Nachdenkliches · Kurzgeschichten

Von:    Nairy      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 31. Oktober 2003
Bei Webstories eingestellt: 31. Oktober 2003
Anzahl gesehen: 2232
Seiten: 2

Warum bist du so müde? Deine Augen blitzen nicht mehr. Ein sanfter Schleier verzerrt die klaren Linien deines Antlitzes.



„Ich habe mich leergelebt.“ Sagst du mit einem verhaltenen Lächeln.

Ich starre dich an.



Du schaust auf die Wand neben meinem Kopf. Erblickst ein Bild, welches für dich ebenso real ist, wie das Bild von mir. Strafst dadurch sanft aber bestimmt der Leute Lügen, die dies als „imaginär“ abtun würden.



„Weißt du,“ beginnst du zu reden – und es macht keinen Unterschied, ob du zu mir oder zu dem geflügelten Ross im nachtkalten Wüstensand neben mir sprichst - „ich habe nie das Konzept verstanden.“.



Ich sehe dich an, schweigend. Ich weiß, dass du nach einigen Sekunden oder Minuten des Gedankensammelns weiterreden wirst.



„Das Konzept hinter dem, was du Leben nennst, meine ich.“ Du holst Luft. „Soll man leben oder soll man es nicht?“

Nach kurzem Zögern fährst du fort: „Ich habe immer geglaubt, ich müsste so intensiv wie nur möglich leben. Jedes Gefühl in mir aufsaugen. Die Liebe, Sehnsucht, Melancholie genau wie das Gefühl, das du bekommst, während ein Lachen in dir gluckst und deinen Bauch hinauf fährt. Aber auch Hass, Neid und Missgunst. Oder die egoistische Freude, während man einem Penner einen Fünfer zusteckt.

Spüren, Fühlen, das Leben erleben eben, da wir nichts haben. Abgesehen von ein wenig Zeit.“



Du siehst in meine Augen. Ich bin nicht sicher, was du darin suchst. Und habe Angst, nein, die fast furchtbare Gewissheit, dass du es nicht finden wirst. Mir graut.



„Und diese Meinung hat sich jetzt geändert?“ frage ich vorsichtig, versucht deinen Gedankenstrudel nicht zu durchbrechen. Den Moment der Offenbarung nicht zu verscheuchen.



„Hmm … ich weiß es nicht.

Ich weiß nur, dass ich leer bin.

Ich habe danach gelebt, habe alle Emotionen bewacht, beleuchtet und seziert.“ Du stockst. „Das hat mich erst in tiefe Selbstzweifel und im Anschluss in gefährlich tiefe Zweifel an den mich umgebenden Geschöpfen geführt.“



Das versetzt mir einen Stick. Du hast nicht gesagt, du hättest an allen Menschen, mit mir als Ausnahme gezweifelt.
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Gleichzeitig jedoch begreife ich, dass es hier um viel mehr geht und ich solch egoistischen Gefühle im Zaum halten sollte.



„Danach kam die große Leere. Ich weiß nicht, ob du mich verstehst. Ich tue es nicht.“ Du schaust wieder auf das Bild, das sich anstelle der Wand vor deinem Auge formt.



Plötzlich lachst du los. “Verstehst du nicht?“ fragst du nach einer Weile noch immer grinsend. „Wenn zwei Wege zum gleichen Ergebnis führen – dass man nämlich nicht lebt, sondern vegetiert -, heißt das dann, dass es so geplant ist?“



4. Mai 2001
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Punktestand der Geschichte:   23
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Kommentare zur Story:

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Middel  -  25.02.06 23:39

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Kommentar von "darkangel" zu "Stein in der Mauer"

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