Das Highlight eines jeden Wahl-Abends ist NIE das Interview mit dem Gewinner. Der ist besoffen und "schaut erstmal, wie es weitergeht, aber jetzt wird erstmal gefeiert...."
Das Highlight ist das Interview mit dem VERLIERER. Und das läuft immer gleich ab:
Interviewer: "Herr XY, was sagen Sie zu dem dramatischen Ergebnis Ihrer Partei. "Erdrutschverlust" ist doch eigentlich noch ein freundliches Wort, oder?"
Verlierer (jovial): "Lassen Sie mich zuerst allen unseren Helfern für diesen tollen und harten Wahlkampf danken. Wir haben sehr viel bewegt und uns wirklich eingesetzt!"
I: "Ja, aber bei einem Stimmverlust von satten 25% muß hier ja wirklich einiges schiefgelaufen sein. Was sagen Sie dazu?"
V (eifrig):"Zuerst möchte ich allen unseren Wählerinnen und Wählern danken, die unsere Arbeit in den vergangenen Jahren zu würdigen gewusst haben. Und lassen Sie mich eines ganz deutlich sagen: wir werden Ihr Vertrauen weiterhin rechtfertigen und das Vertrauen derjenigen gewinnen, die uns diesmal noch nicht gewählt haben."
I:" Nun, das wird schwer. Sie haben ja desaströse Einbrüche."
V (arrogant): "Wissen Sie, es ist doch bekannt, daß die Medien alles schlecht reden müssen. Bei Licht betrachtet stehen wir doch garnicht so schlecht da!"
I: "Nunja, was kann man auch einem armageddonartigen Einbruch von -20% abgewinnen?"
V (sachlich): "Ich sehe das so: immerhin haben uns ja auch 20% aller Wahlbeteiligten ihre Stimme gegeben, das muß man auch sehen, da ist durchaus noch Potential nach oben!"
I: "Aber Sie werden für 4 Jahre nicht regieren, die Menschen hassen Sie und Ihre Partei?"
V (selbstbewusst): "Auch das ist eine Definitionsfrage. Zu jeder schlechten Regierung gehört eine gute Opposition. Der Wähler hat uns bewusst mit dieser Aufgabe be- äh, äh -beauftragt. Und diesen Auftrag nehmen wir freudig an - zumal er uns ungeahnte Möglichkeiten zur personellen und inhaltlich-/programmatischen Erneuerung gibt."
I: "Trotzdem bleibt das schlechteste Ergebnis Ihrer Partei bei einer Bundestagswahl seit dem Sieg über Frankreich 1871"
V (angesäuert): "Ach, wissen Sie, so eine Bundestagswahl ist doch auch nichts anderes als eine Standortbestimmung über die momentane Gefühlslage der Bürger.
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Außerdem standen hier ganz klar bundespolitische Themen im Vordergrund. Bis zur nächsten Wahl im Dezember, der Bürgermeisterwahl in Bottrop-Kirchhellen, kann das schon wieder ganz anders aussehen. Bis dahin haben wir noch etwas Zeit, um unser Profil weiter zu schärfen."
I: "Herr XY, war Ihre Taktik falsch? Oder worauf führen Sie dieses wahlabendliche Stalingrad Ihrer Partei zurück?"
V (genervt): "Nein, auf keinen Fall. Zuerst einmal muß man die unsäglichen Hetzkampagnen der Medien und auch des poltischen Gegners gegen unsere Politik sehen, was hier gelaufen ist, war schon schwer unter der Gürtellinie. Abgesehen davon scheinen die Wählerinnen und Wähler unsere Politik nicht ganz richtig verstanden zu haben."
I: "Sicher, bei den Verlusten....."
V (ärgerlich): Ach, hören Sie doch mit dieser Miesmacherei auf. Sicher haben wir unser Ziel, den Bundeskanzler zu stellen, nicht erreicht, aber unsere Sekundär-, Tertiär und Quaträr-Ziele sind doch sogar überraschen klar erreicht worden!
I: "Als da waren.......?"
V (RICHTIG genervt): Zuerst einmal sind wir wieder im Bundestag vertreten. Wir haben einen Bundeskanzler Westerwelle erfolgreich verhindert und die "Partei bibeltreuer Christen" ist an der 5%-Hürde gescheitert.
I: "Sie hatten ja den Wahlkampf ganz auf sich als Person zugeschnitten. Wird dieses votale Gemetzel irgendwelche persönlichen Konsequenzen für Sie haben?"
V (irritiert): Wieso?
Ich stehe auf Verliererinterviews!
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