Nachdenkliches · Kurzgeschichten

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Erstveröffentlichung: 7. Oktober 2003
Bei Webstories eingestellt: 7. Oktober 2003
Anzahl gesehen: 1494
Seiten: 3

Dunkelheit liegt über der Welt. Dunkelheit und Kälte. Während ich diese Zeilen schreibe – vielleicht die letzten, die je geschrieben werden – liegt eine eisige, tote Stille über der Welt; stirbt dieser Planet den Kältetod.

Ich habe das Ende gespürt; auf geheimnisvolle Weise scheint mein Schicksal mit dem der Menschheit verbunden zu sein. Wie, weiß ich selbst nicht. Nur, daß – so scheint es mir – ich mein Leben als eine Art Chronist verbracht habe; als Chronist des Elends und – letztendlich – des Scheiterns. Wobei ich bezweifle, daß das meine Aufgabe war; daß irgendjemand eine Aufgabe hat. Zu viel Sinnloses ist passiert, um sich dieser Illusion hinzugeben.

Es ist letzendlich eine ermüdende, zermürbende Geschichte, deren Zeuge ich geworden bin. Es passiert nichts wirklich neues unter der Sonne und die einzigen Nenner sind Gewalt und Willkür.

Ich habe gespürt, daß es zu Ende geht, lange bevor es irgendwelche sichtbaren Anzeichen dafür gab. Wie alte Indianer, die in die Wälder gehen, um zu sterben, habe ich mich zurückgezogen, bin fortgegangen in die Einsamkeit, um hier das Ende willkommen zu heißen.

Ich weiß nicht, was passierte. Ob es der Menscch war, oder eine Naturkatastrophe. Im Grunde ist es auch egal. Ich habe keine Nachrichten eingeschaltet; wozu auch? Wo ich ohnehin schon wußte, daß es vorbei war. Ich habe sie regelrecht vor Augen, die Panik; wenn die Menschen begreifen, daß das Spiel aus ist. Die beruhigenden Nachrichten der Regierungen, die den Menschen vorlügen, man habe man habe bereits Maßnahmen ergriffen - bis schließlich die Nachrichten ausbleiben und jeder mit seiner Angst alleine ist.

Ich weiß nicht, wann der Strom ausgefallen, wann die staatliche Ordnung zusammengebrochen ist. Hier, im Kerzenschein, in diesem alten Haus, tief in den Wäldern versteckt, scheint man man wie von der Welt entrückt, weitab von allen Banalitäten des Menschen, der selbst im Angesicht des Todes nichts von seiner Unzulänglichkeit verliert.

Tödliche Kälte ist über die Welt gekommen, seit die Sonne hinter einer dicken, schier undurchdringlichen Wolkendecke verschwunden ist und die Erde in ewige Dämmerung getaucht hat. Nur selten, wenn sie am höchsten steht, und die Wolken durch irgendeinen zufälligen Wind etwas von ihrem wärmenden Strahlen hindurchlassen, läßt die Sonne sich erahnen; ein schwacher Schimmer in ewiger, tiefgrauer Dämmerung.
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Eine Zeitlang hatte es geschneit. Grauer, schmutziger Schnee – wie Asche – der sich wie ein Leichentuch über alles gesenkt hatte, doch nun ist es zu kalt dazu.

Ich spüre auch die Kälte, das Haus ist nicht beheizt, doch das macht mir nichts aus; hat mir nie etwas ausgemacht. Im fahlen Licht der einzigen Kerze, die ich heute angezündet habe, komme ich mir ohnehin wie ein Gespenst vor; ein Phantom, ein formloser Schatten. Ohne Gesicht – ohne Existenz.

Der See vor meinem Fenster, früher vor der Kulisse majestätischer Berge gelegen, ist nun eine tote, graue Eisplatte, die Berge finstere Schatten am Horizont. Der herrliche alte Wald – vormals ein letztes Stück gesunder Natur, ist nun kahl und tot und erscheint mir wie eine geisterhafte Gedenkstätte. Ein unberührter, versteinerter Garten.

Ich habe nicht die Absicht, eine Rückschau auf die Menschheit zu halten. Es wäre ein trauriges Requiem. Ein Abgesang auf eine Rasse, die nichts dazugelernt hat; stets innerhalb ihrer eigenen, engen Grenzen blieb und jeden Versuch, aus ihnen auszubrechen, unterband. Aber das ist nun vorbei. Die Erde ist ein einziger Friedhof, überhäuft mit milliarden von Leichen. Bedeckt mit Asche und gepeitscht von eisigen Stürmen.

Wenn ich so zurückdenke – ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich, sagen wir einmal 'das Licht der Welt erblickte'. Vielleicht war ich schon immer da. Vielleicht war ich von Anfang an ein Begleiter der Menschheit, vielleicht auch ein Begleiter des Lebens an sich. Meine Erinnerung geht weit zurück, wird jedoch immer nebulöser, desto tiefer ich in sie vordringe, bis in die Zeit, wo Erinnerungen und Hörensagen zu ineinander verschmelzen. Ich habe viele Völker der Erde besucht, alle Gegenden dieses Planeten bereist, die neue Welt entdeckt und altbekannte Regionen wiederentdeckt, Ich kannte uralte Völkerm die heute keinem Menschen mehr ein Begriff sind, hatte technologische Revolutionen erlebt, Imperien, die aus Blut und Feuer geboren wurden und in Blut und Feuer untergingen. Ich habe sogenannte 'große Männer' kennengelernt, die ihren Ruhm einzig durch Gewalt und Betrug begründeten – kurz gesagt: ich habe die Menschheit in- und auswendig kennen gelernt.
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All ihre Lügen, ihre Dummheit ihre Beschränktheit – Mag auch die Technik vorangeschritten sein, ja fast schon wie Zauberei anmuten, ihre Schöpfer blieben stets die selben, erbärmlichen Kreaturen.

Die letzten Jahre habe ich ziellos umhertreibend verbracht. Habe ich noch einmal diesen ausgehöhlten Torso, Zivilisation genannt, in all seinen Spielarten aufgesucht. Ich streifte wie ein Schakal durch namenloses Elend, all den Kriegen und Schlachten hinterher, auf den Spuren von Völkermord und Seuchen und Vertreibung. Als ob ich mich noch einmal überzeugen wollte, vom Zustand dieser Welt.

Während ich hier sitze und all das niederschreibe, ersticken Kälte und Dunkelheit sämtliches Leben. Auf dieser Welt der Leichen, wozu die Erde geworden ist, inmitten entvölkerter, toter Weiter, bin ich das einzige, was noch lebendig ist. Und meine Kerze – sie ist inzwischen fast ganz heruntergebrannt, ermahnt mich dazu, ein Ende zu finden. Denn bald wird das letzte Licht auf dieser Welt erloschen sein und alles wird endgültig in Dunkelheit, Stille und Kälte erstarren.
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Interessante Kommentare

Kommentar von "Unbekannt" zu "Violett"

schöö :-)

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Kommentar von "axel" zu "Herzflattern"

Wie zärtlich, sehr gelungen.

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