Gertrud und die Hörspielmacher   191

Romane/Serien · Amüsantes/Satirisches

Von:    Irmgard Schöndorf Welch      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 10. August 2003
Bei Webstories eingestellt: 10. August 2003
Anzahl gesehen: 2884
Seiten: 15

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GERTRUD UND DIE HÖRSPIELMACHER



Diese Begebenheit geschah zu einer Zeit, als es Laptops, Handys und den Euro noch nicht gab. Computer – einer davon spielt eine ziemlich große Rolle in der Geschichte - waren kostbar und sündhaft teuer. Es ist noch nicht allzu lang her.



Erst will ich mich vorstellen. Ich heiße genauso wie eine bekannte Literatin. Nämlich die weltberühmte, erstaunliche Gertrud Stein.

Sie war die Freundin Picassos, Hemingways, Braques und vieler berühmter Künstler ihrer Zeit, aber nicht die Geliebte irgendeines dieser attraktiven Machos ... wenn es denn richtig ist, was ich gelesen habe. Nicht, als ob sie den Männern missfallen hätte. Denn, obwohl etwas fett und alles andere als schön, hatte sie doch einen Zauber, der die Bohemiens der neunzehnhundertzwanziger Jahre in Scharen zu ihr hinzog: nämlich Intelligenz, Sinn fürs Praktische und ... Geld. Jahrelang beköstigte sie junge, mutterlose Genies und gab ihnen Ratschläge fürs Leben. Damals in Paris.

Ich wunderte mich, warum sie mit keinem dieser Supermänner ... Also gut ... irgendwann erfuhr ich es aus einem Buch: Sie bevorzugte Alice B. Toklas. Dass sie lesbisch war, hatte ich in keinem literarischen Lexikon gelesen. Auch ihr Werk wird eher verschwiegen. Alles, was man von ihr kennt: "is a rose is a rose is a rose ..."



Wahnsinnig interessiert habe ich mich nie für ihre Person. Obwohl sie doch mein Namenszwilling ist. Denn sie hieß genauso abscheulich wie ich. Aber ... zumindest IHR Name wird wohlklingender ausgesprochen. So ging sie in die Unsterblichkeit ein: mit langem "uuu" und spitzem "s" : Gertruuude SSStein. Ja, bei ihr wird ein "e" angehängt. Das hat etwas Besonderes: GERTRUDE .



Ich heiße Gääärtrud. Mit langem äää und Schtein. Gääärtrud Schtein..

Jedesmal, wenn ich neue Menschen kennenlerne, machen sie mich grinsend auf die Namensschwester aufmerksam und finden sich mordsmäßig originell dabei.



Ja die Gertrude. Die war schon eine. Dagegen ich: nochmal muss ich es hinausschreien: "Gäärtrud Schtein.
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"

Wie nur, um Gottes Willen, konnten meine Eltern, im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, mich, ihre einzige Tochter, so nennen?



"Gertrud ist altgermanisch", erzählte man mir, als ich ein Kind war. "Ger ist Speer, Trud bedeutet Hoheit, Macht, Kraft!" Gäärtrud. Ein edler Name: die starke, hoheitsvolle Frau, die gut mit dem Speer umgehen kann! Die Sper-Trude also.

Grauenhaft. Und ich wollte gerade das Gegenteil sein: klein, süß und alle sollten mich niedlich finden.



Also, dieser Name! Eine bleierne Bürde! Warum muss ausgerechnet ICH so heißen? Bei den abertausend lieblichen, weiblichen Namen, die es auf der Welt gibt, die an Klangfarbe einander überbieten und die auch das monolithisch starre "Stein" meines Familiennamens hätten viel weicher erscheinen lassen.



Einen Vornamen hätte ich gebraucht, der auf diesen herben Nachnamen seinen mildernden Zauber ausgestrahlt hätte. Zum Beispiel Sabine. Sabine Stein ... Oder Lola ... Ja, Lola-Lola ... Das würde wenigstens Witz haben. Vielleicht Alina Doreen? Oder Adriana Shari Cheyenne ... das klingt nach etwas. Nicht schlecht. Warum nicht gleich Marilyn. So hätte ich gern geheißen. Da wäre der Stein so richtig ins Schwingen geraten. Ins Hüfteschwingen. Marilyn Stein ... Na ja ... ich weiß nicht recht!

Aber wie kann man nur Gääärtrud heißen? Das hört sich an wie eine, die mit fettem Hintern auf der Erde klebt, hingeklotzt für immer. Starr. Gääärtrud Schtein ... nein, tatsächlich, ich HASSE meinen Namen.





*



Zusammen mit meiner Cousine und zwei Angestellten betreibe ich eine Boutique für Second-Hand-Mode, die in unserer kleinen Stadt einen guten Ruf hat.



Wie freue ich mich heute, als ich endlich nach dem Stress mit plaudersamen Kundinnen meine ruhevolle Wohnung betreten kann. My home is my castle.

Das hier ist mein Reich. Ich habe ein halbes Dutzend Räume. Die gehen, mit Ausnahme des Schlafzimmers und Bades, alle türlos ineinander über.



Es ist eine Atelierwohnung unter dem Dach. Die Sonne scheint durch die leicht schrägen, übergroßen Fenster. Überall gedeihen Pflanzen.
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Sie klettern an Wänden hoch, ranken sich an Möbeln entlang. Es sind keine gekauften Blumenstöcke. Ich züchtete sie aus Ablegern. Da ist jetzt in großen Kübeln, zumeist auf Hydrokultur, ein üppiges, grünes Paradies herangewachsen, mein Mini-Dschungel mitten in der Stadt. Weiße und rote Blüten recken sich dem Licht entgegen. Hibiskus, Clematis..

In den Nischen stehen auf Regalen Bücher. Tausend oder mehr. Darunter viele Klassiker, herrliche alte Ausgaben... die habe ich vor einem Nachbarhaus in unserer Straße gefunden. Jemand hatte ganze Kistenladungen vor seine Tür gekippt. Für den Sperrmüll.



Ich bin nun einmal eine Verwerterin von gebrauchten Dingen.

In meiner Wohnung herrscht ein bisschen Durcheinander. Das sieht gut aus. Natürlich muss ich aufpassen, weil es vom Malerischen zum Messy-Chaos nur ein kurzer Weg ist. Den will ich nicht beschreiten.



Von Decken und Wänden baumeln bei mir gläserne Gehänge. Bodenlang. Die drehen sich, sprühen, gleißen in der Sonne. Ich liebe Glas. Perlen. Es gibt auf den Flohmärkten der Welt Tausende uralter, zerrissener und damit fast wertloser Ketten und Modeschmuck-Colliers, die irgendwo in Wühlkisten an Trödelständen geduldig warten, bis eine rettende Hand sie hervorzieht. Man kann sie für ein paar Mark bekommen. Manchmal ein ganzes Köfferchen davon. Die meisten Händler sind froh, den Krempel los zu werden und sind einem noch dankbar.



Zuhause suche ich mir dann aus dem wirren Geknäuel die interessantesten Perlen zusammen und fädele sie wieder zu neuen Gehängen. Normale Perlen nehme ich nicht. Sie müssen schon außergewöhnlich sein in Form, Farbe, Muster. Manche sind Jahrhunderte alt.

Am schönsten sind die irisierenden, die wie Regenbogen in ständig wechselnden Farben funkeln.

Oder die aus buntem Kristall, durch deren hauchdünne Wände das Licht fällt und sich in hundert Facetten bricht.

Dann die glimmernd funkelnden mit Silber-, mit Goldpünktchengeglitzer.

Ich habe auch solche aus Bernstein und Elfenbein gefunden, wo sich in dem größeren Kügelchen ein kleineres, darin ein drittes befindet. Jedes von ihnen ist auf feinste Art von Hand geschnitzt und ziseliert.
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Keiner kann erklären, wie die einen in die andere hineinkamen ...

Da sind noch die emaillierten Perlchen mit winzigen, eingelegten, kunstvollen Blütenornamenten. Die mosaikartigen, die Millefiori.

Die bunten aus Orientbasaren, die mit Gold- oder Seidenfadengespinsten umwundenen ...

Man findet immer wieder kostbare Überraschungen..

Wenn ich an einem Stand irgendwo auf dem Trödelmarkt eine Ladung ausgemusterter, zerrissener Halsketten ergattere, an denen unter lauter nichtssagenden auch nur EIN Dutzend herausragende, ungewöhnliche Perlen prangen, von deren Art ich noch keine habe, dann ist meine Hochstimmung durch nichts mehr zu verderben.



*

An diesem Abend komme ich spät aus dem Geschäft nach Hause. Als ich die Tür zu meinem geliebten Appartement aufmache, stolpere ich über elektrische Leitungen, die auf dem Boden meiner Diele herum... Was ist los?

Überall liegen dicke Kabelrollen und ich finde Männer vor, die gerade dabei sind, in den Räumen alle mögliche Elektronik zu installieren. Wo ich hinblicke ... Apparaturen. Lautsprecherboxen. Auch ist die Wohnung mit gewaltiger, wundersamer Musik beschallt. Carmina Burana. Ich mag die ja gern, aber nicht in meinen vier Wänden, wenn ich Entspannung brauche.



"In fortune solio ... sederam elatus ... prosperitatis vario ... flore coronatus", schallt es jetzt laut wie aus einer altrömischen Taverne ... Das darf doch nicht wahr sein!



Es stellt sich heraus, hier wuselt eine Crew von sieben Leuten herum. Ich habe keine Ahnung, wer ihnen den Schlüssel gegeben hat. ICH war es NICHT.

Sie erweisen sich dann aber als Team unserer Landesrundfunkanstalt. Begrüßen mich lässig wie eine alte Bekannte. Ich habe die Typen nie im Leben gesehen. Sie werden ein Hörspiel oder Feature produzieren, sagen sie. Im Grund habe ich keinen blauen Schimmer, was es genau wird, das sie da machen. Ihre Anwesenheit hat mit mir als Person auch nichts zu tun, denke ich, außer, dass sie, aus mir unbekannten Gründen, meine Wohnung anscheinend für ihr Projekt geeignet finden.

Ich bin erstaunt. Aber seltsamerweise fühle ich mich durch die Anwesenheit der sieben Männer nicht belästigt.
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Im Gegenteil, meine Lebensgeister erwachen wie schon lange nicht mehr. Ich erwarte von den Besuchern für die nächsten Tage eine große Bereicherung meines ‚intellektuellen‘ Lebens. Denn sie scheinen geistreiche Leute zu sein. Witzig. Schlagfertig. Und, was man als weibliches Wesen gleich auf den ersten Blick registriert: einige sehen gut aus. Sehr gut ... und interessant!



Als ich in die Küche komme, um Kaffee für die Männer zu brühen, falle ich fast um vor Scham. Da liegen in der Spüle ... Blumentöpfe. Mit matschiger Erde angefüllte. Wie kommen die hierhin?

Und gebrauchtes Geschirr türmt sich einen halben Meter hoch, sogar auf dem Boden, aber statt mit Speiseresten, ist es mit ekelerregendem, eingetrocknetem Schlamm verkrustet ... oder Schlimmerem. Dabei war heute Morgen alles sauber, bevor ich zum Laden ging.

Mir wird heiß und kalt ... es könnte ja sein, dass eben, als ich noch nicht da war, einer von den Männern sich hierher in die Küche verirrt hat. Der muss einen furchtbaren Eindruck bekommen haben!



Ich kann es nicht glauben: ICH soll so einen Schweinestall hinterlassen haben ... so etwas habe ich doch im ganzen Leben nie gemacht. Wo mir Schmutz schon immer körperliches Unwohlsein verursacht!



Später trage ich belegte Brote zu den Männern hin. Einige aus dem Team machen mir launische Komplimente, unternehmen sogar verbale Annäherungsversuche, deren Ernsthaftigkeit man jedoch in Zweifel ziehen muss, denn ich bin weder hübsch, noch liegt es in meiner Natur, die femme fatale zu geben. Und ich bin zweiundvierzig!



Die plötzliche Betriebsamkeit in der Wohnung stört mich überhaupt nicht. Bis auf mein Schlafzimmer, die Küche und das Bad haben die Männer inzwischen alle Räume mit ihrer Elektronik vernetzt und verkabelt. Ich bin neugierig. Möchte mit ansehen, wie so ein Hörspiel gemacht wird, wie so eine schillernde, wortgewaltige, klangvolle Radiosendung entsteht. Ich sonne mich in dem Gedanken, dabei zu sein, noch dazu, wo der Name der von mir sehr verehrten Frau S. Löffler mehrmals als Mit-Initiatorin dieses kulturellen Ereignisses ins Spiel gebracht wird.





Bis um Mitternacht schleppen die Teamleute allerlei Synthesizer und ... was weiß ich, sonst noch an, installieren immer neues Equipment in meinen Räumen.
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Nachdem sie zirka fünf Kannen Kaffee getrunken, die Zimmer bis unter die Decke zugequalmt, wechselseitig ihre Stimmen ausprobiert, die Rollen des zukünftigen Hörspiels verteilt und einstudiert haben, verlassen sie mich und die Wohnung endlich gegen halb drei Uhr in der Nacht. Morgen, so heißt es, würden sie recht früh wieder da sein ...



Als ich am nächsten Tag um sieben Uhr aufwache, bin ich freudig erregt. Was wird der Tag heute bringen! Dem kommenden Gedankenaustausch mit diesen literarisch und medienmäßig so hochversierten Männern fiebere ich geradezu entgegen.



Da sehe ich ... durch den Spalt unter meiner Schlafzimmertür hat jemand ein Blatt Papier geschoben. Das Schreiben entpuppt sich als eine Art Liebesbrief, den einer von ihnen mir hat zukommen lassen. Es sagt, dass mein Anblick gestern und unser, wenn auch nur kurzes Gespräch in ihm eine, ja man könne es ruhig so nennen, außergewöhnliche Hin- und Zuneigung erweckt habe, dazu den großen Wunsch nach innigerem MITEINANDER-PLAUDERN. Vielleicht bei einem Abendessen in der Stadt in trauter Zweisamkeit? Fern den lärmenden, unbedarften Kollegen.





gezeichnet:

Ihr Ingo Fox.



Ich bin überrascht ... habe aber keine Ahnung, wer aus der Gruppe dieser Ingo Fox sein könnte.



Als ich um acht Uhr morgens mein Heim verlasse, um zum Laden zu fahren, sind die Männer noch nicht da. Wie ich gegen Mittag zurückkomme - ich hatte mir vorsorglich frei genommen - sind sie dagewesen, aber wieder fort. Ihre neuen Spuren sind nicht zu übersehen. Sie haben inzwischen an meinen Fernseher und Radiorecorder Hand angelegt und sie in andere Zimmer umgeräumt. Seit Jahren stand ein jeder dieser Apparate an seinem festen, angestammten Platz. Anscheinend haben die Männer sie, aus welchen Gründen auch immer, in ihre eigene Anlage integriert. Sogar, o Grauen ... meinen PC. Auf dessen Monitor geistern nämlich nie gesehene, wildbunte Grafiken herum, ein sonderbar fremder Bildschirmschoner wahrscheinlich. Und ... ganz gleich, was ich versuche, ich kann meine eigenen Dateien nicht mehr aufrufen.



Inzwischen bin ich ein zuckendes Nervenbündel.
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Wo stecken sie nur, diese Leute? Leise kommt mir die Ahnung, dass mein Rechner vielleicht vollständig durcheinandergebracht, wenn nicht gar ZERRÜTTET ist.



Ja, ja, sie hätten meinen Computer benutzt, sagen jene zwei von ihnen, die eine Stunde später endlich aufkreuzen.



Dass sie ein neues Betriebssystem aufgespielt hätten, meinen sie lässig.



Mit fester Stimme frage ich die Männer, ob ihr Verfahren MEINEN Dateien nicht vielleicht schaden könne, mache ihnen klar, wie wichtig diese Dateien für mich sind. So kostbar wie mein Leben! Und sie möchten doch bitte in Zukunft vorsichtig mit ihnen umgehen.



Sie blicken sich gegenseitig an. Irritiert. Erstaunt.

Jetzt dämmert mir das Schreckliche. Sie haben alles, was von MIR war, wahrscheinlich bereits gelöscht.



Als sie erklären, nur ein gereinigter, jungfräulicher Computer könne ihren Zwecken dienen, da stoße ich einen schrillen Schrei aus, hauptsächlich vor ohnmächtiger Wut. Warum habe ich nie gelernt, wie man Sicherheitsdisketten anlegt? Warum nie einen Lehrgang besucht? Ich Blöde war zufrieden gewesen, dass ich schreiben und ausdrucken konnte. Da hatten Angst vor der Technik, Lernfaulheit, kindischer Optimismus bei mir wie so oft die Oberhand behalten. Denn warum sollte gerade MEIN Computer mir so etwas Böses antun, warum sollte gerade er versagen?





Bisher war auch alles wunderbar gelaufen. Ein kleiner Absturz hier und da ... nichts Gravierendes. Es kam schon vor, dass zwei, drei Seiten Text während des daran-Bastelns blitzartig auf Nimmerwiedersehen verschwanden, ohne dass ich je hatte ergründen können, warum oder wohin? Aber höchstens alle paar Monate passierte das. Es hatte mich zwar immer ein bisschen zurückgeworfen und durcheinandergebracht, aber keineswegs umgehauen. Denn ich bin zäh. Und ich schreibe einen Roman. DEN Roman. Einen von so drastischer Ehrlichkeit und Klarheit, wie die literarische Welt bisher keinen kannte. Natürlich drucke ich meinen Text ab und zu aus, doch bruchstückweise. Die Endfassung ist nämlich noch lange nicht fertig, das Manuskript wird von mir ständig umgearbeitet, Abschnitte komplett geändert, ganze Kapitel verworfen, andere hinzugefügt.
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Da wäre das Ausdrucken vorläufig nur ein unnötiger Aufwand und nach zwei Tagen schon total veraltet. Gültig ist seit langem einzig und allein das im Computer Gespeicherte.

Und jetzt ist alles weg!!

Das ist also die Quittung für meine Schludrigkeit! Die Frucht großen Talentes und zweijähriger Arbeit, der fast vollendete Roman meines Lebens ist wieder dort, wo er herkam ... im Nirwana!



Ich schreie hysterisch, zeterte, flehe, sie möchten bitte an meinem Computer den ursprünglichen Zustand wiederherstellen und mir meinen Text zurückgeben, das müsse ihnen doch gelingen. Denn ich bin noch immer felsenfest überzeugt von a: der fachlichen Kompetenz dieser Leute, und b: ihrer Fairness!





Sie aber geben sich rätselhafte Zeichen, machen Kopfbewegungen zueinander hin, beginnen dann unvermittelt und ohne Hektik ihre Apparaturen zusammenzupacken. Ein Stück Equipment nach dem anderen tragen sie hinaus, um es vor dem Haus in einen VW-Bus zu verladen und ... meinen P.C nehmen sie auch gleich mit!



Als ich aufmucke, tobe, mir das nicht gefallen lassen will, da sehen sie sich an mit Mienen, die nur eines signalisieren: "Diese Person ist nicht normal!"

Wir sind von ihnen enttäuscht ... Sie sind gewogen und als zu leicht befunden, sagen ihre verachtenden Blicke.

Sie räumen tatsächlich zusammen, wollen sang- und klanglos verschwinden. Ich bin vor den Kopf geschlagen. Mir bleibt die Luft weg. Ich muss schnell die Polizei rufen.



Jedoch mit meinem Telefon ist etwas im Argen.

Als ich die Notrufnummer wähle, ertönt die markante Stimme von Deutschlands Literaturkritiker Nummer eins. Er ist nicht persönlich am Apparat, das wird mir frühestens klar, als er auf meine verzweifelten "Hallo-hallo"Schreie keineswegs eingeht, sondern kühn und gravitätisch fortfährt in seinem Verriss des angeblich völlig missratenen Zweitwerks eines schon bekannten, jungen Autors. Etwas gequält tönt die Stimme des Literaturpapstes an mein Ohr. Jetzt fängt er gar sein gesamtes Repertoire von vorne an. Ach so ... seine Stimme haben sie offensichtlich geklaut, auf Kasette kopiert und in ihr Gesamtprojekt mit eingearbeitet.



Jetzt schnappe ich in der Diele meinen Trenchcoat, rase davon, um von außerhalb die Polizei zu alarmieren, bevor sie meinen Computer auf Nimmer-Wiedersehen wegschleppen und wer weiß, was sonst noch anrichten.
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Blitzschnell bin ich vor der einzigen Telefonzelle, die es in der Nähe gibt. Der Hörer baumelt an einer zerschnittenen Schnur. Ach ja ...Vandalismus. Das Ding ist seit Tagen außer Betrieb. Ich hatte es vergessen!



Ich renne. Renne ...

Gut, ich könnte versuchen, eine Polizeidienststelle oder einen Ordnungshüter direkt anzusteuern!



Ich hetze durch mehrere Straßen. Finde keine Wache. Auch keine Telefonzelle. An einer Ecke steht aber, o Wunder, bei einer Gruppe von Leuten, tatsächlich ein Polizist. Gott sei Dank! Ich laufe zu ihm hin, schildere mit rasend klopfendem Herzen mein trauriges Schicksal.

Er grinst: "Ich bin gar kein Bulle."

"Ach, ich dachte sie wären einer", murmele ich dumpf, "sie haben so eine grüne Uniform ... Entschuldigung ..."

Die Menschen, die bei dem Typen stehen, kichern hinter vorgehaltener Hand.

Ich haste weiter.



Ein anderer Mann, den ich an der Jacke erwische, der ebenfalls wie ein Polizist aussieht, gibt zu, dass er tatsächlich einer ist.

"Sehen sie nicht, ich bin beschäftigt, bin in einem ernsthaften Einsatz!" sagt er genervt. "Rufen sie bei meinen Kollegen an!"



Dazu brauche ich nur noch ein Telefon.

Nach einer Weile des Laufens komme ich zu einem Restaurant, einem stadtbekannten Esstempel mit riesiger Glasfront. Das Gebäude thront edel, etwas erhöht, an der Biegung der Straße. Im Foyer frage ich den hochmütig auf mich herunterblickenden Garderobier, ob man von hier aus telefonieren könne. Er zeigt auf eine schicke Kabine aus Plexiglas.

Als ich, den Hörer am Ohr, mit der freien Hand in die Trenchcoat-Tasche greife, wo normalerweise eine Anzahl Münzen klimpert, ist nicht eine da. Wie ich dann in der rechten Tasche nach meiner Brille lange, sind ZWEI drin. Mit dickrandigen, schweren Gestellen aus Horn. Zwei große, wildfremde Brillen. Ich kann damit nichts sehen.

Zu einem vorbeihastenden Ober sage ich: "Bitte helfen sie mir. Ich brauche dringend 30 Pfennig.
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Muss die Polizei anrufen. In meiner Wohnung sind nämlich Kriminelle gerade dabei, meinen Computer wegzuschleppen. Alle Verzeichnisse und Dateien haben sie bereits gelöscht!"



"Sowas, aber auch...", sagt der Mann. Grinst. Er schnalzt mit der Zunge: "Dreißig Pfennige? Na da könnte ja jeder kommen." Er geht weg. Nähert sich aber später wieder. Gibt mir endlich nach großem Getue seinerseits und auf mein würdeloses Flehen hin doch drei Geldstücke.



In der Telefonzelle wird mir klar, ich kann die Notrufnummer der Polizei, die - wie man weiß - an einem Schildchen auf dem Apparat geschrieben steht, nicht lesen. Sogar die relativ großen Ziffern auf der Tastatur verschwimmen unerkennbar vor meinen Augen.

"Bitte telefonieren sie für mich", sage ich zu dem Kellner, "ich habe meine Brille vergessen!"

"Aber, Sie haben sie doch in der Hand! Und nicht nur eine!"



Ich erkläre ihm, dass falsche Brillen in meine Manteltasche geraten seien. Er starrt. Schweigt.

Nun blicke ich zufällig an mir herunter und sehe, ich habe ja statt MEINES Trenchs einen anderen an, einen riesigen, beigen, zerknitterten ...



Der Kellner erbarmt sich zum zweiten Mal, telefoniert an meiner Stelle. Hat dann endlich einen Polizeiwachtmeister an der Strippe. Sachlich erkläre ich diesem netten Zuhörer mein Problem, dass ich in Not sei und dass jede Minute zähle.

Er sagt kein Wort. Ich höre ihn nur atmen.

"Man muss die Männer festhalten und zur Wiedergutmachung zwingen für das, was sie an meinem Computer verbrochen haben!" schreie ich.

Als mich der Ordnungshüter durch die Leitung nach meiner Adresse fragt, weiß ich sie nicht. Je mehr ich nachdenke, desto mehr gerät mir alles durcheinander. Es schießen mir nämlich zwei Hausnummern gleichzeitig durch den Kopf: Rosenstraße 72 - Blumenstraße 27... Bei einer jeden dieser floralen Adressen, die beide in unserer Stadt und nicht weit voneinander entfernt liegen, wohne ich, beziehungsweise habe ich einmal gewohnt. Nur, welche von ihnen ist zur Zeit mein Zuhause. Ist es Blumenstraße 72 oder Rosenstraße 27, oder ist es anders herum, Blumenstraße 27.
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.. und Rosenstraße 72 oder doch Blumenstraße 72 oder ...??



"Was ist eigentlich los mit dir? Jetzt reiß dich zusammen, du Blöde", brülle ich mich innerlich an. Aber mein Gehirn streikt.



Ich habe auf einmal Angst, dem Polizisten die falsche Adresse zu nennen und deshalb dann im Ganzen unglaubwürdig zu wirken. Sage ihm also, dass ich ihn oder seine Kollegen schnell zu meiner Wohnung hin dirigieren könne, wenn sie im Auto vor das Restaurant kämen.



Er spielt ein bisschen mit Worten. Tut einsatzfreudig und dann auch wieder nicht. Hält mich hin, neckisch. Sagt auf einmal, was ich doch für ein nettes Stimmchen hätte.

Es fällt mir selbst auf: meine Stimme klingt hilfsbedürftiger als sonst. Ich beende die Sätze in einem kindlichen, fragenden Tonfall, leiser als gewöhnlich, etwas heiserer auch. Ich rede tatsächlich anders als üblich, während ich ihm verzweifelt mein Dilemma schildere. Will ich damit an seinen Beschützerinstinkt appellieren?



Er aber, statt auf meine Not einzugehen und mir schnelle Hilfe zu schicken, sagt, er kenne mich zwar nicht, doch anscheinend sei ich ein flotter Käfer und er habe große Lust, mich nach Dienstschluss zu treffen. Wie es denn so mit einem Bierchen wäre? Im ‚Bratwurststüble‘ am alten Markt vielleicht ...?



Ich lege wütend auf. Das war allerdings unklug. Auch Polizisten brauchen ab und zu ein freundliches Entgegenkommen.



Jetzt stehe ich wieder genau so dumm da, wie vorher. Soll ich den Kellner um Geld und Wahlhilfe für ein zweites Gespräch bitten? Das schaffe ich nicht. Das schaffe ich nicht. Ich wanke durch die prunkvolle Drehtür hinaus.



Eine Weile warte ich vor dem Restaurant. Den Namen des Lokals weiß der Polizist ja vom Kellner: Il Colosseo. Vielleicht schickt er doch noch einen Streifenwagen!

Nichts geschieht. Kostbare Zeit vergeht.



Ich bin fuchsteufelswild. Die prächtige Freitreppe renne ich hinunter, die von dem Schicki-Micky-Lokal zur Straße führt. Auf der Mauer fege ich all die Jardinieren voller blühender Begonienpracht im Vorbeilaufen mit dem rechten Arm weg ... ganz leicht, einfach so, eine nach der anderen, dass sie unten krachend zerbersten und ihr erdkrümeliger Inhalt samt den armen Pflänzchen übers Trottoir splattert.
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Weil ich schon einmal so schön dabei bin, vernichte ich noch zirka zehn gläserne Deco-Kugeln, die die Treppenbrüstung zieren, indem ich sie mühelos aufs Pflaster hinunterstoße, wo sie klirrend zerplatzen.

Jetzt werden die Besitzer des Restaurants mich anzeigen und gewaltsam von der Polizei abholen lassen. Genau das will ich. Dann hört mir endlich jemand zu ..."



Danach harre ich geduldig der Dinge, die da kommen werden, bereit, mich ohne Murren verhaften zu lassen. Aber nichts geschieht. Kein Mensch hat von meiner Zerstörungsorgie Notiz genommen.



Ich laufe weiter, gelange diesmal zu einer intakten Telefonzelle. Als ich die erste Münze einwerfen will, dämmert es mir vage: Ich habe ja kein Geld bei mir. Ich schlage mir an die Stirn.



Nur der Gedanke an den Text meines Buches, meines Lebenswerks – 900 Seiten - die zu retten ich alles unternehmen muss, treibt mich vorwärts.

Also renne ich weiter, immer auf der Suche nach einer Polizeiwache. Das hier ist der unbelebtere Teil der Stadt. Mir fehlt inzwischen der Mut, noch einmal in einem Restaurant oder Laden um 30 Pfennige für ein Telefonat zu betteln.



Vorbeigehende starren zu mir her. Ich weiß jetzt, warum. Habe diesen zerknautschten, viel zu riesigen Männermantel an, dessen heruntergerissener Saum mir bis auf die Absätze hängt, und über den ich fortwährend stolpere.



Am Rand der Stadt klingele ich an einem Haus. Als mir freundlich geöffnet wird, sehe ich ... ich bin in eine italienische Großfamilie geraten. Sie bieten mir sofort einen Espresso an, blicken jedoch hilflos drein, als ich ihnen meine Geschichte erzähle. Von dem Hörspielteam und dem gelöschten Computertext berichte ich nur noch fragmentarisch. Dass es für mich wichtig, ja ÜBERLEBENSNOTWENDIG sei, jetzt ganz schnell die Polizei zu rufen, nehmen sie verständnisvoll nickend zur Kenntnis. Warum ich aber kein Geld habe, auch nicht allein telefonieren könne, kann ich ihnen kaum vermitteln. Nach viel Gestammel meinerseits - ich muss ja die Sache mit den falschen Brillen und die daraus resultierende Olmenblindheit den bestürzten Leuten erst einmal wortreich klarmachen - ruft dann einer für mich bei der Wache an.
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Inzwischen bin ich so erschöpft, dass ich auf dem Boden ihrer geräumigen Diele halb sitze, halb liege. Endlich habe ich einen Beamten - nicht den von eben - an der Strippe und auch dieser Typ steht meinen Problemen absolut uninteressiert gegenüber. Da kommt mir der Gedanke, etwas stärker aufzutragen und vielleicht auf diese Weise doch noch seine Aufmerksamkeit zu erzwingen.



"Ihr Name?" fragt er.

"Ich weiß nicht!"

"Wie, sie haben ihren Namen vergessen?

Ich lasse schweigend eine Minute verstreichen.

"Geht es Ihnen nicht gut? Haben sie einen Unfall gehabt?", hakt er ein und ist schon bedeutend interessierter.

"So könnte man es nennen. Also, man hat mein Appartment total umgekrempelt, ohne mich um Erlaubnis zu fragen, vor allem hat man meinen Computer ruiniert und ihn bereits weggeschleppt!"

"Aha!"

"Sie müssen mir dringend, dringend sofort einen Wagen schicken", flehe ich, "jemand muss mit mir zu meiner Wohnung fahren."

"Und wo soll das sein?"

"Die Adresse weiß ich nicht ( - ich weiß sie tatsächlich noch immer nicht! - ) den Weg dahin kann ich aber genau erklären, wenn Sie herkommen!" rufe ich mit letzter Kraft.

Ich zittere. Jetzt merke ich ... meine Nerven versagen.

Der italienische Großvater nimmt mir sanft den Hörer aus der Hand und redet in sehr gutem Deutsch mit dem Mann in der Leitung.



Ich laufe schluchzend hinaus. Vorm Haus stehe ich und heule. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.



Da fährt nach einer Weile tatsächlich ein Polizeiauto vor. Eine rothaarige, hübsche Polizistin springt heraus, aber sie ist nicht in Uniform, sondern in Normalkleidung. Schon von weitem ruft sie den Bewohnern – die sich ratlos um mich versammelt haben - fragend zu, ob die hilflose Person stark alkoholisiert sei oder weniger.

Das sei schwer zu sagen, murmeln die Leute.

"Mir reichts jetzt", schreie ich verzweifelt, "ich brauche dringend Hilfe!"

"Nu, nu, nu .
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.. Sie sind ja übermäßig erregt", sagt die Frau. Sie sieht mich freundlich an. Sie hat eine Umhängetasche über der Schulter und plötzlich ... eine Spritze in der Hand.





Spritzen und Kanülen, wenn man sie in mich hineinstechen will, stürzen mich aber so in Panik, dass es übermenschlicher Disziplin von meiner Seite her bedarf, nicht ganz auszuflippen. Ich reiße denn auch jetzt alle meine Kräfte zusammen, um mich selbst vor Schreikrämpfen, Tobsucht, Amoklauf zu retten und sehe schon im Geist die real lauernde Zwangsjacke und andere Fixierungsmaßnahmen vor meinem inneren Auge.

Die Angst vor Spritzen muss ich stets umgehen, überspielen. Es ist mir bisher noch immer gelungen, alle Arten von Medizinern – ob vor Staunen starre oder wild fluchende - Internisten, Orthopäden, sogar Zahnärzte von jeglichen Injektionsversuchen an meiner Person ein und für allemal zu kurieren.

Geübt schlage ich also der Frau das Ding aus der Hand. Nicht mit böser Absicht. Eher aus Reflex. Um mein Leben zu retten. Denn die Angst vor Injektionen puscht mich auch jetzt augenblicklich an den Rand des totalen Nervenzusammenbruchs. Kreislaufkollapses. Alles um mich beginnt sich zu drehen.



"Hören sie bitte erst einmal zu!" rufe ich bebend: "Wir müssen schnell ins Auto steigen und zu meiner Wohnung fahren. Denn ich bin das Opfer eines Deliktes geworden. Vielleicht kann man noch etwas retten! Wir müssen die Identität dieser Männer herausfinden, bevor sie für immer von der Bildfläche verschwinden!"



Die Frau blickt betroffen, nickt den Umstehenden wissend zu, fasst mich am Ellenbogen, zieht mich mit. Ich rufe der italienischen Familie, die wirklich sehr hilfsbereit war, ein "Hasta la vista!" nach und verspreche, dass ich mich später bei ihnen melden und erkenntlich zeigen würde, wegen des capuccinos und so ... Was sie mit ziemlich verlegenen Mienen quittieren.



Aber die Polizistin läuft mit mir am Auto vorbei und auf ein Feld los. Sie sieht die Notwendigkeit, so schnell wie möglich zurück zu meinem Appartement zu kommen, um die Räuber zur Rechenschaft zu ziehen und meinen Computer suchen zu gehen, leider überhaupt nicht ein, sondern fängt an, mir Fragen zu stellen:



"Haben Sie in letzter Zeit Stress gehabt? Oder Probleme mit Ihrem Partner? Hektik auf der Arbeitsstelle? Leben ihre Eltern und Geschwister noch und sind sie GESUND? Solche Sachen fragt sie und ähnlich gespaßiges Zeug.
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Ich mache sie mehrmals darauf aufmerksam, dass jetzt allzu lange Zeit verstrichen sei und immer weiter verstreiche. Dass es von Minute zu Minute unwahrscheinlicher werde, meinen P.C. wohlbehalten wieder zu bekommen..

"Die Männer sind schlau ...vielleicht arbeiten sie ja tatsächlich bei einer Rundfunkanstalt und werden nun natürlich alles ableugnen", sage ich vorwurfsvoll, "ich hätte gegen sie nur eine Chance gehabt, nämlich, wenn ich mit der Polizei sofort am Tatort gewesen wäre. Diese Chance ist vertan. Zu spät, die Spuren sind höchstwahrscheinlich getilgt."

"Na, na, na" ... Und ob ich nicht doch lieber eine Beruhigungsspritze ...? fragt die Frau. Sie legt den Arm um meine Schulter.

"Nein", brülle ich.

"Auch gut", sagt sie.



Eigentlich ist sie sympathisch. Macht aber keine Anstalten, mit mir zum Auto zu gehen, wo ihr Kollege am Steuer wartet. Statt dessen spazieren wir auf dem abgeernteten Feld herum. Immer im Kreis. Das heißt, sie führt mich und stellt Fragen. Ich mucke kaum mehr auf. Zeige ihr statt dessen - als eventuelles Beweisstück für die Identität der verfluchten Hörspieltypen - den Brief von Ingo Fox, den ich am Morgen in die Tasche meiner Blue Jeans gesteckt habe und der mir jetzt wieder einfällt.

"Liebe, verehrte Gastgeberin, ich gestehe, dass ich hingerissen bin und blah blah blah..." liest sie vor. Und dann das von der Einladung zum Abendessen. Der ‚trauten‘ Zweisamkeit. Sie lacht.

"Die Unterschrift ist aber mit blauem Filzstift durchgestrichen", sagt sie, "ich kann sie nicht lesen."



Ich glaube ihr kein Wort. Doch erkenne ich selbst nichts mit meinen brillenlosen Augen. Ich bin quasi blind. Und lache. Ein bitteres Lachen.



"Wir fahren jetzt in die ... Psychiatrie. Da wird ihnen geholfen", sagt die Frau, die ich am Anfang für eine Polizistin gehalten habe, die aber anscheinend Ärztin ist.
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"Sollten Sie das jedoch ablehnen, dann müssen Sie nur hier unterschreiben", fügt sie freundlich hinzu und hält mir einen Bogen Papier hin, "in DEM Fall können sie sofort nach Hause gehen, auf eigene Verantwortung natürlich!"



Da breche ich schreiend auf der Erde zusammen, grabe meine Finger wütend ins Kühl des Rasens.

Auf einmal tönt aus dem Polizeiauto ein mit Lautsprecher verstärkter Wortschwall, offensichtlich die Stimme des Mannes, der die Ärztin hergefahren hat und immer noch im Wagen sitzt:



"Und das, meine Damen und Herren, war wieder einmal unsere Sendung: "Ullis verstecktes Mikrofon". Wir lassen Sie teilnehmen an den wahren Dramen des Alltags, liebe Zuhörer! Frau Gärtrud Stein ... gestern noch eine ruhige, ausgeglichene Frau mit Humor, heute am Rand einer existenziellen Krise ... Aber keine Sorge, ihr Leute in Medienland ... wir vom Sender "Europ-Gaga-Plus" lassen Frau Stein nicht im Stich. Wie sie sehen, ist unsere Team-Ärztin, Miss Marieke, bereits bei ihr und Frau Stein wird bestens betreut."



Da ist sie schon wieder mit ihrer Spritze. Die Rothaarige. Diesmal bin ich zu langsam. Da hat sie mir die Kanüle bereits in den Arm gejagt.

"Damit beenden wir unsere Real-Life Reportage", höre ich eine männliche Stimme sagen, "und wünschen euch einen fröhlichen Abend, ihr Lieben, überall in Stadt und Land ..."



"So, nun wird es Ihnen bald besser gehen!" Die Ärztin lacht mich verschwommen aus der Ferne an. "Keine Sorge Frau Stein ... wenn Sie aufwachen, denken sie ohnehin nicht mehr an ihren blöden Computer."



Dann ruft sie noch: "Das wär geschafft, Henry, jetzt gehen wir erst einmal alle ordentlich Einen saufen!"

"Heh, heh, Achtung, Miss Psycho ... wir sind noch auf Sendung!", klingt es zuletzt vage an mein Ohr, während ich endgültig wegdrifte ...









*















Copyright Irmgard Schöndorf Welch, August 2002

bearbeitet am 25.05.2005.
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