Mortal Sin Herbst 2003- The Awful Truth   0

Romane/Serien · Spannendes

Von:    JoHo24      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 14. April 2020
Bei Webstories eingestellt: 14. April 2020
Anzahl gesehen: 1859
Kapitel: 0, Seiten: 0

Diese Story ist die Beschreibung und Inhaltsverzeichnis einer Reihe.

Verfügbarkeit:    Die Einzelteile der Reihe werden nach und nach bei Webstories veröffentlicht.

Man sagt, die Zeit heile alle Wunden. Dem stimme ich nicht zu. Die Wunden bleiben, mit der Zeit schützt die Seele den gesunden Verstand und bedeckt ihn mit Narbengewebe und der Schmerz lässt nach, aber er verschwindet nie.

- Rose Kennedy





Der prasselnde Dauerregen am grauen Himmel betrübte ihn und ließ seine Stimmung endgültig in den Keller sinken.

James Matthew Roddick saß über seinen Mathehausaufgaben, auf die er sich kaum konzentrieren konnte. Das permanente, rhythmische Trommeln des Regens gegen die Fenster seines Schlafzimmers dröhnte in seinen Ohren. Minutenlang kämpfte er darum seinen Kopf zu klären, damit er seine Gedanken ordnen konnte, ohne Erfolg.

Seufzend lehnte er sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und legte den Kopf in den Nacken. Dann setzte er mit seinem rechten Fuß den Stuhl in Bewegung und drehte sich immer schnel-ler und schneller um die eigene Achse, bis ihm ganz schwindelig wurde. James stoppte abrupt den Stuhl, was seine Augen auf eine wirre Irrfahrt schickte. Es dauerte ein paar Minuten, bis der Schwindel verschwunden war und er seine Umgebung wieder fixieren konnte. In diesem Moment klopfte es an seiner Tür.

„Komm rein“, sagte er, da er wusste, dass es nur sein Adoptivvater sein konnte. Und tatsächlich betrat William Cunningham keine Sekunde später sein Zimmer. Wie üblich trug er einen Anzug, ein Hemd und eine dazu passende Krawatte, was ihn streng und wichtig aussehen ließ.

„Was machst du?“, fragte er trocken, während er zu ihm herüberkam.

„Ich mache meine Hausaufgaben, aber ich komme nicht wirklich weiter.“

„Was ist das Problem?“ Er trat an seine Seite und warf einen Blick auf seine Rechenaufgaben.

„Ich bin nicht ganz bei der Sache, William“, gab er ehrlich zu. „Ich muss oft an sie denken.“ Seine Stimme war brüchig und leicht zittrig. Wie von James erwartet, erwiderte er nichts dar-auf. Der Tod seiner Adoptivmutter Grace war jetzt vier Monate her. Seit dieser Zeit herrschte eine beklommene Atmosphäre und William war nicht mehr der Mann, der er zuvor gewesen war.

Ein Schatten hatte sich über ihn gelegt, der ihn wortkarg, abweisend und gefühlskalt gemacht hatte. Aber auch an James war ihr Tod nicht spurlos vorbeigegangen.
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Ein weiteres Mal hatte er eine wichtige Bezugsperson verloren; die Frau, die eine Ersatzmutter für ihn gewesen war.

Grace hatte ihm Halt und Liebe gegeben und ihm Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt. Nach Jahren in einem Waisenhaus; in vollkommener Einsamkeit hatte er sich wieder geborgen und sicher gefühlt. Nun war dies jedoch vorbei und James war gezwungen sich erneut umzustellen und zu akzeptieren, dass Grace für immer gegangen war. Unweigerlich fragte er sich, trotz seines jungen Altern, ob es sein Schicksal war Menschen, die ihm etwas bedeutetem, früh zu verlieren. Es schien, als hinge der Tod fest an ihm, wie sein eigener Schatten. Er saß ihm im Nacken und so hatte er nicht die Chance ihn abzuschütteln und zu fliehen.

„Mir geht es ebenso“, äußerte er tonlos und trübsinnig. Die Trauer um Grace schwebte wie schwere dunkle Wolken über ihren Köpfen und drückte ihnen beiden aufs Gemüt. Ihr wär-mendes Licht hatte sie von einen Tag auf den anderen ohne Vorwarnung verlassen und da-durch eine Finsternis hinterlassen, die sie zerfraß. Eine beklemmende Stille breitete sich über ihnen aus, in der sie ihren Gedanken nachhingen. Erst, als William sich laut räusperte, wurde das Schweigen gebrochen.

„Nun“, fing er an. „Ich bin hier, weil wir ein ernstes Gespräch führen müssen, James. Ein Erwachsenengespräch.“ Neugierig horchte er auf und schaute hoch zu seinem Adoptivvater, der nachdenklich und höchst angespannt wirkte. James legte die Stirn in Falten und fragte sich, was ihn so sehr beschäftigte. War es alleine der Tod seiner Frau oder war es noch etwas anderes?

„Gut, und um was geht´s?“, konnte er nicht verhindern, dass er aufgeregt klang.

„Gehen wir für das Gespräch in mein Arbeitszimmer.“ Williams Arbeitszimmer. Für James war dieser Raum bis dato verboten gewesen, als wolle sein Adoptivvater ein Geheimnis vor ihm verbergen. Ein Geheimnis, welches er unbedingt erfahren wollte; vor dem er sich jedoch auch gleichzeitig fürchtete. Dementsprechend schlotterten seine Knie, als er sich erhob und William hinaus auf den langen Korridor folgte. Je näher sie seinem Arbeitszimmer kamen, desto schneller und heftiger schlug sein Herz. Seine Nervosität stieg rapide an und machte ihn ganz hibbelig.

Sein Adoptivvater öffnete indes die Tür zu seinem Arbeitszimmer und wartete auf ihn. James versuchte sich zu beruhigen, bevor er eintrat und zum ersten Mal seit den zwei Jahren, in de-nen er in diesem Haus lebte, sein Büro sah.
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Durch drei langgezogene Fenster drang verwaschenes Tageslicht, das den Raum zu einem deprimierenden und bedrückenden Ort machte. Er verspürte auf Anhieb eine Enge in seiner Kehle und dem Brustkorb, was kein gutes Zeichen war. Dennoch wagte er sich weitere Schritte vor und ließ seinen Blick umherwandern. Die Wände waren holzvertäfelt, an der Decke hing ein kleiner Kronleuchter und an einer Seite entdeckte er einen Kamin. Ihm gegenüber stand ein massiver Schreibtisch, vor dem zwei Ledersessel standen.

Die gesamte Einrichtung vermittelte einen Eindruck von Macht, Dominanz und Stärke. Dem 12-Jährigen war auf Anhieb mulmig zumute und ein Schauer lief ihm über den Rücken. Seine Aufregung war schlagartig verschwunden und der Angst gewichen, denn er spürte, dass das, worüber William mit ihm sprechen wollte, etwas Furchtbares war, das sein Leben verändern würde.

„Setz dich, James“, befahl sein Adoptivvater eisern, ehe er die Tür schloss und sich strammen Schrittes hinter den Schreibtisch begab. Jetzt ging es los. Jetzt wurde es ernst.

Wie mechanisch bewegte er sich und nahm auf einem der Sessel Platz. William setzte sich ihm gegenüber und schaute ihn direkt an. Seine Miene und Augen verrieten seine Anspannung und das er sich gerade genaustens überlegte, was und wie er dies James am besten sagen sollte. Während es weiter hinter seiner Stirn ratterte, knetete der 12-Jährige seine schweißnassen und eiskalten Hände, die in seinem Schoß lagen.

Auf der einen Seite flehte er inständig, dass er nun endlich mit der Sprache herausrückte und die unerträgliche Nervosität ein Ende hatte. Auf der anderen Seite wünschte er sich zurück in sein Zimmer und dass er dieses Gespräch mit ihm nicht führen musste.

„Du musst allem voran wissen, dass ich mir sehr lange Gedanken darüber gemacht habe, be-vor ich mich entschlossen habe mit dir zu reden, James. Das Thema, worüber wir gleich sprechen werden, ist schon für einen Erwachsenen emotional sehr anspruchsvoll, daher habe ich mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht“, begann er und bereitete ihn auf etwas Schlimmes vor. Emotional sehr anspruchsvoll, wiederholte er gedanklich Williams Ausspruch. Was sollte das bedeuten? Bevor er weitergrübeln konnte, fuhr sein Adoptivvater fort.

„Ich habe dich in den letzten Monaten jedoch als sehr gereift, besonnen und kontrolliert er-lebt, was mich dazu bewogen hat dir offen und ehrlich gegenüber zu sein.
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Hieß das etwa, dass er ihn die ganze Zeit über belogen hatte? Welches Geheimnis verbarg er seit Jahren vor ihm?

„Ich sehe dir an, dass du dir gerade tausend Fragen stellst, James. Keine Sorge, ich werde sie alle beantworten“, versuchte er bei ihm die Unsicherheit und Überforderung zu lösen, was allerdings nicht gelang.

„Ich möchte dich in erster Linie darüber aufklären, womit ich mein Geld verdiene. Dies wird weder für dich, noch für mich leicht, denn selbst Grace…“ Seine Stimme erstarb mitten im Satz, was ihn offenbar selbst am meisten ärgerte. Immerhin wollte er ihm beweisen, wie unerschütterlich und beherrscht er war.

„Grace…“, startete er einen neuen Versuch. „Selbst sie wusste nicht, was ich die letzten 15 Jahre für ein Geschäft geführt habe. Für ihr Wohl habe ich sie belogen, denn die Wahrheit hätte sie zerstört und sie mich hassen lassen.“ Williams Gesicht wurde zu einer steinerne Mas-ke, die im weiteren Verlauf des Gesprächs seine Emotionen verbergen und ihn schützen soll-te. James´ Muskeln verkrampften sich, was ihm Schmerzen bereitete, die seinen ganzen Kör-per in Besitz nahmen. Jeden Moment wartete er darauf, dass sein Adoptivvater die Bombe platzen ließ und ihn in sein Geheimnis einweihte. Lange konnte es nicht mehr dauern.

„Es gibt einen bestimmten Grund, warum ich es dir sage, James. Ich möchte nämlich, dass du in meine Geschäfte einsteigst und für mich arbeitest.“

„Ich soll für dich arbeiten? Aber…aber ich bin doch erst 12 Jahre alt“, stammelte er.

„Das ist mir bewusst, deswegen wirst du auch nicht sofort für mich tätig sein. Nein, du musst zuvor noch sehr viel lernen. Du wirst erst in ein paar Jahren bereit und gut genug sein, James“, stellte er eindringlich klar. „Und zwar, nachdem du durch mich trainiert wurdest. Du wirst ein nie dagewesenes Maß an Disziplin, Härte und Fleiß kennenlernen.“ Seine Worte und Tonlage wurden strenger, kälter, harscher. Ein völlig anderer Mensch saß vor ihm und nicht der Mann, der ihn adoptiert und wie einen eigenen Sohn aufgenommen hatte. Was wurde hier nur gespielt?

„In was willst du mich trainieren? Und was soll ich alles lernen?“, brach es übereifrig und laut aus ihm heraus, wovon William wenig begeistert war.

„Zügel dich, James“, raunte er ihm über den Schreibtisch hinweg an.
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„Ich werde dir alles er-klären, also sei jetzt gefälligst still und hör mir zu!“ Nach seiner wütenden Ansage wagte es James nicht sich zu rühren oder zu atmen. Er ahnte, dass ein weiterer Verstoß nicht so glimpflich für ihn ausgehen würde.

„Meine Geschäfte drehen sich um den Tod, verstehst du? Ich bekomme Mordaufträge, die dann von meinen Mitarbeitern ausgeführt werden. Damit verdiene ich mein Geld, James. Ich werde für den Tod von Menschen bezahlt.“ Die schreckliche Wahrheit brach unvorbereitet über ihn herein und vernichtete alles, woran er jemals geglaubt hatte. James Roddick wurde speiübel und er spürte, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich. Noch bevor er halbwegs diese Nachricht verdaut hatte, sprach William weiter. Er gönnte ihm keine Pause.

„Die Geschäfte laufen gut, James. Sehr gut sogar und deshalb verlange ich, dass du mit ein-steigst, damit du irgendwann meinen Posten übernehmen kannst.“ Es folgte der nächste Hammerschlag, den er kaum verkraften konnte. Was sollte er tun? Menschen töten? Verdammt, er war doch noch ein Kind!

„Aus diesem Grund werde ich dich von nun an ausbilden. Wir werden täglich trainieren, da-mit du auf deine zukünftigen Aufgaben vorbereitet bist. Du wirst schon sehen! In wenigen Jahren wirst du bereits das erforderliche Knowhow besitzen und meine Erwartungen übertreffen.“ Zum ersten Mal seit ihrer Unterhaltung lächelte sein Adoptivvater, doch es war ein süffisantes und grausames Lächeln, was ihn in seinem Sessel zurückschrecken ließ. William präsentierte eine Seite, die schon immer in ihm existiert hatte und die er nach Graces Tod nun ungeniert zeigen und ausleben konnte. Hatte seine Adoptivmutter jemals eine Ahnung gehabt, wer ist Mann wirklich war? War die Liebe und Ehe zwischen den beiden über die ganze Jahre hinweg bloß ein Lügengebilde gewesen? Wie glücklich waren sie wirklich?

„Ich weiß nicht, was es da zu Lachen gibt“, überwand James den ersten Schock und bot Willliam Paroli. Er war zwar sein Adoptivvater; sein gesetzlicher Vormund, aber das gab ihm noch lange nicht das Recht ihn in eine Zukunft zu zwingen, die unmenschlich und widerwärtig war. In eine Zukunft, die nur seinen Zwecken diente und die die Vorstellungen und Wün-sche von James völlig ignorierte.

„Du bringst Menschen um und willst, dass ich dasselbe tue? Hast du dir mal zugehört? Das ist verrückt und wahnsinnig.
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Du bist verrückt und wahnsinnig!“, donnerte er. Anschließend sprang er auf und war im Begriff hinauszustürmen, als William ihn von hinten am rechten Arm packte und ihn gewaltsam zurück auf den Sessel beförderte.

„DU BLEIBST HIER!!!“ Sein lautstarkes Gebrüll war furchteinflössend und ging ihm durch Mark und Bein.

„Du bist nicht in der Position mir zu widersprechen, kapierst du das?!“ Er griff an seine Kehle und drückte unerbittlich zu. In seinen graublauen Augen fand er nichts anderes außer flammendem Zorn. „Du wirst mich nie wieder beleidigen! Und du wirst verdammt noch mal das tun, was ich dir sage!“ Darauf folgten mehrere heftige Schläge, die ihm die Sinne raubten. Nie zuvor in seinem Leben war er geschlagen worden, dementsprechend litt nicht nur sein Körper, sondern auch seine Psyche, die Verletzungen davontrug, die niemals heilen und tiefe Narben hinterlassen würden.

Nach einer Salve aus Gewalt und Brutalität, ließ sein Adoptivvater mit schweißnassem Gesicht und schwer atmend von ihm ab. James schmeckte Blut in seinem Mund, das er herunter-schluckte, statt es auszuspucken. Der metallene Geschmack reizte seinen Magen und führte bei ihm zu Übelkeit. Er musste würgen und stand kurz davor sich zu übergeben, was er im letzten Moment zum Glück noch abwenden konnte. In der Zeit, in der er Luft holte und mit den Folgen seiner Attacke kämpfte, spazierte William hinter seinen Schreibtisch und betrachtete ihn dabei, als sei er Abschaum; ein Schädling, der in sein Haus gekrochen war und er sich nun überlegen musste, was er mit ihm anstellen sollte: ihn zerquetschen oder in die Freiheit entlassen.

James Roddick fühlte sich unerwünscht und fremd in seinem Zuhause. Mit seiner Adoptiv-mutter war auch das gute und enge Verhältnis zu William gestorben. Alles um ihn herum zerbrach und lag in Trümmern vor seinen Füßen. Die letzten zwei Jahre waren eine Scheinwelt gewesen, die er erschaffen hatte, um ihn hinterhältig in die Falle zu locken. Entsetzt und wütend über diesen Umstand fletschte er die Zähne und spuckte demonstrativ auf den Boden. Egal waren ihm die nachfolgenden Konsequenzen aufgrund seines respektlosen Verhaltens. Der 12-Jährige hatte einen starken Willen und eine gewisse Härte entwickelt, da er in seinem erst jungen Leben schon einige Schicksalsschläge hatte ertragen müssen.

Er würde sich trotz Williams Kaltblütigkeit nicht den Mund verbieten oder sich etwas von ihm vorschreiben lassen.
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James würde Widerstand leisten, schließlich ging es hier um seine Zukunft und in der sah er sich nicht als mehrfacher Mörder.

„Was wirst du mit mir machen, wenn ich deinen Befehlen nicht gehorche, huh? Wirst du mich dann töten, DAD?“, sprang er ein zweites Mal aus seinem Sessel, stützte seine Arme auf den Tisch und blickte ihm provokant und aggressiv entgegen. James war der Überzeugung, dass er seinen Adoptivvater einschüchtern und sich gegen ihn beweisen konnte, aber er lag vollkommen falsch. Aus Williams Kehle erklang spöttisches Gelächter, welches ihn in seine Schran-ken wies.

„Mach dich nicht lächerlich“, äußerte er, nachdem er damit fertig war über ihn zu lachen. „Ich würde dich niemals töten, James.“

„Da bin ich mir leider nicht so sicher. Besonders nach allem, was ich heute über dich erfahren habe.“ Zu seiner eigenen Verärgerung konnte er seine grenzenlose Enttäuschung nicht ganz verbergen, was er sogleich belächelte und ihm als Schwäche auslegte.

„Ich weiß, dass dich meine Bekenntnisse erschüttern, James, doch ich hatte mehr Professionalität und Gelassenheit von dir erwartet.“

„Scheiße, wie kommst du auf so einen hirnlosen Schwachsinn?! Ich bin ein Kind, falls du das vergessen hast, und keiner deiner abgebrühten Killer“, war der 12-Jährige außer sich vor Wut. Wie konnte er bloß glauben, dass er sein Geheimnis locker wegstecken würde?

„Erstens redest du nicht mehr wie ein unterbelichteter Prolet und zweitens bist du noch keiner von ihnen“, korrigierte William ihn mit erhobenem Zeigefinger, als sei er ein Lehrer und James sein Schüler, der eine falsche Antwort gegeben hatte.

„Du wirst das Töten lieben lernen, James. Kein Gefühl ist damit vergleichbar und ehe du dich versiehst, wirst du süchtig danach sein und nicht mehr darauf verzichten können.“ Seine Miene hatte erneut einen ernsten, maskenhaften Ausdruck angenommen, doch in seinen graublau-en Augen loderte ein Feuer. Es zeigte seine eigene Leidenschaft und Begeisterung für das Töten und ihm wurde bewusst, dass William selbst einmal der Tätigkeit eines Killers nachge-gangen war. James saß demnach einem Mörder gegenüber, an dessen Händen Blut unzähliger Menschen klebte, denen er das kostbare Leben genommen hatte.

James musste seinen Blick abwenden.
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Er konnte und wollte William nicht weiter ansehen. Ihn ekelte seine pure Existenz an, was er sich vor einer halben Stunde niemals hatte vorstellen können.

„Ich will nicht in deine Fußstapfen treten!“ Sein Adoptivvater kam hinter dem Schreibtisch hervor und näherte sich ihm. Der Dunkelhaarige stellte sich auf eine zweite Runde an Schlägen gegen ihn ein, aber es kam anders. William ging an ihm vorbei und trat hinter ihn, was ihn nervös machte. Was hatte er vor?

„Willst du mich nicht stolz machen?“, flüsterte er ihm von hinten ins Ohr. „War es nicht immer dein Wunsch mir nachzueifern und so zu sein, wie ich?“ Mit seinen Worten traf er mitten ins Schwarze und das wusste er. Schamlos verwendete er all das gegen ihn, was James in sei-ner Bewunderung für ihn gesagt hatte, um ihn zu manipulieren. Ja, William war sein Vorbild gewesen; die Art Mann, die er selbst einmal werden wollte. Dies hatte sich allerdings schlag-artig geändert.

„Du hast mir versprochen, dass ich mich auf dich verlassen kann und du mich nicht enttäuschen wirst, erinnerst du dich?“, umkreiste er ihn und hatte großen Spaß daran ihn zu verwirren und in seinen Gedanken herumzupfuschen.

„Du würdest alles tun, um was ich dich bitte. War es nicht so, James?“ Sein Ton war spitz und herausfordernd. Er forderte, dass er seine Versprechen, die er ihm gegeben hatte, einhielt. Versprechen, die er sorglos und naiv ausgesprochen hatte, ohne lange darüber nachzudenken oder zu ahnen, in welchen Kreisen sein Adoptivvater unterwegs war.

„Das ist nicht fair!“, erwiderte James, als William vor ihm stehen blieb.

„Das Leben ist nicht fair, Junge. Das ist die erste Lektion, die du von mir lernst.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und schaute auf ihn herab.

„Ich bin ein Mann, der sein Wort hält und dies auch von anderen erwartet, insbesondere von dir James.“

Ohne Vorwarnung packte er ihn bei den Schultern und grub seine Finger schmerzhaft in sein Fleisch.

„Aus dir wird etwas Großes werden. Ein Mann mit Macht, Ansehen und dem von jedem Respekt gezollt wird“, äußerte er inbrünstig. „Niemand wird es wagen sich mit dir anzulegen, James. Du hast keine Vorstellung davon, was für eine wunderbare Zukunft dir bevorsteht.“ William schwärmte von seiner eigenen Gegenwart; seinem Dasein als mächtiger Boss von Killern, die zu allem bereit waren und ihm und seinen Befehlen folgten.
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James stand schweigend vor ihm und wusste keinen Ausweg aus dieser Misere. Sein Adoptivvater verlangte blinden Gehorsam von ihm, doch sein Gewissen und gesunder Menschen-verstand hatten Einwände gegen seine Pläne. Er konnte doch unmöglich das tun, was er tat, oder?

Seine stahlgrauen Augen fixierten William und suchten nach etwas, was ihm eine Antwort geben und bei der Entscheidung helfen würde. Er fand einen selbstsicheren und stolzen Mann, der vollends in einem Beruf aufging, den er nur aus Filmen oder Büchern kannte. Das diese Welt; diese Tätigkeit von heute an, seinem Willen nach, zu seiner Realität gehören sollte, begriff er immer noch nicht. James schwirrte der Kopf. Es war einfach alles zu viel für ihn.

Allmählich sackten bei ihm die knallharten Informationen, die er erhalten hatte, was sich auf sein körperliches Befinden niederschlug. Seine Beine wurden weich und knickten ein, aber er stützte nicht zu Boden, denn sein Adoptivvater hielt ihn fest.

„Du solltest dich wieder setzen, James“, sagte er fürsorglich, was er ihm nicht wirklich ab-nahm. „Komm, ich helfe dir.“

Mit enormem Druck auf seine Schultern presste er ihn zurück in den Sessel, der hinter ihm stand. Für einen flüchtigen Moment fühlte sich der 12-Jährige sicher. Dies änderte sich allerdings, als William sich vor ihn hockte und mit seinen Augen durchbohrte. Es gab kein Entkommen, sowohl vor ihm, als auch vor der Zukunft, die er für ihn auserkoren hatte.

„Du wirst in den nächsten Tagen den Schock überwinden und verstehen, was für eine Chance sich dir bietet, James. Es ist ein Privileg für mich zu arbeiten. Es ist ein Privileg von mir aus-gebildet zu werden“, machte er deutlich und wurde während seiner Rede immer energischer.

„Du wirst verstehen, was das Besondere an meinem Metier ist und was alles dahinter steht. Deine Bedenken werden schnell verschwinden und du wirst durch mein Training besser und besser. Ich mache aus dir einen wichtigen und unverzichtbaren Teil meiner Arbeit. Ich bin mir sicher, dass du die Leistung der anderen Killer übertreffen wirst, James Roddick, weil du ein kluger und einzigartiger junger Mann bist“, fütterte er ihn mit Komplimenten und überschüt-tete ihn mit Lob.

Williams Vertrauen ihm gegenüber und seine Hymnen auf ihn ließen ihn zu seiner eigenen Verwunderung nicht kalt.
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Ihn bewegte sein unerschütterlicher Glaube an ihn und seine Fähigkeiten. Sein Adoptivvater sah in ihm kein Kind, was er eigentlich noch war, sondern bereits einen jungen Erwachsenen, dem er weitaus mehr zutraute, als er sich selbst. James kam mehr und mehr ins Grübeln, was bei ihm zu Kopfschmerzen führte. Er schloss seine Augen und wollte bloß alleine sein, um zur Ruhe zu kommen und den Inhalt dieses Gespräches zu verarbeiten. Sein Wunsch wurde jedoch nicht erhört.

„James“, klang seine Stimme beinahe sanft und verständnisvoll. William wartete so lange, bis er seine Lider hob und ihn ansah.

„Du schaffst das, davon bin ich fest überzeugt, sonst hätte ich dich nie in meine Geschäfte eingeweiht.“ Sein Gesichtsausdruck war geprägt von Milde und Wärme, die ihn in den Willi-am zurückverwandelten, den er vor dem Tod von Grace gekannt hatte. Augenblicklich schlich sich ein Lächeln auf James´ Lippen, das sein Gegenüber als Zustimmung wertete.

„Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann, James.“ Auch er ließ sich zu einem Lächeln hin-reißen, das Freude und Erleichterung offenbarte. Der Dunkelhaarige fühlte sich etwas über-rumpelt, traute sich aber nicht zu widersprechen. Letzten Endes machte es keinen Unter-schied, ob er sich für oder gegen Williams Vorhaben entschied.

Es lief darauf hinaus, dass er in sein zukünftiges Leben als Auftragskiller eingeführt und dem-entsprechend ausgebildet wurde und das mit seinem Einverständnis oder unter Zwang. James würde wohl das Beste aus der Situation machen und jene akzeptieren müssen. Momentan konnte er sich gedanklich damit abfinden, aber spätestens, wenn es Ernst wurde und das Training mit William begann, würden alle Bedenken und Ängste wieder hochkochen und ihn restlos überfordern.

Doch es war keine Option Schwäche zu zeigen. Sein Adoptivvater verließ sich auf seine Stärke und darauf, dass er die Ausbildung zum Killer zielstrebig, diszipliniert und erfolgreich hinter sich brachte. Von jetzt an hieß es sich zusammenreißen und keinerlei Emotion durchblitzen lassen. Das heutige Gespräch hatte ihn gelehrt sich nicht aufmüpfig zu verhalten, sondern den Ansagen Williams widerstandslos zu folgen.

Jetzt bewahrheitete sich seine Befürchtung, dass er der Tod an ihm haftete und es unmöglich war ihn loszuwerden. Von nun an würden sie sogar Verbündete sein; Partner, die gemeinsam blutige und düstere Wege beschritten.
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Ja, der Tod war sein Schicksal. Mit ihm würde er auf ewig verbunden sein, bis er selbst durch ihn diese Welt verließ.
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