Die Belfast Mission - Kapitel 35   0

Romane/Serien · Fantastisches

Von:    Francis Dille      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 8. Februar 2025
Bei Webstories eingestellt: 8. Februar 2025
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Kapitel: 0, Seiten: 0

Diese Story ist die Beschreibung und Inhaltsverzeichnis einer Reihe.

Verfügbarkeit:    Die Einzelteile der Reihe werden nach und nach bei Webstories veröffentlicht.

Kapitel 35 – Der besondere Gast





Nordirland, Oktober 1910



Ike und Eloise hatten ihre Hochzeitsabsicht zwar sehr kurzfristig festgelegt, aber sie konnten mit der Hilfsbereitschaft ihres Freundeskreises rechnen. Unter dem Eichenbaum wurde ein Altar aufgebaut und zahlreiche Stühle davor aufgestellt. Sogar an eine Orgel wurde gedacht. Ike hatte zudem in der Stadt ein paar Straßenmusiker angeheuert, welche für die Unterhaltung bis in die späte Nachtstunde sorgen sollten.

Anne und Margaretha waren gemeinsam mit Eloise damit beschäftigt, das passende Brautkleid zu kaufen. Jedoch einen katholischen Pastor zu organisieren, erwies sich etwas schwieriger. Denn kein Pfarrer in den umliegenden Dörfern war bereit, Eloise und Ike zu trauen. Auf diese Weise bekam Ike wiedermal den Einfluss des Gallagher Clans zu spüren. Aber letztendlich wurde Ike in einer kleinen Gemeinde in Belfast fündig und konnte einen jungen, aufstrebenden Pastor zur Trauung im eigenen Heim überreden, der von der Gallagher Familie noch nicht korrumpiert wurde, nachdem er eine großzügige Kollekte gesponsert hatte.



Dann am folgenden Samstag war es soweit. Zahlreiche Kuchengebäcke standen zur Verköstigung bereit und geschlachtetes Vieh wurde über einer Feuerstelle gegrillt.

Kurz vor der Mittagszeit trabte eine zweispännige, schwarzglänzende Pferdekutsche heran. Die prachtvollen Rösser wieherten als der Kutscher die Zügel anzog, von der Karosse herunterstieg und die Kutschentür öffnete. Eine zierliche Damenhand fasste nach seiner Hand, bevor sie vorsichtig vom Tritt herunterstieg. Der Rocksaum ihres weinroten Kostüms reichte bis zu ihren Stiefelspitzen. Sie hielt ihren Rock etwas an und stolzierte durch das Hoftor. Der rosenbestückte Hut spendete der Lady genügend Schatten vor ihrem Gesicht.

Hinter ihr trat ein stattlicher Herr hervor, stampfte seinen messingverzierten Spazierstock in den Boden, grinste breit über die Backen und kraulte sich seinen Rauschbart. Die Dame hob anmutig ihr Kinn und überblickte die unzähligen Hochzeitsgäste, die auf dem Hof versammelt waren. Zwischen dem Gemurmel der Leute drang fröhliches Lachen hervor und Kinder tollten schreiend herum. Die Musiker stimmten ihre Instrumente ein.

Zuletzt sprangen Paddy und Albert, ebenfalls feierlich herausgeputzt, aus der Kutsche heraus und flitzten an ihren Eltern vorbei.
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Mrs. O’Brian hatte ihnen angeordnet, dass sie ihre Tochter sofort zu sehen erwünschte. Nach einer Weile kehrten die Jungs aber nur mit Ike zurück, weil Eloise gerade mit ihrem Brautkleid beschäftigt war. Margaretha und Anne waren ihr dabei behilflich. Ike erschien in einem Frack und auf seinem Kopf lag ein seidener Zylinder. Eine elegante Fliege umsäumte seinen weißen Hemdkragen. Er zog seinen Zylinderhut ab, verneigte sich vor ihnen und deutete Mrs. O’Brian einen Handkuss auf ihren weißen Handschuh an.

„Misses und Mister O’Brian, es ist mir eine Ehre, ihre Tochter heiraten zu dürfen und heiße Sie jederzeit in unserem Hause herzlich willkommen“, begrüßte er sie, obwohl er bei ihnen niemals offiziell um die Hand ihrer Tochter gebeten hatte. Mrs. O’Brian verhielt sich ihm gegenüber sehr distanziert und ließ sich sogleich von Paddy in das Haus führen, um Eloise zu sehen.

Damit Ike sogleich einen vertrauenswürdigen Eindruck gewann und um seinen Schwiegervater in Sicherheit zu wiegen, packte er an seiner stämmigen Schulter und flüsterte ihm ins Ohr: „Mister O’Brian, Sir. Seien Sie unbesorgt. Sie befinden sich in bester Gesellschaft. Es wurde reichlich an feinsten Scotch und Zigarren gesorgt. Ihre ehrenwerte Gattin muss ja nicht alles wissen, nicht wahr?“

Daraufhin blickte Mr. O’Brian ihn erstaunt an. „Na, wenn das so ist, mein lieber Schwiegersohn, dann darfst du mich ab jetzt Mortimer nennen“, sagte er und schlug Ike kräftig gegen den Rücken.

Mr. Mortimer O’Brian trat vor dem Altar und stellte sich auch im Namen seiner Ehefrau allen Gästen freundlich vor, woraufhin er mit Applaus begrüßt wurde. Zu seiner Verwunderung stellte Ike fest, dass Mr. O’Brian dem teilweisen derben Humor seiner Arbeitskollegen durchaus gewachsen war und er sich in deren Gesellschaft offensichtlich wohl fühlte.



Plötzlich bemerkte Ike einen Mann, bekleidet mit einem weißen Herrenanzug und Hut, wie er unauffällig vor dem Grundstück herumlief und die Feierlichkeit von dort aus beobachtete. Ike blinzelte und hielt seine Hand vor die Stirn. Seine weiße Gestalt blendete förmlich im Sonnenschein und es gelang ihm nicht, diesen Fremden auf Anhieb zu erkennen. Wer mag das wohl sein, grübelte er. Weshalb lungert dieser Herr abseits herum und kommt nicht einfach herbei? Ist er überhaupt auf der Gästeliste verzeichnet?

Ike ging langsam auf ihn zu, dann erkannte er sein Gesicht und trotzdem wollte er es im ersten Augenblick nicht wahrhaben.
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Die Hände hatte der Fremde lässig in seinen Hosentaschen gesteckt und aus der Brusttasche seines Jacketts blitzte eine violette Blume hervor. Der Mann lächelte verschmitzt und nickte ihm freundlich zu. Dieses unverkennbare Lächeln gehörte nur einem einzigartigen Mann.

„Ist das denn die Möglichkeit? Henry, wie ich mich freue, dich zu sehen!“, fuhr es überrascht aus ihm heraus, während Ike zielstrebig auf ihn zu ging. Ike schaute kurz hinter seine Schulter. Momentan waren alle Blicke auf Sam Brady gerichtet, der vor dem Altar stand und einen Witz hinausposaunte, woraufhin sogleich lautes Gelächter erklang. Ike schloss ihn in seine Arme und klopfte ihm beherzt gegen seinen Rücken.

„Henry sag, was machst du denn hier? Das ist ja wirklich eine Überraschung! Du weißt gar nicht, wie sehr ich mich über deinen Besuch freue!“

„Hey, langsam mein Freund, ganz sachte“, sagte Henry und versuchte sich aus seiner herzlichen Umarmung zu lösen.

„Verändert hast du dich und siehe einer an … Dir ist es tatsächlich gelungen, deinen holländischen Akzent weitgehend abzulegen. Jetzt klingst du wie ein Ire, oder eher gesagt, wie ein Engländer. Wie auch immer. Junge, Jung“, bemerkte er, „gut schaust du aus, wie ein waschechter Akteur. Wunderbar, ich bin wirklich stolz auf dich. Ich bin mit dir bislang sehr zufrieden. Vor allem, weil du dich letztendlich doch dazu entschlossen hast, endlich zu heiraten. Schließlich ist das eine Tradition unter euch Schleuser.“

„Lange nicht mehr gesehen, Henry. Lange nicht mehr gesehen“, raunte Ike.

„Lange nicht mehr gesehen? Du scherzt wohl. Ich habe dich ungefähr vor viereinhalb Stunden zum Checkpoint begleitet“, schmunzelte Henry und zwinkerte ihm zu.



Ike war wirklich glücklich darüber, Henry wiederzusehen aber zugleich beunruhigte es ihn etwas. Henry war gewiss nicht spaßeshalber erschienen und seine Anwesenheit bedeutete wahrscheinlich, dass ihm neue Instruktionen erteilt werden. Ikes erste Frage lautete, wie der aktuelle Gesundheitszustand seiner Mutter war. Ike hatte vor Missionsbeginn die Bedingung gestellt, dass er die Mission nur übernehmen würde, wenn der Chef des Geheimdienstes dafür sorgt, dass sie von Spezialisten fachärztlich behandelt wird. Die Krankenversicherung seiner Mutter übernahmen nur die Kosten für eine gewöhnliche Behandlung, wobei die Chancen auf eine vollständige Genesung einer CM-Infektion nur fifty-fifty ausgestanden hätten.
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Henry versicherte ihm, dass er sofort seine Beziehungen hatte walten lassen und sie nun von den besten Medizinern betreut wird. Die Kosten dafür übernehme der UE-Staat, meinte er.

Ike atmete erleichtert auf. Henry war also nicht gekommen, um ihn eine unangenehme Nachricht mitzuteilen. Was aber führte ihn sonst in das Jahr 1910? Die Belfast Mission verlief bislang planmäßig und die eigentliche Arbeit würde erst nächstes Frühjahr beginnen, wenn die Titanic vom Stapel laufen und in das Trockendock transportiert werden würde. Ike und Henry blickten zugleich hinüber zu den Gästen, die allesamt auf ihren Stühlen saßen, plötzlich klatschten und aufgrund Sam Bradys Witzpointe grölten. Der gute alte Sam Brady stand wie gewöhnlich wiedermal im Mittelpunkt und unterhielt die Leute.

„Nun sag schon, was führt dich zu mir?“

Henry schlug ihm auf die Schulter. „Sag bloß, du erinnerst dich nicht mehr, worüber wir uns gestern im Vincenzo`s unterhalten hatten? Ich versprach dir doch, solltest du heiraten, würde ich zu deiner Hochzeit persönlich erscheinen. Das ist bei uns Agenten eine Tradition. Ich erscheine bei jeder Hochzeit meiner Schleuser.“ Henry boxte ihm leicht gegen seinen Arm. „Na los, du Haudegen, jetzt will ich endlich deine Leute kennenlernen.“



Ike sollte verkünden, dass Henry Gudimard sein ehemaliger Schreinerausbilder war, ein sehr guter Freund und ein Repräsentant seiner Eltern, die leider aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen die weite Reise von Holland nach Nordirland nicht antreten konnten. Dies würden Mrs. und Mr. Senior van Broek sehr bedauern, erklärte Henry vor versammelter Gesellschaft, die ihm interessiert zuhörten.

Er gesellte sich neben Ike vor dem Altar, klimperte mit einer Kuchengabel auf ein Sektglas und erzählte mit kräftiger Stimme eine amüsante Anekdote aus Ikes Lehrjahre, woraufhin Applaus klatschte und alle gespannt zuhörten.

Henrys Fantasie schien unermüdlich zu sein. Er posaunte ein Ungeschick nach dem anderen heraus, welches Ike angeblich in seiner Lehrzeit fabriziert hatte. Henry führte den armen Ike regelrecht vor und stellte ihn wie einen ungeschickten Trottel dar, der nicht einmal ein simples Maßband von einer Schieblehre unterscheiden konnte und überdies kassierte Ike in seinen Geschichten etliche Ohrfeigen.
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Insbesondere johlten die anwesenden Vorarbeiter ihre Schadenfreude heraus und Aaron, der einzige Lehrling unter den Hochzeitsgästen, lachte sich heimlich ins Fäustchen.

Ike lächelte notgedrungen und musste die Schmach vor versammelter Mannschaft zerknirscht über sich ergehen lassen, wie Henry ihn gnadenlos vor all seinen Freunden peinlich vorführte, obwohl diese Geschichten keineswegs der Wahrheit entsprachen. Henry blühte regelrecht auf, denn er erntete die volle Aufmerksamkeit aller Hochzeitsgäste und erzählte dynamisch weitere angebliche Ungeschicke, die Ikes Lehrjahre betrafen.

Einmal trat Ike ihm unauffällig auf den Schuh, damit er endlich mit seinen Lügengeschichten aufhören sollte, aber Henry dachte gar nicht daran, sondern erzählte munter weiter drauf los. Seine Fantasie schien keine Grenzen zu haben und mit jedem Lacher und Applaus, den Henry erntete, wurde er regelrecht inspiriert und so erfand er neue Geschichten, in denen Ike abermals wie ein dummer Junge dargestellt wurde.



Es wurde gelacht, gelacht, gelacht und nochmals gelacht. Ike fühlte sich gnadenlos ausgelacht und machte vorne auf dem Podest am Altar nur eine gute Miene zum bösen Spiel.

Diese Schmach sollte aber nicht ungesühnt bleiben. Ike entschloss sich, ebenfalls seinen angeblichen Schreinermeister bloßzustellen. Er nahm ihm das Sektglas und die Gabel aus seinen Händen und klimperte so lange darauf, bis er die Aufmerksamkeit aller lachenden Gäste erlangte. „Liebe Freunde, liebe Familie und Verwandte ihr solltet wissen, Mister Gudimard ist aus Belgien zu uns gestoßen und ich freue mich sehr, meinen ehemaligen Schreinermeister und mittlerweile treuen Freund heute bei meiner Hochzeit begrüßen zu dürfen.“

Ike hielt einen Moment inne und überschaute die zahlreichen Hochzeitsgäste, die ihn sitzend anblickten und Beifall klatschten.

„Man sieht es ihm körperlich zwar nicht an, aber Mister Gudimard hat, wie jeder waschechter Belgier, eine Schwäche für Kuchengebäcke und Schokopralinen, nicht wahr Henry?“, vergewisserte er sich, indem er ihn kurz anstieß.

Henry lächelte, nickte und zuckte mit seinen Augenbrauen. Was hat dieser raffinierte Fuchs bloß vor, schoss es ihm zugleich durch die Gedanken, wobei er sein gekünsteltes Lächeln, bis seine weißen Zähne aufblitzten, aufrecht hielt.
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„Während meiner Lehrzeit in Utrecht hatte ich das Vergnügen und Glück, Mister Henry Gudimard als meinen Lehrmeister heißen zu dürfen, obwohl ich es nicht immer leicht unter seinen Fittichen hatte, wie ihr es nun wisst.“

Wieder klatschten die Leute und pfiffen dabei freudig. Ike streckte seine Hände aus und mäßigte die Gäste zur Ruhe, um weiter zu erzählen.

„Umso mehr rächte ich mich nach Abschluss meiner Gesellenprüfung. Zum Dank seiner lehrreichen Dienste überreichte ich ihm ein Tortenstück à la Nederlands, selbst gemacht versteht sich`s, denn die Belgier sind doch allesamt süße Leckermäuler, die dem selten widerstehen können. Ist doch so, Henry. Nicht wahr?“, fragte Ike breit grinsend und stieß ihn dabei etwas ruppig an.

Henry zupfte sich an seine Nase als die ersten Lacher ertönten. Na warte Freundchen, dich krieg ich schon noch, schworen seine Gedanken, während er der Gesellschaft Heiterkeit vorspielte, ihnen zunickte und gespielt freundlich lächelte.

„Ich erinnere mich. O ja, ich erinnere mich noch sehr gut daran. Lang ist es her, wo die Zeit nur geblieben ist?“, sagte Henry zu den Hochzeitsgästen, die gespannt auf die Tribüne zum Altar blickten. Ike nahm seinen Zylinderhut ab, verneigte sich vor den sitzenden Hochzeitsgästen und erzählte weiter.

„Mein Herr und Meister nahm diese Köstlichkeit also dankend entgegen, aber musste enttäuscht feststellen, nachdem er herzhaft hineingebissen hatte, dass es sich statt süßer Sahne auf dem Tortenstück, um bittere Rasiercreme gehandelt hatte. Ich muss euch Lieben gewiss nicht erläutern, dass ihm diese Köstlichkeit sauer aufgestoßen war“, erzählte Ike lächelnd.

Ein tosendes Gelächter brach aus. Die Leute waren lautstark amüsiert. Einige Männer seines Jahrganges, insbesondere Matthew Kelly, klatschten zudem begeistert Beifall. Aaron erhob sich sogar von seinem Stuhl, steckte seine Finger in den Mund und pfiff. Dieser Kuchenstreich war ganz nach seinem Geschmack, denn er hätte es nicht besser machen können, gestand er sich selbst ein.



Nachdem das Gelächter langsam ausgeklungen war, lediglich einige Schluchzer zu hören waren, beabsichtigte Henry einen Gegenschlag zu verüben. Schließlich konnte er als angeblicher Lehrmeister dies nicht auf sich sitzen lassen. Er zupfte Ike die Gabel wieder aus der Hand und klimperte damit energisch gegen das Sektglas, bis auch das letzte Gekicher endgültig verstummt war.
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„Meine geehrten Herrschaften, hört mich an. Gewiss, ich erinnere mich wieder. So war es in der Tat gewesen. Holländischer Kuchen schmeckt wahrhaftig bitter und zu allem Überfluss, extrem schaumig. Dafür aber ist Rache bekanntlich süß. Ike war damals schließlich auch nur ein Rotzlümmel gewesen, wie er im Buch steht. Und für diese Heimtücke bezahlte der Bengel damals saures, obendrein kassierte er dafür einen Satz heiße Ohren und einen kräftigen Tritt in seinen Allerwertesten, nachdem ich ihm seine holländische Torte in sein Gesicht gedrückt hatte.“

Aus fünfzig Mäulern brach lachendes Getöse aus, welches minutenlang anhielt. Einige holten sogar das Taschentuch heraus, um ihre Tränen von den Wangen zu wischen.

Jemanden eine Torte ins Gesicht zu drücken, dazu einen Arschtritt zu verpassen oder ihn gar in ein Gewässer zu schubsen, war damals Comedy pur. Da blieb kein Auge trocken. Henry verblüffte es und einen Augenblick war er über diesen regelrechten Lachansturm, welcher ihm entgegen kam, sehr überrascht. Ike wiederum nicht, denn er lebte ja mittlerweile seit 2 Jahren in diesem Jahrzehnt und kannte ihren flachen Humor.

Wie leicht sich doch die Menschen von damals noch über Einfältigkeiten köstlich amüsieren konnten, das empfand Henry bemerkenswert und etwas beneidenswert zugleich. Es mochte in diesem Jahrhundert vieles an Annehmlichkeiten fehlen, die 100 Jahre später selbstverständlich sind, aber die Herzlichkeit der Menschen in dieser längst vergangenen Ära war unübertreffbar.

Diesmal erhob sich Henrys Jahrgang, von dem einige mehr anwesend waren und dessen Applaus hörbar kräftiger klatschte. Und diesmal war es Sam Brady der aufsprang, seine Finger in den Mund steckte, schrill pfiff und kräftig applaudierte. „Das hattest du gut gemacht, Henry! Genauso muss man mit den verdammten Rotzlöffeln umgehen. So und nicht anders!“, lachte er.



Endlich war es soweit. Als der junge Pastor mit einer Bibel in seinen Händen aus dem Haus kam, zischten sofort die Ersten, die ihn erblickten: „PSSST-PSSST!“, damit auch die Letzten mitbekamen, dass es losging. Die Heiterkeit versank abrupt in stillschweigende Andacht und wer gerade dennoch unbedingt etwas mitzuteilen hatte, tat es wispernd. Marybeth McMurphy plagte wieder ein unangenehmer Hustenreiz.
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„Ausgerechnet jetzt“, hustete sie ihrem Ehemann Bob in den Arm, als er gerade seine sechsjährigen Zwillinge ermahnte, still zu sitzen. Die übergewichtige Marybeth McMurphy litt an Asthma und aufgrund der Aufregung, drohte ihr wiedermal ein mächtiger Hustenanfall und Atemnot.

Ike hatte einst versucht, sie von dieser chronischen Erkrankung mit einer Injektionsspritze zu erlösen, nachdem er sich vergewissert hatte, dass der Satellit in dem Moment den Atlantischen Ozean überflog. Marybeth wäre daraufhin für immer geheilt gewesen. Aber Mary traute seinen Heilpraktiken nicht und bevorzugte es weiterhin, sich von einem Doktor anstatt von einem Schiffsbauer, und sei er auch ein Vorarbeiter, der ständig mit ihrem Ehemann um die Häuser zog, sich betrank und sich gelegentlich prügelte, behandeln zu lassen.

Zwischen dem Gemurmel der Leute schrie plötzlich ein Säugling aus vollem Hals. Die Mutter des Babys nahm es sofort aus dem Kinderwagen heraus und schunkelte es, bis das Baby wieder ruhig einschlief.

Mrs. O’Neill leckte ihren Daumen und wischte damit über Aarons Backen. Staub hatten seine Wangen benetzt, als er mit den anderen Jungs Dosen gekickt hatte. Aaron rümpfte die Nase und wischte sich mit dem Ärmel angewidert über das Gesicht.

„Mom, bitte!“, fauchte er sie ärgerlich an, wobei er sich sogleich panisch umschaute. Ein blondes dreizehnjähriges Mädchen mit einer Schleife im Haar, die nur wenige Stühle entfernt von ihm saß und er nicht von ihr abgeneigt war, hatte es gesehen und hielt sich kichernd die Hand vor dem Mund. Dann stieß das Mädchen ihre Freundin an und tuschelte ihr etwas ins Ohr.

Aaron errötete und blickte sofort verschämt zu Boden. „So ein Mist!“, fluchte er nuschelnd vor sich hin. „Sie hat gesehen, wie meine Mutter mich abgeleckt hat. Wie peinlich!“

Charles saß in der hintersten Reihe, aß heimlich ein Stück Hochzeitstorte und verfütterte hin und wieder eine Fingerkuppe Sahne an Laika, die vor seinen Füßen hockte und ihn ständig schwanzwedelnd anblickte.



Plötzlich zerriss ein begeistertes Raunen die gezwungene Stille. Die Braut betrat den Hof. Zugleich spielte einer der Musiker auf der Orgel den Hochzeitsmarsch von Richard Wagner. Mit langsamen Schritten führte ihr Vater sie hinter dem Pastor her, der inmitten durch die Sitzreihen dem Altar entgegen schritt. Die Hochzeitsgäste klatschten Beifall.
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Ike stand lächelnd vorne am Altar und war bereit, seine Braut zu empfangen.

Eloise erschien in einem ärmellosen, figurbetonten Kleid, dessen Rocksaum knapp über ihre spitzen Schuhen reichte. Um ihren Nacken säumte eine eng anliegende Halskrause. Der durchsichtige Schleier umwickelte die mit weisen Rosen bestickte Hochzeitshaube, glitt sanft an ihrem Rücken hinab und schleifte beinahe schwebend über dem Boden. Sogleich fassten ebenfalls weiß gekleidete Mädchen danach, hielten ihren meterlangen Schleier etwas an und folgten ihr gemächlich. Während Richard Wagners Hochzeitsmarsch spielte, schritt Eloise in Begleitung ihres Vaters überglücklich lächelnd zum Altar.

Schneeweise Handschuhe überstülpten ihre Hände, die bis zu ihren Ellenbogen reichten. In ihrer linken Hand hielt sie einen weißen Blumenstrauß und ihr rechter Arm hakte in dem ihres Vaters. Begleitet von minutenlangem Applaus und der Orgelmelodie des Hochzeitmarsches, überreichte Mr. O’Brian seine überglückliche Tochter an den Bräutigam. Ihre Mutter stand weit abseits in der hintersten Sitzreihe und verfolgte das Geschehen mit regungsloser Miene.

Nun stand das Brautpaar direkt unter dem alten Eichenbaum. Die Strahlenbahnen der Mittagssonne drangen wie sachte Degen durch die Baumkrone. Goldgelbes Laub schwebte auf das Brautpaar hinab. Dieses märchenhafte Schattenspiel ließ sie in einen unwirklichen Nebel erscheinen.

Nachdem Ike und Eloise sich gegenseitig einen Ring angesteckt hatten, erklärte der Pastor beide offiziell als Eheleute und besiegelte das Sakrament in lateinischer Sprache: „In nomine Patris et Filii, et Spiritus Sancti. Amen.“

Ike schloss sie zaghaft in seine Arme und Eloise legte ihren Kopf sanft auf seine Brust.

„Wundervoll, meine Herrschaften, jetzt nicht mehr bewegen!“, rief der Fotograf ihnen zu, steckte seinen Kopf unter der schwarzen Abdeckung der Kamera und gab seinem Assistenten ein Handzeichen, der daraufhin das Blitzlichtpulver entzündete. WUPP machte das angezündete Blitzlichtpulver im Lampenschirm, woraufhin ein heller Rauchpilz emporstieg. Dieser zauberhafte Augenblick wurde soeben in einer Sepiafotografie für die Ewigkeit festgehalten. Die Hochzeitsgäste erhoben sich von ihren Stühlen und applaudierten minutenlang. Ike und Eloise waren nun ein Ehepaar.



Der Trommler kläpperte seine Sticks dreimal aufeinander und die angeheuerten Straßenmusiker begannen gleichzeitig eine rasante irische Melodie zu spielen.
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Die Dudelsackklänge, begleitet von einer flott gestrichenen Fiedel, einer Querflöte und Trommel- und Paukenschlägen ließen verlauten, dass nun augenblicklich die eigentliche Hochzeitsfeier begonnen hat. Jetzt hieß die Devise: Trinkt, esst und tanzt so viel ihr könnt, wobei einige Gäste diesem Motto bereits schon Stunden zuvor gefolgt waren und sich vorweg heimlich am Whiskey oder an der Hochzeitstorte bedient hatten.

Der Bauer McEnrey zog sein feierliches Jackett aus, band eine Schürze um seine Hüfte, krempelte dann die Ärmel hoch und wetzte die Messer. Er spendete der Hochzeitsfeier eines seiner gemästeten Schweine, eine Ziege und ein Lamm, die seit Stunden auf den Spießen über dem Feuer grillten und eine appetitanregende Rauchschwade absonderten.

Ike nahm seine Braut an die Hand, die gerade an einem Sektglas nippte, führte sie herum und stellte Eloise bei seinen Kollegen und allen Bekannten nun offiziell als Mrs. van Broek vor. Als er sie mit Mrs. O’Neill bekannt machte, mit Aarons Mutter, bemerkte Eloise eine gewisse Melancholie in ihrer Stimmung, dessen Gründe sie nicht nachvollziehen konnte, zumal sie nicht sehr viel älter als Ike wirkte und recht hübsch aussah.



Über Aaron wusste Eloise bestens Bescheid. Schließlich kam Ike oft genug missmutig nach Hause zurück und ärgerte sich stundenlang über den Lehrling, weil er ständig die Berufsschule schwänzte und stattdessen zum Dienst erschien. „Ich weiß doch schon alles, ich will arbeiten“, rechtfertigte Aaron stets seine Abwesenheit von der Berufsschule, was Ike beinahe am Rande der Verzweiflung brachte, schließlich trug er die Verantwortung für den Burschen.

Wiederum lobte er ihn an anderen Abenden, bewunderte sein außergewöhnliches Engagement am Schiffsbau und äußerte, dass so mancher ausgebildeter Werftarbeiter sogar diesbezüglich sich bei ihm ein Beispiel nehmen sollte. Aber meistens erzählte Ike tränenlachend am Abendtisch unglaubliche Geschichten über ihn, die sich der dreiste Spitzbube wieder erlaubt hatte. Daraus schloss Eloise, dass der Junge etwas Besonderes für ihn ist und dass er ihm viel bedeutete. Denn welcher Vorarbeiter lädt schon einen Lehrburschen zu seiner eigenen Hochzeit ein? Aber über seine Familienverhältnisse, darüber erwähnte Ike nie eine Silbe.

Eloise war es nicht entgangen, dass Mrs.
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O’Neill nur mit ihrem Sohn zur Feierlichkeit erschienen war. Wahrscheinlich hatte Aarons Vater sie irgendwann sitzen gelassen, dachte Eloise, trotzdem sollte sie deswegen nicht in Trübseligkeit verfallen und überlegte, wie sie diese sympathische Frau aufmuntern könnte. Unter den eingeladenen Hochzeitsgästen waren schließlich genügend ledige Herren, die noch ihr Glück suchten und für einen Tanz mit dieser reizenden Dame sicherlich nicht abgeneigt wären. Man müsste einfach nur ein wenig nachhelfen, meinte Eloise.

Mrs. O’Neill gab Ike zaghaft die Hand und bedankte sich mit dünner Stimme für seine Dienste.

„Aaron erwähnt Ihren Namen immerzu in den höchsten Tönen. Ich bin glücklich darüber, dass Sie der Lehrmeister meines Sohnes sind“, sagte sie.

Ike lobte das Talent ihres Sohnes, bemängelte aber zugleich seine allzu häufige Abwesenheit in der Berufsschule, worauf sie ihren Sohn entschuldigte und ihre Vermutung aussprach, weil dem Jungen seit dem Tod seines Vaters die starke Hand genommen wurde, er nun sehr eigensinnig handeln würde. Sie selbst fühlte sich mit der Erziehung ihres vorlauten Sohnes etwas überfordert, weil Aaron nun der festen Meinung wäre, seinen Vater zu ersetzen und nun das Oberhaupt sei.

Eloise schluckte, als sie erfuhr, dass Mr. O’Neill bei einem Reitunfall ums Leben kam. Er ritt häufig ohne Sattel, erzählte Mrs. O’Neill, und eines Tages hatte ihn ausgerechnet sein Lieblingspferd unvorhersehbar abgeworfen. Mrs. O’Neill fasste Eloise nach ihrer Hand. Sie lächelte.

„Sie sind eine gütige Frau, Misses van Broek. Ich wünsche Ihnen und Ihren Gatten eine glückliche Zukunft und werde Sie täglich in meine Gebete einschließen. Möge der HERR Sie segnen und beschützen, Misses van Broek.“

Eloise schaute leicht verschämt auf ihren Ehemann. Sekundenlang erwiderte sie seinen Blick. Nie wieder würde sie ohne Sattel reiten, konnte man aus ihren grünen Augen lesen. Jetzt hatte Eloise seine Bedenken endgültig verstanden.



„Komm Liebes, ich will dich endlich mit Henry bekannt machen“, lenkte Ike schließlich ein.

Dieses Thema sollte nun endgültig abgeschlossen sein. Er wusste nun, dass Eloise es endgültig begriffen hatte, niemals wieder ohne Sattel zu reiten.

Als Eloise vor Henry stand, von dem Ike ihr schon so viel erzählt hatte, hob sie ihren weiten Rock und knickste vor ihm.
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„Wie verflixt himmlisch Sie endlich kennen lernen zu dürfen, Henry“, sprach sie aufgeregt. „Ike hat mir schon so viel von Ihnen erzählt.“

„Ganz meinerseits, Misses Eloise. Ike hatte mir zwar in einem Brief geschrieben, dass Sie sehr hübsch sind, aber wie ich feststelle, hatte der Halunke doch tatsächlich maßlos untertrieben. Denn Sie sind eine hinreißende Schönheit“, schmeichelte er, nahm ihre zarte Hand und deutete einen Handkuss an. Eloise kicherte und ihr blasses Gesicht errötete sich dezent.

Eloise führte Henry stolz umher und stellte ihn jeden persönlich vor, wobei sie stets betonte, dies sei Ikes bester Freund. Sie führte ihn im Haus herum und präsentierte ihm alle Räumlichkeiten, sogar unbekümmert ihr Schlafgemach und erzählte hingebungsvoll, wie sie damals mit ihrem Ehemann dieses Haus erschaffen hatte. Dies war Henry nur recht, so konnte er seelenruhig das Haus begutachten – schließlich würde dieses Haus einmal als ein Stützpunkt für den Geheimdienst in Nordirland dienen – und obendrein erfuhr er von Eloise die absolute Wahrheit über gewisse Dinge, die er geschickt aus ihr herausfragte. Er erkannte es sofort und ahnte es schon von anhand der unzähligen Videoaufnahmen, dass dieses streng katholisch gläubige Landmädchen gar nicht fähig war, zu lügen.



Währendem die Feierlichkeit mit Tanzen, Essen und Trinken ausgelebt wurde, standen Ike und Henry nebeneinander, aßen von der Hochzeitstorte und unterhielten sich mit der niederländischen Sprache, damit niemand sie verstehen konnte.

„Marko Rijken hat eine Beschwerde an die Sicherheitszentrale gemeldet. Er beschuldigt dich, du hättest das Gemeinschaftskonto vollständig geplündert. Er hatte ein Problem mit seinem Automobil und war gezwungen, die Reparatur zu bezahlen. Aber das Konto war nicht mehr gedeckt, also hatte er einen Kredit von 35 Pfund aufgenommen, jedoch ohne die Zustimmung von der Sicherheitszentrale. Angeblich verhinderte ein Unwetter eine Funkverbindung, gab er an. Nun droht ihm eine saftige Konventionalstrafe und er hält dich dafür schuldig. Was sagst du dazu?“

„Waf will diefer blöde Idiot von mir?“, empörte sich Ike sogleich kauend, wobei er sich sogleich seine Hand vor dem Mund hielt, um Henry nicht anzuspucken. Schon allein Marko Rijkens Namen zu hören, brachte ihn zur Weißglut.

„Der ift doch nift ganft dift im Hirn!“ Ike schluckte das Kuchenstück hinunter.
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„Der spinnt doch total, dieser Vollidiot. Natürlich ist das Konto gedeckt. Der soll nicht solchen Scheiß verzapfen! Dem ungeschickten Trottel ist es zuzutrauen, dass er die falsche Kontonummer angegeben hat, nämlich seine eigene, wo sowieso kein Cent drauf ist!“, giftete er.

Ike war sofort fuchsteufelswild geworden, aber er besann sich sogleich und griff an seine Stirn. Moment, dachte er, das kommt mir doch irgendwie bekannt vor. Natürlich, jetzt verstand er, jetzt ergab es einen Sinn.

Er erinnerte sich, als er damals das South Western Hotel betreten wollte, um den Mord an Schiffsoffizier William Murdoch zu vereiteln, war Marko Rijken urplötzlich aufgetaucht und hatte ihm mitten auf der Straße eine Szene gemacht. Rijken hatte behauptet, dass er eine Konventionalstrafe von 80.000 Euro verhängt bekam, weil er illegal einen Kredit von 35 englischen Pfund aufgenommen hatte, um einen Tin Lizzy Autokühler zu bezahlen. Das war nun in seiner Zeitrechnung bereits zwei Jahre her. Ike schüttelte mit dem Kopf und schnaufte verächtlich.

„Egal was Marko behauptet, es ist Schwachsinn. Erst gestern war ich auf der Bank gewesen um Anne einen Barscheck auszustellen, damit sie gemeinsam mit Eloise ein Brautkleid kaufen konnte. Das Gemeinschaftskonto mit den fünf Milliarden Dollars existiert immer noch!“, behauptete Ike felsenfest.



Henry kniff seine Lippen und schüttelte verständnislos mit dem Kopf. Das war unfassbar. Marko und Ike waren seit ihrer Zeit auf der Universität im Centrum unbarmherzige Kontrahenten gewesen, die sich ständig das Leben schwer und gegenseitig gemobbt hatten. Nun hatte man beide bereits in unterschiedliche Jahre beordert, damit ein Aufeinandertreffen eigentlich ausgeschlossen war. Scheinbar war diese Distanz immer noch nicht ausreichend genug, um die ewigen Streithähne auseinander halten zu können. Wahrscheinlich müsste man beide auf verschiedene Planeten, vorzugsweise in unterschiedlichen Zeitepochen verbannen, um gewisse Reibereien zwischen ihnen wirklich absolut auszuschließen.

„Ich kenne Rijken und er wird es nicht einfach so hinnehmen, eine Konventionalstrafe von mindestens 80.000 Euro zu bezahlen, wenn er der Annahme ist, dass er es ausgerechnet dir zu verdanken hat.“

Als Ike gerade dabei war, erneut Einspruch zu erheben, winkte Henry genervt ab.
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„Eure Differenzen sind mir im Grunde scheißegal. Von mir aus könnt ihr euch gegenseitig die Köpfe einschlagen, gegeneinander klagen, wie es euch beliebt, aber auf dem verdammten Bankkonto waren fünfeinhalb Milliarden Dollar gut geschrieben … DAS interessiert mich! Und ich werde nachforschen, mein Lieber. Ich werde nachforschen, wer das Gemeinschaftskonto aufgelöst hat, und weshalb. Sollte irgendein Schleuser oder Agent die Kohle veruntreut haben, werde ich es unweigerlich herausfinden!“, drohte Henry.

Ike schüttelte nur lächelnd mit dem Kopf.

„Henry, du bleibst ja sicher Übernacht bei uns und am Montag gehen wir sofort gemeinsam zur Bank. Ich kann dir jeden Groschen belegen und …“

„Ach, halt doch die Klappe“, fuhr er ihn zornig an, sodass aber niemand seinen Missmut mitbekam, und schlang sogleich ein Kuchenstück hinunter.

„Rijken befindet sich zurzeit im Jahre April 1912. Er betreut grade die zwei Akademiker, die mit der Titanic reisen werden. Es liegen also achtzehn Monate zwischen euch. Das Geld wird sich am Montag ganz gewiss noch auf dem Bankkonto befinden, aber irgendwann werden die Milliarden, die Staatsgelder sind, spurlos verschwinden. Ich behaupte ja gar nicht, dass du es warst. Ich werde ab sofort veranlassen, dass alle zahlungskräftigen Banken auf der Welt kontrolliert werden. Wäre doch gelacht, wenn wir den Übeltäter nicht erwischen.“ Henry atmete einmal schwermütig auf, bevor er in seinen Kuchen stach und einen weiteren Happen verschlang.

„Ich hoffe nur, keine weiteren Überraschungen zu erfahren, die dich betreffen. Sag mal …“, sprach er kauend, „wie spät ist es eigentlich?“



Ike rückte seinen Zylinderhut etwas zurück, stützte seine Hände auf die Hüfte, schaute betrübt zur Tanzfläche hinüber und seufzte. Eloise lachte laut und tanzte grad mit ihrem Vater. Aus seinem ironischen Unterton hörte er heraus, dass Henry bereits über den Verlust seiner Taschenuhr informiert war. Der Chef des Geheimdienstes wusste also auch darüber Bescheid. Seine Taschenuhr war immer noch im Besitz von Bugsy, dem Anführer der Straßengang Dark Crows.

„Es ist mir scheißegal wie du es anstellst, aber du musst dir deine verfluchte Taschenuhr schnellstmöglich wieder zurückholen. Ansonsten ist der Geheimdienst dazu gezwungen, die Belfast Mission abzubrechen. Dieser Befehl kommt nicht von mir, sondern vom Staatspräsident Hendrik Klaasen persönlich.
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Hast du das begriffen?! Ike, bemühe dich endlich. Finde heraus, wo sich dieser verdammte Bugsy aufhält!“, fauchte Henry ihm ins Gesicht.

Ike schluckte, schob seinen Zylinderhut etwas zurück, blickte zur fröhlichen Hochzeitsfeier und nickte. Ein Abbruch der Mission würde bedeuten, dass diese Hochzeit nie stattgefunden hätte, dass er Eloise niemals kennenlernen würde. Aber in seiner Erinnerung würde dies alles nicht ausgelöscht sein. Und zurückbleiben würde nur sein Schmerz, und Eloise würde wahrscheinlich in der Ehe mit Peter Gallagher irgendwann zugrunde gehen.
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