Nachdenkliches · Kurzgeschichten

Von:    Luna Seele      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 24. Oktober 2012
Bei Webstories eingestellt: 24. Oktober 2012
Anzahl gesehen: 2036
Seiten: 2

Du zerrst mir den Farbtopf aus der Hand und greifst zum Pinsel.

Du sagst, ich benutze zu viele dunkle Farben. Und übermalst alles.

Ich nehme ein helles Blau, beginne erneut, Bilder an die Wand zu zeichnen.

Ich halte es für fertig, ich habe mir unglaubliche Mühe gegeben, beinahe denke ich, es wäre perfekt. Es leuchtet, strahlt beinahe über die dunkelgraue Stadt.

Ich drehe mich zu dir um, hoffe so sehr auf ein Lächeln, ein Nicken.

Du greifst nach meiner Hand, willst du sie endlich wieder halten?

Du nimmst mir behutsam den Pinsel weg. Zu blau. Das ist zu leicht.

Und wieder malst und malst du, bis die Wand erneut schwarz ist. Unscheinbar. Nichts deutet auf das, was ich bewirken wollte, was ich geleistet habe, hin.

Ich habe das Gefühl, du willst nicht, das ich fertig werde. Aber erneut beginne ich zu zeichnen, ziehe lange Striche, mal impulsiv, mal wohl überdacht. Es sieht gut aus, es ist aussagekräftig und überzeugend. Es ist schön.

Du schüttelst den Kopf. Wenige Augenblicke später starre ich wieder auf die leere Wand.

Ich spüre, wie die Sonne beginnt aufzugehen.

Ich habe dir versprochen, fertig zu sein, dass du zufrieden bist, bevor sie ganz am Himmel steht.

Ich wage einen letzten Versuch. Mische alle Farben, zeichne voller Leidenschaft, ekstasisch, verzweifelt, ohne jeden Sinn.

Es ist perfekt. Es zeigt, was ich empfinde, wie ich denke, zeigt es allen, zeigt es dir.

Ich werfe den Pinsel weg, so weit fort, wie ich kann.

Du starrst ihm hinterher. Die Mauer leuchtet im Schein der aufgehenden Sonne, jede einzelne Farbe strahlt meine Liebe hinaus.

Du schaust zu Boden. Es ist wieder nicht gut genug.

Ich beginne zu weinen. Wische mir mit der bekleckerten Hand übers Gesicht und meine Tränen färben sich bunt.

Kurz hebst du den Kopf, begegnest meinem Blick.

Du hattest ebenso wie ich gehofft, dass ich es schaffe.

Dass ich etwas zaubere, was dich glücklich macht, was wieder Leben in dir weckt.

Stattdessen stehen wir gemeinsam vor diesem unperfekten Kunstwerk.

Du hältst mir deine Hand hin.

Ich ergreife sie, wie könnte ich anders, hinterlasse rote, blaue und gelbe Spuren auf ihr.
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Du guckst mich weiter an. Trittst einen Schritt vor, so dass wir am Rand des Mauerbalkens stehen, hinter uns das Zeichen meiner Liebe und vor uns, in unendlicher Tiefe, die graue Straße, so grau, wie alles um uns herum.

Ich sehe dich an. Du würdest nie springen, du hast nicht den Mut. Oder bist du nur nicht so dumm und naiv wie ich.

Du nickst und lächelst.

Ich stelle mir vor, wie ich mir selber große, weiße Flügel male, wie die eines Engels, sie sollen mich tragen, weit weg.

Ich löse meine Hand aus deiner. Strecke mich hoch, um dir einen letzten Kuss zu geben. Eine Träne, rot, bleibt an deinem Gesicht hängen.

Du beachtest sie nicht, siehst mich unverwandt an, wie ich einen kurzen Schritt zur Seite taumele.

Ich schließe die Augen und öffne die Flügel.

Ich weiß nicht, wo ich hin will, aber du willst, dass ich gehe.

Ein Regentropfen trifft meine Haut, er ist klar und warm, ein Versprechen der Natur.

Zögerlich mache ich einen letzten kleinen Schritt nach vorne, meine Zehenspitzen stehen in der Luft, ich spüre wie eine Mischung aus Euphorie und Angst in meinem Blut umherwirbelt.

Der Regen verwischt mein Bild, die Farben mischen sich, verändern die Konturen, machen die Ränder weicher und die Kontraste lösen sich auf.

Ich drehe mich im Fall um mich selbst, der Regen hat auch meine Flügel davonfließen lassen.

Du stehst vor der Mauer, mit geöffneten Mund, ich sehe, wie du die Augen schließt, aussiehst, als ob du weinst. Du nickst. Ich falle.
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Punktestand der Geschichte:   40
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Kommentare zur Story:

  Zuviel Kritik kann Menschen zugrunde richten. Besonders wenn die Kritik von Leuten kommt, die sie sehr schätzen. Auch mir sind Menschen begegnet, denen ich nichts recht machen konnte, einfach, weil sie das nicht wollten. Wenn man solch eine(n) "Nörgler(in) dann auch noch liebt, ist es sehr, sehr schwer, still für sich zu sagen: " Na und, interessiert mich deine Meinung?"
Hervorragend geschrieben. Da gibt es nicht zu meckern. Eine wirklich gute Parabel, sehr gelungen.  
   Gerald W.  -  26.10.12 22:11

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Die Grundidee deiner Texte bleibt immer gleich nur scheint der Stil von Werk zu Werk immer düsterer zu werden. Dieses hier trifft nicht wirklich meinen Geschmack. Es ist (für mich) zu überladen mit Bildern, die sich dann doch immer wieder wiederholen. Ein kürzerer Text hätte hier mehr Ausdruckskraft gehabt.
Auch einige Wörter wie "gucken", "beginnt aufzugehen", usw. sind eher Zeugen schwachen Ausdrucks - die müssen ersetzt werden.

Der Text ist, wie alle deine Werke, sehr emotional, verliert aber durch den übermäßigen Metaphereinsatz besonders im Schlussteil seine Magie und erst die letzten beiden Sätz. bringen durch ihre Knappheit wieder Ordnung diesen metaphorischen Überschwang.  
   Jingizu  -  25.10.12 19:50

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Kommentar von "SCvLzH" zu "Am Meer"

... melancholisch aber schön ...

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Letzte Kommentare

Kommentar von "Evi Apfel" zu "Herrlich nass!"

Das passt.Besonders wenn man, so wie ich, ans Meer verreist ist. Tolles Bild und dazu ein heiterer Reim. Einfach wonnig.

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