Nachdenkliches · Kurzgeschichten

Von:    Marco Frohberger      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 7. September 2003
Bei Webstories eingestellt: 7. September 2003
Anzahl gesehen: 2991
Seiten: 4

Ich schaue dir in die Augen und ich weiß, wie du dich fühlst. Ich schaue dir in die Augen und ich weiß, was du denkst. Ich schaue dir in die Augen und ich weiß, wer du bist.

Sie glänzen tiefblau, funkelnd bahnen sie sich ihren Weg durch meinen Kopf. Sie fixieren mich und lassen mich nicht mehr los. Mein Herz beginnt immer schneller zu klopfen und wenn ich das sehe, was du siehst, dann weiß ich Bescheid. Trotzdem ist es an einigen Stellen dunkel, wie ein grauer Schleier, der beschützend darüber wacht. Nachdenklich schaue ich dich an und frage mich, was in dir vorgeht. Aber ich zittere bloß und sehe dich an. Gespannt warte ich von Moment zu Moment und hoffe. Ich hoffe und ich träume und ich versuche nicht mehr nur zu träumen, sondern zu leben. Doch die Wahrheit ist soweit entfernt, dass ich nicht einmal die Chance habe, nach ihr zu greifen. Sie steht direkt vor mir, aber ich wage es nicht zu sagen und nicht danach zu fragen. Zu groß ist die Angst vor Enttäuschung, zu groß die Gefahr, wieder allein zu sein. Und da stehe ich nur und sehe sie an, sie verzaubert mich, sie blendet mich vielleicht ein bisschen, jeglicher Realismus um mich herum beginnt langsam zu versiegen. Ich kann nicht atmen, ich kann nicht mehr denken. Hilflos versuche ich die Kontrolle über meinen Körper wieder zu finden, aber ich kann nicht. Da sieht sie mich mit ihren durchdringenden Augen an, gibt ein Lächeln von sich und drückt mir einen Kuss auf meine Lippen. Erstaunt hole ich tief Luft und spüre die Energie, die meinen Körper durchwandert. Ich wehre mich nicht, denn das Gefühl versuche ich zu halten, es ist etwas Besonderes. Ich schaue sie weiter an und verliere mich in den Augenblick, in dem wir uns wieder küssen.



Hier trennen sich unsere Wege, sie geht nach Hause, ich gehe nach Hause. Auf der Fahrt nach Hause versinke ich gedankenverloren in einen Strudel wirrer Gedanken, bis ich die Orientierung verliere und die Straße vor meinen Augen verblasst.

In ihrem Gesicht ist deutlich die Traurigkeit über diesen Abschied zu erkennen. Ergriffen trat sie ihren Heimweg an, griff nach ihrem Wohnungsschlüssel und hielt sich daran fest wie an den Moment, an dem er noch vor ihr gestanden hatte. Sie kämpfte mit den Tränen und suchte verzweifelt nach einen stillen Moment, in dem sie tief durchatmen konnte. Verstohlen suchte sie das Schlüsselloch und schloss zögernd auf.
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Mit einem Handgriff knipste sie das Licht im engen Flur an. Nachdenklich zog sie den Reißverschluss ihres Mantels auf und schmiss ihn aufs Bett. Es war so still in der Wohnung, kalt und einsam. Um nicht in der Ruhe der Nacht zu versinken, ging sie in ihr Zimmer und schaltete den Fernseher ein. Der Musiksender war nicht tröstend genug und so fixierte sie den Fernsehschirm, wobei sie in ihren Gedanken abschweifte.

Er drehte das Autoradio lauter, damit ihn die Gedanken nicht auffraßen. Sein Gesicht war von Enttäuschung gezeichnet und er wünschte sich diesen Moment zurück, der ihn so warm umschlossen hatte. Doch die Fahrbahnspur lenkte seinen Wagen wie von allein und so gelang es ihm immer wieder, in seiner Konzentration abzuschweifen. Er erinnerte sich an jeden einzelnen Augenblick, an die wunderbaren Augen des Mädchens, an den elektrisierenden Kuss und das Lachen. Er vermisste ihre Stimme, ihre wärmende Hand und die innige Umarmung, die nach Sehnsucht schrie. Tief Luft holend zwang er sich zu seiner Konzentration zurück und korrigierte die Spur seines Wagens, der langsam auf den Standstreifen abgekommen war. Auf der Autobahn war kein Licht weit und breit, alles lag in einem trüben Dunkel. Er sehnte sich so sehr nach ihren Berührungen, er vermisste ihren lieblichen Geruch, ihre Nähe. Angestrengt versuchte er nicht mehr soviel darüber nachzudenken, was sie ihm auch als guten Rat mit auf den Weg gegeben hatte. Doch nicht über ein Ereignis nachzudenken, dass ihn so sehr bewegte, war leichter getan als gesagt. Und so begann er erneut abzuschweifen, sein Blick festigte und für einen Moment schien er sich in der trüben Dunkelheit vor dem Wagen zu verlieren.

Erschrocken schreckte sie auf, im Fernseher raunte die Musik und ihr Gähnen bewegte sie dazu, ins Bett zu gehen. Als der Fernsehschirm schwarz wurde und die Stille in die Wohnung zurückkehrte, konnte sie den Kuss auf ihren Lippen spüren. Sie wünschte sich in diesen Moment zurück. Gespannt griff sie nach ihrem Handy um zu sehen, ob eine Nachricht von ihm eingegangen war. Traurig legte sie es zurück. Lange hatte sie auf diese Gefühle gewartet, lange hatte sie gesucht und in den letzten Tagen war es wie ein Traum, der sich auf sie niederlegte. Aber sie begann alles zu genießen und sich nicht zu wehren, sie öffnete ihr Herz und ließ dem Gefühl freien Lauf, vor dem sie sich eigentlich verschließen wollte.
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Sie konnte dieser wunderbaren Geschichte nicht widerstehen und sehnte sich nach dieser Romanze. Schmunzelnd legte sie ihren Kopf in das Kissen und starrte gedankenverloren an die Wand. Sie stellte sich sein Gesicht vor.

Er war froh, dass er ohne weiteres in die Parklücke gekommen war, so unkonzentriert er auch gefahren war. Es war beängstigend, da er sich nicht ausrechnen konnte, was auf dem Weg nach Hause alles hätte passieren können. Erleichtert stieg er aus dem Wagen und knallte Vorsichtig die Türe zu. Es war still in der Straße, die Lichter der umliegenden Häuser waren lange erloschen und die Bewohner schliefen bereits. Die Kälte auf seiner Haut ließ ihn erschaudern und in gewissen Abständen kehrten diese Schübe immer wieder zurück. Seufzend schlenderte er die Straße hinauf zur Haustüre, immer darum bemüht, kein Geräusch von sich zu geben. Er lauschte lediglich dem Rauschen der Natur und nahm den frischen Geruch der Nacht wahr. Er versuchte die Atmosphäre in sich aufzusaugen, wohingegen ihn die Umarmungen wieder einholten. Es war schwierig für ihn, einen klaren Gedanken zu fassen, es war schwierig für ihn, allein zu sein. Ihre Augen, ihr Gesicht, ihr Lachen, alles lag direkt vor ihm, seine Gedanken formten diese Ausdrücke und Empfindungen zu einem Gesicht aus Fleisch und Blut, aber wenn er danach greifen wollte, war sie so weit weg. Er sehnte sich nach ihr, er fühlte sein Herzklopfen, so magisch es danach schrie, zurückzukehren, so schwer war es in diesen Augenblicken zu ertragen, ihre Nähe nicht genießen zu können.



Innerlich ist man zerrissen und doch glücklich. Man ist glücklich und man ist es doch nicht, denn man ist allein. Wer nach Hause zurückkehrt, kehrt in ein leeres Zimmer zurück. Alles erscheint einem leblos, alles ist kalt. Erinnerungen prägen die Sehnsucht im Herzen, Berührungen werden zu schmerzlichen Opfern der Tränen. Es ist schon komisch, wenn für einen Menschen alles so verwirrend ist, während man doch tief im Innern weiß, wonach man sich sehnt. Es ist dieses Gesicht, das einem ständig in den Gedanken umher irrt. Es ist so wunderschön und wenn man es berühren möchte, dann ist es nicht da.
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Und doch kehrt es immer wieder zurück. Jeder stellt sich Zuhause die Frage, was im andern wohl vorgehen mag. Jeder hofft innerlich, dass alles genauso ist, wie man es sich wünscht. Und die Hoffnung ist das größte Glück des Menschen, woran er sich festhalten kann. Denn die Hoffnung bringt den Menschen auf den Weg, der ihn an das Ziel seiner Vorstellungen führt. Und jeder stellt sich die Frage, was Morgen sein wird, während man vergisst, in der Gegenwart zu atmen und das Gefühl zu genießen, was Morgen schon nicht mehr sein wird.

- Das größte Gut des Menschen ist, das man an den Morgen denkt, und dennoch ist es auch sein größtes Unglück, da er die Gegenwart vergisst. -



*gewidmet, einem Menschen, der mir gezeigt hat, dass ich nur halb am Leben war*
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Kommentare zur Story:

  wunderschön.
ich wünsche dir, dass du dein Leben geniessen kannst, voll und ganz, und dass du im JETZT leben kannst, und trotzdem deine Wünsche und Träume erhalten kannst.
5 Punkte und liebe Grüße,
Heidi StN  
Heidi StN  -  02.11.03 16:22

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  Oder auch Matthäus 6,34: "Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat."

Da ist etwas am Anfang, das noch zusammenwachsen muß. Es kann aber nur zusammenwachsen, wenn es sich dem Moment hingibt.

Gruß,  
Tino Lingenberg  -  12.10.03 15:29

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  Jeder Mensch über den so eine Geschichte geschrieben wird, kann sich wahnsinnig glücklich schätzen.

Wunderschön und traurig zugleich.

Sandra  
Unbekannt  -  30.09.03 11:00

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  :)
dankeschön! *froi*

jo, ich bin eigentlich seltener im icq, aber dich vermisse ich irgendwie hier und in waslos.de :)

grüße
marco  
m A r C o  -  08.09.03 22:26

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  so viel sätze voller liebe....... *lächel*

(schade, sehe dich gar nicht mehr in ICQ...)  
Beccí  -  07.09.03 22:52

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Jonatan Schenk" zu "Eine Rose wird blühen"

ein sehr schönes gedicht!

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