Romane/Serien · Erinnerungen

Von:    Irmgard Schöndorf Welch      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 25. Mai 2003
Bei Webstories eingestellt: 25. Mai 2003
Anzahl gesehen: 4334
Seiten: 13

*









A BAUMHOLDER NIGHT



Leben der amerikanischen Soldaten in Deutschland



Momentaufnahme um 1960





Eine gewaltige Streitmacht haben die USA in der Pfalz stationiert. Kaiserslautern. Uniformierte Soldaten der Army und Airforce prägen das Bild in den Straßen. Unübersehbare Präsenz bei Tag und bei Nacht.



An die vierhundert Bars gibt es in K’town und Umgebung.

_



'Bedienungen für Cafés

auch Anfängerinnen

in amerikanische Garnisonsstadt gesucht

Unterkunft ( sehr komfortabel ) im Haus,



so werben Zeitungsannoncen in allen deutschen Regionen.



Es melden sich massenhaft Frauen, auch aus Österreich, Belgien, Holland, Frankreich, der Schweiz. Der Dollar lockt, es locken leichte, vermutlich lässige Tage und eine Arbeit, von der manche glauben, dass sie gar keine ist.





STARLIGHT BAR



Im alten Bauernland, im Herzen der Pfalz, weit weg von den letzten Häusern des Dorfes, inmitten von Feldern und Wiesen, steht seit Zeiten eine geräumige Scheune. Sie hat eine neue Bestimmung bekommen - ein kleiner Umbau und schon ist sie zur G.I.- Bar mutiert.



Der Laden öffnet um halb zehn Uhr morgens. Von da an tost ohne Ende die Wurlitzer Juke-Box.



°°°° I’M JUST A LONELY BOY, LONELY AND BLUE...



- das ist Paul Anka –



I’m all alo-one with nothin’ to do.

I've got everythi-iing

you could think of.

But all I wa-ant

is someone to love

Someone, yes, someone to lo-ove, someone to ki-iss

Someone to ho-old at a moment like this.°°°°



Die STARLIGHT BAR ... nachts leuchtet sie aus der Ferne wie ein bunt beleuchtetes Passagierschiff auf hoher See, ist aber bei Sonnenlicht betrachtet, ein zwar sauber geschrubbter, jedoch schäbiger Schuppen.

Schläfrig lungern die Frauen vom Frühdienst herum, trinken Kaffee, pinseln sich Lack auf die Nägel. Nach ‚Intimate‘ duften die Girls, dem begehrten Parfüm jener Jahre.
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Die Freunde und Lover bringen es ihnen mit aus dem PX.



Jung sind sie, die Mädchen. Ihre Kindheit war 'schlecht'. Im Heim aufgewachsen, vom Leben geschüttelt, haben sie nirgendwo wirklich Fuß fassen können. Hier aber brauchen sie kein Wissen und keine Ausbildung, hier werden sie nicht versagen und nie mehr allein sein ...

Auch leuchtet die Zukunft in rosigen Farben, denn über den großen Teich ist es von K’town bis ins Land ihrer Sehnsucht nur noch ein Luftsprung. New York – San Francisco – Los Angeles International Airport.

Die Hoffnung könnte schnell für die Träumerinnen zur Wirklichkeit werden. Ein junger Sergeant, ein Major ... gute Männer gibt es genug unter den US. Soldaten. Und wenn einer verliebt ist, dann bietet er ... eventuell sogar Heirat.



Im Dorf wirbeln die jungen Dinger natürlich alles so ziemlich durcheinander. Bauernsöhne sind hin-und hergerissen, die Landfrauen aber heftig erzürnt, wenn diese Früchtchen zu dritt, zu viert, aufgedonnert und munter plappernd auf ihren High Heels durch die ehrbaren Gassen stöckeln oder bei Tante Emma im Laden die Kundschaft verwirren.



Starlight-Bar. Mit Gepolter erstürmen die ersten US. Soldaten schon um zehn Uhr morgens den Schuppen. Da werden die müden Mädchen munter. Da dreht man die Musikbox auf höchste Lautstärke, knipst den weiblichen Charme an. So mancher G.I kuriert hier an seinem freien Tag sein Heimweh mit Whisky und Bier. Durch Alltagsgeplauder, gewürzt mit Lachen und Ironie, gelingt es den hauseigenen Damen, die armen Jimmys und Johns den Kasernenalltag für eine Weile vergessen zu lassen. Sie selbst ergattern so ganz nebenbei ihre ersten Drinks. Vielleicht sogar Champagner?

Die Girls haben ein Pflaster für jeden Kummer und gegen die Einsamkeit aufbauende Worte. Trösten sie? Immerhin ... sie hören den Männern wenigstens aufmerksam zu.



*



Auch französisches Flair gibt es hier. Très chic sind die Chansons der Piaf, die aus der Juke-Box erklingen:



°°°° C‘EST A HAMBOURG, a Santiago,

a White Chapel, ou Borneo.

C‘est a Hambourg, a Santiago,

a Rotterdam, ou a Frisco.
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..



Hello boy ! You come with me ?

Amigo ! Te quiero mucho !

Liebling ! Komm doch mit mir !



C‘est a Hambourg, au ciel de pluie,

dans les bastringues a matelots,

que je trimballe encore ma peau,

les bras ouverts à l'infini...

Car moi je suis comme la mer,

j‘ai l‘coeur trop grand pour un seul gars,

j‘ai l‘coeur trop grand et c‘est pour ca

qu‘ j‘ai pris l‘amour sur toute la terre...

C‘est a Hambourg, a Santiago

a White Chapel, ou Borneo...



So long, boy...

Adios, amigo...

Nachher, Schatz...

...Au r‘voir, p‘tite gueule ! °°°°



***



Eva - auf ihrem Zimmer malt sie heimlich expressionistische Bilder und hat auch sonst den Kopf in den Wolken - also Eva ist verrückt nach diesem Chanson und lässt es in der Music-Box so lange laufen, bis die Kolleginnen unisono "aufhören" brüllen. Dann drückt sie ihren zweitliebsten Song:



°°°° She gets too hungry, for dinner at eight.

She loves the theater, but doesn‘t come late.

She‘d never bother, with people she‘d hate,

THAT'S WHY THE LADY IS A TRAMP.



Doesn‘t like crap games, with barons and earls,

won‘t go to Harlem, in ermine and pearls.

Won‘t dish the dirt, with the rest of those girls.

That‘s why the lady is a tramp.



SHE LOVES THE FREE, FRESH WIND IN HER HAIR,

life without care.

She‘s broke, but it‘s o‘k.

She hates California, it‘s cold and it‘s damp.

That‘s why the lady is a tramp. °°°°



*



Zwölf Uhr Mittags. High Noon. Noch lauter dröhnt jetzt die Jukebox.



Aaron, der Barmann, ein Israeli mit tiefen Augen, der aussieht wie Kafka, müht sich hinter dem Tresen um die diversen Getränke. Ach ja, der Sekt! In großen Mengen wird er alle paar Tage aus dem dörflichen Edeka-Laden angeliefert. Für zwei-Mark-fuffzich pro Liter.
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Im Starlight verwandelt sich der Schaumwein augenblicklich in edlen Champagner. Die Flasche kostet den Gast nun gerade einmal hundert Märkchen, wenn er sie seiner Lieblingsmaus großzügig spendiert. Vierzig davon verdient die damit Beglückte. Das ist ziemlich viel Geld in den frühen neunzehnhundertsechziger Jahren.



Die Longdrinks, die sich die Animiermädchen spendieren lassen, sind 'Cognac-Cola' oder 'Tom Collins'. Das Zeug besteht zu neunundneunzig Prozent aus Brause - enthält aber auch durchaus Spuren von Alkohol.

Beinahe sieben Mark blecht der Gast für ein Glas des labbrigen Liquids. Zwei Mark sechzig werden der damit verwöhnten Dame gutgeschrieben.

Unaufhörlich 'mixt' Max, Barmann Nummer zwei, seine Drink-Creationen für die Mädchen: In eine langstielige Cocktailschale gießt er Fanta oder Cola, ein bis zwei Spritzer wahlweise Whisky/ Wodka/ Cognac werden dann noch hineingesprenkelt. Als leuchtende Krönung - vom Zahnstocher durchpiekst - das obligatorische, ausgelaugte, blassrosa Dosenkirschlein. Ein bunter Strohhalm dazu ... fertig. So weit, so gut. Zumindest schadet es der Leber kaum ...





"Das schmeckt ganz toll", sagen die Mädchen, doch sie lassen die skeptisch drein blickenden US. Boys nicht von ihrem Wundergesöff kosten. Die zahlen dennoch und meckern selten. Für ‘nice company’ nehmen sie die kleine Betrügerei gern in Kauf.

Sind die Girls nice Company?

Sogar nachts, im wilden, schweißtreibenden Gewoge der übervollen Räume, gelingt es den meisten, sich etwas Eleganz zu bewahren. Modisch gekleidet sind sie und Luxus gönnen sie sich. Jeden Tag Besuch beim Friseur. Teures Make-up. Kostbarer Duft. Sie zelebrieren die Schönheit. Oder was sie dafür halten ...

*



Im STARLIGHT wird selten begrabscht und niemals gevögelt - eisernes Gesetz ( na ja, mit dem Begrabschen ist das so eine Sache ... aber Vögeln, das gibt es da tatsächlich nicht ) Und ein Mann auf dem Zimmer würde für eine, die hier im Haus wohnt, sofort den Rausschmiss bedeuten. Denn soviel muss gesagt sein: solche Etablissements sind keine Bordelle. Die Owner, die reichen Herrscher im Zwielicht-Imperium, korrekte Geschäftsleute allesamt, sind darauf bedacht, dass ihre weiße Weste auch weiß bleibt.
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Was die quirligen Weibchen jedoch in ihrer Freizeit und außerhalb treiben - das interessiert die Bosse natürlich nicht.



'Oh, you are fishing for drinks again', sagen die US.Boys augenzwinkernd zu den Bargirls. Die deutschen Gäste rümpfen die Nase über so viel Nepp, zahlen aber auch. Ha ha ... man weiß ... diese Frauen sind jung und brauchen das Geld!



Jedoch ... viel zu trinken kriegt eine nur, wenn sie den Gast auch wirklich gut unterhält. Und das muss hier züchtig geschehen. Ohne Körpereinsatz sozusagen. Im verbalen Aufheizen der Männerwelt ist manches Animierwesen einsame Spitze, geübt im Anekdoten- und Männerwitze-Erzählen, auch im Nonsens-Geplapper. Und das noch bevorzugt in englischer Sprache, was die Boys natürlich freut

Doch nie kann ein Mädchen sicher sein, dass ihr Charme und Geplauder ausreicht, die getränkeordernden Männer bei der Stange zu halten. Schlecht ist es, wenn der umgurrte Besucher plötzlich die Rechnung verlangt, mit dem Restgeld in der Tasche entfleucht und zur verlockenderen Konkurrenz in die Bar gleich nebenan wechselt, statt die ganze Summe im Starlight zu verprassen.

Ein merkwürdiges Phänomen ist dieses ganze Business . Auf Abzocke angelegt, scheint es doch eine fatale Anziehungskraft auf die Männerwelt auszuüben. Ja die Typen müssen tatsächlich an Wunder glauben. Und an die Willigkeit der mit ihnen zechenden Weibchen. Denn es münden die Gedanken auch der geduldigsten Freier zuletzt doch immer hoffnungsvoll nur in das ... EINE.



Was bleibt den Mädchen da übrig? Sie versprechen ... versprechen. Sie lügen und ordern Champagner, denn der bringt die Kohle. Am Ende verschwinden sie heimlich und schnell.



*



Das Schönste am Starlight ist die Musik. Gegen Mitternacht kommt eine Big Band aus der Heidelberger Gegend herüber. Die spielt für die Amis und Freunde. Jazz. Blues. Meistens aber Tanzschlager. Mit vollem Einsatz und stampfendem, bassigem Rythmus.

Beliebt sind : Rock n‘Roll, Cha- Cha, Limbo, la Bamba ...

Idole: The King, Trini Lopez, the Platters, Pat Boone, Sarah Vaughan.



Am irrsten ist der Sound von Bill Haley und Elvis.
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°°°° ONE, TWO, THREE O’CLOCK FOUR O‘CLOCK, ROCK,

five, six, seven o’clock, eight o’clock, rock’,

singt ein Sternchen mit heiserer Stimme.

‚Nine, ten, eleven o’clock, twelve o’clock, rock,

we’re gonna rock, rock‚ round the clock tonight.‘ °°°°







Atmosphäre: teils Nashville, teils tiefe Provinz, dazu ein Schuss Reeperbahn und grandioses Menschengewimmel.

Guitar, Drums, Brass rütteln und stöhnen, hämmern den Beat in die Hirne hinein bis zum Umfallen. Die Luft ist zum Schneiden.



Doch tritt man hinaus vor die Tür in die Nacht, dann riecht es nach Pferden, nach dem beißenden Aroma von Kartoffelfeuern. Und der Wind, der aus dem Pfälzer Wald her weht, ist so frisch, dass die Lungen sich weiten. Raschelnd fährt er über Äcker und reife Ähren. Auch hört man die Liebeslaute, das Gemurmel und Kichern der Pärchen vom Rande des Kornfelds.





Luzie, immer etwas abgesondert von den anderen Mädchen, hält Hof im Kreis ihrer Verehrer ... in engem Schneiderkostüm und Bluse aus Brüsseler Spitze. Niemals trägt sie billige Fähnchen, niemals gibt sie sich ordinär. . Chefsekretärin wäre sie vielleicht irgendwann geworden oder Beamtin ... in einem anderen Leben. Aber sie ist, was sie ist. Ami-Soldaten, auch deutsche Gäste, verlieben sich leicht in Luzie. Keine bekommt so viele Drinks wie sie. Sie lügt nicht, verspricht nichts, hält nichts von unmoralischen Angeboten und One-Night-Stands ... Sie scheint klug und ... seriös. O, sie hätte schon oft heiraten können, sagt sie, ... doch ein paar Jährchen will sie das hier noch machen. Wegen dem Geld. Aber mit Würde. Hier ist sie zu Hause. Auch sie ein Waisenkind, das im Heim aufwuchs. Später sind die Bars zu ihrer Heimat geworden.



*



Uschi errötet, denn da tritt er herein, ihr bester Freier von allen.

"Hallo, Mister Right."

Ach ja ... Colonel Horny, ein Pilot der Airforce, kommt in so einen Schuppen nur dann, wenn seine Frau und die Kinder wieder einmal auf Urlaub in USA sind. Und wenn er schon ein klein wenig blau ist.
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Schnell sitzt man am Ecktisch. Der Colonel trinkt den Bourbon wie Wasser und Uschi trinkt Sekt. Ach, ihre Schenkel, die schwarzbestrumpften, sind schön seidig und warm ... Und er ist ... irgendwie verrückt nach ihr. Seine Hand lässt er kriechen. Nach dem Nest sucht der Mann, dem freundlichen Schlupfloch. Uschi nimmt immer wieder die vorwitzige Pranke und zieht sie, lieb lächelnd, zurück auf ihr Knie - "bis hierher, darling, nicht weiter, was denken die Leute" ... spielt dabei das geschämige, aber willige Weibchen, verspricht ihm den Himmel auf Erden ... doch nicht jetzt ! Doch nicht hier! Vorsicht, dort drüben schauen sie schon herüber ... später, wenn der Laden dann dicht macht, my Captain, then ... you come with me."



Er weiß, dass sie flunkert – sie hält ihn schon nächtelang hin – gibt ihm aber mit schmiegsamem Blick zu verstehen, wie sehr sie ihn mag. Da bestellt er noch eine Flasche - die zweite bereits - vom sündteuren, grottenschlechten ‘Champagner’. Uschi kippt ihn geübt aus dem vollen Glas in den silbrigen Kühler, immer dann, wenn ihr Verliebter gerade nicht hinsieht.

Die Flasche ist schon wieder leer! O my God, das kann nur schwarze Magie sein!

Schnell schwänzelt Helga, die Kollegin, heran, räumt den Sektkübel ab. Das uralte Spiel! Einen anderen Kühler bringt Helga in Windeseile, mit frischen Eiswürfeln gefüllt. In ihm prangt, von blütenweißer Servietten-Halskrause edel umschmeichelt, die dritte Flasche des obskuren Gesöffs.

"Der hier kommt aus der UDSSR ... echter Krimsekt", freut sich die Uschi, „das Beste vom Besten, o Connel, my Connel, ich mag ihn, er macht mich ganz ... wild!"



Um weitere dreihundert DM erhöht Helga beflissen die Rechnung.

Dem Freier ist dieser bescheuerte Vorgang schon lange vertraut. Er grinst und schweigt beim dreisten Manöver der Mädchen.

Aber die Uschi ... die Uschi ... verdammt ... es zieht ihn immer wieder hier her ...

Er weiß: sie ist im Ausnehmen der Gäste ganz groß und lügt, dass die Balken sich biegen. Doch sie hat ihren Stolz. Für schnöden Mammon verkauft sie sich nicht, ganz gleich, was einer ihr bietet.

Das haben ihm seine Airforce-Freunde berichtet - standhaft sei sie geblieben, die Süße, als man sie vor kurzem ernsthaft getestet.
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..

Das imponiert ihm, weil er zu wissen glaubt: Einmal krieg ich dich doch noch.



***



Der Schuppen platzt inzwischen aus allen Nähten. Es riecht nach Tabak, Haarspray und alt-verschüttetem Bier.

Im Rythmus des Rock tost die Band, bebt die Bühne.

Die Menge pulsiert wie verrückt auf dem Dance-Floor. Dass die Wände wackeln. Und an der Decke drehen sich glitzernd und farbensprühend die Diskokugeln.



°°°° When the chimes ring five,

six and seven

we’ll be rocking up in seventh heaven.

we’re gonna rock around the clock tonight,

we’re gonna rock, rock, rock, till broad daylight.

We’re gonna rock around the clock tonight. °°°°





Jetzt ist es halb drei.

Flaneure der Nacht, fein gekleidete Spießer - auf der Suche ... wonach? Und Ami-Soldaten ... hier landen sie alle zuletzt. Da kommt man sogar bis von K’town herüber, weil die anderen, auch viel edlere Bars, um diese Stunde schon dicht sind.

Hier brummt der Bär, tobt das Leben.



°°°° The warden threw a party in the county jail,

the prison band was there and they began to wail,

the band was jumpin’ and the joint began to swing,

you should’ve heard them knocked out jailbirds sing.

Let’s rock, everybody, let’s rock,

everybody in the whole cell block

WAS DANCING TO THE JAILHOUSE ROCK. °°°°







Auftritt Pascha, der Lude, lächelnd, nobel im Cashmere mit seinem Gefolge und ‘schaut mal’. Auch tänzelt herein der glatte King Coolidge, gleich drei Midnight- Babys am Arm, Duzfreund des Big Boss, Zuhälter ... und König auch er.



***



Das blonde Gift Candy hält beim Tanzen sein Köpfchen eng an die Brust eines turmhohen Schwarzen gepresst. Sie ist müd, ihr ist schlecht, ihr Lipstick macht Flecken auf seinem seidenen Hemd. Er, Ronnie, lacht laut über etwas, was ein farbiges Nymphchen vom anderen Ende des Dance-Floors ihm zuruft.
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Dabei funkelt im Weiß seines Raubtiergebisses ein goldener Eckzahn, brilliantbesetzt.

Candy spürt ... der unstete Blick des Mannes sucht schon die frischere Frau für die Nacht. Er lässt sie auch bald schon allein. Locker wie eine Puppe hebt er sie hoch und setzt sie wieder dorthin, wo sie herkam ... auf einen Stuhl an der Bar.



°°°° On a day like today

we pass the time away

WRITING LOVE LETTERS IN THE SAND.

Now my broken heart aches

with every wave that breaks

over love letters in the sand. °°°°



***

Eva ist schön und Ben, auch so ein Airforce-Typ, ist eifersüchtig like hell. Schließlich ist Eva 'his girl and they go together'. Heute wird er sie herausholen aus diesem Laden. Endgültig. Jetzt reicht ihm der Shit.

Eva - wie immer passiv - grinst nur. Einige Male hat er sie bereits aus der Bar gezerrt. Wenn sie mit 'idiots' beisammen saß und trank. Wo er sie doch gerade in dem Augenblick um sich haben wollte und nicht bis Lokalschluss warten mochte. Er hat sie herausgezerrt, bei den Schultern gepackt, einmal sogar bei den Haaren, heftig, bis sie schrie. Hat sie auf die Straße befördert, vor allen Leuten, ins Auto bugsiert ... wie sein Eigentum. Was für ein Zirkus!

Und so einen liebt sie: "My Captain!"

Sie träumt davon, endlich seiner sperrigen Seele ein Stück näher zu kommen. Und dass er ihr ein bisschen mehr Wärme schenke.

Die Kolleginnen kennen das Theater bereits bis zur Neige. Sie sehen sich mitleidig an: eine Verrückte.

"She comes with me", sagt also Ben. Packt sich die Eva. Ausgerechnet heute, am Zahltag der Soldaten, wo immer besonders viel läuft. Und 'closing-time' ist noch weit.





Nathan, der Geschäftsführer, protestiert lauthals: "Nichts da. Hier bleibt sie!" Es gäbe einen Arbeitsvertrag, behauptet er plötzlich.

Ben beendet den Zwist. Ein paar größere Scheine, von ihm angewidert auf die Theke geschmissen, lassen den Wütenden schnell innehalten.

"Ihr seid beide meschugge. Schluss. Aus. Ende!", ruft Nathan und rafft sich die Knete. "Du bist gefeuert, Nutte, dein Krempel fliegt heut' noch auf die Straße!", zischt er leise und drohend.
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Die Bekloppte grinst nur, als Ben, der amerikanische Pilot, groß, energisch, ganz in Uniform und Lametta ... sie einfach auf den Arm nimmt und wegträgt.



***



Christa hat wie immer eine weiße Rose am Ausschnitt. An einem Ecktisch hockt sie mit ihrem scheuen, viel zu jungen Verehrer, trinkt Schaumwein und raucht die letzte Reno-Menthol aus der Packung. Reno-Menthol sind gut für die Bronchien! Diese aber war eine zuviel nach all den Sudelgetränken, die man ihr heute spendiert hat. Aufs Klo rennt die Christa, muss grässlich kotzen. Dann fühlt sie sich besser. Vor dem Spiegel frisches Make up aufgelegt, Leuchtrot für die Lippen ... und so. Nun ist sie wieder wie neu. Schnell raus zu dem Gast, bevor der davonläuft. Denn er ist niedlich, der Kleine. Zum Vernaschen süß. Wenn ihr einer gefällt, gibt es für Christa kein Halten.



°°°° You can dance ev’ry dance with the guy

who gives you the eye, let him hold you tight.

You can smile ev’ry smile for the man

who held your hand ‘neath the pale moonlight.

BUT DON’T FORGET, WHO’S TAKING YOU HOME

AND IN WHOSE ARMS YOU’RE GONNA BE,

SO DARLING DANCE THE LAST DANCE WITH ME. °°°°



***



Nebenan in halbverborgenen Nischen blüht üppig der Nepp. Immer die gleichen Wünsche haben die angetrunkenen Freier und diese bedienen die Schlämpchen mit weiblicher Schläue. Man hält sich die Typen geschickt und trickreich vom Leib ... lässt sie innig von Liebe labern ... sie werden mit verruchtem Augenaufschlag auf später vertröstet. Und später ist nie.

Durch frivoles Geplauder hält man sie schön bei der Stange. Auch dürfen sie sich schon mal ein Küsschen holen oder kurz nach einer Brust tasten. Aber nicht mehr. Der steigende Alkoholpegel der Gäste arbeitet auch FÜR die Frauen. Die Herren der Schöpfung werden immer verlieren. Die Damen bestellen weiter lustig Champagner und schütten ihn heimlich weg.

Die armen Möchte-gern-Liebhaber ... ach, sie bekommen wenig fürs Geld - nicht das, was sie wollen - aber zu trinken genug.
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Bis die Brieftasche leer ist.



Nachher zählen die Bargirls nebenan in der Küche andächtig ihre D-Mark und Dollars. Sei könnnen nur staunen, wie doch alles so leicht läuft und man sogar ... unberührt bleibt.



***



Die Band macht jetzt Pause und die Juke-Box springt ein. Freddy singt vom traurigen Schicksal der armen Legionäre



°°°° BRENNEND HEIßER WÜSTENSAND,

fern, so fern dem Heimatland,

(so SCHÖN, SCHÖN WAR DIE ZEIT!!)

Kein Gruß, kein Herz,

kein Kuss, kein Scherz.

ALLES LIEGT SO WEIT, SO WEIT.

(so schön, schön war die Zeit.)

Dort wo die Blumen blühn,

dort wo die Täler grün,

dort war ich einmal zuhause.

Wo ich die Liebste fand,

da liegt mein Heimatland,

wie lang bin ich noch allein? °°°°



Ein Mann kracht vom Barstuhl herunter und schläft auf dem Holzboden weiter.



***



Lu ist neu hier im Starlight. Der Boss hat es vielleicht bei ihrer Einstellung nicht gemerkt, die anderen Mädchen aber schon: Lu ist eine Nutte. Sie trägt ein knallrotes Kleid und wedelt wie wild mit dem Knackarsch, wenn sie den Gästen das Bier bringt, wogt wie ein Vamp hin und her, scharwenzelt herum vor den Blicken der grinsenden Machos.

Die steht nicht auf Drinks, nein ... Lu hat ihre eigenen Arbeitsmethoden ...



Der alte Sergeant on pay-day - a little bit tipsy like always - hat eine Menge Dollars in der Tasche und ... einen gigantischen Schwängel steif in der Hose. Letzteren grabscht sich die Lu durch den Stoff ... wow ... sie tut höllisch begeistert und zieht den sich zierenden Soldier unterm Keckern der Meute hinaus in die Nacht.



***



Irgendwann tönt aus der Jukebox die Weise, die ist anders als alles, was man sonst hier hört ... zum Weinen schön. Jemand hat die Melodie wohl aus Versehen gedrückt, noch kennt sie kaum einer ... sie heißt: PETITE FLEUR.



Traurig lauscht Jimmy, achtzehn Jahre alt, G.I aus Kentucky, der da inmitten der vielen mit seinem Glas Bier an der Bar steht.
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O, es hat ihn erwischt, er ist bis zum Wahnsinn verliebt in die Barfrau Elfriede aus Graz.

Warum flirtet sie ständig und schäkert mit jedem hergelaufenen Blödmann? Er liebt sie doch so ...

"Geh", sagt sie, "geh Tschapperl, es wird nichts mit uns ... schau ... es war halt für eine Nacht nur! Nimm‘s doch nicht so tragisch!"



Ach, Jim hasst die Kneipen und das besoffene Treiben. Er fürchtet den Kasernenhofdrill. Er fürchtet auch Germany. Und eine Träne rollt ihm pathetisch ins Bierglas.



***



Manchmal geschieht es aber wirklich für ein Barmädchen und einen Ami- Soldaten, dass sie zusammenhalten, dass sie beisammen bleiben und eine Familie gründen. Klar ... liebende Frauen sind für das Nachtleben verloren. Viele andere aber verplempern, verbumsen die Zeit, vergaukeln die Zukunft.



***



Doris ist extra von Bad Dürkheim gekommen. Sie sieht aus wie 'ne Nutte, ist aber keine, denn sie macht es umsonst. Taucht spät in der Nacht auf, lungert herum in schummrigen Ecken. Jetzt liegt sie in jemandes Armen, knutscht, sippt die Drinks, die er maulend spendiert - an denen sie aber keinen Pfennig verdient, denn sie arbeitet nicht hier - Doris brabbelt betrunken vom Ficken, meint dabei Liebe und träumt von dem Typen, der in der Frühe neben ihr aufwacht und sie dann trotzdem noch gern hat.



***



Im hinteren Raum bricht auf einmal Krawall los. Dort schmeißen sie schon mit Gläsern und Stühlen.

The allnightly fight! Die Stammgäste sind es gewöhnt und grinsen nur müde.

Das Gefecht ist gerade lustig im Gang, da rückt im grauenden Morgen, sechs Mann hoch, M.P. an ... Military Police. Man nimmt die lädierten Streithähne - in Handschellen gefesselt - gleich mit.

Dann ein harscher Befehl: "It is closing time." Halb fünf. Schluss der Vorstellung. Ende!



Alles eilt zu den Autos. Fahruntüchtige Zecher werden aufgesammelt von ihren Freunden oder von den Barmädchen in herbeitelefonierte Taxen verfrachtet.

Noch Rufe, Gedränge, ein Hupkonzert.

Bremsen kreischen, aufheulen Motoren,

fern Fetzen Gelächter, die im Winde verwehen .
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..



Wie ein Spuk sind sie fort, die Amischlitten, die Straßenkreuzer, die offenen Sportscars mit den Fräuleins der Nacht.



Vogelgezwitscher steigt aus dem Wald auf und aus den Wiesen der Nebel.



***







NACHWORT



Dann kam Vietnam und zerbrach den leichtlebigen Zauber.

Der Krieg kostete Ben, Evas Airforce-Piloten, das Leben und mit ihm fünfundfünfzigtausend amerikanischen Soldaten

as ... the music died.



°°°° Take one fresh and tender kiss -



sang einst heiser die Lady -



add one stolen night of bliss..

ONE GIRL, ONE BOY,

SOME GRIEF, SOME JOY...

MEMORIES ARE MADE OF THIS. °°°°



Memories.



Should auld acquaintance be forgot

and never brought to mind?



K’town. Unvergesslich die Silvesternächte in den Bars im Kreis der Freunde und Freier. Unter Luftschlangengedöhns und Böllergeknalle floss drinnen Champagner - der echte - Man sang, tanzte verrückt bis zum Morgen. In all dem Remmi Demmi und Menschendunst, liebte, umarmte man ... die ganze Welt.



For au-au-auld lang syne, my dear,

for au-au-auld lang syne,

we'll take a cup of kindness yet,

for the days of auld longsyne.





Ob sie schön war die Zeit bei soviel Rotlicht und Nepp?

Doch es war IHRE Zeit, IHRE Music, der Sound einer Ära.



Und die Mädchen von damals ... so simpel, so süß?



Mädchen:

Ihr lebtet dem Heute unschuldig wie spielende Kinder. Für ernst-hehres Streben waren eure Gedanken viel zu leicht und zu kraus.



Ihr lebtet die sonnigen Tage, die Nächte in sehr vielen Betten.

Ihr giertet nach Leben in all seinen Farben, genosst die brausenden Parties und Feten. Genosst die freien Tage unter Bäumen an romantischen Badeseen in vertrauter Kolleginnenrunde, umringt und umsorgt von braungebrannten Verehrern.
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Jedes Restaurant, das berühmt war, jede Spielbank im Umkreis war euer Zuhause - dorthin ging man mit ‚besseren‘ Gästen und war auf einmal seriös, eine ... Dame.

Dann die Fahrten durchs sommersattgrüne Land bei offenem Verdeck mit den American- Heros im Traum-Cadillac,

with the free, fresh wind in your hair.



Was life without care??



Schön war es, früh in der Dämmerung mit den Nachteulen-Freiern in lustiger Clique durch den Wald, nah beim Starlight, zu laufen, wenn der Wind die verräucherten Lungen, die zugenebelten Köpfe mit frischer Brise erquickte, wenn im Erwachen des Morgens in Wiesen und Auen die Vögel zu singen begannen.



Ach, ihr liebtet die Tage, ihr liebtet die Nächte noch mehr, die immer wieder neue Erlebnisse, neue Zuneigung brachten, auch wenn die Ekstase kurz währte und ‚Glück‘ meistens nur Illusion war ...



Ihr lebtet die Liebe durch Höhen und Tiefen. Ihr liebtet wirklich und oft. Ihr träufeltet Herzblut in all eure großen und kleinen Affären und gabt das Sehnen nie auf.



*



Längst seid ihr Matronen, all ihr Schönen der Fifties, ihr gierigen, bösen, ihr zärtlich-verträumten, durchtriebenen Flittchen. Iris, Helga, Kim, Karin, Marina, Christiane ... euer Lachen klang hell und mancher G.I. denkt noch gern daran zurück.

Freunde und Lover, wo immer ihr jetzt seid, ob unterm Mond Westvirginias, ob am Strand von New England ... Dennis, Burt, Earl, Jim, Jeff ... wie Schiffe im Nebel seid ihr einander begegnet und musstet dann weiter ... ein jeder für sich, auf eigenem Kurs.



Was bleibt?

Nostalgie.



Memories, Music, Magic der Nächte, high Feelings von einstmals ...

Vergangenheit jetzt ... verwischt sind die Spuren,

nie ganz vorbei.



Say "farewell" now to lovers,

and to K’town ..."so long."



IT IS FOR AULD LANG SYNE, MY DEAR

FOR AU-AU-AULD LANG SYNE,

WE'LL TAKE A CUP OF KINDNESS YET

FOR THE DAYS OF ROSE AND WINE.





****

**

*









Copyright Irmgard Schöndorf Welch, Oktober 2002

überarbeitet 03.
Seite 14 von 15       
06.2005



*http://www.youtube.com/watch?v=rId95N2teUc
Seite 15 von 15       
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Kommentare zur Story:

  Beeindruckend! Fühlte mich beim Lesen wirklich in die Zeit (westdeutsche) Nachkriegszeit mit den G.I.s und deren "Frauleins" zurückversetzt. Allerdings wird hier, entgegen den "klassichen" Motiven Buckeln, Heucheln, Huren, ein Gegenbild entworfen. So kommt der Text ganz ohne Kritik und Be- bzw. Verurteilung aus, was, durch die abschließenden Fragen, dem Leser überlassen bleibt.  
Dominik  -  27.07.04 18:45

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Kommentar von "Marie" zu "optimistischer Pessimist"

Mir gefällt es, egal, was andere denken. Auch die berschrift lockt. Gruß marie

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Kommentar von "Francis Dille" zu "Die Belfast Mission - Kapitel 06"

Danke Evi, freut mich das zu hören. LGF

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Beitrag von "Redaktion" im Thread "Account nicht erreichbar"

mit dem äöü hat sich inzwischen erlegt. Liebe Grüße eure Redaktion.

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