt als aus der bloßen Zusammenstellung von Wörtern.

Dunkle Augen, die zum Versinken einladen.

Die Ruhe und der Friede zwischen Friedhofsbirken.

Schmale Frauenschultern, um die sich der Stoff von einem Männerhemd hüllt.

Das Schnurren einer warmen Katze in meinem Schoss.

Alte knorrige Bäume mit jungen frischen Trieben.

Ein flauschiges Handtuch im Gesicht.

Eine saftige Melone beißen und den Saft an der Wange spüren.

Feldblumen zwischen Buchseiten getrocknet und flach gedrückt und die kleinen Flecken die dann im Buch zurückbleiben.

Bunte Leuchtreklame in dunklen, grauen Städten.

Ich höre, dass Kinder stolz und überschwänglich von ihrem Mut sprechen.

Den Geruch von getrockneter Ölfarbe.

Mehrstimmige Vogelkonzerte in die sich das Rauschen der Bäume mischt.

Das Finden von fremden Notizen, weil es einen Einblick in fremde Köpfe ermöglicht.

Hölzerne Schubladen, die ganz leicht herauszuziehen sind.

Schokoladenstreusel ins Eis streuen.

Wenn man sich auf den Nachthimmel konzentriert und immer noch mehr Sterne sieht.

Der Stoff eines dunkelroten Rockes auf meiner Handoberfläche.

Treppen ganz schnell hinunterlaufen oder springen.
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Einen Briefkasten, in dem sich ganz viele Briefe versteckt haben.

Die Vergangenheit durch das Erinnern bereisen.

Enten, die Brotkrümel von der ausgebreiteten Decke fressen.

Augenbrauen mit einem schönen Schwung, die bei jedem Gesichtsausdruck mitfliegen.

Den Spiegel am Geburtstag.

Tränen, die wie Perlen über das Gesicht glitzern.

Höhlen mit Laken, Decken und bunten Tüchern bauen.

Einschlafen, wenn es hell wird und aufwachen, wenn es dunkelt.

Die Strassen in den Gesichtern der Alten, die sie mit ihren Erlebnissen bauten.

Fingernägel, die über meine Kopfhaut fahren.

Bei Kerzenlicht und Wein alte Fotos sortieren.

Beschlagene Badfenster, die, die Sicht nach Draußen verschleiern.

Bei nächtlichem Sommergewitter mit freiem Oberkörper durch die Strassen laufen.

Von einer Brücke spucken und den Flug beobachten.

Die Anrede „Lieber“.

Berge, von denen man bis zum Meer sehen kann.

Lange dunkle Mäntel, die im Schnee Furchen ziehen.

Kleine Fliegen, die auf meinem Körper wandern und dabei wohlig kitzeln.

Meerwasser das auf der Haut trocknet.

Zeitungen aus meinem Geburtsjahr lesen.

Eine flüsternde Stimme nah an meinem Ohr, die mir „Gute Nacht“ wünscht.

Das Geräusch von kleinen Steinen die zwischen Sohle und Betonboden knirschen.

Wenn junge Hunde nach meinen Seifenblasen schnappen.

Versuchen mit einer alten Kamera Blitze zu fotografieren.

Alte Madonnastaturen die detailgetreu, grazil gebaut und unbemalt sind.

Helle Fenster ohne Gardinen in der Nacht.

Frauenhaar in meiner Dusche. Ganz viel, weil die Frau dann schon ganz lange da ist.

Wenn ich mein Passfoto in fremde Brieftaschen sehe.

Wenn sich eine hübsche Frau in der Straßenbahn auf den Sitzplatz neben mir setzt.

Geliebte Musik aus fremden Walkmankopfhörern. Das verbindet.

Menschen, die voll hinter dem stehen, was sie tun.

Grazile schwarze, eiserne Brücken über einem grünen Seerosenteich. Frösche quaken.

An Rosen riechen, wenn keiner schaut.
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Der Fleck Sonne auf der Handinnenfläche, wenn die Sonne durch ein Glas Weißwein scheint.
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Punktestand der Geschichte:   12
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Kommentare zur Story:

  Lieber (!) Robert,
wunderschön geschrieben... Auch ich kann mich Heidi nur anschließen: du bist ein Maler, der durch kleine, sanft gestaltete Bilder spricht.
5 Finger...
Liebe Grüße,
Nina Märtens  
Unbekannt  -  14.07.04 16:45

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  Du bist ein mensch, der den Blick fürs Wesentliche noch nicht verloren hat.  
Jana  -  08.01.04 22:37

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  Wie schon meine Vorgängerin sagte, bezaubernd! Man kann förmlich die Sanftheit einiger von dir beschriebenen Augenblicke spüren... *träum*

Liebe Grüße,
Francis  
Francis  -  07.01.04 14:24

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  schön, wie du dies alles beschreibst, ganz entzückende kleine Bilder mit wenigen Wörtern malst!
auf die kleinen Fliegen und Haare in der Dusche könnte ich zwar gerne verzichten, ansonsten bezaubernd...
Trotzdem glaube ich kaum, dass wir dich jetzt in irgendeine Schublade stecken können, du hast du uns gezeigt, dazu zu vielseitig zu sein!

schöne Grüße,
Heidi
PS. die 5 Punkte sind von mir.  
Heidi StN  -  31.12.03 19:24

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Interessante Kommentare

Kommentar von "SCvLzH" zu "Am Meer"

... melancholisch aber schön ...

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Letzte Kommentare

Kommentar von "Dieter Halle" zu "Einfach toll "

Da musste ich lachen. Ja, so geht es einem. Imer wieder neue Bilder schießen und dann guckt man die sich doch nicht mehr an.

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