Joana, die Tochter des Königs   164

Romane/Serien · Trauriges

Von:    Klaus Asbeck      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 19. November 2003
Bei Webstories eingestellt: 19. November 2003
Anzahl gesehen: 2414
Seiten: 11

Es war einmal ein alter König. Dieser hatte eine wunderschöne Tochter mit Namen Joana. Ihren Liebreiz hatte sie von ihrer Mutter geerbt, die wegen ihrer Schönheit weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt gewesen war. Doch war sie bei der Geburt von Joana gestorben. Der König, der beträchtlich älter war als seine Gemahlin, konnte ihren Verlust nie verwinden. Sein einziger Trost war seine Tochter, auf die er all seine Liebe konzen-trierte. So hatte der König die strikte Anweisung erteilt, seine Tochter nie alleine zu las-sen. Deshalb war Joana als Kind und auch als heranwachsende Frau immer von Kam-merzofen umgeben, die mit ihrem Leben dafür einzustehen hatten, daß ihr kein Leid ge-schah.

Als Joana die ersten Anzeichen einer aufspringenden, weiblichen Knospe zeigte, gab der König Befehl, daß sich ihr kein Mann nähern durfte. Denn bei all seiner Güte ahnte der König in sich die tödliche Frucht der Eifersucht.

Andererseits gestattete der König der jungen Prinzessin auf ihren wiederholt vorge-tragenen Wunsch hin, endlich doch reiten und fechten lernen zu dürfen. Bei der Auswahl ihrer Lehrer achtete der König jedoch streng darauf, daß diese unansehnlich und alt wa-ren. Das Bogenschießen hingegen gestattete er ihr nicht, weil sich dies für eine so hoch-gestellte Dame nicht gezieme. Dies sei außerdem nur den Amazonen vorbehalten ge-wesen, denen deshalb auch die rechte Brust gefehlt habe. Immerhin sprach sich im Lande nicht nur die überaus anmutige Schönheit der Prinzessin herum, sondern auch das Lob ihrer Reit- und Fechtlehrer.



Bei vielen Gelegenheiten mußte sie den König begleiten, wobei allein schon der ge-bieterische Blick des Königs genügte, die Bewunderung der jungen Ritter und Adligen auf Distanz zu halten. Auch wenn der König zur Falkenjagd ausritt, nahm er die Prinzessin mit. Dabei mußte sie die Tracht eines Knappen tragen, wobei sich ihr golden rötliches Haar, das ihr bis über die Schultern fiel, unter der Kappe verbergen ließ, was hingegen mit den Rundungen ihres überaus weiblichen Körpers nicht gänzlich gelang, auch wenn die Kammerzofen sich redlich Mühe gegeben hatten, all dies mit einem eng geschnürten Mieder aus starkem Fischbein unsichtbar zu machen.



Soweit es also die Regierungsgeschäfte des Königs zuließen, hielt sich Joana meistens in dessen Nähe auf.
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Und es geschah nicht selten, daß er in einem heimlichen Augenblick ihre Hand drückte. So trübte nichts die Liebe zwischen beiden. Doch geschah es zu-nehmend öfter, daß sie beim Anblick dieses oder jenen Jünglings eine seltsame Unruhe befiel, deren Ursache sie nicht kannte. Auch hatte sie einmal in den Pferdestallungen ein Paar entdeckt, das sich im Stroh leidenschaftlich umarmte. Bei diesem Anblick tat ihr das feste Mieder plötzlich weh. Verwirrt lief sie daraufhin so schnell ins Schloß zurück, daß die beiden Kammerzofen, die schwätzend vor den Stallungen auf sie gewartet hatten, ihr kaum folgen konnten.



Als der König und die Prinzessin sich beim Abendmahl des gleichen Tages gegenüber saßen, meinte der König bei seiner Tochter eine gewisse Veränderung zu spüren. Auf seine Frage hin, ob es ihr nicht gutgehe, antwortete sie brav: "Doch, Vater, es geht mir gut." Wie hätte sie auch dem Vater die plötzliche innere Unruhe erklären können.

Als der König und seine Tochter gemeinsam einem Ritterturnier beiwohnten, und Joana dem jungen, forschen Sieger ein Tüchlein an dessen ihr hingehaltenen Lanze befestigte, da bemerkte der König, wie Joana eine zarte Röte ins Gesicht stieg.

Ab diesem Tag konnte er sich trotz seines heftigen inneren Widerstandes der Einsicht nicht mehr verschließen, daß der Tag ihrer Vermählung nicht mehr fern war. Bei diesem Gedanken schnürte sich ihm die Brust zu. Zum zweiten Mal stand ihm der Abschied von einem heißgeliebten Menschen bevor. Und wenn er der Prinzessin fortan heimlich die Hand drückte oder ihr übers Haar strich, wenn sie alleine waren, dann geschah dies spür-bar anders als bisher, so daß Joana fragend zu ihm aufsah. Doch der König konnte diesem Blick seiner Tochter nicht standhalten und räusperte sich, was aber eher einem Stöhnen glich, welches sich seiner gequälten Brust entrang. Mit den gehauchten Worten: "Meine Liebe, meine Liebe," wandte er sich dann für gewöhnlich ab, zumal auch seine Augen nunmehr häufiger den verräterischen Glanz des Schmerzes zeigten. Joana blieb die Veränderung ihres Vaters nicht verborgen. Aber in ihrer jugendlichen Unbekümmert-heit mutmaßte sie, daß es wohl mit dem zunehmenden Alter ihres Vaters zu tun habe.
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Jedenfalls schaute der König die hochgestellten Männer seines Landes nun auch immer häufiger mit den Augen eines Vaters einer zu vermählenden Tochter an. Denn wenn eine baldige Vermählung schon aus Gründen der Erhaltung seiner Dynastie unvermeidbar war, dann wollte und konnte er nichts dem Zufall überlassen. Das erschien ihm als zwingend.

So besah er sich bei dem nächsten Staatsbankett genau die anwesenden Edlen des Landes, einen nach dem anderen, und überschlug im Geiste ihre Charaktereigenschaften und Verdienste für das Land. Die markanteste Gestalt unter den anwesenden Männern gab zweifelsohne der Freie Ritter Wolfram am Ende der Tafel ab. Wenn er auch nur einen Titel als Freier Ritter führte, so stammte er immerhin aus einem uralten Geschlecht. Dem König imponierte die aufrechte und unbestechliche Art des Ritters, wenngleich er sich nicht selten über dessen Stolz geärgert hatte, den dieser Ritter kaum zu verbergen trachtete. Auch eilte dem Ritter sein Ruf voraus, ein tapferer und doch beherrschter Kämpfer zu sein. Welch ein großartiger Vater also für seine zukünftigen Enkelkinder, dachte der König. Aber der Ritter war ihm als Freier Ritter nicht lehenspflichtig, und schuldetet ihm somit keinen Gehorsam, so daß er als Gemahl für seine Tochter aus Gründen der Staatsräson ausscheiden mußte. Nochmals ging der König die Edlen der Reihe nach durch, aber er mußte sich dabei eingestehen, daß keiner über das Mittelmaß hinausreichte.

Der König wandte sich sodann mit der Frage an seine Tochter, die neben ihm saß, so unverfänglich und beiläufig, wie es diese Frage überhaupt zuließ: "Meine Tochter, welchen der hier anwesenden Edlen würdest Du vertrauensvoll mit einer heiklen Aufgabe betrauen?" Die Anwesenden hatten bemerkt, daß der König sich mit jedem einzelnen von ihnen zu beschäftigen schien. Alle Augen richteten sich auf den König und sodann auf die Prinzessin. Diese war etwas verunsichert aufgrund der Frage ihres Vaters. Aber sie kam ohne längeres Zögern der Aufforderung nach und musterte, jedoch eher flüchtig und scheu, der Reihe nach jeden der anwesenden Männer.
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Als sie beim Freien Ritter Wolfram angelangt war, zwang sie eine fremde Macht, diesem in die Augen zu schauen. So be-gegneten sich ihre Blicke zum ersten Mal. Der Ritter sah der Prinzessin ernst und offen in die Augen. Die Prinzessin durchfuhr dieser Blick wie ein Blitz, so daß sie die Augen senken mußte. Der Vater kannte ihre Antwort, als er sah, wie seiner Tochter die Röte ins Gesicht schoß. Unmutig wandte der König sich an seine Tochter: "Du brauchst nicht zu antworten, Joana, ich sehe Deine Antwort." Diese war über des Vaters ungewohnt barsche Äußerung überrascht, traute sich aber nicht nach dem Grund zu fragen. Als am späten Abend dann das Bankett beendet war, verließen der König und die Prinzessin den Saal als erste, wobei die Edlen ein Spalier bildeten, durch das das königliche Paar schritt. Als die Prinzessin den Freien Ritter in der Reihe erblickte, mußte sie den Kopf zu ihm wenden und in seine Augen blicken. In diesem Moment legte dieser seine rechte Hand auf sein Herz und neigte kaum merklich sein Haupt. In dieser Nacht wurde Joana erst sehr spät von ihren unruhigen und fragenden Gefühlen durch den Schlaf erlöst.



Es mögen wohl Wochen ins Land gegangen sein, da forderte der König seine Tochter auf, ihn auf einer Falkenjagd zu begleiten. Nach kurzem Ritt entließ der König den Falken in die Lüfte, der ihnen folgte, nach Wild Ausschau haltend. Nach einer Weile kam der Vogel auf die behandschuhte Faust des Königs zurück. Dieser zügelte sein Pferd und bedeutete den Gefolgsleuten abzusitzen. Er setzte sich auf einen Felsbrocken, seine Tochter ins Gras zu seinen Füßen. Er schaute gedankenverloren über das weite Land, wie es schien. Doch tatsächlich schaute er nach Innen, denn sein Alter machte sich zunehmend fragend bemerkbar. Er legte seine Hand schwer auf die Schulter seiner Tochter, die fragend zu ihm hochschaute. "Bedrückt Dich etwas, Vater?" "Kind," antwortete er leise und zärtlich, "ich frage mich, was nach mir wird, mit meinem Reich, aber natürlich auch mit Dir." "Aber Vater," entgegnete sie lachend, "Du machst mich zur Königin, weist mich in die Staatsge-schäfte ein, und dann regiere ich Dein Land." "So einfach ist das nicht," war seine Ant-wort. "Es muß ein legitimer männlicher Erbe her, und dies bald.
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Ich muß Dich vermählen." Joana wiederholte diesen letzten Satz, ungläubig ihn vernommen zu haben. "Ja, ich muß Dir einen Gemahl suchen." "Das heißt, ihr wollt mich wirklich vermählen, Vater?" fragte sie fassungslos. Ohne auf ihre Frage noch einzugehen, gab der König das Zeichen zum Auf-bruch.



Geraume Zeit später mußte der König einen Staatsbesuch in einem fernen Land machen. Da die Reise viele Tage dauern würde, und zudem durch eine große Wüste und eine be-schwerliche Bergkette führte, entschloß sich der König schweren Herzens seine Tochter im Schloß zurück zu lassen. Beim Abschied hob er sie ganz entgegen der höfischen Ge-pflogenheiten zu sich hoch und drückte sie fest an sich. "Gib auf Dich acht, mein Herz. Vergiß nicht, daß Du alles bist, was ich habe," flüsterte er ihr ins Ohr, "und folge den An-weisungen der Hofdame Cordula, die ich eigens damit betraut habe, über Dich zu wachen." Joana dankte ihrem Vater lächelnd für soviel Fürsorge, wobei eine feine, kaum wahrnehmbare Ironie in ihren Worten mitschwang, daß in diesem Fall er es wäre, der auf sich aufpassen müsse.



Als der königliche Troß nicht mehr zu sehen war, suchte Joana ihre Räume auf, die durch eine Tür mit jenen der Fürstin Cordula verbunden waren, der Hofdame mit dem be-sonderen Auftrag.

Ohne ihren Vater, der so schnell nicht zurück erwartet wurde, verflossen die Tage in Langeweile. Die Hofdame überwachte zudem jeden Schritt der Prinzessin. Hinzu kam, daß die Hofdame so schwergewichtig und kurzatmig war, daß sie nur äußerst widerwillig dem Bewegungsdrang von Joana nachkommen wollte. Zwischen beiden entspann sich deshalb immer ein wortreicher Kampf, zumal Joana eigentlich nur gewohnt war, die Autorität ihres Vaters anzuerkennen. Weil die Hofdame nicht reiten konnte, was bei ihrer Leibesfülle auch nicht vorstellbar gewesen wäre, wurde Joanas Wunsch ausreiten zu dürfen immer wieder strickt verweigert. Erst als der Hofdame das ständige Gedrängel von Joana zuviel wurde, und Joana eine Zofe ausfindig gemacht hatte, die vorgab, sich im Sattel halten zu können, und die von der Hofdame als Begleitung anerkannt wurde, durfte Joana einmal täglich ausreiten.
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Bei diesen Ausflügen ritt Joana artig im Schritt, damit ihre Ausflüge nicht etwa durch einen Unfall ihrer Anstandsdame gefährdet würden.



Am vierten Tag kam ihnen im scharfen Galopp ein Reiter entgegen. Er brachte sein Pferd so abrupt vor den Damen zum stehen, daß es auf die Hinterbeine stieg. Bei seinem An-blick verschlug es Joana den Atem. Ihre Blicke begegneten sich, wobei der Ritter seine Hand auf sein Herz legte. Die Begleitdame rutsche vor Schreck aus dem Sattel. Und ihr Pferd suchte das Weite. Der Ritter riß sein Pferd herum und verfolgte das reiterlose Pferd. Und Joana folgte beiden. Nach kurzem Galopp hatte der Ritter das Pferd eingeholt und es mit dessen Zügeln zum Stehen gebracht. Die Prinzessin hielt gänzlich außer Atem ihr Pferd neben dem Ritter an. Und wieder begegneten sich ihre Augen. "Prinzessin, darf ich fragen, ob der König im Schloß weilt." Die Prinzessin vernahm seine Worte wie aus weiter Ferne. Die lange Sehnsucht nach einem solchen Augenblick nahm sie völlig gefangen. Erst seine erneute Stimme "Darf ich fragen?", brachte sie zurück in Zeit und Raum. "Nein, nein, mein Vater ist nicht im Schloß. Seine Rückkehr wird noch geraume Zeit in Anspruch nehmen." Es entstand für beide eine notwendige Pause, um die Freude darüber zulassen zu können. Der Ritter legte seine Hand auf sein Herz, neigte knapp sein Haupt, übergab der Prinzessin die Zügel des reiterlosen Pferdes, und sagte: "Ich segne diesen wunder-samen Platz, den ich jetzt jeden Tag aufsuchen werde, um seine ganze Schönheit zu be-greifen." Kaum hatte er dies ausgesprochen, da war er auch schon mit seinem Pferd hinter den Bäumen verschwunden. Joana griff sich an die Brust, aus der sich ein leiser Schrei entrang. "Ich habe Dich gefunden. Paß auf Dich auf." Sodann ritt sie zu ihrer völlig verstörten Begleitung zurück und versprach dieser einen großzügigen Geldbetrag, damit diese den Vorfall verschweige.



Ungeduldig erwartete die Prinzessin den nächsten Ausritt am kommenden Tag. Als die beiden Pferde dann gesattelt vor der Schloßtreppe auf die Prinzessin und ihre Begleitung warteten, nahm die Prinzessin noch schnell einen wertvollen Ring aus ihrer Schatulle.
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Artig verabschiedete sie sich von der Fürstin, die behäbig in einem wuchtigen Sessel in der großen Eingangshalle auf sie gewartet hatte. Dieses Mal mußte Joana sich ständig zum Schrittreiten zügeln, um nicht noch im letzten Augenblick die drängende Hoffnung auf ein Wiedersehen durch einen Sturz der Begleitung zunichte zu machen, die überdies schon mißmutig und ängstlich mit ihrem Pferd folgte.

Nachdem sie ein Stück des Weges geritten waren, zog Joana den wertvollen Ring vom Finger und reichte ihn ihrer Begleitung mit den Worten: "Ihr wartet hier. Ich werde alsbald zurück sein." Bevor die Begleitung Einwände geltend machen konnte, war Joana im vollen Galopp bereits außer Rufweite. Als wenn sich ihre Erregung auf ihr Pferd übertragen hätte, machte sich dieses in einer raumgreifenden Galoppade lang.



Sie sah ihn bereits von weitem neben seinem Pferd stehen. Er hatte seine leichte Rüstung, bestehend aus Kettenhemd und Beinkleidern aus schwerem Leder, gegen rot und blau gestreifte Pluderhosen, sowie einen gleichfarbigen Wams eingetauscht. Ge-halten wurde alles durch einen breiten Ledergürtel, dessen Schnalle sein Wappen trug. An seine Ritterschaft erinnerte jetzt nur noch sein gewaltiges Schwert, das am Sattelknauf herunterhing. Außer Atem brachte sie ihr Pferd neben ihm zu stehen. Doch bevor sie aus dem Sattel gleiten konnte, hob er sie sanft zu sich herunter. Dabei stellte sie zum ersten Mal in ihrem Leben fest, wie beeindruckend eine durchtrainierte Männerbrust sein konnte, an die er sie für einen Augenblick fest drückte. Und er fühlte erregt ihre warmen weichen Rundungen.

Aus irgendeiner tief in ihr verwurzelten Ahnung heraus spürte sie plötzlich die Vergäng-lichkeit dieses großen Augenblickes in ihrem Leben. Zwischen unbestimmter Traurigkeit und fordernder Wollust sank sie ins Gras und zog ihn zu sich hinunter. Und wieder vollzog sich der Wille der Schöpfung in einer so tiefgreifenden Weise, daß die Welt für die Dauer eines Herzschlages stillzustehen schien. Sie waren so ergriffen vom Erleben, daß sie bis zu ihrem Abschied kein Wort austauschen konnten. Er küßte sie, aber ihre Lippen waren vor Erregung ganz trocken. Sodann beugte er sich zu ihrem Mieder herab und küßte leidenschaftlich ihre in Tuch verhüllten Rundungen.
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Mit den Worten "Ich werde bei Eurem Vater um Eure Hand anhalten," schwang er sich auf sein Pferd und war im nächsten Augenblick außer Sichtweite.



Als sie mit der nunmehr völlig in Angst aufgelösten Begleitung in den Schloßplatz einritt, teilte sich ihr sofort die große Aufregung im Schloß mit. Sie übergab ihr Pferd einem Knappen und eilte in großen Sprüngen die Schloßtreppe hinauf. Im Schloß erfuhr sie, daß ein Kurier die Nachricht überbracht habe, daß der König stündlich mit einer guten Nach-richt zurück erwartet werde. Am nächsten Morgen ritt dann der König mit seinem Gefolge nach allen Seiten grüßend im Schloß ein. Er schloß seine schöne Tochter in die Arme und küßte sie ganz entgegen seiner Gepflogenheit auf die Wange. "Ich habe eine gute Nach-richt für Dich mitgebracht, aber davon später.", rief er ihr noch zu, als er bereits zu dem Audienzsaal strebte, wo er von seinen Ministern erwartet wurde, um Kenntnis vom Inhalt und Ergebnis seiner Reise zu erhalten.

Joana ging in ihre Gemächer, von einer bangen Ahnung erfüllt. Dort verweilte sie, bis sie der König zu sich rufen ließ. Für das Gespräch mit seiner Tochter hatte der König das intime Bibliothekszimmer ausgewählt, in dem bereits ein wärmendes Kaminfeuer in diesem unentwegt kalten Gemäuer loderte. Der König saß dicht beim Feuer und hieß die Prinzessin ihm gegenüber Platz zu nehmen. Diese hatte ein festlich langes Kleid in einem schillernden Rot mit einem weiten und tiefen Ausschnitt angelegt. Dazu trug sie ein Collier mit hellblauen Aquamarinen. Überrascht und leicht belustigt meinte der König bei ihrem Anblick: "So feierlich mein Kind?" Aber Joana setzte sich still in den großen Sessel und vernahm des Königs Worte in wissender Vorahnung wie aus der Ferne: "Mein schönes Kind, ich habe einen Gemahl für Dich gefunden. Er wird in wenigen Monaten mit seinem Gefolge hier erscheinen und um Deine Hand anhalten." "Aber Vater," preßte Joana her-vor. Der König brachte sie mit einer bestimmenden, weit ausholenden Handbewegung zum Schweigen. "Kein Aber, Joana. Aus Gründen, die Du vielleicht noch nicht begreifst, es muß zwingend sein!" Der König erhob sich.
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Und indem er ihr zärtlich über das Haar strich, sagte er begütigend: "Er ist in der Rangfolge der zweite Thronerbe des Nachbar-staates, wohin ich meine Reise angetreten hatte. Er ist ein stattlicher und gebildeter Mann, der Dir den Respekt erweisen wird, den Du als meine Tochter verdienst." Mit diesen Worten ließ der König seine Tochter allein. Diese eilte auf ihr Zimmer, warf sich auf ihr Bett und vergrub ihren Kopf schluchzend in den Kissen.



Am nächsten Tag ritt der Freie Ritter in seiner schweren Turnierrüstung auf einem Rap-pen im Schloßhof ein. Auf seinem Helm wehte ein rot blauer Federbusch, die Farben seiner Abstammung. Behende sprang er trotz Rüstung vom Pferd, das er einem Knappen übergab. Bevor er die Schloßtreppe hocheilte, schaute er suchend an der weitläufigen Schloßfassade hinauf und entdeckte Joana an einem geöffneten Fenster, an dem sie auf sein Erscheinen täglich so sehnsuchtsvoll gewartet hatte. Ihre Blicke begegneten sich wieder. Sie hob leicht ihre Hand zum Gruß. Und er legte seine Hand, von der er den schweren Handschuh abgestreift hatte, auf sein Herz. Welch unendliches Verlangen ver-spürte sie, in die Halle hinunter zu laufen und ihn in die Arme zu schließen. Doch dies war ihr verwehrt.



In die Empfangshalle eintretend, ersuchte der Ritter ohne Umschweife um eine Audienz beim König, mit der Bemerkung, daß die Angelegenheit keinen Aufschub dulde. Diese wurde ihm daraufhin gewährt, obwohl der König etwas ungehalten wegen des allzu for-schen Auftretens des Ritters war, was ihm aber andererseits wieder einmal imponierte.



Eine Palastwache öffnete dem Ritter die große Doppeltür zum Audienzsaal des Königs, der nicht auf seinem Thron saß, sondern den Ritter, in einem großen Armsessel sitzend, erwartete. Der Ritter senkte seinen Kopf. Denn als Freier Ritter war er dem König nicht zur Kniebeugung verpflichtet. Wohlgelaunt begrüßte der König den Ankömmling mit einer einladenden Geste, gegenüber am Audienztisch Platz zu nehmen. "Es freut mich Ritter Wolfram, Euch hier mal wieder begrüßen zu dürfen, aber in dieser kriegerischen Aus-rüstung? Was führt Euch zu mir, sprecht." Der Ritter legte den schweren Helm, den er unter dem Arm getragen hatte, auf den Tisch vor ihm ab und schaute dem König gerade-wegs und unbeirrt in die Augen, indem er sich wie folgt vernehmen ließ: "Mein König, ich bin zwar nur ein Ritter, aber in meinen Adern fließt stolzes, altes und auch unabhängiges Blut.
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Dieses, Euer Reich verdankt dem unerschrockenen Mut meiner Ahnen nicht Gerin-ges. Deshalb zögere ich nicht, um die Hand Eurer Tochter anzuhalten." Mit einem Ruck stieß der König seinen schweren Stuhl zurück, doch faßte er sich augenblicklich und ent-gegnete: "Edler Ritter, ich weiß Euch, Eure Herkunft und die Verdienste Eures Ge-schlechtes für dieses Land sehr wohl zu schätzen. Gleichwohl bin ich über Euer Anliegen einigermaßen überrascht, gibt es doch bezüglich der Vermählung meiner schönen Toch-ter vieles zu berücksichtigen und zu bedenken. Gleichwohl, ja gleichwohl bin ich geneigt, Euer Anliegen nicht ohne Wohlwollen zu überdenken, das wir erst einmal unter uns bei-den behandelt wissen wollen. Dafür und zum Beweise Eurer Treue wünsche ich mir von Euch eine Gegenleistung, die auch zeigen wird, ob Ihr Euch meiner Tochter würdig er-weist." Der Ritter stand auf und sprach stehend vor dem König: "Sire, Euer Wunsch ist mir Befehl." Der König lächelte und forderte den Ritter auf, wieder Platz zu nehmen. Dann sprach er wie folgt: "Wohlan, mein Ritter, Eure Worte vernehme ich gern. Ich habe Kunde erhalten, daß der Barbar an der Ostgrenze meines Reiches sich anschickt mit seinen Truppen in unser Land einzufallen. Ich übertrage Euch hiermit die ehrenvolle Aufgabe, meine Truppen unter Eurem Befehl in die nun unvermeidliche Schlacht zu führen. Und solltet ihr diese siegreich beenden, woran ich keinerlei Zweifel hege, dann wollen wir Euer Anliegen erneut aufgreifen. Nun macht Euch an die Arbeit. Ich werde die nötigen Weisun-gen erteilen, die Euch als Befehlsinhaber bestätigen." Der Ritter erhob sich, neigte sein Haupt und schritt aus dem Saal. Ohne Zögern traf er die nötigen Vorbereitungen zum Aufbruch und besprach sich mit den herbeigerufenen Kommandeuren, die ihren Unmut nicht gänzlich verbergen konnten, von einem einfachen Ritter befehligt zu werden. Nach einer Woche, in der der Ritter die Prinzessin nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen hatte, weil der König angeordnet hatte, daß sie in ihren Gemächern zu weilen hatte, ver-ließ eine stattliche Heerschar unter Fanfarenklängen das Schloß, angeführt von Wolfram, dem Freien Ritter.
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Joana blickte diesem hinter den Vorhängen eines Fensters sorgen-schwer und mit so viel Sehnsucht in ihrem Herzen hinterher.

Als die Truppe abgezogen und Ruhe im Schloß eingekehrt war, durfte Joana sich wieder in der Nähe des Königs aufhalten. Aber auch bei den gemeinsamen abendlichen Mahlen verlor der König kein einziges Wort zu dem Anliegen des Ritters. Und Joana hatte nicht den Mut danach zu fragen.



So vergingen die Tage für Joana in Ungewißheit und mit Bangen. Ein Kurier hatte die Botschaft überbracht, daß das Vorrücken des Feindes gestoppt worden war. Ansonsten lastete auf der Prinzessin ein sie umgebendes undurchdringliches Schweigen. Und diese Stille in ihrer Einsamkeit schien sich noch zu verdichten. Eines Tages ritt ein Bote in den Schloßhof ein und verlangte den König unverzüglich darüber zu informieren, daß der Freie Ritter Wolfram in der Schlacht gefallen sei. Diese Nachricht wurde der Prinzessin wenig später über eine Kammerzofe zugetragen, begleitet von dem Gerücht, der Ritter sei hinterrücks erschlagen worden. Versteinert setzte sich Joana nieder und starrte mit einem seelenlosen Blick vor sich hin. Sie faltete die Hände und murmelte etwas, während die Kammerzofe unschlüssig und verwirrt neben ihr stand. Die Prinzessin stand sodann wie geistesabwesend auf, schickte die Kammerzofe mit einem Auftrag fort und nahm eine große Schere an sich. Danach verließ sie ihre Räume, eilte zu dem unbewohnten Schloßturm und lief die vielen Stufen hinauf, bis sie auf seinen Zinnen stand. Sie schnitt sich ihre rötlich goldenen Haare ab und übergab diese dem Wind, der sie über das Land forttrug. Sodann sprang sie mit den Worten in die Tiefe: "Geliebter, ich komme."



An der Stelle vor dem Schloßturm, wo die Prinzessin ihr Leben aushauchte, bleibt seither kein Schnee liegen, sei es auch noch so kalt.





17.XI 2003
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  Wenn die Idee nicht so abgenutzt wäre, dann wäre das eine sehr gute Geschichte. Aber es kam annähernd nichts innovatives drin vor, auch wenn der Stil mir gefällt.
Die Handlung ist nicht sehr tiefgründig und der Legendeneffekt mit dem Schnee nicht gut gelungen, irgendwie.

Mittel.  
Redfrettchen  -  07.12.03 09:48

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