Kurzgeschichten · Sommer/Urlaub/Reise · Romantisches

Von:    rosmarin      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 29. April 2010
Bei Webstories eingestellt: 29. April 2010
Anzahl gesehen: 4440
Seiten: 10

Es roch nach Gummi, Öl, Benzin und allem, was sonst noch so unter der Haube eines Autos verborgen ist. Vom Kühler stieg eine Fontäne aus Dampf und verschmierte die gerade geputzte Windschutzscheibe des schwarzen BMW.

Fabius fuhr auf den Pannenstreifen und blieb dort stehen. Er befand sich auf der Autobahn von Bari in Richtung Foggia. Eine zeitlang blieb er bewegungslos im Auto sitzen, dann drehte er das Radio auf und lauschte der Musik, als wäre nichts geschehen. Das war seine Art, die Dinge zu nehmen, wie sie sind, da eine Aufregung sowieso nichts gebracht hätte.

Nach einer Weile intensiven Nachdenkens stieg er aus dem Wagen und öffnete die Motorhaube. Giftige Abgase hüllten ihn in stinkenden Nebel. Schnell wandte er sein Gesicht wieder ab. Der Keilriemen war gerissen.

Fabius hatte keinen Reservekeilriemen dabei und keine Reisebegleiterin, wie damals, als Evi ihren Nylonstrumpf ausgezogen und sie damit die Verbindung zwischen Motor und Kühlung wieder hergestellt hatten. Kommt Zeit, kommt Rat, dachte er gelassen, setzte sich auf den Kofferraum und blickte in die Richtung, aus der die Autos an ihm vorbeischossen. Viele waren es nicht. Es war der Nachmittag eines sonnigen Tages. Die meisten Leute waren wohl am Strand und genossen die schöne Zeit.

Wieder raste ein Wagen an ihm vorüber. Fabius sah ihm sehnsüchtig nach. Da hörte er die Bremsen quietschen, das Auto blieb im Rückwärtsgang vor ihm stehen.

Eine elegante Dame reiferen Alters stieg aus dem Cabrio.

Erfreut ging Fabius ihr entgegen.

„Erwin Fabius?“, sprach sie ihn an. „Wenn ich mich nicht täusche?“

„Ich bin überrascht, dass man mich auch hier kennt“, sagte Fabius verblüfft.

„Die Krimiserie mit Kommissar Lothammer läuft auch bei uns. Mein Name ist Cornelli.“

„Sie sind Italienerin?“

„Ja, mit deutschem Vater, in Hannover geboren, und auch die frühe Kindheit habe ich dort verbracht“, erwiderte sie lachend.



Violetta hatte das deutsche Kennzeichen auf dem Pannenstreifen gesehen und gedacht, behilflich sein zu müssen. Als Fabius dann vor ihr stand, erkannte sie ihn als Kommissar Lothammer. Sie schlug vor, ihn bis zur nächsten Tankstelle mitzunehmen. Dort sei eine Autowerkstatt und sie als Dauerkundin würde sich bemühen, sofortige Reparatur zu erreichen.
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Die Tankstelle befand sich etwa zwanzig Kilometer von dem Pannenort entfernt. Und es war, wie Violetta gesagt hatte. Der Chef schickte sofort zwei seiner Leute, die den Wagen abschleppten.

„Wenn Sie noch Zeit hätten, würde ich Sie sehr gern zu einer Tasse Kaffee einladen“, sagte Fabius mit einer Verbeugung zu Violetta.

„Ja“, erwiderte sie. „Ich habe noch Zeit; die Reparatur wird nicht lange dauern. Ein Keilriemen ist schnell montiert. Ich wohne zwar hier um die Ecke, aber um Sie zu mir auf einen Mokka einzuladen, ist die Zeit wohl doch zu kurz.“

„Ach! Sie wohnen hier?“, staunte Fabius.

„Ja. Dort auf dem Hügel, das Haus.“

„Gott. Sie sagen Haus. Das ist ein ja Palast!“

„Es ist zugleich unser Betrieb. Wir haben Olivenplantagen und pressen Speiseöl.“

„Ja, richtig. Jetzt fällt es mir wieder ein. Der Name Cornelli ist ja sehr bekannt. Und doch wusste ich zuerst nicht, wo ich ihn einordnen sollte. DAS BESTE AUS DER NATUR. Ist es das?“

„Stimmt, das ist unser Werbespruch", freute sich Violetta. "Sie sprechen italienisch?“

„Sehr dürftig, und sehr selten. Die Leute denken gleich, ich sei der Sprache mächtig und sprechen mich italienisch an.“

„Nicht zu Unrecht, denn Ihre Krimiserie ist in unserer Landessprache synchronisiert.“

Sie setzten sich in den von Blumentöpfen umrandeten Garten zu Tisch und bestellten Fruchtsäfte.

„Cornelli“, sagte Fabius. „Ich las in der Werbung - seit über hundert Jahren im Familienbesitz?“

„Der Großvater meines Mannes hat die Produktion aufgenommen“, erzählte Violetta freundlich. „Es war eine kleine Hütte, nur für ein paar Leute konnte man das Öl pressen. Eigentlich wurde nur das verkauft, was vom Eigenbedarf übrig blieb. Mein Schwiegervater baute die Haine mit seinem Sohn, meinem Mann, auf die jetzige Größe aus. Leider starb er sehr früh, durch einen Autounfall, und die ganze Last blieb an mir hängen.“

„Dachten Sie nie, sich wieder zu verheiraten?“

„Nein!“, rief Violetta mit gespielter Empörung. „Ich habe rechtzeitig meine Bewerber durchschaut. Denn jeder, der von Amore sprach, schielte über meine Schulter auf die Plantage.
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Einer war sogar so offen, oder man kann auch sagen, frech, mir mitzuteilen, er würde mich sofort heiraten, aber die Hälfte des Ganzen müsse auf ihn überschrieben werden. Haha. Und da ich keine Kinder oder sonstige Verwandte habe, käme nach meinem Tode sowieso alles in seinen Besitz.“

„Kaum zu glauben“, schmunzelte Fabius.

Violetta Cornelli lachte hell auf: „Er meinte, er sei ein gut aussehender Mann, und das müsse es mir wert sein.“

Violetta saß so, dass sie in die Richtung sehen konnte, aus der der Abschleppdienst kommen musste.

„So, sie sind schon da“, sagte sie nach einigen Minuten.

„Schade, es war so nett, mit Ihnen zu plaudern.“ Fabius zuckte bedauernd die Schultern. Die beiden Monteure schoben den Wagen in die Werkstatt.

Nach einer Weile kam der Chef und redete auf Frau Cornelli ein, während sein Blick auf Fabius, der nur Bruchstücke verstand, ruhte.

„Bei Ihrem Wagen“, sagte Violetta, „ist auch die Motordichtung durchgebrannt. Der Chef hat keine in Reserve, er könnte aber einen seiner Leute in seine Hauptwerkstatt schicken, um eine Ersatzdichtung zu holen. Es würde aber mindestens vier Stunden dauern.“

Also blieb Fabius nichts übrig, als zuzustimmen und zu warten.

„Dann geht es auch, dass ich Sie zu mir einlade“, sagte Violetta mit einem reizenden Lächeln.

„Das ist also eine der Situationen", erwiderte Fabius aufgeräumt, "von der man sagt, Glück im Unglück zu haben. Und ich bin dem Zufall dankbar", fügte er nach einer Weile hinzu, "mit Ihnen noch etwas Zeit verbringen zu dürfen.“

Das Haus am Hügel erschien Fabius wie eine romantische Filmkulisse. Violetta zeigte ihm den Betrieb. Alles war auf das Modernste eingerichtet. Von der Ernte über das Sortieren bis zum Pressen.

„Ich denke, wir setzen uns in die Laube“, sagte sie. „Da ist ein Springbrunnen, der sorgt für eine frische Brise.“

„Es ist traumhaft schön hier“, schwärmte Fabius. „Ein herrliches Fleckchen Erde.“

„Schauen Sie sich ruhig um“, forderte Violetta ihn auf. „Ich geh mir nur schnell etwas anderes anziehen. Und Martina wird uns gleich etwas Erfrischendes zubereiten.“

Violetta verschwand im Haus und kam nach kurzer Zeit in einem legeren, mit Sonnenblumen bedruckten Hausanzug wieder.
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„Ich kann mich nur wiederholen“, sagte Fabius. „Sie haben ein Stück Paradies hier auf Erden.“

„Kommen Sie mit.“ Violetta nahm Fabius Hand und führte ihn durch alle Räume des Hauses bis auf die Terrasse. „Hier haben Sie einen wunderschönen Ausblick“, sagte sie und zeichnete mit anmutiger Geste einen großen Bogen. Soweit man blicken konnte, reihte sich ein Olivenbaum an den anderen. Selbst am Horizont, dort, wo der Hügel aufhörte und wieder zum Tal abfiel, sah man noch die Reihen der Baumkronen im Sonnenlicht glänzen.

„Wieso wundert es Sie, wenn die Männer über Ihre Schulter auf die Plantage schielen?“, scherzte Fabius „Ist doch ein wunderschöner Anblick.“

In diesem Augenblick kam Martina und fragte, ob sie ihren Kaffee hier trinken wollten. Und natürlich wollten sie. Sie setzten sich so auf die Terrasse, dass sie den Vorderteil des Hauses überblicken konnten. Nach einer Weile sagte Violetta:

„Es ist seltsam.“ Sie sah in Fabius’ blaue Augen. „Sie erinnern mich an jemanden aus meinen Mädchenjahren. Die Stimme, die Sprache ...“

„Hoffentlich eine angenehme Erinnerung?“

„Meine erste Liebe. Also kann es nur etwas Angenehmes gewesen sein.“

„Erzählen Sie“,bat Fabius und sein Herz klopfte einige Schläge schneller. „Es ist immer schön, sich an solche Geschichten zu erinnern. Aber wenn sie zu persönlich sind?“

„Es ist schon zu lange her, als dass man etwas verbergen möchte“, erwiderte Violetta etwas zögerlich. „Aber, komisch, ich habe es noch nie jemandem erzählt. Es wäre also das erste Mal. Immerhin war es vor vierzig Jahren.“

„Erzählen Sie. Ich wäre sehr geehrt.“



„Ich war damals noch Schülerin, süße achtzehn Jahre“, begann Violetta leise, „und wollte Modeschöpferin werden. Ich konnte gut zeichnen und hatte ein Gefühl für Bekleidung. Wenn ich die Leute ansah, hatte ich zu jedem Typ schon die passende Garderobe im Kopf. Meine Ferien verbrachte ich bei meiner Tante in Termoli. Ihr Haus lag direkt am Meer. Mir bereitete es Freude, im Sommer die Menschenmenge und viele Fremde zu sehen. Und es machte besonderen Spaß, wieder deutsch zu sprechen, denn Deutsche gab es in rauen Mengen.
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Mein Stammplatz lag etwas abseits. Ich mied die dümmlichen Annäherungsversuche der jungen Papagallos, die sich in Eroberung der Frauenherzen übten. An einem Tag dieses Sommers, als ich mich meinem Stammplatz näherte, sah ich dort einen jungen Mann sitzen. Ich nahm, wie gewohnt, meinen Platz ein, ganz in seiner Nähe. Ich sagte etwas verärgert auf Deutsch, ich hätte meine Sonnenbrille vergessen. Spontan bot er mir seine an. Er trüge seinen Strohhut ohnehin meist tief über die Augen geschoben, sagte er lachend. Amüsiert lachte auch ich, bedankte mich und fand in diesem Augenblick meine Brille. So habe ich also ein Gespräch angefangen. Nachdem wir uns eine Weile über ein paar Meter Entfernung unterhalten hatten, bot ich ihm an, sich neben mich zu setzen. Er stellte sich als Eric Ahlbeck, Heidelberg, Student der Germanistik, vor und sei schon zum zweiten Male hier auf Urlaub.

‚Violetta’, sagte ich.

‚Ein wunderschöner Name’, sagte Eric, ‚bedeutet auf Deutsch soviel wie Veilchen.’

Ich hatte nicht den Eindruck, er sei ein Schmeichler, denn auch mir selbst gefiel dieser blumige Name. Wir unterhielten uns noch eine Stunde, dann musste ich leider gehen, da ich Klavierstunde hatte. Ob ich morgen wiederkäme, fragte Eric, und ich sagte ja. Und plötzlich, schon im Weggehen, ich weiß nicht, woher ich den Mut nahm, sagte ich noch, wenn er Lust hätte, könnten wir uns abends am Korso treffen. Ein Spaziergang in der bunten Menschenmenge sei immer etwas Lustiges.

‚Um welche Zeit? Wie viel Uhr?’, fragte Eric aufgeregt.

‚Am Abend’, wiederholte ich.

Das heißt bei uns, man geht ein paar Mal hin und her, bis man sich findet. Ich wunderte mich über mich selbst. Um alles in der Welt hätte ich wetten können, niemals einem Mann so entgegen zu kommen. Es lag etwas in der Luft...

Am Abend dann stand Eric etwas abseits vom Gehsteig, um die Vorbeigehenden sehen zu können. Das war vor allem praktisch, wenn man auf jemanden wartet. Ich sah ihn schon von weitem und ging auf ihn zu. Ich nahm ihn sogar bei der Hand, als wir den Korso entlanggingen. Irgendwo setzten wir uns eine kurze Weile auf die Terrasse der Tanzdiele und tranken einen Saft. Dann schlug ich vor, den Korso zu verlassen und am Strand entlangzugehen.
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Es sei ruhiger hier, sagte ich. Ja, es lag etwas in der Luft...

Wir gingen am Ufer entlang in die Dunkelheit. Man hörte schon die Musik aus der Tanzbar ganz entfernt. Eric legte ganz vorsichtig seinen Arm um meine Schultern. Und weil ich es duldete, zog er mich noch etwas näher an sich heran. Wäre ich ein reifer Apfel gewesen, hängend auf dem Baum, ich hätte in diesem Augenblick zu meinen Freundinnen gesagt:

‚Ciao, Fratelle, ich bin reif, heute falle ich ab.’

So war es auch. Das erste Rendezvous, das erste Mal Hand in Hand mit einem jungen Mann. Dann der erste Spaziergang im Dunkeln, und auch der erste Kuss. Alles auf einmal. Am ersten Abend! Und dann so etwas! Gut, dass es dunkel war, denn ich schämte mich sehr. Ich bin doch so erzogen, so etwas nur mit dem Mann zu tun, den ich heiraten würde, und natürlich nur in der Hochzeitsnacht.

Als es vorbei war, war ich froh, dass er mich wieder bis zu der Tanzdiele brachte. Ich verabschiedete mich schnell und lief nach Hause. Und dort kam der große Katzenjammer.

Ich hatte mich in Eric verliebt, und die Sehnsucht, ihn wieder zu sehen, wurde immer unerträglicher. Eine ganze Woche blieb ich zu Hause, nur um zu vermeiden, ihm zu begegnen. Es tat sehr weh. Aber als ich doch wieder zum Strand ging, war Eric nicht mehr da. Einer der Papagallos, der mich an dem Ort des Geschehens fand, kam mir entgegen und erzählte, Eric sei vor drei Tagen zurück nach Deutschland gefahren. Ich erfuhr auch, dass er mit den Jungs befreundet war. Wenn es ihm nicht gelänge, mich zu verführen, soll er gesagt haben, würde er sich eine Glatze scheren. Am nächsten Tag erschien er kahl geschoren. Die Papagallos waren überzeugt von seiner Ehrlichkeit und bewunderten ihn aufrichtig. Ich galt von da an als eine uneinnehmbare Festung. Eric hatte also, um meine Ehre zu schützen, seine Haarpracht geopfert. Dabei hatte ich das Gefühl, ihn verführt zu haben.

Die Papagallos wurden meine Freunde. Sie schützten mich vor jeder Belästigung der Fremden und weihten mich eines Tages in ein Geheimnis ein:

Am Ufer entlang, etwa eine halbe Stunde zu gehen, war ein Weg, der in ein Wäldchen zu einem Hügel führte. Auf der anderen Seite des Abhangs war, übrig geblieben aus der Antike, der Rest eines Palastes zu sehen, von dem noch sieben Säulen erhalten waren.
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Sie waren von oben bis unten mit Mädchennamen beschrieben. Die Jungs hatten die Säulen untereinander aufgeteilt und jeder seine Eroberungen mit Namen und Datum verewigt. Nur eine Säule war ohne Namen. Doch eine Graffitizeichnung zeigte ein in wunderschöner violetter Farbe gesprühtes Blümelein. Ein Veilchen. Darunter stand:

Ich liebe Dich!

Der Sommer verging. Ich sehnte mich nach dem nächsten. Alle sechs Jungs waren gekommen. Nur Eric nicht. Auch das zweite und dritte Jahr nicht. So wartete ich Sommer für Sommer. Doch Eric kam nicht. Inzwischen war ich schon fünfundzwanzig Jahre alt. Angelo Cornelli, einer der Jungs, war immer hinter mir her, doch ebenso, wie die anderen, mit großem Respekt. Eines Tages fragte er mich, ob ich ihn heiraten würde. Einen Monat später waren wir Mann und Frau. Am Morgen nach der Hochzeit, ich war gerade im Bad, hörte ich ein Gepolter aus dem Schlafzimmer, ein Fluchen und Schreien. Ahnungsvoll ging ich nach oben. Angelo stellte gerade das Doppelbett auf das Fußende, dann schleuderte er brüllend die Decken und Kissen und die Matratze und was sonst noch im Bett war, durch das Zimmer und heulte wie ein verletzter Stier.

‚Wenn du die Spuren deiner Heldentat der Hochzeitsnacht suchst, suchst du vergebens’, sagte ich. ‚Eric hat sich die Glatze zu Unrecht geschoren.’

Von nun an war ich eine Ehebrecherin. Ich hätte ihn betrogen, schrie Angelo außer sich, meine Reinheit, die ihm zustünde, einem anderen geschenkt. Er sprach von mir, als sei ich eine Biersorte, die ein Reinheitsgebot vorzuweisen hätte. Dann fiel er über Eric her: Dieser Hurensohn habe nicht nur mich, sondern die ganze Clique betrogen, wütete er. Und ihr Vertrauen missbraucht, dieser Mistkerl. Wenn der ihm noch mal unter die Augen käme.

Irgendwie verstand ich ihn sogar. Die Jungs hatten sich ja aus Solidarität ebenfalls eine Glatze scheren lassen und liefen den ganzen Sommer erfolglos am Strand umher, weil sie mit ihren Eierköpfen aussahen wie Häftlinge auf Kurzurlaub und keine Eroberungen aufweisen konnten.

Scheiden hätte sich Angelo nie lassen, dazu war er zu religiös. Aber was noch schlimmer gewesen wäre, der Grund der Scheidung wäre ans Tageslicht gekommen und damit auch die Schande über ihn, eine "gebrauchte" Frau geheiratet zu haben.
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Außerdem kann uns hier in Italien nur der Tod trennen.

Das tat er auch.

Als Angelo wieder einmal voller Übermut die schmale einspurige und kurvenreiche Straße entlang raste, wurde er in einer unübersichtlichen Kurve von einem anderen Raser überholt und prallte mit einem entgegenkommenden Auto zusammen. Er war sofort tot. So war ich schon vier Monate nach der Hochzeit Witwe.“



Martina kam ins Zimmer. Die Werkstatt hätte angerufen, sagte sie, das Auto sei repariert.

„Wenn Sie wieder einmal in der Nähe sind, kommen Sie doch auf einen Sprung vorbei. Sie sind immer herzlich willkommen“, verabschiedete sich Violetta von Fabius, der sich für die Hilfe und Gastfreundlichkeit bedankte.

„Ihre Geschichte hat mich übrigens sehr berührt", sagte er leise. "Vielen Dank für Ihr Vertrauen.“

Zum Abschied sahen sie sich tief in die Augen und Violetta fügte nachdenklich hinzu:

„Die Ähnlichkeit ist wirklich bemerkenswert. Ich kann mir gut vorstellen, dass er heute so aussieht wie Sie.“



*



Fabius fuhr sehr schnell. Er hatte einen Termin und musste mehrere Stunden Verspätung aufholen. Gegen Mitternacht erreichte er die österreichische Grenze und geriet in eine Art Stau. Bewaffnete Gendarmerie auf der einen Seite, Carabinieri auf italienischem Boden. Alle Fahrzeuge wurden angehalten und streng kontrolliert. Ein junger Kripobeamter warf einen Blick in den Wagen, grüßte höflich und winkte zur Weiterfahrt.

„Vorne, rechts, ist unser Funkwagen, und die SOKO-Leitung“, sagte er.

Fabius war verwirrt. Ein zweiter Beamter, offensichtlich ein Vorgesetzter, kam auf den Jungen zu, um zu sehen, warum er Unkontrollierte weiterfahren ließ.

„Es war der Kommissar Lothammer“, sagte der junge Beamte entschuldigend. „Ich hab ihn zur Leitung geschickt. Wahrscheinlich ist er angefordert worden.“

„Wir haben niemanden angefordert“, sagte der Vorgesetzte streng. „Und schon gar nicht irgendwelche Fernsehkommissare. Sie sind wohl von vonn allen guten Geistern verlassen?!", brüllte er den Jungen an. "Vielleicht ist es gerade der, den wir suchen!“

Sie stiegen in ein Auto, fuhren Fabius nach und erreichten ihn, als er gerade eine Raststätte betreten wollte.
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„Inspektor Lothammer?“

„Nein. - Ja.“

„Was denn nun?! Ja? Nein? Ja!“

„Das ist mein Name für die Rolle“, sagte Fabius ruhig. „Die ich im Fernsehen spiele. Mein Name ist Fabius, Erwin Fabius.“

„Darf ich mal ihre Papiere sehen?“

Fabius reichte dem Beamten seinen Pass. Der blätterte ihn von vorn bis hinten durch. Einmal zurück, wieder von vorn. Dann betrachtete er lange Fabius Gesicht.

„Sie sind also Erwin Fabius?“, fragte er lauernd.

„Natürlich. Wer sollte ich denn sonst sein?“

„Und warum steht dann hier: Eric Ahlbeck?“

„Weil ich Eric Ahlbeck bin."

"Und wieso sind Sie dann Erwin Fabius!"

"Fabius ist mein Künstlername." Fabius war nun doch etwas ungehalten. Wie konnte dieser Kerl nur so begriffsstutzig sein. "Und Lothammer heiße ich in der Fernsehrolle“. sagte er mit Nachdruck.

„Öffnen Sie bitte den Kofferraum“, sagte der Vorgesetzte streng.

Er ließ den Jungen den Wagen untersuchen und ging mit dem Pass in das Polizeiauto. Nach kurzer Zeit kam er zurück.

„Alles in Ordnung“, sagte er betont freundlich. „Sie können jetzt weiter fahren. Sie sind in eine Razzia geraten. Wir suchen einen Waffenhändler. Entschuldigen Sie bitte das Missverständnis.“

„Alles in Ordnung, Herr Kollege.“

Fabius Ahlbeck Lothammer fuhr weiter. Es war ihm schon oft passiert, dass er als Lothammer angesprochen wurde und man ihm gute Tipps und Ratschläge gab.



Und nun das mit Violetta...



Er war damals noch nicht zwanzig Jahre alt und studierte Germanistik. Trotz des reichen Elternhauses und der Taschen voller Geld hinderte ihn nichts, Reisen per Stopp zu unternehmen. Einfach aus Abenteuerlust. Er fuhr, solange es ihm Spaß machte, stieg irgendwo aus, blieb, solange es ihm gefiel, und fuhr mit der nächsten Gelegenheit weiter. Der Zufall brachte ihn nach Termoli. Er suchte einen Ort zum Übernachten und ging am Strand an der Tanzdiele vorbei. Das Nest gefiel ihm. Ein verträumtes Fischerdorf, von der Natur mit Schönheit reich beschenkt.
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Es war schon Abend. Er kroch am Strand unter ein umgekipptes Boot und schlief, als wäre er in einem Hotel. Am nächsten Morgen ging er wieder durch den Ort. In einem Hof fielen ihm mehrere junge Männer auf, die sich mit einem Auto beschäftigen. Er bot ihnen an, die Karre mit Sprayfarbe bunt zu besprühen und zeigte ihnen einige Muster, von denen sie sofort begeistert waren. Auf die Frage, was das kosten würde, winkte er ab und sagte:

‚Tute simpatiko’.

Das bedeutet: aus Sympathie.

Von den Mustern suchten sich die jungen Männer einen mehrfarbigen Drachen aus. Er sollte die ganze Motorhaube bedecken und war in weniger als zwei Stunden fertig. Die Begeisterung war so groß, dass sie ihn in ihre Gruppe aufnahmen und gemeinsam johlend durch die Straßen fuhren.

Nun blieben noch die Mädchen. In dieser Beziehung waren die Italiener ihm weit überlegen.

Mit ihm gingen die Mädchen gern in ein Café oder eine Eisdiele, bedankten sich dann höflich und waren wieder fort.

Seine neu gewonnenen Freunde fuhren ihn zu den „Sieben Säulen“. Er bekam auch eine, doch sie blieb leer. Er musste bald wieder nach Hause und hatte noch nichts erlebt. Da erzählte Silvio, dass das Mädchen wieder hier sei, das alle Jahre käme, und bei der keiner landen könne. Sie habe immer denselben Platz. Das Mädchen sei eine Deutsche, die hier Verwandte habe.

„Das wäre eine Aufgabe für dich“, hatte Silvio gesagt und ihn in die Seite gestoßen. „Da könntest du mal deine Männlichkeit unter Beweis stellen.“

„Kein Problem“, hatte er geprotzt.

Die Jungen nahmen ihn beim Wort. Sie fuhren mit ihm zu den „Sieben Säulen“ und schlossen die Wette ab. Er war sich sicher, er würde verlieren, schlug aber trotzdem als Einsatz seine Haarpracht vor. Da er in vierzehn Tagen sowieso seinen Militärdienst antreten musste, würde ihm eine neue Frisur nichts ausmachen.

Und dann begegnete er Violetta. Sie war zart, anmutig und unschuldig, dass es ihn rührte. Von der ersten Sekunde an hatte seine Verführung mit Liebe zu tun. Am nächsten Morgen ließ er sich nicht nur die Haare scheren, sondern auch den Kopf rasieren. So trug er die so genannte Billiardkugelfrisur.

Drei Tage später fuhr er zurück nach Heidelberg, ohne Violetta wieder gesehen zu haben.
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Vorher war er noch einmal bei den Säulen gewesen und hatte das Blümchen gesprüht.

Während seiner Soldatenzeit dachte er unentwegt an Violetta. Er hatte große Sehnsucht und schrieb seine erste Geschichte. Doch die Zeit heilte auch bei ihm alle Wunden.Er beendete sein unterbrochenes Studium, heiratete zweimal und vergaß allmählich Violetta und „Die siebte Säule“.



Und nun hatte ihn das Schicksal wieder zu ihr geführt...



„Ich Esel!“, dachte Fabius laut, überquerte den Grünstreifen, wendete und fuhr zurück.



***
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Kommentare zur Story:

  hallo, michael, hab ganz lieben dank für deinen netten kommentar, freut mich sehr. der leser soll ja auch staunen.
hier kommen ganz liebe grüße von  
   rosmarin  -  27.05.10 22:01

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Den Meinungen, der anderen kann ich mich nur anschließen.
Für mich ist es immer wieder erstaunlich festzustellen, welch geniale Ideen sich in deinem Kopf zusammenspinnen.
LG. Michael  
   Michael Brushwood  -  06.05.10 13:55

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  hallo, doska und klaus, schön, dass ihr die geschichte gelesen und für gut befunden habt. ja, die liebe, sie ist leise.
grüß euch  
   rosmarin  -  01.05.10 21:57

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  Eine sehr schöne leise Geschichte. Ich kann mich da nur
den anderen vor mir anschließen!  
   klaus60  -  01.05.10 18:40

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  Apropos Säule, von Fabius kann man nicht behaupten, dass er zur Salzsäule erstarrte, als ihm seine große Liebe begegnete. Eine süße kleine Romantikgeschichte die auch mir sehr gefallen hat.  
   doska  -  30.04.10 21:05

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  hallo, ihr lieben, ich freue mich, dass euch diese romantische liebesgeschichte gefallen hat. danke euch. sie beruht übrigens auf einer wahren begebenheit.
grüß euch  
   rosmarin  -  29.04.10 20:52

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  Wirklich eine hübsche kleine Romantikstory, hat auch mir gut gefallen. Man begegnet sich ja doch immer zweimal im Leben;)

Lieben gruß  
   Tis-Anariel  -  29.04.10 17:11

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  eric, erich, fabius... schön, wie sich alles ergibt. und der titel ist auch klasse! der titel ist immer die halbe miete, aber in diesem falle ist er das tüpfelchen auf dem I in lIebe. ;))
lieben gruß  
   Ingrid Alias I  -  29.04.10 16:10

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  Eigentlich meine ich, kein gefühlsduseliger Mensch zu sein, aber deine Romantikstory hat mir außerordentlich gut gefallen. Vielleicht weil sie eben so gar nicht süßlich geschrieben ist? Wunderschön! Und warum sollte so etwas nicht möglich sein? Glauben wir an die Träume!  
   Jochen  -  29.04.10 15:01

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